Freitag, 4. Juli 2025

„Heads of State“ - die Actionkomödie macht in Maßen Spaß

Bekloppter geht es nicht. Man stelle sich vor, dass in einem Film ein Airbus A350-900 mit Friedrich Merz (Friedrich Merz) und Lars Klingbeil (Lars Klingbeil) an Bord über den Alpen abgeschossen wird. Beide Politiker (natürlich totgeglaubt) müssen mit dem Fallschirm abspringen und sich danach durch ein unwirtliches Gelände nach München durchschlagen, um in der Bayerischen Landeshauptstadt rechtzeitig ein fragiles NATO-Gipfeltreffen zu erreichen. 

Dort will ein Mitglied aus Merz‘ Kabinett, das tatsächlich ein Ultra-Rechter ist, das Bündnis zerrütten und in die Auflösung treiben, während die beiden Staatsoberhäupter sich prügelnd und schießend durch den Bayerischen Wald schlagen müssen. Dabei werden sie von einer Heerschar professioneller Killer verfolgt, die zu allem Übel auch noch Zugriff auf eine KI haben, die ihnen die finstersten Staatsgeheimnisse verrät. Geht nicht? Doch. Nur spielen sich in „Heads of State“ die Staatsoberhäupter nicht selbst. Aber ansonsten ist dies die Story, die uns Regisseur Ilya Naishuller („Hardcore Henry“, „Nobody) 113 Minuten lang in seinem neuen Film erzählt. Irre? Ja! Langweilig? Nein!

Das Kino muss irrer werden als die Realität

Man glaubt oder hofft, dass es schlimmer nicht mehr werden kann. Wird es doch. Global laufen derzeit einige Staat Amok. Aber wir befinden uns leider nicht in einem schlechten Film, sondern in der Realität. Um aber dem geschäftsschädigenden Verdikt ‚Life Imitating Art‘ zu entkommen, muss das Kino einfach (wieder) irrer werden als die Realität. Da ist Ilya Naishuller der richtige Mann, denn der russische und zeitweilig in Tel Aviv lebende Regisseur hatte zuletzt mit seinem Film „Nobody“ bewiesen, dass es nicht unmöglich ist, aus Bob Odenkirk einen monströsen Killer zu machen. Wer sowas hinkriegt, kann auch eine Schippe drauflegen.

Die Opening Sequence gibt einen Vorgeschmack. Während der Tomatina in Buñol, Spanien, wird ein aus CIA- und MI6-Agenten bestehendes Team brutal liquidiert. Statt den international agierenden russischen Waffenhändler Viktor Grabov (Paddy Considine) auszuschalten, liegt die leitenden MI6-Agentin Noel Bisset (die indische Film- und Musik-Ikone Priyanka Chopra Jonas spielte u.a. in „Matrix Resurrections“ und der Amazon-Serie „Citadel“) nach dem Gemetzel scheinbar erschossen in einem Scherbenhaufen, während sich hunderte von Spanier bei dem traditionellen Fest mit überreifen Tomaten bewerfen.

Cut. Ein Staatsbesuch des neu gewählten US-Präsident Will Derringer (John Cena) führt zu einer Kontroverse mit Derringers Amtskollegen, dem britischen Premierminister Sam Clarke (Idris Elba). Derringer ist angefressen, weil Clarke mitten im amerikanischen Wahlkampf seinen Konkurrenten zu einem Chips & Fish-Essen eingeladen hatte, das natürlich viral ging. Clarke dagegen hält den ehemaligen Kino-Actionstar Derringer (kleine Hommage an Ronald Reagan) für einen aufschneiderischen Windbeutel, der politisch unerfahren ist und keine adäquaten Umgangsformen besitzt. Trotzdem nimmt Clarke die Einladung an, zusammen mit seinem Widersacher in der Air Force One zu einem NATO-Gipfel nach Triest zu fliegen. Doch weit kommen sie nicht. Die Maschine wird von Grabovs Leuten abgeschossen. Derringer und Clarke landen mit ihren Fallschirmen mitten in Belarus, während die Medien weltweit ihren Tod bekanntgeben. Ihr Ziel ist ein Safe House in Warschau.

Der Film gleitet nicht ins Alberne ab

„Heads of State“ ist kein Actionfilm à la “White House Down”, sondern eine Actionkomödie und ein klassischer Buddy Movie dazu. Das wird spätestens dann klar, als sich Derringer und Clarke mit einer Gruppe von Jugendlichen prügeln müssen, aber nicht aufhören, sich zu beschimpfen. Clarke erkennt, dass Derringer im wirklichen Leben keineswegs der Actionheld seiner Filme ist, und Derringer ist verblüfft, weil sein intellektueller Reisegefährte durchaus nahkampferprobt zu sein scheint. Ilya Naishuller macht aus dem absurden Fight aber keine alberne Farce, sondern balanciert geschickt zwischen Komik und Action. Der heimliche Witz an der Sache ist, dass John Cena einer der beliebtesten Wrestler der WWE ist, aber in der skurrilen Prügelei nur gelegentlich den einen oder anderen Wrestling Move anwenden darf.

Idris Elba und John Cena haben bereits in „The Suicice Squad” (2021) gezeigt, dass die Chemie zwischen ihnen stimmt. Perfekte Voraussetzung für ein Buddy Movie, in dem Cena mit dem Kinostar Elba nicht nur mithalten kann, sondern auch die etwas interessantere, weil großmäuligere Figur spielen darf. Überraschend ist das nicht. Der 48-jährige Cena, der zu den besten professionellen Wrestlern der USA gehört, ist schon seit einem Vierteljahrhundert als Schauspieler erfolgreich im Film- und TV-Business unterwegs. Auch als Executive Producer.

Dass „Heads of State“ trotz der völlig überdrehten Story nicht ins Alberne abgleitet, ist nicht nur den beiden Hauptdarstellern zu verdanken, sondern auch dem Konzept des Regisseurs Naishuller. Dies basiert auf der ruppigen Gewalt von Figuren, die wie in „Nobody“ nie das sind, was sie zu sein scheinen, aber trotz aller Gewalt für das Comic Relief sorgen müssen.

Diese Mischung stimmt in „Heads of State“. Aber nicht immer. Im Warschauer Safe House werden Derringer und Clarke vom CIA-Officer Marty Comer („Oppenheimer“; Jack Quaid ist der Sohn von Meg Ryan und Dennis Quaid) linkisch und scheinbar naiv empfangen. Comer verwandelt sich aber unerwartet in eine Furie, als das von „Olga The Killer“ (Katrina Durden) und „Sasha The Killer“ angeführte Grabov-Team vor der Tür steht. Grabov, der seit den Ereignissen in Spanien das Super-KI-Programm „Echelon“ kontrolliert, weiß quasi alles über jeden in Welt. Erst recht, wo er sich gerade aufhält. Und so muss Comer seine Gäste, die nun auch zu etwas schwereren Waffen greifen müssen, aber unerwartet völlig überfordert wirken, in einer One Man-Show fast im Alleingang retten. Er lässt dabei (vermeintlich) sein Leben.

Mittlerweile ist den beiden Staatsoberhäuptern klar geworden, dass ein Verräter in Derringers Kabinett Grabovs Aktivitäten steuert. Dann wird Clarke das Opfer einer schwere Explosion, als er mit Derringer in Kroatien nach Beweisen für eine Insider-Verschwörung sucht. Doch rechtzeitig zum großen Finale in Triest tauchen Sam Clarke und auch Noel Bisset wie aus dem Nichts auf, um mit allen Bösewichtern aufzuräumen. Die MI6-Agentin, die sich als Ex-Freundin von Clarke entpuppt, wütet als unerbittliche Kämpferin in den Reihen der Feinde. Dabei stiehlt Priyanka Chopra den Hauptdarstellern mit sehenswerten artistischen Glanztaten glatt die Show.

Guilty Pleasures mit witzigen Anspielungen

„Wenn du eine verrücktes Filmerlebnis erschaffen willst, dann muss es auch sehr verrückt sein“, kommentierte Naishuller seine Ideen. Die exzessive Gewalt in seinen Film plaudert er dabei cool, aber oberflächlich weg, so als wäre sie unbedeutend, weil die Menschen sich seit Jahrtausenden sowieso permanent den Schädel einschlagen. Das macht Naishuller weiß Gott nicht zu einem kritischen Beobachter dieser Abgründe. Als Regisseur ist er augenscheinlich ein Entertainer mit einem Hang zur achselzuckenden Relativierung. Das muss man nicht mögen.
Aber in „Heads of State“ zeigt der Filmemacher, dass er das Talent besitzt, ausgeleierte Erzählmuster aufzupeppen. „Heads of State“ gehört zu den Filmen, die als Buddy Movie durch witzige Dialoge und originelle Actionszenen innovativer punkten als andere Genrebeiträge. So ist die Kampfszene im Warschauer Safe House eine „Geschichte in der Geschichte“. Üblich ist, dass solche Schlüsselszenen den Hauptdarstellern gehören. Aber Naishuller fand es wohl witziger, für diese Sequenz eine neue Figur einzuführen, die nach einer Viertelstunde wieder verschwunden ist. 

Das große Finale erfindet dagegen das Rad nicht neu. Die NATO steht unmittelbar vor ihrer Auflösung, weil alle Bündnismitglieder dank „Echelon“ erfahren haben, dass sie sich jahrzehntelang gegenzeitig bespitzelt, betrogen und belogen haben. Aber die Szene wirkt wegen der schlappen Dialoge eher holzschnittartig und kindisch. Putin dürfte der Film daher Spaß machen. Auch weil die Verschwörerin eine enge Vertraute von des US-Präsidenten Derringer ist, aber plötzlich Trumps Credo „America first“ predigt. Überhaupt hat Naishuller einige Anti-Trumpismen dezent in seinen Film eingebaut, was den mir bekannten Kritikern entgangen ist.
Chat-GPT hat sie allerdings auch entdeckt: „In "Heads of State" gibt es eine Anspielung auf Donald Trump, obwohl sein Name nicht explizit genannt wird. Der Film spielt mit der Idee eines exzentrischen, populistischen US-Präsidenten, der oft mit Trump in Verbindung gebracht wird. Die Figur, gespielt von John Cena, hat eine ähnliche Frisur und verwendet eine ähnliche Rhetorik, was als Parodie auf Trump verstanden werden kann.“

Gut, dass es wenigstens einer weiß.

Eine politische Agenda sollte man Ilya Naishuller aber nicht unterstellen. Dies würde den Film überbewerten. Naishullers Filme gehören nicht zu den Genrefilmen, an die man sich lange erinnern wird. Guilty Pleasures halt, die in Maßen Spaß machen, weil sie wie Comics alles grell überzeichnen. Naishuller ist ein cleverer Spaßmacher, der genau weiß, was das Genre am Ende gefälligst zu bieten hat: Alle Schurken sind tot, Clarke und Derringer (übrigens auch der Name einer zu klein geratenen Pistole) werden beste Freunde und essen Fish & Chips und Agent Comer darf ziemlich lebendig in der Post-Credit-Scene auftauchen. 
Logik? Egal! In der Branche redet man bereits über Teil 2.

Noten: BigDoc = 3

Heads of State – Amazon MGM Studios / Amazon Prime Video – Laufzeit: 113 Minuten – Regie: Ilya Naishuller – Idee: Harrison Query – Buch: Harrison Query, Josh Appelbaum, André Nemec – D.: John Cena, Idris Elba, Priyanka Chopra, Jack Quaid, Paddy Considine u.a.