Montag, 9. August 2010

Inception

USA / Großbritannien 2010 - Regie: Christopher Nolan - Darsteller: Leonardo DiCaprio, Ken Watanabe, Joseph Gordon-Levitt, Marion Cotillard, Ellen Page, Tom Hardy, Cillian Murphy - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 148 min.

Es sind immer die gleichen Fragen, die den Menschen quälen. Ist die Realität so beschaffen, wie es uns die Sinne vermitteln? Oder gibt es eine ´wirkliche` Realität jenseits unserer Wahrnehmung? Ist unser Wirklichkeits-Konzept letztlich nur eine Kopfgeburt oder gibt es in unseren subjektiven Universen tatsächlich Gemeinsamkeiten, über die wir uns verständigen können?
Um solchen versponnenen Fragen nachzuspüren, muss man wahrhaftig nicht ins Kino gehen. Ein Ausflug in die Philosophiegeschichte reicht schon. Man fängt mit Platons Höhlengleichnis an, geht schnell weiter zum deutschen Idealismus und gönnt sich zum Abschluss ein ernüchterndes Kontrastprogramm, beispielsweise mit dem Studium des dialektischen Materialismus oder den Erkenntnissen der modernen Hirnforschung, die ganz anders an unserer selbstgefälligen Sicherheit nagen will.

Wir können oft kaum noch unterscheiden, ob wir Traum-Bilder sehen oder Film-Bilder träumen (Christopher Nolan)
Aber schöner ist das alles im Kino. Dort herrscht mittlerweile jene unbegrenzte Macht über Zeit und Raum, die es vermag, all das in Szene zu setzen, was die alten Kinomacher noch mit unbeholfenen Symbolismen und unfertigen Tricks zu vermitteln versuchten. In Christopher Nolans „Inception“ wölbt sich als leichte Fingerübung ein kompletter Straßenzug über den Köpfen der Protagonisten und ohne mit der Wimper zu zucken gehen sie in einem rechten Winkel eine Wand hoch, so als gäbe eine kein Gesetz der Schwerkraft. Und alles nur, um einer Novizin en passant zu zeigen, wie man die Architektur eines Traums gestalten kann. Sie möge allerdings nicht so dick auftragen, erklärt Dominic „Dom“ Cobb (Leonardo DiCaprio) abgeklärt und professionell der jungen Ariadne, die er als Architektin für sein Extractor-Team angeheuert hat. Sonst nämlich könnten sich die Projektionen gegen sie wenden.

Man ahnt: die Motive der Figuren in Christopher Nolans („Memento“, „Batman begins“, „The Dark Knight“) sind keineswegs philosophisch inspiriert, sondern wesentlich handfester. Cobbs illegal operierendes Team ist darauf spezialisiert, Zielpersonen unter Drogen zu setzen, ihnen ein Traumszenario vorzugaukeln, in dem das Team sich wie in einem luziden Traum bewegen kann, nachdem es sich eingeloggt hat. Nur, um dort Ideen für einen Auftraggeber zu klauen. Meistens handelt es sich also um banale Wirtschaftsspionage, inszeniert mit der Dramaturgie eines ganz normalen Heist-Movie. Diebe werden immer raffinierter, wobei das Risiko berechenbar ist, denn zurückgeholt wird man mit einem Kick (kaltes Wasser wirkt da Wunder) oder indem man stirbt. Anders als in „The Matrix“ führt der virtuelle Tod lediglich dazu, dass man in der Realität unversehrt aufwacht, es sei denn, man ist so stark sediert, dass man im "Limbus" landet, dem Vorhof der Hölle, der dunkelsten Seite des Unterbewußtseins.

In einer furiosen Eingangssequenz setzt Cobbs Team einen Auftrag in den Sand, nämlich aus dem Kopf des japanischen Geschäftsmannes Saito (Ken Watanabe) eine Idee zu stehlen. Doch alles war nur ein Test des Japaners, denn Saito hat ein ganz anderes Ziel: er will die Extractors davon überzeugen, im Kopf des industriellen Großerben Robert Fischer jr. eine Inception vorzunehmen. Dies ist eine eingepflanzte Idee, die dem Opfer nach dem Erwachen als so selbstverständlich erscheint, als wäre sie schon immer die eigene gewesen.
Das Ziel, nämlich Fischer jr. den Konzern seines sterbenden Vaters zerschlagen zu lassen, ist ein McGuffin im besten Sinne. Denn Nolan geht es um etwas ganz anderes und wie schon in "Memento" ist es der Verlust der Identität in einer fragilen Realität. Wie in vielen Heist-Movies hat der Held eine Schwäche, ein Achillesferse, die alles zunichte machen kann. In Cobbs Fall ist es seine tote Frau Mal, die er als ewiger Widergänger seines vor Schuldgefühlen zergrübelten Unterbewusstseins nicht aus den virtuos durchgeplanten Traumlandschaften heraushalten kann. Mit anderen Worten: Mal taucht immer wieder auf, mischt sich ein und gefährdet als destruktive Kraft sowohl das Team als auch den Plan.

Alles nur ein Traum? Virtuelle Welten in Kino und Literatur
Natürlich ist Nolans Film kein Film über Träume, denn Träume sehen anders aus und sie sind nur selten vollständig luzid. Das, was in den Köpfen der Extractors und ihrer Opfer geschieht, sind drogeninduzierte halluzinatorische Trips mit überwältigendem Realitätscharakter, virtuelle Welten, über die die Eindringlinge mehr oder weniger die Kontrolle ausüben, während das Opfer sich nur dann wehren kann, wenn es vermittels eines speziellen Abwehr-Trainings ganze Armeen aus seinem Unterbewusstsein aufmarschieren lassen kann, um die Extractors abzuwehren. Folglich wird in Inception kräftig geballert und das über drei Traumebenen hinweg, denn der gut vorbereitete Fischer kann nur ausgehebelt werden, wenn man ihn in einer raffinierten Traum-im Traum-im Traum-Konstruktion austrickst. Es geht letztendlich um nichts anderes als darum, wer in den virtuellen Welten das Sagen hat.

Das hat Tradition. Wenig zimperlich ging Paul Verhoeven in Total Recall (1990) mit Arnold Schwarzenegger um, der sich Gedächtnisimplantate einer Agentenstory auf dem Mars einpflanzen lässt, was die Nerds bis heute darüber rätseln lässt, ob die folgende Geschichte nur eine wild gewordene Psychose oder die ´wirkliche` Realität ist.

Ganz unverhüllt präsentierte sich das Virtualisierungs-Konzept in Alejandro Amenábars Film Abre los ojos (Open your eyes, 1997) und dem umstrittenen Remake Vanilla Sky von Cameron Crowe aus dem Jahre 2001. Trotz unterschiedlicher Qualitäten geht es in beiden Filmen um einen Helden, der sich aus einem misslungenen Leben in einen Traum versetzen lässt, bis ihm das Unterbewusstsein einen Streich spielt und die eskapistische Konstruktion ins Wanken bringt. Auch hier lautet am Ende die Frage: Wie komme ich zurück und will ich das überhaupt?

Deutlich versponnener war David Cronenbergs eXistenZ (1999), aber im Gegensatz zu „Inception“ sind sich die Protagonisten (bis auf die Helden natürlich) nicht bewusst, dass sie sich in der künstlichen Welt eines Computerspiels befinden. Cronenberg Raffinesse besteht ähnlich wie in „Total Recall“ darin, die Zuschauer darüber im Unklaren zu lassen, was sie sehen: Realität oder virtuelle Welt. In „eXistenZ“ muss man sich zudem mit der schwerblütigen Frage auseinandersetzen, ob es für die eigene Identität entscheidend ist, diese Frage endgültig zu beantworten.

Im gleichen Jahr zeigten die Wachowskis mit The Matrix, dass man anders als Cronenberg viel Lärm machen muss, um komplexe Ideen kassenfest an den Mann oder die Frau zu bringen. Zum mittlerweile berühmten „Matrix-Effekt“ gehörte die Frage, wie man in die ´wirkliche` Realität vordringt, nachdem man entdeckt hat, dass man in einer konstruierten Scheinwelt lediglich ausgebeutet wird. Die Matrix-Trilogie hat ihre eigene Mythologie kreiert, mittlerweile gehört es aber, so scheint es mir mitunter, zum guten Ton, über Matrix 1-3 abzulästern. Nicht nur unter Kritikern, sondern auch bei vielen Nerds gilt Teil 1 als Kult und der Rest, na ja. Nun glaube ich nicht, dass ich genauer hingucke als andere, aber man muss den Matrix-Kosmos doch sehr konzentriert durchkauen, um jenseits der Baller- und Kung-Fu-Orgien das verborgene Thema zu entdecken (oder zumindest eines der vielen Themen): es geht nicht um Neo und Trinity, um Initiation und eine alle erlösende spirituell anmutende Jesus-Analogie, sondern um einen trotz seiner milden Freundlichkeit doch ziemlich größenwahnsinnig gewordenen Architekten und seinen Antagonisten, das chaotisch agierende Orakel, das jenen Schuss Empathie und Anarchie in eine kalte Welt einbringt, zu dem der Architekt, der cool und unablässig das Immergleiche in unzähligen Varianten durchspielt, offenbar nicht fähig ist. Hybris eben. Gemessen daran sind Neo - und noch deutlicher Agent Smith – Figuren, denen es schon längst nicht mehr um die wirkliche Wirklichkeit geht, sondern um völlige Beherrschung der physikalischen Gesetze in einem Kosmos, in dem sie wie kirre gewordene Superhelden alles tun können, was sie wollen.

Das verborgene Thema ist in all diesen Filmen ist daher weniger der Traum, sondern die Frage, wer zu welchem Zweck die fremden Welten beherrscht. Dabei sind die phantastischen Konstrukte immer verführerischer als die Realität: ästhetisch überwältigend (selbst für Cronenbergs Schmuddel-Look gilt dies) und tricktechnisch so bombastisch treten sie auf, als müssten sie das profane Abbild der Wirklichkeit auch in den Köpfen der Kinogänger in den Staub treten. Das ist auch in The Cell (2000) von Tarsem Singh nicht anders. Dort dringt eine Traumspezialisten in die krankhafte Phantasiewelt eines Serienkillers ein, deren Grausamkeit nur noch durch die opulente Ausstattungsästhetik übertroffen wird, mit der Singh ähnlich wie David Lynch zeigt, dass das Böse und das Schöne offenbar ganz nah beieinander wohnen. Am Ende gelingt dem Guten nur deshalb der Sieg, weil Jennifer Lopez den mächtigeren und besseren Traum auf Lager hat.

2006 variierte Singh das Konzept in The Fall, der kameratechnisch und dank der Wahl ungewöhnlicher Schauplätze eine bahnbrechende Visualität entwickelte, die sich doch recht deutlich in seiner Theaterhaftigkeit vom Mainstream-Kino entfernte. Eigentlich schade, denn der Plot zeigt, dass Menschen, die sich von kunstfertigen Märchenerzählern in fremde Welten entführen lassen, gelegentlich auch mal bei der Gestaltung der Fabel mitreden wollen. Eine witzige anarchistische Idee und aufgrund einiger filmischer Bonmots ist The Fall auch eine gelungene Hommage an das (Stummfilm-)Kino.

Es ist in diesem Zusammenhang nur gerecht, zwei der literarischen Sci-Fi-Ziehväter der virtuellen Welten zu erwähnen: Herbert W. Franke (geb. 1927), der in seine frühen Romanen Das Gedankennetz (1961) und Der Orchideenkäfig (1961) bereits die Konzepte durchspielte, die uns heute im Kino als originelle Neuschöpfung verkauft werden. Und dazu gehört auch Daniel F. Galouyes intelligenter Roman Simulacron-3 (der 1973 von Rainer Werner Fassbinder in Welt am Draht adäquat fürs TV adaptiert wurde). In Das Gedankennetz wird der vom Staat internierte Held in einen Strudel virtueller Realitäten geworfen, bis auch der fiktionale Text (und damit auch der Leser) von einer Unschärfe erfasst wird, die keine Aussagen über wahr oder erdacht mehr zulässt. Der Orchideenkäfig spielt bereits die Frage durch, wer das omnipotente Sagen hat, allerdings verlassen die Helden nicht die Realität, sondern können virtuelle Alter Egos auf fremde Planeten projizieren, wo sie angesichts ihrer Unsterblichkeit infantile und zuletzt tödliche Machtphantasien ausleben können. Und in gesellschaftskritischer, aber auch philosophischer Hinsicht sehr pointiert war Galouyes Konzept der virtuellen Stadt Simulcron-3, die zu Marktforschungszwecken simuliert wird. Natürlich entdeckt der Held bald, dass auch er möglicherweise nicht in der ‚wirklichen` Realität lebt.

Der ultimative Voyeurismus besteht darin, in die Träume eines Menschen einzudringen (Christopher Nolan)
Dieses Interview-Zitat ist natürlich für einen Briten wie Nolan nur zulässig, wenn man es als ironisches Gedankenspiel durchgehen lässt, denn zur Noblesse britischer Bürgerlichkeit gehört der unbedingte Respekt vor dem Intimleben anderer. Wir stoßen also immer auf Grenzen, in den virtuellen Welten und erst recht in der Wirklichkeit.
Das Freiheitsversprechen der literarischen und kinematogtaphischen Phantasien gerät dabei meistens unter die Räder und wird derb gegen den Strich gebürstet. Auch die Fiktion im Kino ist keineswegs ein Reich der Fantasie, in der das Subjekt sich in neuer Freiheit entfesseln kann, wie das dem Leser fiktionaler Texte nachgesagt wird, der sich angeblich völlig frei seine Kopfbilder zusammenbasteln kann. Das täuscht, denn über die Grammatik der fiktionalen Texte in Literatur und Kino entscheidet nicht der Rezipient allein. Gerade im Kino wird die Phantasie recht rüde an die Kandare gelegt, wie auch jene beklagen, die ihre Herr-der-Ringe- und Harry-Potter-Kopfwelten plötzlich klar definiert vor sich sehen.

Auch „Inception“ ist auf eine gewisse Weise manipulativ, aber in anderer Hinsicht auch sehr intim. Denn je tiefer Cobb in die verwobenen Ebenen der virtuellen Ebenen eindringt, desto deutlicher wird, dass hier ein privates Drama verhandelt wird: Cobb hat jahrelang mit seiner Frau Mal ganz privat virtuelle Welten gebaut und idyllische Jahrzehnte dort verbracht, bis er Mal seine erste Inception einpflanzte, nämlich den unbedingten Wunsch, in die Realität zurückzukehren. Tragisch kehrte sich diese Technik gegen ihn, als seine Frau in der Realität immer noch den Wunsch verspürte, eine weitere Ebene nach oben zu gelangen und daher konsequent aus dem Fenster sprang. Sie irrte sich.

Es ist also nicht nur Hybris und die Angst vor dem Kontrollverlust, sonders auch das gute alte Psychotrauma, das die die Figuren umtreibt und uns bewegen soll. Leonardo di Caprios zerknirschtes Shutter Island-Gesicht signalisiert dabei in jeder Filmminute, dass der Preis, den er für seine Professionalität zahlt, ein zu hoher ist. Das komplizierte Regelwerk, dass Nolan konstruiert hat, um sein Universum zusammenzuhalten, muss von seinen Protagonisten minuziös beherrscht werden, damit nicht alle im Wahnsinn eines völlig entfesselten Unterbewusstseins untergehen. Dies gilt auch für den Zuschauer, der fast das gesamte erste Drittel des Films als Unterweisung in dieses Regelwerk erfährt, damit er nicht in der narrativen Grammatik untergeht, die der Rest des Films dann in einer visuellen Tour de Force durchexerziert.
Dies funktioniert in „Inception“ auf grandiose Weise: Nolan hält die komplexe Story eisern zusammen, verliert nie den Überblick und dürfte sich nur schwer logische Anschlussfehler nachweisen lassen.
Fast atemberaubend sprengt er dabei die Regeln von Raum und Zeit, wobei das Räumliche als Essenz filmischen Erzählens dank unendlich vieler Vorgänger noch den geringsten Schwierigkeitsgrad zu bieten hat, etwa dann, wenn sich in Cobbs Welt die triste Skyline einer Stadt am Meer symbolgeladen und langsam, aber unnachgiebig in ihre Bestandteile auflöst. Da stand wohl Roland Emmerich ein wenig Pate.
Noch überwältigender sind die komplexen Zeitebenen, und zwar um so mehr je tiefer die Traumarchitekten und –projektionisten in die Ebenen der Traum-im-Traum-Konstruktion steigen. Die raffinierte Parallelmontage, die den Höhepunkt des Films bildet, kann im Kopf des Zuschauers nämlich nur funktionieren, wenn er nicht vergessen hat, um welchen Faktor die Zeit im nächsttieferen Level abläuft. Und so können durchaus Stunden, Monate und Jahre vergehen, während in der Realität ein Auto von einer Brücke in den Fluss fällt. Das alles zusammenzuhalten, ohne dass die Zuschauer abschalten, ist formal ein Masterpiece.

Grandios, aber humorlos
Natürlich will das Blockbuster-Kino mit seinen brillanten CGI-Effekten Geld verdienen, es muss unterhalten, das ist die Conditio Sine Qua Non. Nur wer diese Bedingungen erfüllt, darf, falls er nicht mit dem Niveau von Jerry Bruckheimer zufrieden ist, 160 Mio. $ in die Hand nehmen und seine eigenen Welten erschaffen. Christopher Nolan hat dies in Inception auf so sehenswerte Weise getan, dass seine seine Batman-Filme fast wie gut gemachtes Handwerk aussehen lassen, während die Architekturen seiner Traumkontrollfreaks wie ein funkelndes und strahlendes Kunstwerk erscheinen, das man sich zwischen einigen routinierten Auftragsarbeiten gönnt. In diesem Glanz leuchtet aber auch gelegentlich etwas Zwanghaftes auf, wobei sich die professionelle Sucht DiCaprios und seines Teams nach der grenzenlosen Omnipotenz, nämlich alles nach seinen eigenen Gesetzen zusammenbauen zu können, auch in Nolans Film widerspiegelt. Das ist nicht schlimm, es ist sogar intelligent und schlagfertig erzählt und unterhaltsam allemal. Nur halt völlig humorlos.  Deshalb halte ich The Dark Knight für den besseren Film, nicht nur, weil die Figuren in im Gegensatz zu DiCaprios etwas spießigen Familiendrama spannender und vielschichtiger waren, auch nicht wegen ihrer ihrer nachdenklich stimmenden allegorisch-politischen Implikationen, sondern weil Nolan mit Heath Ledgers Joker zwar keinen Humor, aber einem verschlagenen ironischen Zynismus in Spiel brachte, der in seiner Unberechenbarkeit the cream on the coffee war. 

Inception ist ein Film, der zwar mit lautem Getöse daherkommt, aber mit beeindruckender Stringenz seine Geschichte zusammenhält und gemäß der ihr innewohnenden Logik erzählt. Das beeindruckt. Während man in den Jahrmarktsbuden der längst ausgestorbenen Rummelplätze der eigenen Kinder nie wusste, ob man für sein Geld wirklich das 8. Weltwunder zu sehen bekommt, hält Nolan sein Versprechen. Kommt hinein und überzeugt euch: Ich habe für euch eine Welt erschaffen, die ihr noch nie gesehen habt. So in etwa scheint sein Credo zu lauten. Die wirklich unfassbaren Abenteuer warten nicht in der äußeren Realität auf euch, sondern in eurem Unterbewusstsein.

Das reicht mir nicht ganz. Und mal ganz ehrlich: die komplizierte Analyse unserer Seelenlandschaft haben technisch wesentlich schlichtere Filme nicht minder gut erledigt. Hitchcock hat dies in Spellbound ohne Effektgewitter geschafft. Wer es etwas zeitnaher haben möchte, dem sei Terry Giliams Das Kabinett des Dr. Parnassus (2009) empfohlen. Auch hier werden Menschen in einem magischen Theater in virtuelle Welten entführt, in denen sie ganz direkt ihre infantilen, egoistischen und gelegentlich banalen Wünsche ausleben dürfen. Anders als Nolan erzählt Giliam mit seiner überbordenden Phantasie ein Märchen, dessen Effekte nicht überwältigen, sondern in ihrer leicht durchschaubaren Theaterhaftigkeit einen menschlichen Humor besitzen, der uns bei aller Tragik davon erzählt, dass wir auch in unseren Träumen meistens das sind, was wir halt sind. Dies versöhnt ein wenig.

Am Ende, wenn man etwas boshaft ist, geschieht in Inception alles nur, damit ein Mann seine Kinder wieder sehen kann. Und weil dies vielleicht etwas zu platt ist, wird ein Plot Twist ans Ende geklebt, der mich an all die Monsterfilme erinnert, deren Ende uns signalisiert, dass das Böse doch nicht besiegt ist, sondern jederzeit zurückkehren kann. Dies kann man prosaisch als Ankündigung eines Prequels deuten oder auch als Wiedergeburt eines schlechten Shyamalan-Gags. Viel zu sagen hat dies nicht und bei aller geneigten Begeisterung für den Kinoartisten Nolan hat dieser mit The Dark Knight eine wesentlich schärfere, boshaftere und politisch konsequentere Allegorie abgeliefert, in dem der subjektive Kosmos nicht von der äußeren Wirklichkeit abgekoppelt wird.

Noten: Klawer = 2, BigDoc = 2