Dienstag, 12. November 2013

The Walking Dead – Season 3 - Teil 3: Die Bildqualität

Es gehört zu den großen neuen Mythen des Geschäfts mit „The Walking Dead“, dass TWD auf Bluray unscharf, grieselig und verrauscht sein darf. Das gehöre zum Look, verkünden einige Rezensenten. Und so geschah es zum ersten Mal in der Geschichte des Mediums, dass vermeidbare technische Makel zum ästhetischen Programm hochgelobt wurden. Teil 3 meiner Serie über die 3. Staffel von "The Walking Dead" schaut sich die Blurays genauer an und untersucht die Hintergründe.

Mir ist nicht bekannt, dass Fans des Horrorfilms sich jemals über tadelsfreie Medienträger beschwert haben.
Zu scharf! Zu gute Kontraste! Zu gute Schwarzwerte!
Auch die Liebhaber von Filmklassikern haben sich nicht darüber empört, dass alte s-w-Filme plötzlich in neuem Glanz auf Bluray präsentiert werden und nicht mehr so aussehen, wie man es vor Jahrzehnten beim Blick auf den matten Röhrenfernseher gewohnt war. Und dann ist da noch die Frage, warum man die Serie (abgesehen von wirtschaftlichen Aspekten) überhaupt auf Bluray anbieten soll, wo doch der typische Zombie-Look auf einer DVD sicher noch besser zur Geltung kommt.


Mythen aus Tüten

TWD hat bereits mit dem Erscheinen der ersten Staffeln die Fans polarisiert. Ich erinnere mich noch gut an die wortreichen Diskussionen in den Foren: Bild und Ton kamen nicht gut an. Doch dann tauchte die Legende vom gewollt dreckigen" Look auf. Neu ist indes, dass dieser Mythos vom „TWD-Look“ nun immer häufiger kolportiert wird und einige ansonsten sehr bildkritische Kommentatoren sich beeilten, bereits vor dem Veröffentlichungstermin der 3. Staffel mit Nachdruck auf den typischen TWD-Look hinzuweisen: „Nichts Neues an der Untotenfront. Sowohl beim Bild als auch beim Ton wird die gewohnt hohe aber nicht optimale Qualität geboten. Im optischen Bereich wird jedoch durch den dreckigen Look eine hervorragende stimmige Atmosphäre erzeugt, die ausgezeichnet zur Story passt...“ (1). Hervorhebung von mir.
Nun ist bekannt, dass man mit Licht und harten Schatten in Noir-Filmen entsprechende Stimmungen erzeugen kann. Auch mit Farbe kann man einiges machen. Zum Beispiel kann man auf sie verzichten. Dass aber unscharfe und grieselige Bilder in den Kanon der Filmsprache aufgenommen werden müssen, verblüfft dann doch.
Als nun RTL 2 die Serie im Free TV zu nachtschlafender Zeit versendete und dennoch gute bis exzellente Quoten erzielte, war dies zum einen für die HD+-Kunden kein Trost (sie können immer noch nur in SD aufzeichnen), zum anderen konnte man, wenn man denn wach blieb, bis in die frühen Morgenstunden ein relativ gutes und stabiles Bild sehen, das gefühlt garantiert kein 1080P gewesen ist, aber vermutlich mit ordentlichen Filtern bearbeitet wurde. Wie gesagt: O.K. war es dennoch. Und Grund genug, sich jetzt einmal die deutsche Bluray-Edition anzuschauen.


Alles beim Alten geblieben ...

Zunächst einmal möchte ich darüber informieren, was der US-Kunde zu sehen bekommt. Dazu schreibt die recht zuverlässige amerikanische Plattform Blu-ray.com (Teilübersetzungen in Klammern): „The Walking Dead: The Complete Third Season's high definition presentation largely mirrors those of its predecessors. The show retains what is a slightly (geringfügig) dull (trist, matt, kontrastarm), lightly soft appearance, one in which bold (fett, deutlich) colors are at a premium and detail never quite reaches the upper limits of the format's capabilities. 
Fortunately, Anchor Bay's Blu-ray does beautifully replicate the show's natural appearance. Even through that touch of softness, the transfer reveals some fantastic details, not limited to complex facial and clothing lines but rubble, rust, and debris around the prison and the intact brick and concrete textures of Woodbury. 

There's a light grittiness (Sandigkeit, gemeint ist das Filmkorn) to the image. Fine grain remains throughout, but never overwhelms the screen. Color definition is as good as the show's intent allows. Bright outdoor greens fare nicely, but there's a subtle feel of gray and earthen shades running through the show. Black levels are excellent, and flesh tones don't drift too far from character norms. The image shows very light banding and blockiness in a few spots, but otherwise holds up well. 
It's not necessarily classic "reference" material but this transfer displays the show as it was meant to be seen“ (2).
Auch beim Ton siegen die Amis um Längen: Dolby True HD 7.1., also lossless, während hierzulande Deutsch und Englisch in DTS-HD 5.1. angeboten werden und einige Fans sich bereits über den scheppernden Ton der sychronisierten Fassung aufgeregt haben.

Die deutsche Edition hat folgende Eigenschaften:

  • Präsentes Filmkorn, das nur dann wenig stört, wenn Außenaufnahmen mit optimalen Lichtverhältnissen zu sehen sind. Innenaufnahmen ohne zusätzliche Ausleuchtung wirken dagegen stark beeinträchtigt. Natürlich kann man hier durchaus über den Sitz- und Sehabstand zum Flatscreen einiges modulieren.
  • Die Bildschärfe ist annehmbar: Außenaufnahmen streckenweise ausgezeichnet, Innenaufnahmen haben teilweise durchschnittliche DVD-Qualität.
  • Die Schwarzwerte sind überwiegend gut, bei Innenaufnahmen mit dunkler Umgebung zerfällt das Schwarz in die hinlänglich bekannten Grauflächen, gelegentlich ist Klötzchenbildung zu sehen.
  • Die Farben und Kontrastwerte sind durchweg gut, besonders bei Tageslichtaufnahmen wirken die Farben intensiv.

Die Referenz: Premium-DVD schlägt die „Walker“ um Längen

Natürlich hat dies nur Aussagekraft, wenn man zum Vergleich andere Produkte als Referenz heranzieht. Ich habe dafür die 3. Staffel von „Boardwalk Empire“ auf DVD (!) ausgewählt. Diese wurde auf einem älteren Bluray-Player und zusätzlich auf einem High End-Gerät mit entsprechenden Upscaling-Qualitäten geprüft. Hier das Ergebnis:
Auf dem älteren Player (Baujahr 2009) fehlt
Boardwalk die Schärfe, TWD schneidet auf dem gleichen Gerät deutlich besser ab. Dafür weist die „Boardwalk“-DVD kein Filmkorn auf und die Farben und Kontraste sowie die Schwarzwerte sind gut bis sehr. Insgesamt sieht die DVD ‚filmischer’ aus als die TWD-Bluray.
Auf dem High End-Player läuft die „Boardwalk“-DVD zur Höchstform auf: die Schärfe erzeugt eindeutig ein HiDef-Feeling, das sichtbar besser ist als bei einigen durchschnittlich gemasterten Blurays. Zum Beispiel bei älteren Filmen, die kaum restauriert worden sind. TWD kann dagegen auf diesem Player nicht erkennbar zulegen.

Fazit: Die „Boardwalk“-DVD“ schlägt auf einem guten Bluray-Player mit sehr gutem Upscaler die TWD-Bluray um Längen. Anders formuliert: „The Walking Dead“-Season 3 sieht über weite Strecken wie eine DVD aus und kann nur gelegentlich bei der Schärfe punkten. Gegen eine Premium-DVD kann die TWD-Bluray allerdings nicht antreten.

Was bedeutet dies? Nun, man kann sich TWD anschauen, ohne permanenten Ärger zu verspüren. Es gibt Schlimmeres. Warum aber eine Serie über Alkoholdealer in den 1920er Jahren keinen Schmuddel-Look zu bieten hat, sollten die Apologeten der angeblich ‚notwendigen’ Walking-Dead-Ästhetik einfach mal in einer ruhigen Minute bedenken.


Wer die eigentlichen Gründe näher kennenlernen möchte, muss sich allerdings die Medienfachpresse anschauen oder US-Online-Magazine studieren. Dort erfährt man einiges über die harten Verteilungskämpfe am Pay TV-Markt, die fast zum Ende von „Breaking Bad“ führten und warum bei TWD so sehr gespart werden muss (3). Ich habe bereits in einem früheren Beitrag erwähnt, dass nach der ersten Staffel die Budgets für die einzelnen Episoden drastisch gekürzt werden mussten, während man in Season 2 gleichzeitig die Anzahl der Episoden verdoppelt hat. Letzteres konnte deshalb aus dem Stoff herausgepresst werden, weil die Showrunner die Vorgabe hatten, mindesten 50% der Handlung über Dialoge plus Innenaufnahmen abzuwickeln. Dazu passt auch, dass Season 4 zum ersten Mal (zumindest anfänglich) von einem Ortswechsel absieht und die Geschichte im Gefängnis weiterlaufen lässt. Richtig geschadet hat das der Serie bislang nicht.


Zurück zum Look. Faierweise musste ich diesen Beitrag überarbeiten, weil weitere Recherchen zu dem Ergebnis führten, dass der Einsatz von 16mm-Film auch aus gestalterischen Gründen geschah.
Kameramann Dennis Boyd berichtet dies in einem Fachmagazin:
I know they tested every single camera on the market for close to a week. They initially thought they would go with RED or some other digital camera, or maybe even shoot 35mm. Someone happened to have thought to bring in a few rolls of 16mm and, when they tried that out, they discovered that it gave them a certain texture and grain that allowed the zombie make-up effects to be the most believable." Zudem sind laut Boyd die Kameras im Einsatz mobiler und man kann entsprechend mehr Szenen abdrehen (4).

Und bleibt unter dem roten Strich? Selbst wenn man das Filmmaterial an die Bedürfnisse des Maskenbildners angepasst hat, dann muss man dies als Zuschauer nicht ergeben abnicken und sich darüber freuen, dass das Ergebnis so mau aussieht.
Übrigens: Frank Darabont, der Vater der TV-Adaption von TWD, ist keineswegs aus inhaltlichen Gründen nach der ersten Staffel ausgestiegen. Es ging um die Budgetkürzungen. Dass TWD-Blurays nicht State of the Art sind und die Serie insgesamt billig produziert wird, hat keine ästhetischen Gründe. Wer dies den Fans einreden möchte, hält sie zum Narren. Und wer dies ungeprüft glaubt, ist leider ahnungslos.

(1) http://www.bluray-disc.de/blu-ray-filme/the-walking-dead-die-komplette-dritte-staffel-blu-ray-disc#review
(2) http://www.blu-ray.com/movies/The-Walking-Dead-The-Complete-Third-Season-Blu-ray/57527/
(3) John T. Caldwell: Zehn Thesen zur Produktionsforschung, in: montage AV, 22/1/2012, S. 33.

(4) http://library.creativecow.net/kaufman_debra/Behind-the-Lens-David-Boyd/1

(Bearbeitete Fassung des Beitrag vom 12.11.2013).  

Nachtrag (18.10.2014)


Da mein o.a. Beitrag die 3. Staffel untersuchte, möchte ich wenige Tage vor der Free TV-Premiere der 4. Staffel noch Anmerkungen zur technischen Qualität der ersten beiden Staffeln nachtragen. Ich werde mich dabei besonders auf eine Episode konzentrieren: Nr. 2 aus Staffel 2. Sie enthält Tageslicht- und Nachtaufnahmen und offenbart das technische Desaster besonders auffällig: Alles unscharf! Ich kann mir nicht vorstellen, dass im Free TV plötzlich etwas Besseres als auf der Bluray auftaucht. Aber vielleicht geschieht ja ein Wunder.

Worin besteht das Problem? Zum einen muss man das bei den Dreharbeiten eingesetzte Equipment von der Herstellung der DVDs und Blurays unterscheiden. Natürlich entscheidet das Ausgangsmaterial über die spätere Qualität der Discs, aber dass auch unsäglich schlechte Blurays aus den Presswerken kommen, dürfte jeder wissen.

Zur Produktionstechnik: Die sparsame Budget-Politik von AMC habe ich deutlich gemacht. Ich erinnere noch einmal daran, dass es neben der Auswahl von speziellen Kameras und der Produktion auf 16 mm auch ökonomische Gründe gab, in Season 1 mit drei Kameras die Szenen schnell abzudrehen.  Dass auch ästhetische Entscheidungen getroffen wurden, will ich nicht abstreiten. Aber AMC hat, und das wird gerne unterschlagen, immer wieder deutlich gemacht, dass die Bildqualität von TWD in das anspruchsvolle Portfolio des Senders passen müsse. Von ‚gewollt‘ unscharfen Bildern war da nicht die Rede …

Was dann auf Bluray gepresst wurde, ist daher eine andere Sache. Staffel 1, die mir allerdings nur in der GB-Version vorliegt, hatte deutlich weniger Episoden pro Disc. Nimmt man max. vier Stunden Video für eine doppelschichtige 50 GB-Bluray, so kam die 1. Staffel dem technischen Optimum sehr nahe und das Bild sah auch entsprechend aus: es war zwar gelegentlich etwas grainy, aber insgesamt sehr scharf. Das HiDef-Feeling war gewährleistet.
Staffel 2 liegt mir in der deutschen Fassung vor. Hier wurden deutlich mehr Episoden auf eine der drei Discs (übrigens auch in GB) gepresst, während in den USA ein 4 Disc Set vertrieben wurde. Je mehr komprimiert wird, desto schlechter die Qualität.
Man kann dies im direkten Vergleich sehr gut erkennen, wenn man nicht dogmatisch darauf besteht, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Nehmen wir die o.a. 2. Episode. Einfach mal ausprobieren: Irgendeine Episode aus Staffel 1 anspielen, dann sofort zur 2. Staffel wechseln. Das Ergebnis ist kaum zu leugnen: mir geht es nicht um den Look, das Filmkorn oder Ähnliches - nein, es geht darum, dass das Bild definitiv unscharf ist.
Da bei dies bei Closeups oder Nahaufnahmen nicht immer deutlich zu sehen ist, sollte man besser Halbtotalen und Totalen überprüfen, und zwar Schärfentiefe und Detailtiefe. Als Referenzaufnahmen empfehle ich folgende Time Codes: die Totale bei 5:13 und die Halbtotale mit Otis bei 6:59. Die Unschärfe der Totale ist offensichtlich, während bei TC 6:59 das Gesicht von Otis zu einem matschigen Brei gerät, dem jede Detaildurchzeichnung fehlt.  Und auch hier muss man den Vergleich zur DVD nicht scheuen, denn die technische Qualität dieser TWD-Episode liegt aus meiner Sicht deutlich unter der aktuellen Qualität von gut gemasterten DVDs. Die erwähnten Nachtausnahmen sind besonders übel. Wer sich noch an verwaschene VHS-Aufnahmen erinnern kann, weiß, was ich meine. Geradezu gruselig ist die auch damals in einschlägigen Foren kritisierte Synchronisation, die sich anhört, als wäre sie in der Badewanne aufgenommen worden.

Es fällt mir nach wie vor schwer, dies als Stil oder adäquate Zombiefilm-Ästhetik hinzunehmen. Seit Kinofilme und TV-Sendungen produziert werden, hat man sich immer um eine Optimierung der technischen Qualität bemüht. Korn ist etwas filmspezifisches und grob gerasterte Bilder können durchaus eine ästhetische Funktion haben, wenn sie punktuell eingesetzt werden. Aber wohl niemand wird plausibel erklären können, warum Unschärfe uns etwas Relevantes mitzuteilen hat oder ein unverzichtbar charakteristisches Merkmal von TWD sein soll. Erst recht nicht, wenn zuvor das Ergebnis deutlich besser gewesen ist. Und im Falle von TWD ist der Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Staffel einfach eklatant.
Auf dem Weg vom 16 mm-Film zum Mastering der Datenträger sind Dinge passiert, die aus dem Premiumprodukt von AMC ein Billigprodukt gemacht haben, das bei einigen verzweifelten Kunden zum Umtausch der Blurays geführt haben soll.
Dies hat der deutsche Vertrieb in einem bekannten Forum kommentiert: „Bei der von Ihnen kritisierten Körnung im Bild handelt es sich um ein bewusst eingesetztes Stilmittel für die Inszenierung der Endzeitstimmung in der Serie. Die gesamte Staffel wurde gewollt im Original auf 16mm Band mit einem körnigen Filter produziert statt (wie Staffel 1 noch) auf 35 mm Band. Während die Körnung durch die Komprimierung zur Standard Definition auf der DVD mehr oder weniger „verschluckt wird, fällt sie als High Definition auf der Blu-ray eher auf. Wie jeder andere Verleiher weltweit greifen wir trotzdem ausschließlich auf das Original-Material zurück.
Wir wünschen weiterhin viel Spaß mit der Serie.
Ihr Team der WVG Medien GmbH.“

Mal abgesehen davon, dass auch Staffel 1 überwiegend auf 16 mm gedreht wurde, geht es aber längst nicht mehr um die Körnung. Schauen wir uns mal einige typische Kommentare (Rechtschreibung unverändert) zur 2. Staffel an:

  • „Serie wurde auf 16 mm gedreht. Ist so gewollt.“
  • „Hab die BluRay umgetauscht und die DVD mit genommen.“
  • „Die Qualität ist auf der DVD meiner Meinung nach besser. Klar, durch übertriebene Schärfe zeichnet sich TWD nicht aus, aber wie gesagt, das passt auch überhaupt nicht zum Stil der Serie.“
  • „However, the quality is possibly the worst blu ray transfer I have EVER seen. Avoid, I'd recommend buying the DVD instead, it'll save you some money.“
  • „…Filmkorn hin oder her (…), aber bis zu7! Episoden, bzw. 5 Stunden auf eine Disc zu pressen und somit in der Bitrate runter bis auf 11 Mbps runter zugehen (Mittel liegt bei 15-16) ist schon unglücklich gewählt. 4 Episoden pro Disc (+Bonus) hätten aber zu einem 4 Disc Set mit höheren Kosten geführt ;-) .“
  • „Das Bild, gerade der Blue Ray ist eine Frechheit. Besser gesagt eine echte Zumutung. Körnig, unscharf und ständig in dunklen Szenen völlig aufpixelnd. Habe während der kompletten Spielzeit das Gefühl gehabt eine 10 Jahre alte DVD zu schauen, die nicht auch nur annähernd so etwas wie Bildschärfe und Kontrast zu bieten hat. Mit anderen Worten, die Blue Ray kann man bildtechnisch getrost in die Tonne kloppen und direkt auf die DVD zurück greifen.“

Und das Fazit? Staffel 2 befindet sich nicht selten deutlich unter dem Niveau ihres Nachfolgers, der bereits auf deutlich mehr Discs gepresst wurde. Dass sich TWD 1 aber all seinen Nachfolgern bislang als technisch überlegen erweist, ist schon ein starkes Stück Serien- und Vermarktungsgeschichte. Dies macht neugierig auf TWD 4. 


Nachtrag (04.11.2014, überarbeitet am 29.1.2015)

Mittlerweile ist die vierte Staffel im Free TV gelaufen. Das Bild machte einen passablen Eindruck, streckenweise sah alles wirklich nach HD aus. Offenbar ist doch ein Wunder geschehen. Dann aber rückte der Release Day immer näher und ein weiteres Wunder geschah: im Forum eines bekannten Online-Retailers brach ein Shitstorm los. Mit zum Teil vernichtenden Statements reagierten die ersten Käufer des Bluray-Staffel auf die aus ihrer Sicht geradezu erbärmliche Bildqualität der 4. Staffel: Frechheit, VHS-Pixelkrieg, schlichtweg grauenvoll, Pumpen der Helligkeit und Kantenflimmern, soweit das Auge reicht. Einige Kunden kündigten bereits den Umtausch an.
Geht man auf die GB-Seite des Anbieters, so bietet sich dem Besucher ein erstaunliches Bild: Überall 5 Sterne-Kommentare, die oft nur aus One-Linern bestehen - alle publiziert in den letzten 24 Stunden.
Ein Schelm, der Böses dabei denkt.


Mein Fazit: im Moment scheint sich die Fraktion der Erklärer des 'gewollt dreckigen Looks' auf dem Rückzug zu befinden. Zu Recht bemängeln einige Kunden, dass es nicht nachzuvollziehen ist, wenn ein vermeintliches Stilmittel nicht durchgehend eingesetzt wird - mal ist es stark präsent, dann wieder etwas weniger.
Weiterhin: Es gibt offenbar einen technischen Unterschied zwischen der TV-Ausstrahlung und den Blurays; wie dies möglich gemacht wurde, konnte ich leider nicht ermitteln. Allerdings ist es problematisch, unterschiedliche Medien zu vergleichen, denn über den Einsatz von Filtern bei der TV-Ausstrahlung erfährt der Zuschauer nichts.
Genauso problematisch ist der technische Vergleich der Blurays mit der Qualität der Streaming-Portale, wie etwa Amazon Instant Video. Bereits der Unterschied zwischen der browserbasierten Nutzung mit Silverlight und dem Einsatz des Fire TV ist dort riesig, kommt die kleine schwarze Box mit einem Quad-Core-Prozessor, viel Speicher und und einer schnellen Grafik-Engine daher. Und trotz dieser geballten Power sieht man ein maues Bild, wenn die Bandbreite der heimischen Internet-Verbindung zu schlapp ist.


Dennoch sollte man sich den subjektiven Vergleich leisten. Und hier war ich doch überrascht, dass die bei Prime Instant Video offerierte 4. Staffel von TWD ziemlich ordentlich aussieht. VHS sieht anders aus, HD allerdings auch.
Um dem näher auf den Grund zu gehen, habe ich die o.a. Referenzausschnitte der 2. Staffel noch einmal mit dem Prime-Angebot abgeglichen. Das Ergebnis war deprimierend: Amazon zeigt TWD 2 in ganau der schlechten Qualität, wie sie auf der Bluray nachzuweisen ist. Es wurde also nichts gepusht.


TWD 4 macht beim VoD-Anbieter dagegen einen deutlichen Schritt nach vorne. Die Bilder sind zwar immer noch grainy (noch einmal: das analoge Rauschen des 16 mm-Films hat nichts mit dessen Schärfe zu tun; 16 mm kann knackscharf sein), aber vereinzelt erreicht das Bild wieder die Qualität der 1. Staffel, einige Bilder haben Hi-Def-Qualität. Da mir die 4. Staffel aber nicht auf Bluray vorliegt, kann ich keinen direkten Vergleich vornehmen. Immerhin entspricht der Gesamteindruck in etwa der Rezension der US-Site bluray.com.
Das bedeutet aber nicht, dass das gestreamte TWD technisch makellos ist. 
Hatte ich zuvor die DVDs von "Boardwalk Empire" als Referenz herangezogen, möchte ich
aktuell TWD mit einer anderen Serie vergleichen, nämlich "The Bridge America". Sie punktet auf DVD bei der Detailschärfe, aber auch bei der Tiefenschärfe und dem knackigen Kontrast. Auf den ersten Blick war kaum ein Unterschied zu einer Bluray zu erkennen. Also auch kein dreckiger Look, dafür ist die Story dreckig genug.
Im Vergleich mit guten DVDs muss sich auch die 4. Staffel geschlagen geben.
Für sie gilt die gleiche Gesamteinschätzung wie für die 3. Staffel auf Bluray: Die gestreamte Fassung ist einer guten DVD unterlegen.


Nachtrag (30. März 2015): Dies war leider eine Fehleinschätzung, die ich gerne korrigiere. Die 4. Staffel ist bei AMAZON in sehr guter HD-Qualität zu sehen. Es ist wohl so, dass die Qualität des Streams fluktuiert. Und später am Abend sieht alles oft deutlich besser aus.
Geradezu eine Offenbarung war in Hinblick auf die Bildqualität dann die 5. Season auf dem Fox-HD-Channel bei SKY. SKY zeigte TWD in Referenzqualität. Sogar die Schwarzwerte waren brillant. Von grieseligen Bildern keine Spur, Farben und Kontraste waren über jeden Zweifel erhaben. Die Bilder waren messerscharf.
Ich möchte damit das Thema 'Bildqualität' abschließen. Mein persönliches Fazit: TWD auf Bluray ist offenbar von den verantwortlichen Anbietern technisch vor die Wand gefahren worden. Ich habe auch keine Lust, über die Gründe zu spekulieren - eigentlich sind sie nicht schwer zu erkennen.
Noch eine Bemerkung sei gestattet: Als im Forum des erwähnten VoD-Anbieters jemand postete, dass die Qualität der Serie auf SKY hervorragend sei, wurde sofort gekontert. Dies sei alles nur dem Down-Scaling auf 720 p zu verdanke, der Vorredner habe sich täuschen lassen, wirklich authentisch sei nur der 'gewollte Look' mit seinen matschigen, unscharfen Bildern.
Hier streift dies Diskussion schon - gelinde gesagt - den Gipfel der Verbohrtheit und der sektiererischen Legendenbildung. Ich bevorzuge im Zweifelsfall die 'manipulierte' Fassung, in der ich erkenne, was die Bilder mir zeigen sollen. Jeder sollte seine Augen trauen - sie lügen nicht!


TWD-Fans sollten die Kritik an der technischen Qualität ihrer Lieblingsserie nicht als Sakrileg empfinden. Wer Pfusch am Bau bemängelt, meint damit nicht den Entwurf des Architekten! Dass die Befürworter der schlechten Bildqualität gebetsmühlenartig wiederholen, dass dies alles so gewollt sei, entschärft die Kritik daher in keinster Weise.
Ich erinnere daran, dass es eine Version von "Blade Runner" gibt, die von 4K digital gemastert, bearbeitet und auf HD runtergerechnet wurde und anschließend Referenzniveau besaß. Es gibt aber auch die schwarzen Schafe der Branche, die von einem IMAX-70 mm-Master direkt gezogen wurden und anschließend ohne weitere Bearbeitung auf der Bluray landeten - mit einem verheerenden Ergebnis. Die Qualität des Ausgangsmaterials hat nicht zwangsläufig etwas mit dem zu tun, was man später in den heimischen Player schiebt. Ästhetische Gestaltungsmittel und deren technische Reproduktion sind zwei Paar Schuhe.
Eine technische Review zur Bluray-Edition der 4. Staffel wird es auch weiterhin von mir nicht geben, da ich aufgrund des niederschmetternden Kunden-Feedbacks keine Lust verspüre, für dieses Produkt Geld auszugeben.
Das hält mich aber nicht davon ab, die letzten beiden Staffel inhaltlich zu besprechen.  


Nachtrag (27. Oktober 2016):

Für die Stilpuristen, die widerspruchslos die schlechte Bildqualität akzeptierten und zum wahren Zombie-Look erklärten, gab es einen herben Rückschlag: Das Spin-Off "Fear the Walking Dead" wurde komplett digital auf hochwertigen ARRI ALEXA-Kameras produziert. Wer sich also wunderte, dass die Macher ein messerscharfes Bild und einen richtigen HD-Look ablieferten, musste erkennen, dass es offenbar keine typische Zombiefilm-Ästhetik gibt, in der alles unscharf, grainy und schmuddelig aussehen muss. Das konnte man bei den Streaminganbieter gut sehen, ob dies auch für die FTWD-Blurays gilt, kann ich nicht beurteilen.

Auch oder wegen der digitalen Prodution und der anschließenden Post-Production auf High-End-AVID-Systemen suchten die Kameramänner (FTWD ist eine Multicam-Produktion, es wird also gleichzeitig mit mehreren Kameras gedreht) nach Möglichkeiten, um den Aufnahmen einen speziellen Kinolook zu geben. Die Wahl fiel auf anamorphe Objektive, die früher eingesetzt wurden, um kostengünstig Breitwandformate zu produzieren. In "Fear the Walking Dead" arbeitete man aber aus anderen Gründen mit diesen Objektiven. Sie ermöglichen spezielle Lens Flare-Effekte (z.B. Blendenflecke, die bei Gegenlichtaufnahmen entstehen). Auf diese Weise erhalten die digitalen HD-Bilder einen analogen Touch, ein Kino-Feeling sozusagen.

Bei "The Walking Dead" haben sich die von mir bereits erörterten Unterschiede zwischen Bluray und Streaming bestätigen lassen: Fans, die die Serie direkt aus den USA bezogen und die entsprechenden Abspielgeräte besitzen, um die US-Blurays sehen zu können, beschrieben eine völlig andere, nämliche bessere Bildqualität als jene, die man hierzulande sehen kann. Auch SKY (auch im Stream) oder Streamingportale wie AMAZON VIDEO präsentieren die Serie weiterhin in überwiegend guter Qualität. 

Fazit: Die Puristen sind gescheitert. Es gibt keinen tyischen Zombiefilm-Look, kein ästhetisches Programm, das alternativlos ist. Die Argumentation der Stilpuristen spiegelt eher mangelnde Kritikfähigkeit wider ("Das ist so gewollt"), die dem Konsumenten vorschreiben will, dass er all das kritiklos einstecken muss, was ihm vorgesetzt wird. Andererseits erkennt man auch eine gewisse Panik, denn offenbar muss die Serie gegen jede Form von Kritik eisern verteidigt werden (Es kann nicht sein, was nicht sein darf). Also wird das Offensichtliche geleugnet.

Tatsächlich wird aber immer die Optimierung des Produkts das Ziel der Macher sein. In "The Walking Dead" kann man dies auch daran erkennen, dass mit sehr aufwändigen Dolly- und Kran-Aufnahmen der visuelle Look aufgewertet wird. Ob dieser Aufwand dann auch in einer deutschen Bluray-Edition landet, ist eine andere Sache. Aber dass ist dann ein technischer Aspekt und nicht etwa die Umsetzung eines ästhetischen Programms.

Nachtrag (29. Oktober 2017):

Die vor einem Jahr vorgenommene positive Beschreibung der Streaming-Qualität hat einen Rückschlag erlitten. AMAZON hat die 7. Staffel in das PRIME-Angebot übernommen. Die Qualität lässt sich kurz und knapp zusammenfassen: das pure Elend. Nach der Prüfung der ersten vier Episoden kommt man zu folgendem Urteil: Die Bilder sind durchgehend verrauscht, gelegentlich hat man den Eindruck, dass alles nachgeschärft wurde. Von Schwarzwerten kann nicht die Rede sein. Einfarbige Kleidungsstücke wabern und schwanken in allen Schattierungen und Zwischentönen. Insgesamt sieht alles aus wie eine schlecht gemasterte DVD aus den frühen Jahren der Digitalisierung, manchmal sogar wie VHS.
SKY Ticket bietet kein perfektes Bild, aber die SKY TV-Box (Roku) bietet auch bei 6 Mbit/s ein rauschfreies Bild mit ausreichender Schärfe. Das mag überraschen, da gerne und viel über SKY und seine Technik gemeckert wird. "Game of Thrones" konnte man mit der Roku-Box in fabelhaftem HD sehen, TWD fällt etwas ab, ist aber unterm Strich befriedigend.

Fazit: Die deutlichen Unterschiede in der Bildqualität können nicht allein auf die bekannten Schwankungen bei der Streaming-Qualität zurückzuführen sein. Leider lassen sich die Anbieter nicht in die Karten schauen, aber AMAZON tut sich keinen Gefallen damit, zumindest bei dieser Serie die Fallhöhe bei der Bidqualität nach unten zu vergrößern. 

Nachtrag (16.3.2023):

Fast sechs Jahre nach dem letzten Nachtrag ist TWD nun Geschichte. Über die Serie und die geplanten Spin-Offs soll an dieser Stelle nichts Weiteres gesagt werden - außer, dass "Tales of the Walking Dead" quotentechnisch auf einem schauerlichen Niveau vor sich hindümpelt. Das lässt nichts Gutes erwarten.

Die allerletzte Staffel habe ich mir auf Disney+ angeschaut und zumindest einmal kurz darüber nachgedacht, wie die Streaming-Szene in den letzten zehn Jahren explodiert ist. Und mit ihr die signifikante Verbesserung der technischen Qualität. 1080p ist zwar noch ein Thema, aber nur, weil das klassische HD ein Auslaufmodell ist. 4K ist der neue Trend und es sollte mich nicht wundern, wenn irgendwann TWD als Director's Cut in 4K vermarktet wird.

Bei Disney+ sieht TWD auf einem OLED-TV bereits jetzt wie 4K aus. Vermutlich wegen des guten Upscalers. Auf die Diskussion über die Bildqualität blickt man auch deshalb nun sehr verwundert zurück. Immer klarer wird, dass es sich nicht um eine technische Debatte handelte, sondern um eine quasi-religiöse. Fast sektiererisch wurde der 'richtige' TWD-Look verteidigt: unscharf, schmuddelig und verrauscht sollte er sein. Im Rückblick muss man feststellen, dass damals TWD-Querdenker unterwegs waren.
Dabei überschauten die Apologeten in den Folgejahren, dass sich der TWD-Kosmos langsam, aber stetig den neuen Qualitätsstandards anpasste. Mit anderen Worten: Die Bildqualität wurde kontinuierlich besser. Ich bin deshalb fest davon überzeugt, dass heute eine Kulturkrieg wie vor zehn Jahren nicht mehr denkbar wäre - zumindest nicht über dieses Thema. 

Der aggressive Streit von damals ist ist einer schnelllebigen Zeit aufs Episodische geschrumpft. Es gibt wichtigere Themen, das haben uns die letzten Jahre gelehrt. Alles hat seine Zeit.
Trotzdem waren über zehn Jahre TWD eine schöne Zeit. Die Jüngeren werden sich nur schwerlich vorstellen können, mit welcher Wucht die Serie bei den Zuschauern einschlug. TWD war halt keine Splatter-Serie, sondern zumindest in den Staffeln 1-5 so ziemlich das Schlaueste, was man zu sehen bekam. Niemals haben (im englischsprachigen Raum!) so viele akademische Philosophen - also Vollprofis :-) - so viel über eine TV-Serie geschrieben wie damals! Rest in peace, TWD!

 
 

Dienstag, 5. November 2013

The Walking Dead – Season 3 - Teil 2: Der leidige Jugendschutz

Gehört „The Walking Dead“ ins Fernsehen? In Teil 1 wurde untersucht, was sich unter dem neuen Showrunner Glen Mazzara alles geändert hat. Dieser Beitrag wird auf die Probleme der Ausstrahlung im Pay- und Free-TV und die veränderten Standards im Jugendschutz eingehen. Im letzten Beitrag wird Ende November geprüft, ob TWD diesmal Hi-Def ist oder nicht.

Die Standards der Medienaufsicht und des Jugendschutzes befinden sich auf dem Rückzug. Anything goes.
Schauen wir uns zunächst filmgeschichtlich um. Seit 35 Jahren gilt der Klassiker „Dawn of the Dead“ in Deutschland als absolutes No Go. In Deutschland ist George A. Romeros Film, der Ur-Vater des modernen Zombiefilms, nach wie vor indiziert. Da hilft es nur wenig, dass das Museum of Modern Art den Film in seine Sammlung aufgenommen hat und der verstorbene Kritikerzar Roger Ebert ihn als Kunst adelte. 

Wer sich heute die Long Version (139 Minuten) oder die „20th Anniversary Edition“ von „Dawn of the Dead“ anschauen will, muss wohl oder übel im Ausland einkaufen. Was er dann zu sehen bekommt, ist geradezu harmlos im Vergleich zu dem, was in TWD und damit im TV zu sehen ist. 

Das ist paradox: Während „Dawn of the Dead“ aufgrund von § 131 des STGB wegen „Gewaltverherrlichung“ indiziert ist, dürfen die expliziteren Szenen von „The Walking Dead“ (TWD) ungeschoren im Free TV ausgestrahlt werden (vgl. auch Teil 1).
Dazu passt übrigens, dass die ebenfalls extrem blutrünstige Horrorserie „Hannibal“ vor ihrer Free-TV-Ausstrahlung rund um die Uhr und befristet kostenfrei bei einem kommerziellen Anbieter online abgerufen werden kann. Müssen Eltern befürchten, dass sich Kinder nach der Schule und vor Schularbeiten erst einmal Body Horror reinziehen?


Jugendschutz adé - die Nachfrage regelt das Angebot

Dies ist zunächst einmal eine Feststellung und keine Kritik. Aber es zeigt, dass eine medienpädagogische oder gar moralische Debatte über die Grenzen der Gewaltdarstellung fast zwangsläufig an den ökonomischen Determinanten der modernen Serienkultur zerschellen muss. Denn unabhängig von der inhaltlichen Würdigung von TWD ist die Serie auch ein wirtschaftliches Phänomen, da nicht nur die Fans der Comics, sondern auch die TV-Zuschauer einen riesigen Nachholbedarf an Ekel, Gore und Splatter anmelden und damit mittels Nachfrage auch das Angebot regulieren.
Ein riesiger Markt ist entstanden. Und Deutschland ist inmitten dieser Erfolgsgeschichte das einzige Land, in dem Kürzungen und Schnitte von TWD
überhaupt noch erwogen werden (1).

Dies spiegelt sich in den hitzigen Debatten über den Jugendschutz wider. Interessant ist hier der Unterschied zwischen Pay- und Free-TV. Den gibt es nämlich nicht. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) unterscheidet nicht zwischen Pay-TV mit PIN und Free-TV. Als TWD 3 im vergangenen Jahr auf FOX lief, erteilte die FSF (Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen) deshalb eine Freigabe ab 18 Jahren und nur unter Schnittauflagen. Beantragt hatte FOX eine verschlüsselte Freigabe ab 16 Jahren (mit PIN-Abfrage), was eine Ausstrahlung vor 23.00 Uhr erlaubt hätte.

Die FSK änderte mit Staffel 3 indes ihre Politik und erteilte nunmehr der ungekürzten Serie eine Altersfreigabe ab 18 Jahren. RTL 2 konnte daher ein Jahr später ab 23 Uhr die 3. Staffel ungekürzt ausstrahlen und nur die Episoden, die früher liefen, wurden vermutlich gekürzt (2). Ein weiterer Schritt in der Liberalisierung des Medienmarktes. 


Lesenswert ist in diesem Zusammenhang eine immer noch aktuelle Arbeit des Medienwissenschaftlers Stefan Höltgen, der in seiner Arbeit „The Dead Walk“
(2000) auf eine interessante Dynamik hingewiesen hat. Mit „The Night of the Living Dead“ wurde, so Höltgen, eine ökonomische Dynamik in Gang gesetzt, die folgerichtig zu gewollten Tabubrüchen im post-modernen Horrorfilm führte: „...zukünftig musste sich jeder Streifen, der ökonomisch etwas gelten wollte, an der ‚Machart’ von NIGHT OF THE LIVING DEAD messen lassen. Hinter diese Grenze zurück zu fallen, war gleichbedeutend damit, einen Flop zu riskieren. Das bedeutete also: ‚Härter’ (sprich: ekliger) sein als NIGHT OF THE LIVING DEAD. Das ‚Prinzip des Fortschritts’ war damit als notwendiges Genreprinzip des Horrorfilms etabliert“. 

Fazit: die Narration passt sich dem Markt an, das Fernsehen dem Markt, und an beiden Ende zieht auch der TV-Konsument am Strick.


Die Medienforschung hinkt hinterher

Für Fans, die schnell den Vorwurf der Zensur parat haben, kommt natürlich nur uncut in Frage und die ganze Diskussion über Jugendschutz ist obsolet. Alle Anderen, denen das Thema nicht egal ist, reagieren ratlos oder zynisch. Was die Mitglieder in den diversen bundesdeutschen Prüfstellen übersehen, ist die unschwer feststellbare Tatsache, dass auch die marginal gekürzten Fassungen von TWD bereits alles hinter sich lassen, was bislang im Fernsehen denkbar gewesen ist.
Höltgen, der vor 13 Jahren nicht glauben wollte, dass nach „Day of the Dead“ eine weitere Steigerung des Grauens denkbar sei, ist mittlerweile im akademischen Bereich sesshaft geworden und musste bereits 2010 nachlegen, um die epigonalen Folgeprodukte der zurückliegenden Dekade abzuarbeiten (3). Ich bin gespannt, wie er auf die Jahre nach 2010 reagieren wird...

Persönlich mache ich keinen Hehl daraus, dass ich ein Romero-Fan bin und auch „The Walking Dead“ in meine Top Five aufgenommen habe. Trotzdem glaube ich, dass TWD nicht ins Fernsehen gehört: die Serie ist ein Angebot für Erwachsene, Ausstrahlungen nach 23.00 Uhr bieten nicht die geringste Kontrolle für die Eltern und sind ein hilfloser Fake, da Medienforscher ermittelt haben, dass bereits 8-10-Jährige sowohl über einen PC als auch über ein TV-Gerät verfügen. Kontrollen gehen auch deshalb an den Realitäten vorbei, weil Kinder technisch in der Lage sind, im Internet uneingeschränkt auf nicht altersgerechte Inhalte zuzugreifen.
 

Tatsächlich ist der beinahe überregulierte Jugendschutz in Deutschland (4) bereits auf dem Rückzug. Auch die Medienwirkungsforschung hat Probleme, den immer kürzeren Taktraten in der Weiterentwicklung von medialen Contents und deren Wirkung zu folgen. Einige Arbeiten vor 2010 wirken angesichts der Entwicklung der letzten Jahre geradezu altbacken.

In der Studie „Medien und Gewalt“ (5) von Prof. Dr. Michael Kunczik und Dr. Astrid Zipfel (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) erlebt man ein Beispiel für das hilflose Herumrudern in punkto Jugendschutz. Die im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellte Studie untersuchte vor einigen Jahren die Zusammenhänge zwischen der Mediennutzung und der daraus resultierenden Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen. Beabsichtigt war ein umfassender Überblick über den Stand der Medienwirkungsforschung. Dabei wurden deutsch- und englischsprachige Untersuchungen ausgewertet, die zwischen 2004 und 2009 stattgefunden haben.

Natürlich ungeachtet der Tatsache, dass sich die Medienkultur und die digitalen Zugriffsmöglichkeiten fast im Jahrestakt ändern, boten die Wissenschaftler am Ende ein Abstract an, das man nicht einmal in einer studentischen Hausarbeit durchgehen lassen darf: „Brutale Filme schädigen Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung nicht unbedingt in jedem Falle. Es gibt also allen Grund, sich gelassen und unaufgeregt dem Thema zu widmen und einzelne Grenzüberschreitungen und Verbotsübertretungen von Kindern und Jugendlichen nicht zu dramatisieren (...) Nach den Erkenntnissen der Wissenschaft kann der Konsum von Mediengewalt einen Einfluss auf die Aggressivität von Kindern und Jugendlichen haben (...) Dies sind gute Gründe ... Kindern ... geeignete Alternativen anzubieten.“


Gewalt in den Medien macht Kinder dumm

Das hört sich – gelinde gesagt – etwas hilflos an. Flötenunterricht statt TWD im Kinderzimmer?
Interessant ist in diesem Zusammenhang aber nicht nur die Frage nach der latenten Steigerung der Gewalttätigkeit durch den Konsum explizit gewalttätiger Medienprodukte, sondern auch deren Wirkung auf die kognitive Entwicklung und die Beeinträchtigung der schulischen Lernleistungen von Kindern und Jugendlichen. 

In einer Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen (6) kamen Christian Pfeiffer et al. vor einigen Jahren zu einem deutlichen Ergebnis. Die Studie spricht Klartext, sie kann sehr einfach zusammengefasst werden:
•    Kinder und Jugendliche in bildungsfernen Milieus haben einen größeren Medienkonsum als Kinder in gutbürgerlichen Familien;
•    gewalttätige Medieninhalte machen dumm und vergesslich,
•    die schulischen Leistungen sinken;
•    Kinder und Jugendliche, die in Medien permanenten Gewalterfahrungen ausgesetzt sind, sind selbst gewaltbereiter und ändern auch ihre sozialen Rollenmodelle entsprechend.

Das sind die Parameter, die dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche zu Medien- und damit auch zu Bildungsverlierern werden. Besonders betroffen sind laut Pfeiffer die Jungen, da Mädchen andere Medienpräferenzen haben. Pfeiffers Studie (übrigens eine Langzeituntersuchung) konnte meines Wissens weder widerlegt noch in ihrer Kernaussage eingeschränkt werden. Sie wirft ein Licht auf die Folgen, die scheinbar widerstandslos akzeptiert werden, wenn extreme Gewaltdarstellungen wie in „The Walking Dead“ nachts über den Bildschirm flimmern.


Was kann man besser machen?

Man kann zwar auf eine TV-Ausstrahlung verzichten wollen, was angesichts der wirtschaftlichen Interessen der TV-Anbieter eine unrealistische Forderung bleibt. Der Jugendschutz hat sich zudem schrittweise angepasst. Cut-Versionen sind ebenfalls sinnlos, weil auch das, was übrig bleibt, neue Maßstäbe in punkto Gewaltdarstellung setzt. Außerdem kann sich jeder die US-Uncut-Versionen mühelos im Internet anschauen. Auch Kinder.

Und eine generelle Indizierung, wie man sie im Falle von „Dawn of the Dead“ immer noch praktiziert, ist angesichts der künstlerischen Qualität der Serie ein Affront. Zensur ist kein Ausweg. 


Was bleibt, ist die übliche Regulierung des Abverkaufs über entsprechende Altersfreigaben. Und die immer zaghafter klingenden Aufforderungen der Medienpädagogen, den Kindern doch bitteschön spannendere Alternativen zu bieten. Sie verpuffen wohl weitgehend folgenlos.

Als ich vor der Veröffentlichung dieses Beitrags das Ganze mit einem befreundeten Medienwissenschaftler diskutierte, stand das Ergebnis rasch fest: Jugendmedienschutz ist Rumeierei, der Kampf ist bereits verloren. 

Wir werden uns mit diesem Papiertiger abfinden müssen. Den „Schwarzen Peter“ erhalten die Eltern und die Lehrer. Die Zeche bezahlen die Kinder und Jugendlichen.



Teil 3 beschäftigt sich mit dem Bluray-Release von „The Walking Dead“

(1) http://www.digitalfernsehen.de/Fox-Erneute-Diskussion-um-Jugendschutz-im-Pay-TV-begruessenswert.94846.0.html
(2) http://www.schnittberichte.com/news.php?ID=6349
(3) http://digital-b.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/13538
(4) http://technolex.de/prof-dr-marc-liesching-medienrecht-und-jugendschutz-ueberblick/#more-2625
(5) http://www.bundespruefstelle.de/bpjm/Jugendmedienschutz-Medienerziehung/film-fernsehen,did=106672.html
(6) http://www.woboge.schulen-re.de/jo15/images/stories/woboge/Internes/medienkonsum,%20schulleistungen%20und%20jugendgewalt.pdf