Dienstag, 2. Februar 2010

Zombieland

SA 2009 - Regie: Ruben Fleischer - Darsteller: Woody Harrelson, Jesse Eisenberg, Emma Stone, Abigail Breslin, Bill Murray, Amber Heard, Robert Hatch, Jacob G. Akins, Dalton Cole, Mike White, Melanie Booth, Daniel Burnley - FSK: ab 16 - Länge: 88 min.

George A. Romero, der Vater aller ‚Dead’-Filme (Die Nacht der lebenden Toten (1968), Dawn of the Dead (1978), Day of the Dead (1985), Land of the Dead (2005), Diary of the Dead (2007), hat eigentlich nie von Zombies gesprochen, sondern stets betont, dass es in seinen Filmen eigentlich um ‚Flesh-Eater’ geht – mit Zombies, die auch mehr dem Voodoo-Kult zuzurechnen sind, hätten seine Filme nicht das Geringste zu tun. Da ist es schon eine kleine, feine Provokation, wenn Ruben Fleischer seinen ersten längeren Film „Zombieland“ nennt und in seinem schnellen, witzigen Road-Movie nicht einmal nach dem Ursprung der blutigen Seuche und der Zukunft der menschlichen Spezies fragt. Das ist auch nicht nötig, denn um Zombies geht es nicht wirklich in Fleischers Film: in „Zombieland“ liegt Amerika zwar in Trümmern und die Untoten haben gewonnen, aber bei genauem Hinsehen sehen wir einen Familienfilm, in dem aus erzieherischen Gründen den Wankenden nicht nur gelegentlich der Kopf weggeschossen werden muss.

Regeln für’s Leben nach dem Tod
Damit wir wissen, worum es geht, erklärt uns der junge Columbus (Jesse Eisenberg) in der spritzig-schlagfertigen Eingangssequenz nicht ganz ironiefrei seine goldenen Überlebensregeln. Ihnen hat er es allein zu verdanken, dass er in einer post-apokalyptischen Welt so lange überlebt hat. Für Columbus steht Fitness an allererster Stelle, denn die Dicken (und im Amerika sind viele Menschen dick) sind sogar für torkelnde Zombies zu langsam und werden als Erste gefressen. Und wie zum Beleg der aus Erfahrung gewonnenen Lebensweisheiten zeigt uns Fleischer in einem ur-komischen Credit-Trailer gleich dazu die entsprechenden Trainings- und Survival-Situationen, vorzugsweise in Super-Slow-Motion – und demonstriert im weiteren Verlauf der Handlung deren universelle Gültigkeit im Alltagsgebrauch.

Zu ihnen gehört auch die Erkenntnis ‚Genieße die kleinen Dinge’, aber sie steht an letzter Stelle, denn Columbus muss dies zu einem erst noch lernen und ist zum anderen womöglich nicht wegen seiner Grundsätze am Leben geblieben, sondern dank seines menschenscheu-verklemmt-paranoiden Charakters, der in Menschen schon die Zombies sah, als sie noch gar keine waren. Da passt man sich halt schnell an - Columbus ist zwar beschädigt, aber ein durchaus liebenswerter Loser, der auch dort Zombies erwartet, wo sich jedermann eigentlich sicher fühlen sollte: zum Beispiel auf der Toilette, wo man gerade genüsslich einen Comic liest, oder auf dem Rücksitz eines Autos, das man zuvor garantiert abgeschlossen hatte.
Und so pilgert er furchtsam, aber bewaffnet, allein über die Highways, stromert an unzähligen Autowracks vorbei und bevorzugt leichtes Gepäck, bis er von Tallahassee (Woody Harrelson) aufgelesen wird. Der ist der coolste und furchtloseste Zombie-Killer unter den überwiegend verspeisten Mitgliedern seiner Spezies; ein schnodderiger Zyniker, der sich unterschiedlicher Gerätschaften bedient, um Zombies in ein garantiert vegetarisches Jenseits zu befördern. Weiter geht’s im schwarzen Van, wohin, ist eigentlich egal, denn obwohl man Reiseziel(e) im Auge hat, dürften diese genauso bedeutungslos sein wie einer von Hitchcocks McGuffins.

In Ruben Fleischers „Zombiefilm“ ist bereits nach der ersten Viertelstunde erkennbar, dass wir es nicht mit einem weiteren Rip-Off des Gore- und Splatter-Genres zu tun haben, sondern mit einem Buddy-Movie, in dem es natürlich darum geht, dass man sich erst einmal überhaupt nicht mag. Um dann herauszufinden, dass man ohne den anderen gar nicht mehr kann. Fleischer montiert dies in schnellen, wortwitzigen Dialogen und gelegentlichen überlebenswichtigen Bewährungsproben, die zeigen, dass wahre Männerfreundschaften nicht nur unter völlig ungleichen Gesellen am besten blühen, sondern auch dort, wo man von den Stärken und manchmal auch unvermeidlichen Schwächen des anderen profitieren kann. Bei Tallahassee sind es die Twinkys, eine hierzulande wohl eher unbekannte Gebäcksorte, für die man nicht unbedingt sterben möchte. Man kann dies natürlich auch anders sehen und diese Kleinigkeiten machen den charmanten Witz des Films aus.
Das liegt auch an Woody Harrelson, der so ungeniert und leichtfüßig spielt, dass man fast schon vermuten darf, dass dieser Mann beim „Zombie Kill of the Week“ die Rolle seines Lebens gefunden hat. Vermutlich hat sich Fleischer für diese Lockerheit auch einiges abgeguckt, denn wie bei Tarantino werden Columbus’ ‚Rules of Engagement’ immer wieder in großlettrigen Schriftzügen eingeblendet, wobei eine Silbe auch mal wegknicken darf, wenn sich herausgestellt hat, dass aus aktuellem Anlass die Regel ein klein wenig modifiziert werden musste.

Damit der Plot sich auch angemessen der Gender-Problematik annehmen kann, folgt der Auftritt von Wichita (Emma Stone) und Little Rock (Abigail Breslin), zwei abgezockten Gören, die noch furchtloser sind als Tallahassee. Ein ums andere Mal überlisten die Teenies die beiden Zombiejäger und nehmen ihnen Wagen und Waffen ab, bis in einem völlig logikfreien und garantiert nicht unblutigen Showdown allen die Erkenntnis dämmert, dass sie trotz eines schwer zu vereinbaren Interessengemenges eigentlich die beste Familie abgeben, die man unter diesen erschwerten Bedingungen finden kann. Auch wenn keiner seinen wirklichen Namen nennen will und sich lieber nach einer Stadt benennt - zu intime emotionale Beziehungen können in einer kaputten Welt gefährlich sein. Aber diese kleine Portion Wahnsinn findet man im wirklichen Leben auch in besten Familien.

Familienfilm mit einem Schuss Anarchie
Wie gesagt: „Zombieland“ ist eine Familienkomödie der schrägen Art, ein Crossover mit einem Genre eingehend, das sonst entweder als schmuddeliges C-Picture oder als allegorisch aufgeladener Edel-Trash à la Romero daherkommt. Ohne Romeros Verdienste schmälern zu wollen, kommt man lachend zu dem Schluss, dass sich „Zombieland“ cool und lässig, aber formal stringent, von allen Genreaffekten freimacht und ähnlich befreiend wirkt wie Tarantinos „Inglourious Basterds“, dessen höllische Mixtur aus Trash- und seriös gemeinten Kriegsfilmen eine Zäsur gesetzt, sogar einen Schlussstrich gezogen hat.
Und ähnlich wie bei Tarantino, aber nicht ganz so exzessiv, findet auch Fleischer einen Weg zu kleinen, etwas gemeinen cinephilen Anspielungen: In der zweifellos schönsten Szene des Films sucht das Quartett die vermeintlich leer stehende Villa Bill Murrays (Bill Murray) auf. Der Schauspieler lebt, was alle überrascht, und dies verdankt er seinem Maskenbildner, der ihm einen wetterfesten Zombie-Look verpasst hat. Tallahassee, ein Nerd allererster Güte, darf zusammen mit seinem Idol, bewaffnet mit einem futuristisch anmutenden Staubsauger, ein wenig Ghostbusters spielen, bevor diesen der unverdiente Filmtod ereilt. Murray, man glaubt es zu erkennen, spielt sich die staubtrockenen Stoikerrollen seiner letzten Filme aus den Kleidern und nicht nur in dieser Szene sieht man Fleischers Talent, kleine Details und Anspielungen in pittoreske Szenen zu packen. Dass zwei Erwachsene in einer Welt, die von Monstern beherrscht wird, noch einmal wie kleine Kinder fröhlich den Geisterjäger spielen, ist mehr als ein Gag. Es zeigt etwas von der anarchistischen Freude, die in einer untergegangenen Gesellschaft aufkommen kann, in der man die Freiheit hat, alle Regeln kunterbunt neu zu definieren. Auch die Marotten.

Ach ja, Rüdiger Suchsland hat in seiner Kritik etwas herrlich Nonchalantes geschrieben:
„’Zombieland’ ist … an tieferen Aussagen nicht interessiert. Endlich einmal Kino für all jene, die ihre größten Schockmomente nicht etwa erleben, wenn die Körperfresser kommen, Glieder weggesägt werden oder Massenvergewaltigungen stattfinden - sondern wenn es auf der Leinwand einmal nicht einfach "nur um Unterhaltung" geht.“
Das ist böse, wirklich böse.


Noten: BigDoc = 2