Donnerstag, 24. Oktober 2013

Side Effects - Tödliche Nebenwirkungen

Steven Soderbergh will keine Filme mehr machen. Die Blockbuster-Politik im amerikanischen Kino widert ihn an. Nun will er sich ganz der Musik und der Malerei widmen. Sein mutmaßlich letzter Film zeigt uns noch einmal den ganzen Soderbergh: Er verpackt ein brisantes Thema in eine informative und ziemlich provozierende erste halbe Stunde und entschädigt anschließend den Zuschauer für einige unangenehme Wahrheiten mit einem Thriller voller spektakulärer Plot-Twists.
 

Hätte Alfred Hitchcock diesen Film gemacht, würde er als Meisterwerk gefeiert. Das liegt nicht an der langen Fahrt über die Fassade eines Hauses, mit der Side Effects beginnt und dabei ein wenig an Psycho erinnert. Den Altmeister hätte allerdings nichts so sehr abgeschreckt, wie seinen Thrillern einen gesellschaftskritischen Unterton beizufügen. Steven Soderbergh kann beides: Arthouse und Entertainment. 

In den deutschen Feuilletons gilt jedoch informative Aufklärung und Unterhaltung als tödliche Mixtur: einige Kritiker schäumen vor Wut, aber längst nicht alle. Aber Manfred Klimek ärgert sich in der WELT über den vermeintlichen wirtschaftskritischen Tenor von Side Effects: „Was jetzt folgt ist eine Aneinanderreihung der üblichen Zutaten eines ab der Mitte des Films leicht vorhersehbaren Ablaufs: die hinterlistige Pharmaindustrie, die dutzende Mittel gegen Ängste und Weltschmerz in die Welt setzt, einzig in dem Bestreben, die Menschen (in „Side Effects“ ausschließlich Frauen) alltagstauglich und gefügig zu machen.“

Das ist ärgerlich und peinlich.

Ärgerlich: in Soderberghs Film ist absolut nichts vorhersehbar. Mit einigen Tausend Filmen auf dem Buckel glaubte ich, jeden Plot-Twist zu kennen. Doch Soderbergh überraschte mich bis zum Schluss. Side Effects ist ein Solitär der Spannung, von dem man nur wenig verraten sollte. Stichwort: Spoiler. 

Peinlich: in Side Effects geht es um die Pharmaindustrie, aber nicht nur. Und schon gar nicht geht es um einen Paranoia-Thriller à la Klimek. Es gibt eine Verschwörung, aber keine der Pharmariesen, und wer finstere Killer von Pfizer oder Bayer erwartet, ist garantiert im falschen Film. Manchmal ist es halt hilfreich, einen Film ganz zu sehen und nicht nach der ersten halben Stunde abzuschalten. 


Pillen ohne Wirkung?

Fluoxetin, Paroxetin, Setralin - wenn sich der Psychiater Jonathan Banks (Jude Law: Hugo Cabret, Anna Karenina) in Soderberghs Film angeregt mit einer Kollegin über die breite Palette von Antidepressiva (AD) so unterhält, als ginge es um beliebige Wellness-Präparate, dann muss man schon genau hinhören und –schauen. Denn die Herren und Frauen Doktoren stehen offenbar unter Druck. Sie müssen auf die Normen einer leistungsorientierten Gesellschaft reagieren, deren Bildungs- und Wirtschaftselite sich aufgeklärt und tolerant gibt, von Seinesgleichen dann aber doch erwartet, dass man funktioniert. Zum Psychiater zu gehen, kein Problem – das ist normal. Anschließend aber immer nicht in die Spur zu finden – das geht gar nicht. Mediziner passen sich solchen Erwartungen scheinbar an.
Jude Law spielt den angepassten Psychiater bestechend gut: der eloquente britische Mediziner Banks ist in die Staaten gegangen, weil die Amerikaner offenbar zupackender mit psychischen Problemen umgehen. „Wenn in meiner Heimat jemand zum Psychiater geht und Medikamente nimmt, dann geht man davon aus, dass er krank ist. Hier sieht man dies jedoch als Weg zur Besserung“, wird Banks später als Erklärung angeben. Es ist jener pragmatische und gedankenlose Optimismus, der ihm dabei hilft, seiner Frau vor einem Bewerbungsgespräch einen Beta-Blocker in die Hand zu drücken. Das machen alle so. Und natürlich hört Banks sich dann auch gerne den Tipp seiner Kollegin Victoria Siebert (Catherine Zeta-Jones) an, bei problematischen Patienten mal ‚was Neues’ zu versuchen. Das Neue sind andere Pillen.


Psychopharmaka als Wellness-Pillen? Psychiater kombinieren in der Regel die Gesprächstherapie ergänzend mit Medikamenten, auch Banks tut dies. Hausärzte verzichten dagegen oft auf das Gespräch und verschreiben gleich die vermeintlichen Glückspillen. Das war und ist nicht nur in den USA mit Prozac so. Auch hierzulande geht nur ein Drittel der Rezepte auf das Konto qualifizierter Nervenärzte. Und meistens sind es dann die Hausärzte, die am liebsten die sogenannten SSRI oder SSNRI (1) verschreiben, wenn die Patienten down sind. Und wenn das Ganze unverträglich ist, muss ein neues Präparat her. Das Pillen-Hopping beginnt.


Etwas Neues ist wohl auch bei Emily Banks (Rooney Mara: The Social Network, The Girl with the Dragon Tattoo) angeraten. Die Dame ist nicht gediegener Vorort-Mittelstand, sondern stinkreich. Jedenfalls so lange, wie die Insider-Geschäfte ihres Mannes Martin (Channing Tatum) nicht auffliegen. Als Martin nach vier Jahren Haft nach Hause zurückkehrt, driftet Emily endgültig ab: sie hält zwar mit ihrem Gehalt den Haushalt zusammen, während ihr Mann über neue Geschäfte schwadroniert, aber ihre Depressionen verschlimmern sich dramatisch.
Klinisch betrachtet ist sie der Modellfall einer Major Depression, gleichzeitig aber auch das typische Beispiel einer gescheiterten SSRI-Therapie: appetitlos und sexuell lustlos quälen die Ärmste zudem auch noch Schlafstörungen. 

Pillen ohne Wirkung, aber heftige Side Effects mit Folgen: Suizidal steuert Emily ihren Wagen vor eine Betonwand und kann gerade noch rechtzeitig vor einem Sprung vor die U-Bahn gerettet werden. Einer Klinik-Einweisung entgeht sie nur, weil sie Banks verspricht, weiterhin zur Therapie zu kommen. 
Banks nimmt Kontakt zur Emilys ehemaliger Therapeutin Victoria Siebert auf, die ihm ein neues Präparat für die Problempatientin empfiehlt. Die Entscheidung wird  leicht gemacht: ein Pharmakonzern bietet Banks an, an einer Studie des neuen AD namens Ablixa teilzunehmen: 50.000 $ sind garantiert. Emily willigt ein, aber sie reagiert plötzlich mit somnambulen Episoden auf die neue Pille. Hinterher weiß sie nicht, was sie getan hat. Wenig später ersticht sie ihren Mann in der Küche.


Die Plot-Twists führen an die Börse

Das Kino erzählt Geschichten und hält nicht Schautafeln mit Statistiken hoch. Und nur im Arthouse kann man es sich leisten, ellenlange Diskussionen abzufilmen, die in einem Jargon geführt werden, den keiner versteht. Steven Soderbergh hat es dagegen immer gut verstanden, brisante Themen aufzugreifen und den Zuschauer dabei gut zu unterhalten. Die Kritiker lieben ihn für seinen ersten Film Sex, Lies, and Video tape (1989), die Fans eher für Traffic (2000), Soderberghs meisterlichen Kommentar zum globalen Drogenproblem, oder für Erin Brockovich (2000), jenes Justiz-Drama, in dem Julia Roberts einem gigantischen Öko-Skandal auf die Schliche kommt. Contagion (2011) kann man mit Recht als Höhepunkt der cleveren Mischung à la Soderbergh bezeichnen: wissenschaftlich akkurat aufgearbeitete Fakten, kombiniert mit äußerst effektivem Spannungskino.
 

Auch in Soderberghs nicht ganz zu Unrecht als Psychopharmaka-Thriller angekündigtem Side Effects geht es in den ersten 35 Minuten um ein heikles Thema und einen Riesenmarkt. Vor fünf Jahren gerieten die beliebten AD  ins Kreuzfeuer der Wissenschaft und der Medien. Das Ergebnis war ernüchternd (2): besonders den SSRI wird seitdem nachgesagt, dass sie kaum wirken. Was allerdings wirkt, sind die Side Effects, die sogenannten Nebenwirkungen. Stimulierung des Antriebs ohne Stimmungsverbesserung, Schlafstörungen, Übelkeit – die Liste der ungewollten Störungen ist lang. Denn SSRI haben eine lange Anlaufzeit, sie wirken oft erst nach 8–10 Wochen anti-depressiv. Wenn überhaupt. Nur völlig Ahnungslose erwarten, dass man sich Fluoxetin einwirft und danach richtig gut drauf ist. Zu einem Umsatzeinbruch führten die neuen Erkenntnisse jedenfalls nicht.

Natürlich reißt Soderbergh dies nur an, aber wieder tut es er recht clever: Eine halbe Stunde lang reibt uns Soderbergh den Pharmamarkt unter die Nase, dann wechselt er das Genre und zelebriert einen feinen Thriller, in dem ein Plot-Twist den nächsten jagt: Nachdem Emily ihren Mann umgebracht hat, unternimmt Banks alles, um zu beweisen, dass die Tat eine Nebenwirkung des neuen Medikaments gewesen ist. Als behandelnder Arzt gerät er nun selbst in Kreuzfeuer der Kritik: die Ethik-Kommission taucht bei ihm auf, die Staatsanwaltschaft ermittelt, die Kollegen aus der Gemeinschaftspraxis trennen sich von ihm, seine Frau verlässt ihn und auch der Berater-Vertrag mit dem Pharmakonzern ist futsch.
Banks beginnt zu recherchieren. Über Ablixa. Ein wenig spät. Aber er findet heraus, dass er für eine randomisierte Doppelblind-Studie bezahlt wird, die sich eigentlich für bipolare Störungen interessiert. Oupps! Da muss man schon genau aufpassen, denn im Film ist das nur kurz zu sehen.
Banks bemerkt weitere Unstimmigkeiten.
Er führt einen manipulierten Test mit Emily durch und findet heraus, dass nicht nur er auf raffinierte Art betrogen worden ist.
Aus dem gesellschaftlich ruinierten Arzt wird ein grausamer Racheengel. Banks trickst die Verschwörer aus und so viel sei verraten: es ist nicht die böse Pharmaindustrie, die hinter allem steckt. Im letzten Drittel des Films nimmt Soderbergh den Zuschauer vielmehr auf eine Reise ins Herz der Finsternis mit: Des Rätsels Lösung wird man an der Börse finden und Optionshandel ist die mächtige Triebfeder. Und wie in Psycho wird am Ende eine ausführliche Erklärung nötig sein, um alle Scheußlichkeiten genau zu verstehen.


Hommage an Hitchcock? 
Ganz sicher, nur ist die verdächtigte Hauptfigur anders als bei Hitchcock nicht ganz unschuldig und die Frauen in „Side Effects“ würden eher in einen Film noir passen. Rooney Mara spielt ihre Rolle so somnambul, dass kein Schatten des Zweifels auf sie fällt. Catherine Zeta-Jones ist mit strenger Frisur und markanter Brille schon eher gewissen Zweifeln ausgesetzt. Und ganz am Ende wartet dann eine zweifellos sadistische Pointe auf den Zuschauer, der dem Altmeister sicher große Freude bereitet hätte. 
Die eigentliche Pointe findet man aber im Bonus-Material der DVD: Soderbergh präsentiert zwei fiktive Werbeclips für Psychopharmaka, die ziemlich gemein sind. Wer den Film nicht verstanden hat, wird danach etwas klüger sein.


Postscriptum

(1) auf Deutsch: „Serotonin-Wiederaufnahmehemmer“ oder „Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer“.
(2) Anti-Depressiva gehören in Deutschland zu den zehn am häufigsten verschriebenen Medikamenten, sie rangieren in der Umsatz-Hitliste allerdings in den Top-Five. In den USA nehmen 7 von 10 Bürgern verschreibungspflichtige Medikamente, 13% davon greifen zu AD. Mehr als 250 Milliarden US-Dollar werden umgesetzt – Tendenz steigend. Darunter ADs wie Prozac, das sich fast über Nacht zum Wundermittel entwickelte. Wie auch andere SSRI soll das Medikament den Botenstoff Serotonin länger im neuronalen Umlauf halten und Depressionen heilen.

Der Paukenschlag folgte 2008, als das New England Journal of Medicine eine auf 12.000 Patienten basierende Studie veröffentlichte, die kurz danach von einem britischen Wissenschaftler von der Universität in Hull bestätigt wurde: SSRI sind in leichten Fällen von Depression nicht wirksamer als Placebo, in schweren Fällen ist ein positiver Effekt selten oder schwach.
45 Millionen Menschen hatten Prozac oder andere ähnliche konstruierte Medikamente mit dem Wirkstoff Fluoxetin geschluckt und nun sollte alles ein Fake sein? Es kam noch schlimmer: Kinder und Jugendliche dürfen die Pillen wegen erhöhter Selbstmordrate nicht nehmen (hier gibt es Meta-Studien, die zu einem anderen Ergebnis kommen) und die Hersteller können in Europa mittlerweile auch nicht mehr behaupten, dass die SSRI kein Abhängigkeitspotential besitzen.
Beim obligatorischen Pharma-Bashing sollte man allerdings vorsichtig sein, denn es gibt auch seriöse Studien, die eine Wirksamkeit von SSRI und verwandten Präparaten bei schweren Depressionen nachweisen.


Links

Pressespiegel

Christian Buß schreibt in SPON: Side Effects" wurde in der Kritik vielfach wegen seiner unwahrscheinlichen Wendungen als Mumpitz abgetan, dennoch stößt Steven Soderbergh mit seinem fröhliche Kapriolen schlagenden Depri-Thriller in gesellschaftliche Gefilde vor, die bislang im Kino wenig ausgeleuchtet wurden: Wie ist es eigentlich um die Zurechnungsfähigkeit einer Nation bestellt, deren Bevölkerung zu nicht unerheblichen Teilen auf Psychopharmaka unterwegs ist? Welche Konsequenzen hat es für die Rechtsprechung, wenn die pharmazeutische Industrie für ein Heer potentiell schuldunfähiger Bürger sorgt? Und schließlich: Lässt sich diese potentielle Schuldunfähigkeit gar strategisch für ein Verbrechen einsetzen?“

Rüdiger Suchsland schreibt auf artechock.de: Die „angekündigte Abschiedsvorstellung ist ein Thriller geworden, der auch darin ans klassische Studiokino erinnert, dass er klar und effektiv inszeniert ist, alles Überflüssige und Ornamentale abgestreift hat. Nachdem der Film wie eine Slasher-Version von Desperate Housewives begann, bietet der Mittelteil das sarkastische Portrait einer medikamentensüchtigen amerikanischen Mittelstandsgesellschaft, in der in erster Linie frustrierte Ehefrauen, depressive Geliebte und Burn-out-geplagte Karriereweiber (...) mit ganzen Paletten von Pillen inklusive der jeweiligen Wirkungsverstärker, Verträglichkeitshelfer und Antidota jonglieren, und Ärzte ein Vielfaches ihrer Honorare als Interessenvertreter bestimmter Pharmafirmen verdienen.“

Side Effects, USA 2013. Laufzeit: 106 min. FSK: ab 12. Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Scott Z. Burns. Darsteller: Jude Law, Rooney Mara, Catherine Zeta-Jones, Channing Tatum.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Bluray-Review: „Hannah Arendt“

Der neue Film von Margarethe von Trotta liegt zehn Monate nach dem Kinostart nun auf Bluray vor. Erneut stellt die deutsche Regisseurin eine starke Frauenfigur in den Mittelpunkt. Eine Frau, die sich nicht als Philosophin bezeichnete, aber dennoch eine der bedeutendsten des 20. Jh. gewesen ist: Hannah Arendt, die den Begriff von der „Banalität des Bösen“ prägte.

Eine nächtliche Landstraße im Nirgendwo: Ein Mann im Regenmantel wird von einem Lkw überholt, Männer springen von der Ladefläche und zerren den Mann ins Wageninnere. Man hört seine Schreie. Man ahnt sofort: das ist Adolf Eichmann. 

Die USA in den 1960er Jahren: die jüdische Theoretikerin und Autorin Hannah Arendt (Barbara Sukowa) lebt zusammen mit ihrem Mann Heinrich Blücher (Axel Milberg) in New York und lehrt an einem College. Als sie 1961 von dem Magazin The New Yorker den Auftrag erhält, nach Jerusalem zu fahren, um vom Prozess gegen den vom israelischen Mossad entführten Nazi Adolf Eichmann zu berichten, erwartet sie ein Monster zu sehen. Aber Eichmann entpuppt sich als biederer Bürokrat. Der ehemalige SS-Obersturmbannführer und für die Deportation von Millionen Juden zuständige Referent des Reichssicherheitshauptamtes beteuert immer wieder, nur Befehle ausgeführt zu haben, weil dies sein Fahneneid verlangt habe. An der verwaltungstechnischen Organisation des Holocaust sei nicht nur er beteiligt gewesen, sondern auch viele andere Dienststellen. Im juristischen Sinne sei er völlig unschuldig.

Hannah Arendt wird von der intellektuellen Schlichtheit des Nazis überrascht. Nach ihrer Rückkehr ist sie nicht imstande, die geforderten Artikel abzuliefern. Sie studiert zunächst hunderte von Prozessakten und diskutiert mit ihren Freunden: darunter Mary McCarthy, die den linken New York Intellectuals angehört, der Philosoph Hans Jonas (Ulrich Noethen) und der zionistische Rechtswissenschaftler Kurt Blumenfeld (Michael Degen). Erst 1963 erscheint Arendts Artikelserie im New Yorker


Geschichte einer Hexenjagd

Die Reaktionen sind verheerend: Arendts These von der „Banalität des Bösen“ löst ebenso Empörung aus wie ihre Feststellung, dass die Juden unzureichenden Widerstand gegen die Deportation geleistet und vielmehr mit den Nazis zusammengearbeitet hätten: Die „Rolle der jüdischen Führer bei der Zerstörung ihres eigenen Volkes ist für Juden zweifellos das dunkelste Kapitel in der ganzen dunklen Geschichte“ (Hannah Arendt).
Hannah Arendt wird skandalisiert. Nicht nur von ihren engen Freunden, die auf Distanz gehen, sondern auch von der amerikanischen Öffentlichkeit. Das Brooklyn College legt ihr einen Rücktritt von ihrer Professur nahe, der Mossad versucht sie dazu zu nötigen, auf die Veröffentlichung eines Buches über den Eichmann-Prozess zu verzichten. Nur Mary McCarthy und ihre langjährige Assistentin Lotte Köhler bleiben loyal. Der Film endet mit einer brillanten Verteidigungsrede Hannah Arendts vor ihren faszinierten Studenten. Ihre akademischen Kollegen verlassen schweigend den Saal.

Margarethe von Trotta (u.a. Die bleierne Zeit, 1981, Rosenstrasse, 2003, Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen, 2009) hat ihren Film sorgfältig recherchiert, u.a. in Gesprächen mit Lotte Köhler und anderen Zeitzeugen. Die Entscheidung von Trottas, den Fokus auf einen begrenzten Lebensausschnitt Hannah Arendts zu legen, ist für ein Biopic über die vielschichtige und einflussreiche Philosophin, die keine sein wollte, zweifellos notwendig. Zudem wird auch deutlich, wie jene Arbeit entstand, mit der Hannah Arendt wohl die nachhaltigste Wirkung in der Öffentlichkeit erzielte.
Der Eichmann-Prozess wird nur kurz skizziert. Von Trotta verzichtet dabei auf eine Rollenbesetzung Adolf Eichmanns, sondern schneidet zwischen dokumentarischem Filmmaterial vom Eichmann-Prozess und fiktiven Einstellungen der Prozessbesucher hin und her. Das ist konsequent. 
Konsequent ist auch der Verzicht auf eine Synchronisation der in Englisch geführten Gespräche. Sie sind untertitelt und spiegeln die multi-kulturelle Intellektuellenkultur in New York wider, aber auch die diffizilen Ansprüche an die deutsche Philosophin, sich in einer fremden Sprache verständlich zu machen. 


Gediegener Schulfunk mit exzellenten Darstellern

Entstanden ist ein Film, in dem viel geredet wird. Dramaturgisch repräsentiert „Hannah Arendt“ gediegenen Schulfunk, der bebildert worden ist. Ein Film, der eher mit einer Fernsehspiel-Attitüde daherkommt und vorwiegend in Wohnzimmern spielt, in denen deutsche und amerikanische Intellektuelle hitzig debattieren. Das ist nicht frei von einer gewissen Langweiligkeit, zumal der Zuschauer ohne grundlegende historische und fachliche Kenntnisse wohl kaum in der Lage sein wird, dies und auch die kurzen Flashbacks, die Arendts Liebesbeziehung zu dem deutschen Philosophen Martin Heidegger andeuten, richtig einzuschätzen. So bleibt es bei der dunklen Andeutung, dass Heidegger wegen seiner Nähe zu den Nazis in der Bundesrepublik kontrovers diskutiert wurde. Gelinde gesagt.

So leidet „Hannah Arendt“ an einer filmischen Hermetik, die auch dramaturgisch einiges liegen lässt. Ein Beispiel: Über die ambivalente Beziehung der jungen Israelis zur Generation ihrer Eltern, deren mangelnder Widerstand gegen den Holocaust vorgeworfen wird, wird im Film nur geredet. Eine entsprechende Szene, die eine Begegnung Arendt mit einem Vertreter dieser Position in Israel zeigt, hätte dies nicht nur intellektuell, sondern auch emotional griffig gemacht. Da Arendt später einen weitgehend ähnlichen Standpunkt vertritt, wäre so eine Fiktionalisierung auch aus inhaltlicher Sicht logisch gewesen. Aber wahrscheinlich hätte dies nicht zum hohen Authentizitätsanspruch der Filmemacherin gepasst.

Das Schauspielerensemble ist grandios und rettet über einige Längen hinweg. Barbara Sukowa legt eine formidable Leistung als unabhängige und kettenrauchende Denkerin hin, während Axel Milberg als ihr kritisch kommentierender Ehemann Heinrich ebenfalls eine sehenswerte Leistung präsentiert. Diese Qualität wird auch in den Nebenrollen gehalten, wobei aufgrund der Komplexität des Themas Ulrich Noethen nur andeuten kann, welche Rolle der Philosoph Hans Jonas tatsächlich in der Debatte gespielt hat. Michael spielt eindrucksvoll einen liebenden Freund, der sich von einer langjährigen Freundin verbittert abwendet, während Julia Jentsch als Lotte Köhler die wichtige Rolle andeutet, die Hannah Arendts Assistentin in ihrem Leben gespielt hat.

Von Trottas Film ist moralisch und intellektuell ehrenwert. In den schier endlosen Diskursen scheinen mir zwei Anliegen besonders deutlich zu werden: zum einen wird in den Debatten der deutschen und jüdischen Exilanten in den USA sichtbar, dass die Diskussionen über die Verbrechen des deutsche Faschismus verständlicherweise von individuellen Lebens- und Leidenserfahrungen geprägt wurde. Diese verlangen offenbar nach einem gemeinsamen moralischen Kodex, einer Political Correctness, der man sich bei Gefahr der sozialen Ächtung nicht entziehen darf. 

Zum anderen zeigt sich, dass dieses Regelwerk zulässiger historischer Urteile sich unter Missachtung der Spielregeln wissenschaftlichen Debattenkultur streckenweise der unter dem US-Senator McCarthy etablierten Verfolgung und Ausgrenzung weltanschaulich abweichender Denkkulturen gefährlich annähert: wer anders argumentiert, wird sozial isoliert, muss mit Berufsverbot rechnen und seine ‚Unschuld’ beweisen. Nicht der Kläger muss mit Argumenten aufwarten (was ein essentieller Rechtsgrundsatz ist), nein, der Angeklagte muss sich selbst reinwaschen. Und noch schlimmer: der politisch korrekter Codex erlaubt es den Klägern sogar, sich kognitiv zu immunisieren. Auf eine Lektüre der inkriminierten Artikel Arendts verzichten einige Kritiker. Wenn jedoch das Vorurteil in seiner schlimmsten Form auftritt, dem Denk- und Debattenverzicht nämlich, ist das Ende einer kritischen Geschichtsauswertung erreicht, bevor sie begonnen hat.

„Die Gleichgültigkeit, mit der sich die Deutschen durch die Trümmer bewegen, findet ihre genaue Entsprechung darin, dass niemand um die Toten trauert“ (Hannah Arendt, Besuch in Deutschland. Die Nachwirkungen des Naziregimes, 1950)

Margarethe von Trottas Anliegen ist zumindest aus meiner Sicht recht einfach: sie will Hannah Arendt als Theoretikerin darstellen, die mit ihrer Position auch eine der großen kollektiven Umdeutungen des deutschen Geschichtsverständnisses in Frage stellt. Dabei muss man ein wenig um die Ecke denken. Es sei daran erinnert, dass sich besonders in den Nachkriegsjahrzehnten im Bewusstsein der Nation der Mythos festgesetzt hatte, dass es eine Handvoll Verbrecher war, die eine ganze Nation ‚verführte’. Es waren dämonische Bestien, Abgesandte des Bösen schlechthin, deren höllischer Magie man sich offenbar nicht entziehen konnte. Die ältere Generation wird sich zudem noch an den Vorwurf der Kollektivschuld erinnern, der im Nachkriegsdeutschland viele Gräben aufriss. Aber mit der Dämonisierung der Nationalsozialisten konnte sich eine Generation entlasten, denn welcher normale Mensch hätte sich den mephistophelischen Einflüsterungen der Verführer entziehen können?


Der ‚Autoritäre Charakter’

Arendt bestand mit der ‚Banalität des Bösen’ jedoch darauf, dass beinahe jeder fähig ist, sich an Menschheitsverbrechen zu beteiligen, wenn er sein Denken einstellt und gehorcht. Ob man wirklich dafür Denkverzicht leisten musste, wie Arendt postulierte, sei dahingestellt. Wesentlich interessanter erscheinen mir in diesem Zusammenhang die Hypothesen von Wilhelm Reich (Massenpsychologie des Faschismus, 1933) und besonders die von Erich Fromm, der bereits in den 1930er Jahren in mehreren Studien den theoretischen Grundstock für die Definition des ‚Autoritären Charakters’ legte. 
Demzufolge sorgt eine Melange aus familiärer Erziehung, gesellschaftlicher Sozialisation und Affinität zu repressiven Weltmodellen dafür, dass Menschen sich bedingungslos politischen Autoritäten unterwerfen und im Extremfall sogar die pathologischen Züge eines sadomasochistischen Charakters aufweisen, der großer Befriedigung im Beherrschen, Quälen und letztlich auch Töten von ausgegrenzten Personengruppen findet. 
Aber dann kommt die These Hannah Arendts: Es gibt keine grandiosen Bösewichter, keine Hannibal Lecters in Nazi-Uniform, sondern der kleine Beamte oder der schlicht gestrickte Mitläufer, der zu gehorchen gelernt hatte, waren potentielle Eichmanns – und das ohne jedwedes Charisma. Eine Provokation.

Diese Geschichtsrevision musste natürlich zurückgewiesen werden. Als in der 1950er Jahren dann bundesweit eine Anschlagswelle der Altnazis tobte, in Deutschland jüdische Friedhöfe verwüstet wurden und 1959 ein Anschlag auf die Kölner Synagoge verübt wurde, sollte dies von einigen Politikern ganz salopp der DDR in die Schuhe geschoben werden. Der erste Bundeskanzler der jungen Republik, der sich durchaus um eine pro-israelische Versöhnungspolitik bemühte, beruhigte indes seine Landsleute mit der Feststellung, dass die meisten Deutschen frei von nationalsozialistischem Denken seien und nur eine Handvoll Verführer an den Pranger gestellt werden müssten. Konrad Adenauer Versöhnungsversuch fiel entsprechend aus: „Ich weiß schon längst, dass die Soldaten der Waffen-SS anständige Leute waren. Aber solange wir nicht die Souveränität besitzen, geben die Sieger in dieser Frage allein den Ausschlag, so dass wir keine Handhabe besitzen, eine Rehabilitierung zu verlangen... Machen Sie einmal den Leuten deutlich, dass die Waffen-SS keine Juden erschossen hat, sondern als hervorragende Soldaten von den Sowjets gefürchtet war...“ (Konrad Adenauer, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46409500.html)

Jahre später hatte sich eine andere Sicht auf die Dinge durchgesetzt. Die Rolle der SS und auch der Wehrmacht wurde genauso entmythologisiert wie die Mär vom Ende des Nationalsozialismus, das gefälligst mit dem Kriegsende stattgefunden hatte: „Die alten Nazis waren in der jungen Bundesrepublik überall: Sie waren in der Justiz, in der Verwaltung, in den Ministerien, an den Universitäten; der Verfassungsschutz war so braun, dass es einen noch heute schüttelt. Kanzler Adenauer erklärte das so: Es handle sich um Leute, "die von früher was verstehen". Es gab bei den Beamten und den sonstigen Funktionseliten von Staat und Gesellschaft so etwas wie eine Totalkontinuität. Für so eine Feststellung ist man noch vor zwanzig Jahren als böswilliger Linker beschimpft worden; heute leugnet das kaum jemand“ (http://www.sueddeutsche.de/politik/altnazis-im-bund-der-vertriebenen-leute-die-von-frueher-was-verstehen-1.1529956).

Das ist ein Teil unserer Geschichte. Wird oder ist sie vergessen? Wer aber soll nun aber „Hannah Arendt“ sehen und verstehen? 

Der Film ist durchgehend bebilderter Schulfunk, ein Film, mit dem Lehrer in den Unterricht gehen können, um Schüler von lästiger Lektüre zu befreien und ihnen eine anschauliche Geschichtslektion zu vermitteln. Vermutlich dürfte die Zielgruppe aber nicht einmal wissen, warum deutsche Intellektuelle in den Vereinigten Staaten sich so ins Zeug gelegt haben, warum deutsche Juden überhaupt dort lebten. 
Elementares historisches Wissen ist bereits weitgehend verschwunden. Mitte 2012 stellte eine Forschungsgruppe der FU Berlin Erschreckendes fest: Ein Drittel der befragten Jugendlichen glaubte, dass die individuellen Menschrechte auch im Nationalsozialismus gewährleistet waren. Der provokanten These „Nationalsozialismus - keine Diktatur?“ stimmte knapp ein Viertel der befragten Jugendlichen zu. Und die Frage „In was für einem Land leben wir eigentlich?“ wurde von der Hälfte der befragten Jugendlichen recht unmissverständlich beantwortet: sie sieht z.B. die Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung nicht als Demokratie an, weil sie nicht weiß, dass in diesem unseren Land seit Jahrzehnten Wahlen abgehalten werden (Forschungsverbund SED-Staat, FU Berlin: http://www.spiegel.de/schulspiegel/schueler-wissen-wenig-ueber-ddr-und-nationalsozialismus-a-841157.html)

Auch das gehört zur Rezeption von „Hannah Arendt“ und die Frage „Wer aber soll dies sehen und verstehen?“ ist damit aber noch lange nicht beantwortet. Margarethe von Trottas Film wird ganz sicher das Bildungsbürgertum erreichen und besonders die in den 1950er und 1960er Jahren Geborenen. Ehrenwert ist der Film, weil solche Filme denjenigen, die der eigenen Geschichte so etwas wie Neugier entgegenbringen, etwas zu sagen haben. 

Zu anderen spricht der Film in Rätseln: Martin Heidegger? Hans Jonas? Kurt Blumenfeld? Adolf Eichmann? Hannah Arendt? Nie gehört. 
Und das ist eben das Dilemma des gepflegten Bildungskinos: jene, die bereits informiert sind, werden sich über den Film freuen, aber sie brauchen ihn nicht, und jene, die ihn nötig hätten, werden ihn sich ohne Waffengewalt nicht anschauen. Das ist nicht sarkastisch gemeint, sondern ein Teil unserer politischen Bildungsgeschichte.
Trotzdem: wir brauchen solche Filme. Immerhin haben 400.000 deutsche Zuschauer den Film gesehen. Aber in Hinblick auf den wirkungsgeschichtlichen Aspekt gehen langsam die Argumente aus. Von Trotta teilt indes die Hoffnung der Titelfigur ihres Films, dass man dem vernünftigen Denken einen Vertrauensvorschuss einräumen sollte. Auf die Frage, worauf sie denn in Hinblick auf ihren Film vertraue, antwortete sie: „... im Sinne Hannah Arendts: dass der Zuschauer über Nichtwissen und Erstaunen zum Verstehen-Wollen und letztlich zum Verstehen gelangt.“


Die Bluray

„Hannah Arendt“ ist der erste Film von Trottas, der digital produziert wurde. Das Bild bietet eine vertretbare Schärfe, schwächelt aber ein wenig bei den Schwarzwerten. Als Bonus erhält man ein dickes Booklet, aber außer „Behind the Scenes“ und einigen Deleted Scenes wurde leider auf dokumentarisches Material verzichtet. Wer das nachholen möchte, sollte das Interview anschauen, das Günter Gaus mit der „politischen Theoretikerin“ (Arendt) geführt hat: http://www.youtube.com/watch?v=J9SyTEUi6Kw

Hintergründe

Jüdisches Leben nach 1945: http://www.br.de/themen/bayern/inhalt/geschichte/juden-bayern-juedisches-leben102.html
Autoritärer Charakter: http://de.wikipedia.org/wiki/Autorit%C3%A4rer_Charakter
Die Geschichte der SS, Teil 21 (1967): http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46409500.html

Hannah Arendt (Deutschland 2013), Laufzeit: 113 Minuten, FSK: ab 6 Jahren, Regie: Margarethe von Trotta, Drehbuch: Pamela Katz, Margarethe von Trotta, D.: Barbara Sukowa, Axel Milberg, Janet McTeer, Julia Jentsch, Ulrich Noethen, Michael Degen,Victoria Trauttmansdorff, Klaus Pohl, Nicholas Woodeson u. a.

Noten: Mr. Mendez, Melonie, Klawer = 2, BigDoc = 2,5

Mittwoch, 9. Oktober 2013

DVD-Review: „Luther“-Box (Season 1-3)

Deutschlands zerfurchte Serienlandschaft führt gelegentlich zu absonderlichen Ereignissen. Die britische Serie „Luther“ wurde 2011 vom ZDF an die digitale Schwester ZDFneo weitergereicht und erst nach auffallend guten Quoten Anfang 2012 von den Mainzern ins Hauptprogramm gehoben. Auch dort durfte der deutsche Krimifan nur eine arg gekürzte Version des BBC-Krimis bestaunen, die gleichsam beschädigt in den DVD- und Bluray-Release ging. Die englische Filiale eines bekannten E-Tailers verkauft nun seit Anfang August alle drei Staffeln in einer Box – natürlich ungekürzt und für weniger als 20 £.
 

Gut dran ist, wer Englisch kann. Die große, in markantem Rot gehaltene „Luther“-Box enthält nämlich nur englische Subs. Wer in der Schule aufgepasst hat, muss aber nur mit geringen Problemen rechnen und die Fans von Idris Elba werden sich von solchen Kleinigkeiten ohnehin nicht aufhalten lassen. Ich habe pro Episode ca. 3-4-mal die Pausetaste drücken müssen, um schnell gesprochene Passagen übersetzen zu können. Der Rest ging on the fly.
 Dafür wird man durch Aktualität entschädigt, denn die Box war in Great Britain nur wenige Tage nach der Ausstrahlung der letzten Episode der finalen Staffel auf dem Markt. Und endlich kann man die Originalfassung mit deutlich mehr guten Dialogen konsumieren und nicht eine der Internationalen Fassungen, die von der BBC auf den Markt geworfen. Bei „Luther“ wurden die knapp 60-minütigen Episoden nämlich für den deutschen Markt in ein 45er-Format ‚gewandelt‘. 

Auch wenn es Puristen aufregt: der Vergleich der Originalfassung mit der gekürzten Fassung fiel mir aufgrund des zeitlichen Abstands zur Erstausstrahlung erstaunlich schwer. Auf Anhieb konnte ich das neue Material jedenfalls nicht erkennen. Storyline und Charaktere haben in der Short Version offenbar nicht so viel eingebüßt, wie man grundsätzlich befürchten muss. Natürlich ist das kein Plädoyer für gekürzte Schnittfassungen, im Gegenteil. Aber der Geist der Serie ist dann doch wohl nicht schwer beschädigt worden. Nun also das große Finale, das weitgehend mit der hohen Qualität der ersten Season Schritt halten konnte.


Luther – ein moralischer Borderliner

Worum geht es in „Luther“? Detective Chief Inspector John Luther (Idris Elba, „The Wire“ 1-3) ist ein Hybrid, irgendwo zwischen Charles Bronson und Sherlock Holmes angesiedelt. Also ein Schuss Vigilantismus und messerscharfe Intelligenz, die besonders in seinen raffinierten Verhörtechniken sichtbar wird. Ein Copper, der es mit den Dienstvorschriften so lange ernst meint, wie es seine eigenen hohen moralischen Maßstäbe dulden können. So lässt Luther am Anfang der 1. Staffel den berüchtigten Kinderschänder Henry Madsen in voller Absicht in die Tiefe stürzen, was eine Reihe von Untersuchungen und Folgeschäden auslöst, die sich konsequent in der letzten Staffel entladen.

Die detektivische Brillanz Luthers besteht hingegen in der empathischen Fähigkeit, sich in die obskure Gedankenwelt der zumeist psychopathischen Gewalttäter einzufühlen, die der Zuschauer im Laufe der drei Staffeln zur Genüge kennenlernt. Das ist nicht gerade originell, aber gepaart mit Idris Elbas etwas prolliger Art der Darstellung wirkt der Profiler-Topos durchweg frisch. Aber auch konsequent, denn mit der Luthers komplizierter Beziehung zu einer Elternmörderin, die er nicht überführen konnte, bekommt die Serie eine markantes Alleinstellungsmerkmal. Eine derart spannende Amour fou hat man seit „Das Schweigen der Lämmer“ nicht mehr gesehen: Die von Ruth Wilson exzellent gespielte Alice Morgan ist eine Intelligenzbestie, die bereits mit 13 Jahren ihr Studium in Oxford begann und mit 18 Jahren ihren Doktortitel in Astrophysik erhielt. Die Ermordung ihrer Eltern ist das Gesellenstück einer Soziopathin, deren Gewaltbereitschaft und das entsprechende technische Know-how sicher nicht zum üblichen Rüstzeug einer Physikerin gehören. Aber natürlich ist Alice Morgan eine Kunstfigur wie Hannibal Lecter. 

Alice‘ Interesse an dem unorthodoxen Ermittler steigert sich, grenzt schließlich an Obsession und die anfänglich Hassliebe verwandelt sich in die Freundschaft zweier Beschädigter. Zu den Finessen der 1. Staffel gehört es, Luther und Alice bei ihren gegenseitigen Manipulationen zu beobachten. Etwa dann, wenn Luther ihr mitteilt, dass Henry Madsen aus dem Koma erwacht und zu einer Aussage bereit ist, die Luther schaden wird. Natürlich bringt Alice den Mörder prompt und wie auf Bestellung um und der Zuschauer kann sich fragen, ob Luther nicht doch ein moralischer Borderliner ist, der eigentlich ganz gut zu der Killerin mit einem IQ von 180 passt. Leider verschwindet Alice aus der 2. Staffel und taucht erst am Ende der dritten wieder auf.


Luther besetzt clever die Hard-boiled-Nische

Geschrieben hat das Ganze Neil Cross, der auch sehr erfolgreich für „Spooks – Im Visier des MI5“ tätig war. Die Melange, die Cross zum tollen Score von Paul Englishby entwickelt hat, ordnet „Luther“ eher den obskuren und sehr brutalen Brit-Serien à la „Die Methode Hill“ zu, in der extreme Psychopathen quasi als Monster of the Week präsentiert werden.
 

„Luther“ passt sich dem an, auch wenn die Titelfigur nur selten gewalttätig wird. Cross hat eine horizontale Erzählung entwickelt, die allerdings als quasi abgeschlossene Elemente ausgefeilte Fälle präsentiert, die in der Regel zwei Episoden verklammern und dann auch auserzählt sind. 

In der nur vier Episoden umfassenden 3. Staffel hat es Luther in den beiden ersten Episoden mit einem mörderischen Frauenschuh-Fetischisten und einem abgrundtief bösen Killer im Ruhestand zu tun, während er in den Episoden 3 und 4 einen Vigilanten jagt, der üble Bösewichter vor laufenden Kamera liquidiert.
Im Meta-Plot wird Luther seinerseits von einem skrupellosen Cop aus der internen Ermittlung und einer Ex-Kollegin gejagt, die Luther unbedingt als Bad Cop entlarven wollen.
 

Gelegentlich wirken Luthers Konfrontationen mit dem Bösen fast schon angestrengt, denn es ermüdet schon ein wenig, wenn man drei Staffeln lang immer extremeren Abscheulichkeiten zusehen muss. Fans von „Lewis“ oder „Midsomer Murders“ (Inspector Barnaby) werden „Luther“ vermutlich abstoßend finden. Aber ambivalente Helden und drastische Gewalt scheinen eine gefragte Marktnische zu besitzen, auch wenn die ähnlich ruppige und von BBC America produzierte Serie „Copper – Justice is brutal“ bereits nach zwei Staffeln wieder eingestellt worden ist.
„Luther“ hingegen ist gehobene Serienkost für Zuschauer, die sich auch bei schwedischen Krimis wohlfühlen und sich vermutlich auch für das alles andere als zimperliche Hannibal-Lecter-Prequel „Hannibal“ erwärmen werden, das in dieser Woche in Deutschland seinen TV-Start erlebt, nachdem MyVideo bereits die meisten Folgen rund um die Uhr online und kostenfrei angeboten hat.


Mehr „Luther“ wird es wohl kaum geben. Idris Elba (Prometheus, Pacific Rim), der 2012 den Golden Globe für seine Titelrolle erhielt, war bereits für die finale Season schwer zu casten. Allerdings gibt es in dieser düsteren Serie ein kaum romantisch zu nennendes, allerdings rundum cleveres Happy-end, das nicht nur die Fans von Alice Morgan (Ruth Wilson soll angeblich bereits für ein Spin-off im Gespräch sein) rundum befriedigen wird, sondern auch für einen bereits diskutierten Kinofilm alle Optionen offen lässt.


Auf die Bluray kann man verzichten

Angesichts der Möglichkeit, „Luther“ ungekürzt und zu einem mehr als erschwinglichen Preis sehen zu können, kann die technisch gut gemasterte DVD-Box uneingeschränkt empfohlen werden. Die HD-Ausstrahlung der Serie war o.K., aber nicht gerade Premium (1080i). Die DVD ist immerhin so gut, dass man Idris Elbas Barthaare einzeln zählen kann. Mehr geht eigentlich nicht.

Luther (BBC One, BBC HD, 2010 – 2013), 14 Folgen à 60 Minuten; Buch: Neil Cross; D.: Idris Elba, Ruth Wilson, Dermot Crowley, Michael Smiley, Warren Brown u.a.
 

Einen guten Überblick über britische TV-Serien gibt es hier: http://www.hamleyhall.de/british_tv/englische_serien.html

Nachtrag

Kurz nach Veröffentlichung dieses Beitrags konnte ich lesen, dass das ZDF die Erfolgsserie „Mad Men“ ab 1.11.2013 ab 23.30 Uhr im Hauptprogramm versenken wird. Begonnen wird mit der 5. Staffel, nachdem die früheren Seasons wesentlich früher bei ZDFneo zu sehen gewesen sind.
Auf dem neuen Sendeplatz für Qualitätsserien soll dann auch
Luther“ zu sehen sein.
Diese Mischung aus Verschlimmbesserung und Mutlosigkeit ist schon bemerkenswert, denn die Programmverantwortlichen ignorieren tapfer, dass die Mehrheit der jüngeren Fans lieber zur DVD greift oder oder andere nicht-lineare Verbreitungsformen wählt, zum Beispiel Online-Angebote. Und welche Zielgruppe ausgerechnet in der Nacht zum Sonnabend angesprochen werden soll, erschließt sich auch nicht auf Anhieb. Merke: das ZDF hat einen Altersdurchschnitt von 60+, ZDFneo liegt bei 50+ und einem Marktanteil unterhalb der Wahrnehmungsgrenze.


Mit anderen Worten: eine Alibi-Reaktion. Nicht zu vergessen ist, dass die Öffentlich-Rechtlichen (aber auch die Privaten) jahrelang die Mär verbreitet haben, dass horizontal erzählte Serien und US-Quality-TV in Germany nicht an den Mann und die Frau gebracht werden können. Dieses Vakuum wurde nur teilweise von den Privaten gefüllt und später sind eigenproduzierte Premium-Produkte der Öffentlich-Rechtlichen tatsächlich gescheitert. Man hatte die Zielgruppen verloren.

Nachdem ARD und ZDF sich zudem aus dem US-Serien-Geschäft zurückgezogen hatten, kommt nun die überraschende Wende. Vermutlich zu spät und auf die Quoten bin ich gespannt.
 

Die Alternative: gute Serien staffelweise und aktuell in kurzer Zeit anbieten und das auf einem attraktiven Sendeplatz und nicht zu nachtschlafender Zeit, denn dort werden die Quoten nur bestätigen, was die Macher schon vorher wussten.
Fazit: Vermutlich kommt alles zu spät. Zuschauer zurückzugewinnen ist schwer. Trotzdem sollte man den Versuch nicht vor dem Ergebnis abschreiben. Vielleicht geschieht ein Wunder und ansprechende Quoten geben den Verantwortlichen den Mut, in Zukunft etwas mehr zu riskieren.


Interessantes aus dem Web zum Thema:

Freitag, 4. Oktober 2013

Gravity

Ganz seinem visuellen Konzept verpflichtet zeigt uns Alfonso Cuarón, dass Kino zuallererst physische Bewegung ist. Dabei ist bereits der Filmtitel eine schöne sprachliche Rätselfigur, denn „Gravity“ bedeutet sowohl Schwerkraft als auch Ernst. Von beidem erzählt der Film in beeindruckenden 3 D-Bildern: Lautlos im Weltall.
 

Zwei Menschen verloren im Weltall. Dabei ist die Erde so nah, dass sie die halbe Leinwand füllt. „Gravity“ beginnt mit der Zerstörung eines Space Shuttles, dessen Team während eines Routineflugs einige Reparaturen am Hubble-Teleskop erledigen soll. Die Ursache der Katastrophe ist eine zerstörerische Wolke aus Weltraumschrott, die das Shuttle zerfetzt und nur zwei Astronauten am Leben lässt: die Ingenieurin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock) und den kurz vor der Pensionierung stehenden Piloten Matt Kowalski (George Clooney).
Ein Worst Case-Szenario ohne jegliche Hoffnung. Der Sauerstoff wird knapp, die Kommunikation mit Houston ist zusammengebrochen, Stone driftet in einer endlosen Drehbewegung hilflos ab und die einzige Hoffnung wäre die Internationale Raumstation ISS, wenn es nicht fast unmöglich wäre, dorthin zu gelangen. Denn im Orbit um die Erde wirkt die Schwerkraft zwar nach wie vor, aber sie ist anders auf der Erde nicht zu spüren. Und ohne einen zusätzlichen Impuls ist Bewegung nicht möglich. „Gravity“ ist also auch ein Lehrstück über die klassische Mechanik, die sich bei Cuarón als recht gnadenlos erweist.


„Gravity“ kann durchaus als Meilenstein des 3 D-Kinos bezeichnet werden. Räumlichkeit, wie sie im zweidimensionalen Kino im Kopf des Zuschauers zusammengesetzt wird, ist in dem Film in einer fühlbaren Unmittelbarkeit zu erfahren, die Schwindel erzeugt. Die Fallhöhe ist immer spürbar, auch im Kinositz, und im All zu treiben, bedeutet für die Protagonisten den ultimativen Kontrollverlust. Wenn die Kamera die hilflos davon treibende Sandra Bullock in einer Totale zeigt und anschließend ihren Point of View einnimmt, ist es die Erde, die immer wieder durch ihr Gesichtsfeld rast. Kein Wunder, dass der Orientierungsverlust bei der Astronautin Entsetzen auslöst und vor Stress die Schnappatmung einsetzt. Der Höllenritt wird erst beendet, als Kowalski sie mit seinem schubdüsengesteuerten Thruster Pack wieder einfängt, anseilt und hinter sich herzieht.

Naturalistisches Drama ohne Metaphern

So gelingt Alfonso Cuarón eine atemberaubende halbe Stunde Kino. Fast ohne Handlung, nur zusammengesetzt aus Bewegung und schwereloser Ästhetik. Aber bei aller Lust am rein visuellen Erzählen braucht ein Film natürlich eine Geschichte. Und die ist ein wenig dem Tradierten verpflichtet, bleibt in ihrem Minimalismus aber glaubwürdig. Stone, so erfährt man, ist durch den lange zurückliegenden Verlust ihrer kleinen Tochter von Sinnleere und Skepsis erfüllt, Kowalski ist hingegen nicht nur professionell, sondern ruht in unfassbarer Gelassenheit am Rande des Todes völlig in sich und verströmt dabei auf unsentimentale Weise so viel Empathie in die Weiten des Weltalls, dass man ihn beinahe für einen schwebende Buddha hält. 
Dass der Film mit Kowalskis unmenschlich rationaler Entscheidung, sich für seine Gefährtin im All zu opfern, eine harte Zäsur erfährt, ist schwer zu schlucken. Aus dem Zwei-Personen-Kammerspiel wird danach ein einsamer Überlebenskampf, der – und hier präsentiert Cuarón gewaltige Actionspektakel – aus Rückschlägen besteht: als Stone mit einer der verbliebenen Sojus-Kapseln die ISS verlassen will, stellt sie fest, dass sich der geöffnete Fallschirm der Rettungskapsel, mit unzähligen Schnüren verheddert, nicht von der Station lösen lässt. Die alles andere als weltraumerprobte Ingenieurin muss noch einmal ins All, während der Schrotthaufen bereits eine Erdumdrehung hinter sich hat und erneut auf die Heldin zurast. 

Cuarón erzählt dies erstaunlicherweise in ganz ruhigen Bildern. Die Montage steigert Tempo und Dramatik nicht unnötig. „Gravity“ wirkt nicht nur hier wie ein naturalistisches Drama, in dem das, was gezeigt wird, auch das ist, was es bedeutet und die Pulverisierung der ISS im Schrotthagel wird zu einem überwältigenden visuellen Spektakel, das beinahe schon dokumentarisch protokolliert wird, aber sensationelle Bilder abliefert.

Dass einige Kritiker in „Gravity“ einen Berg von Allegorien und eine „Metapher für das irdische Dasein“ entdeckten, gar die Essenz des Lebens wahrgenommen haben, nämlich das „absurde Weitermachen im Angesicht des Todes, das Treiben durch ein unbegreifliches Nichts“ kann man als Journalistenpoesie durchgehen lassen. Das
Nichts" im Orbit ist voller Satelliten und Trümmer, die Protagonisten sind Gesetzen ausgeliefert, die bereits der große Newton definierte und die wir aus dem Schulunterricht kennen und auch der konzentrierte Pragmatismus der beiden Helden in „Gravity“ spricht eine andere Sprache. Besonders dann, wenn Stone versucht, die Sojus-Kapsel mithilfe eines Benutzerhandbuches in Bewegung zu setzen, weil sie die Inhalte der letzen Schulung vergessen hat. Absurd ist dies nicht.
Erst als dies misslingt und Stone die Sauerstoffzufuhr abstellt, um freiwillig in den Tod zu gehen, wird Cuarón ein wenig mystisch: im CO2-Delirium erscheint der Astronautin noch einmal Kowalski, der sie humorvoll daran erinnert, dass Bremsen eigentlich beschleunigen bedeutet. Aha, man muss die Kapsel nur auf das Ziel ausrichten und danach können im Weltraum die Brems- zu Antriebsraketen werden und das neue Ziel, die chinesische Raumstation, wird zu einem erreichbaren Objekt. Und so reduziert sich die Essenz des Lebens darauf, dass man im All gut daran tut, die Gesetze der klassischen Mechanik nicht zu vergessen.
 

Am Ende wird dann doch noch pathetisch, der Score entgleist lärmend und zum ersten Mal im Film auf ärgerliche Weise, Stone erreicht mit einer chinesischen Rettungskapsel die Erde und die Schwerkraft hat sie wieder. In Untersicht aufgenommen, richtet sich die Vertreterin der Spezies Mensch auf. Widrigsten Umständen zum Trotz hat sie gesiegt, den Tod bezwungen, den Willen zum Leben im richtigen Moment wiedergefunden.
Das wirkt etwas überladen, ändert aber nichts daran, dass Alfonso Cuarón ein sehenswertes Sci-Fi-Werkstück abgeliefert hat, dass von Kubricks Höhenflug „2001“ Lichtjahre entfernt ist und eher an Filme wie „Signale – Ein Weltraumabenteuer“ (Gottfried Kolditz, DDR, Polen 1970), „Silent Running“ (Douglas Trumball, USA 1972) und „Apollo 13“ (Ron Howard 1995) erinnert. Und wer existenzial-philosophische Science-Fiction sehen will, der soll sich Andrei Tarkowskis "Solaris" aus dem Regal nehmen.


Ach ja, noch eins: sollten Sie, lieber Leser, mal im Weltall treiben, dann werfen Sie irgendetwas weit weg, das ein bis zwei Kilo wiegt. Vielleicht eine Taschenlampe oder so. Denn dann profitieren Sie von der sogenannten Impulserhaltung, die Sie in die entgegengesetzte Richtung beschleunigt. Man kommt dann zwar nur 10 cm pro Sekunde weit, aber das kann schon lebensrettend sein. George Clooney hat das dritte newtonsche Axiom da oben vergessen. Actio = Reactio. Gibt es auch im alltäglichen Leben, aber das ist ein anderer Film.


Gravity, USA 2013, Laufzeit 90 Minuten; Regie: Alfonso Cuarón, Buch Alfonso und Jonás Cuarón. Kamera: Emmanuel Lubezki. Schnitt: Alfonso Cuarón, Mark Sanger. Musik: Steven Price. D.: Sandra Bullock, George Clooney. 


Noten: BigDoc = 2

Filmkritik und -poesie

„... im Kino  ist alles möglich. Und damit natürlich ist, was nun geschieht, auch wieder einmal das Übliche aus Amerika und bekannte Philosophie à la Hollywood: Vorgeführt werden Helden, die nicht aufgeben, auch nicht in noch so aussichtsloser Lage, die durch die Verzweiflung hindurch gehen, und zwar gut-gelaunt, lachend, scherzend noch im Angesicht des Todes. Sie kann schon ganz schön nerven, diese Attitüde. Nüchtern betrachtet ist dies Philosophie für die niederen Stände, Denkfastfood auf Volkshochschulniveau, ein wenig wie jene Hölderlin- und Nietzsche-Ausgaben, die man vor 99 Jahren, im August '14 den deutschen Soldaten für die Grabenkämpfe mitgab. "Weihnachten sind wir in Paris", hieß es damals. "Morgen sind wir wieder auf der Erde", heißt es bei Cuaron ... Glücklicherweise ist da aber viel mehr, als dies. Vor allem eine schiere handwerkliche Meisterschaft, Bilder voller Überwältigungspotential, denen man sich nur schwer entziehen kann. "Gravity" ist visuell richtig großartig, und auch als 3-D-Film überraschend gut gelungen" (Rüdiger Suchsland, Telepolis).


Im Grunde ist „Gravity“ so kaum noch ein Film im üblichen Sinne, sondern geradezu eine physische Erfahrung, die wir mit der Hauptfigur teilen" (Carsten Baumgardt, Filmstarts).

"Gravity" ist Kino der Zukunft - von solch einem SF-Film hat womöglich auch Antonioni immer geträumt -, er erinnert an die Zirkulation als einer natürlichen Qualität des modernen Kinos und an seine Dialektik, die, so schrieb Deleuze, nicht mehr aus der Zeit das Maß der Bewegung macht, sondern aus der Bewegung eine Perspektive der Zeit (Fritz Göttler, Sueddeutsche Zeitung).