Dienstag, 24. Mai 2016

Der Staat gegen Fritz Bauer

Die Geschichte Fitz Bauers ist mittlerweile ergiebig aufgearbeitet worden. In Giulio Ricciarellis „Im Labyrinth des Schweigens“ (2014) spielt Gerd Voss den Generalstaatsanwalt und Wegbereiter der Frankfurter Auschwitzprozesse als begleitende Nebenfigur. Sehenswert ist auch Ulrich Noethens Interpretation in „Die Akte General“ (Fernsehfilm, ARD 2016). In Lars Kraumes „Der Staat gegen Fritz Bauer“ (2015) spielt Burghart Klaußner den kämpferischen Juristen. Klaußner gelingt es, jene Mischung aus Ruppigkeit und Ohnmacht zu verkörpern, die entsteht, wenn jemand gegen einen übermächtigen Apparat antritt. Der Filmtitel ist programmatisch zu verstehen.
Der Film liegt seit März auf DVD und Bluray vor.


Gleich zu Anfang liegt Fritz Bauer besinnungslos in einer überlaufenden Badewanne. Sein Leben verdankt er dem Zufall. Bauers Chauffeur sieht Wasser im Flur und zieht den Betäubten aus der Wanne. Auf dem Beckenrand: ein Glas Rotwein und eine Packung Schlaftabletten.
Lars Kraume wählt in seinem Film ein beklemmendes Bild, denn auf ähnliche Weise ist der reale Fritz Bauer 1968 tatsächlich zu Tode gekommen. Die einleitenden Bilder von „Der Staat gegen Fritz Bauer“ zeigen einen Mann am Rande seiner Kräfte. Das trifft den Kern.

Dienstag, 10. Mai 2016

Taxi Teheran

Iranische Filmemacher sind gefährlich. Besonders dann, wenn sie ihre Kamera auf die Wirklichkeit richten. Wirklichkeitstreue wollen die Herrschenden allerdings auch, nur meinen sie halt etwas ganz anderes damit: die ‚wirkliche’ Wirklichkeit, ihre Realität – und da muss alles positiv sein. ‚Zeigbare’ Filme sollen die Künstler drehen, keine Schwarz-Weiß-Malerei. Damit dies klappt, stellt man den Künstlern den passenden Wertekanon zur Verfügung.

Der iranische Regisseurs Jafa Panahi konnte bislang nichts mit einer Kino-Leitkultur anfangen. 2010 wurde er verhaftet. Sechs Jahre Gefängnis verhängte das Regime, 20 Jahre Berufsverbot gab es als Nachschlag. Filme dreht er weiter, heimlich. Er schmuggelt sie ins Ausland und wartet gleichzeitig auf das Urteil der Berufungsinstanz. Mit „Taxi Teheran“ gewann er 2015 in Berlin den Goldenen Bären.


Abstruses und Alltägliches

Ein grandioses Spektakel darf man nicht erwarten. „Taxi Teheran“ kommt nur langsam in Fahrt. Jafar Panahi spielt einen Taxifahrer, gleichzeitig aber auch sich selbst. Im Inneren des Fahrzeugs wurden Videokameras installiert, die mal die Fahrersicht auf die Straßen der iranischen Hauptstadt zeigen, meistens aber das Innere und damit die Fahrgäste, die Panahi befördert. Einer erkennt auch prompt den ‚Berufskollegen’ – es ist Omid, ein illegaler Videohändler, der seine Kunden nicht nur mit der brandneuen Staffel von „The Walking Dead“, sondern auch mit Komödien von Woody Allen beliefert. In einem repressiven System offenbar ein lukratives Geschäft.
In Panahis Auto können sich die Kunden ihre Mitfahrer nicht aussuchen, es wird diskutiert, geschritten und verhandelt. Eine Lehrerin lehnt die drakonische Strafverfolgung von Kleinkriminellen ab, ihr Gesprächspartner ist dagegen ein begeisterter Anhänger der Scharia, natürlich für die Todesstrafe und überhaupt generell für „Law and Order“, besonders dann, wenn Autoreifen geklaut werden. Er outet sich am Ende als Taschendieb. Das sei natürlich etwas völlig Anderes.

Sonntag, 1. Mai 2016

The First Avenger: Civil War - Superhelden im Clinch

Es gibt Arthouse-sozialisierte Filmkritiker, die gutes Geschichtenerzählen und Blockbuster in etwa so unvereinbar halten wie Materie und Antimaterie. Jeder Versuch der Koexistenz endet mit einer fürchterlichen Zerstörung. Im ersten Film der sogenannten Phase 3 des Marvel Cinematic Universe (MCU) kommt es zwar zu epochalen Entladungen, aber die Geschichte erweist sich als sehr belastbar: „The First Avenger: Civil War“ ist ein richtig guter Film geworden.

Das sehen einige natürlich anders. Wie der bekannte Filmkritiker Jan K., der in „Civil War“ nur eine große Dreschflegelei beobachtete. Warum die Superhelden sich da gegenseitig hauen? Keine Ahnung, dazu müsse man wohl einen Doktor in „Marvel“ haben. Man liest und versteht: der Mann hat sich nicht angestrengt.

Andere Kritiker, die (wie der Verfasser dieser Zeilen) zwei Dekaden lang die schäbige Erfahrung gemacht haben, dass man für Kritiken über Arthouse-Filme nicht einmal die Wochenmiete zusammenschreiben kann, genießen die Freiheit des Bloggens, weil ihnen kein Redakteur im Nacken sitzt, der gefühlt vor dreißig Jahren mahnend Beiträge ablehnt, weil ‚man über Comic-Verfilmungen nicht seriös schreiben kann.’
Wie schön! Da sitzt man nun unbelastet im Kino, darf schreiben was man will und fremdelt trotzdem mit den Szenen, in denen Iron Man den armen Captain America in einen Scyscraper wirft, der schwungvoll zusammenkracht, während der geschundene Freiheitskämpfer – natürlich unbeschadet – aus den Trümmer steigt, um seinerseits den ehemaligen Teamkollegen Mores zu lehren. Etwas langweilig ist das schon.


Pawn Sacrifice (Bauernopfer)

Der Anfang von Edward Zwicks „Pawn Sacrifice“ packt das ganze Drama in ein bekanntes Bild. Robert James Fischer, von seinen Fans auch salopp „Bobby“ genannt, nestelt an einem Telefonhörer herum. Wir schreiben das Jahr 1972, wir sind in Reykjavik, genauer gesagt am Anfang des legendären „Match of the Century“ zwischen dem russischen Schachweltmeister Boris Spassky und seinem amerikanischen Herausforderer „Bobby“ Fischer. Und der sucht Wanzen in seinem Telefon, fest davon überzeugt, dass ihn der KGB abhört. Oder vielleicht auch die CIA?

Cineasten kennen das Szenario aus „The Conversation“ (1974) und anderen Paranoia Movies der 1970er Jahre. Filme, in denen geschnüffelt, abgehört und belauscht wurde – oft mit tödlichen Folgen. In Francis Ford Coppolas Film ist es Gene Hackman, der am Ende auf der Suche nach Spyware seine Wohnung komplett demontiert. Der beängstigende Wahnsinn dieser Szene gehört zu den berühmtesten Bildmetaphern des Genrekinos. Auch Fischer scheint seine Gründe zu haben, aber sie sind von ähnlich ungesunder Natur. „Pawn Sacrifice“ findet dafür starke, lange nachhallende Bilder.

Für den nerdigen Teil der Kinogänger ist „Pawn Sacrifice“ eine rasante Tour de Force, die für
Schachenthusiasten einen Mythos zum Leben erweckt. Robert James Fischer gelang als Dreizehnjährigem die „Partie des Jahrhunderts" gegen Donald Byrne und wurde 1958 mit 14 Jahren zum ersten Mal US-Champion - der jüngste der Geschichte. Bis heute gilt er bei vielen passionierten Schachspielern als bester Spieler aller Zeiten. Und tatsächlich fegte „Bobby“ Fischer 1971 in den Kandidatenmatches (der Sieger wird legitimer Herausforderer des Weltmeisters) einen Gegner nach dem anderen aus dem Ring, egal, ob es der schwer zu schlagende Tigran Petrosjan war oder Bent Larsen, der unorthodoxe Däne. Der zart besaitete Mark Taimanov erholte sich nie wirklich von seiner vernichtenden 0-6-Niederlage gegen Fischer. Und dann das große Match gegen Spassky: Fischer verliert die erste Partie, tritt zu zweiten erst gar nicht an und sucht stattdessen nach Wanzen.