Donnerstag, 25. Dezember 2008

Der Tag, an dem die Erde stillstand

USA 2008 - Originaltitel: The Day the Earth stood still - Regie: Scott Derrickson - Darsteller: Keanu Reeves, Jennifer Connelly, Jaden Smith, Jon Hamm, Kathy Bates, John Cleese, Brandon T. Jackson, James Hong - FSK: ab 12 - Länge: 103 min.

Nach einem schlechten Film ist nur selten möglich, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Nach dem Besuch eines missratenen Remakes kann man immerhin ein wenig Trost im Kauf des Originals finden, zumal derartige Filme (50er Jahre, schwarz-weiß, nicht restauriert) heutzutage für den Gegenwert einer Packung Zigaretten zu erhalten sind. Ähnlich ist es mir nach Scott Derricksons „The Day the Earth stood still“ gegangen – für die billigste Fassung des Robert Wise-Klassikers zahlt man zwar etwas mehr als für eine Schachtel Zigaretten, aber deutlich weniger als für die aufwendig restaurierte 2-Disc-DVD-Fassung.

Zurück in die Zukunft
Als ich „The Day the Earth stood still“ in Ende der 60er entdeckte, musste man dem Fernsehen dankbar sein, dass es angestaubte Klassiker in die Programmnischen kurz vor Mitternacht schob. „Mumien, Monstren, Mutationen“ hieß ein mittlerweile legendärer Sendeplatz und die feine Ironie dieses Titels färbte natürlich auf die Wahrnehmung des Dargebotenen ab, das immer ein wenig skurril, verschroben und hausbacken wirkte.
In diesen Jahren stand das Kino vor dem Umbruch, das alte amerikanische Studiosystem war im Begriff, den Bach runterzugehen und um überhaupt wieder Leute ins Kino zu holen, waren die Studiobosse bereit, so etwas Ähnliches wie die Nouvelle Vague zu akzeptieren – nur halt auf amerikanisch. Die 70er wurden dann auch mit Coppola, Scorcese, Lucas und Spielberg sehr spannend. Der Rest war Kinomuseum. Oder besser gesagt: Fernsehmuseum, denn nur dort gab es „Formicula“, „Tarantula“, „The incredible shrinking man“, „The creature from the black lagoon“ und eben „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ zu bewundern.
Beim ‚Erstkontakt’ beeindruckte mich der Film von Robert Wise durch seinen ambitionieren Ansatz: kein ‚Krieg der Welten’, keine fliegenden Untertassen oder riesige Killerspinnen, sondern ein dialogzentrierter Film, in dem der Botschafter einer überlegenen Zivilisation den Menschen klarzumachen versucht, dass ihre Tage gezählt sind, wenn sie die Atomenergie nutzen wollen, ohne zuvor ihre aggressive Lebensweise zu ändern. Klaatu, der Fremde, hatte in seinem Raumschiff den Roboter Gort mitgebracht, dem man nach einer eindrucksvollen Demonstration durchaus zutrauen konnte, dass er fähig ist, die Drohung wahrzumachen. In Wise’ Film wird die Zerstörung der Erde nur als Option angedeutet, denn Klaatu ist als Warner gekommen und Gort ist kein mechanischer Helfer, sondern der eigentliche Herrscher – Teil einer Roboter-Nomenklatura, die programmiert wurde, aggressive Welten zu zerstören. Was 1951 auch ohne große Kollateralschäden verhindert wurde.

Verpasste Chance
In einem Remake scheinen die Macher zu glauben, dass es schon etwas mehr sein dürfte: Folglich verwüstet ein auf Nanotechniken basierender metallischer Insektensturm große Bereich von New York, eher der Außerirdische den Supergau aufhält. Warum, wird nicht so ganz klar.
Kein Wunder: Eine Remake wird in dem Moment spannend, wenn ein bekanntes Themen variiert wird – entweder ironisch oder mutig oder beides zusammen, nur intelligent sollte es sein. Wie wir wissen, ist dies in den seltensten Fällen zu erwarten, da sich solche Filme kein Mensch anschaut. Was mit Soderberghs manierlichem Versuch, „Solaris“ zu adaptieren, hinreichend bewiesen wurde (obwohl die professionelle Kritik kein gutes Haar an diesem unterschätzten Film ließ).
Scott Derricksons Film lässt von Anfang an keinen Zweifel daran aufkommen, dass er nicht mehr sein will als 08/15-Stangenware, die mit einigen neuen Tricks und Effekten aufwartet, aber letztlich so blutleer ist wie der ‚moderne’ Godzilla von Roland Emmerich, der zwar ganze Stadtteile platt macht, aber an seiner lendenlahmen Story erstickt.

Dies liegt ganz wesentlich am Script von David Scarpa, der sich zwar weitgehend an die zentralen Elemente des alten Klassikers hält, aber nicht die Plausibilität der Handlungsverknüpfungen prüft und unkritisch Dinge übernimmt, die vielleicht in den 50zigern funktionierten, aber nicht mehr heute. Völlig unglaubwürdig wirkt zum Beispiel die Szene, in der Klaatu, der Fremde, seine wabernde Sphäre (kein wirklich origineller Einfall im Vergleich zu einem konventionellen Spaceship) verlässt, um ausgerechnet in dem Moment von einem Schuss niedergestreckt zu werden, als er einer Wissenschaftlerin die Hand reicht. Ein nervöser Finger, ein Schießbefehl? Auf jeden Fall benehmen sich die US-Militärs, die nach der Landung der Sphäre ihr Arsenal ausgepackt haben, wie unprofessionelle Idioten auf einem Selbstmordkommando.

Und dass die Wissenschaftlerin Helen Benson (Jennifer Connelly) nach diesem aggressiven Erstkontakt und einer gründlichen Erstversorgung des angeschossenen Alien abends einfach nach Hause fährt, um ihrem Sohn das Abendbrot zuzubereiten, ist angesichts ihres Status als Geheimnisträgerin und Mitglied einer elitären Forschergruppe einfach nur dämlich. Entsprechend dämlich und peinlich sind die Versuche des Militärs, die Sphäre zu zerstören und den riesigen Roboter dingfest zu machen, obwohl es klar ist, dass die Technologie der Fremden der unsrigen um Lichtjahre voraus. Man traut ihnen ja einiges zu, den Amis, aber suizidale Dummheit sollte schon psychologisch plausibel gemacht werden, ansonsten bleibt es, was es ist: mieses Handwerk, mieses Script.

Ähnlich wie im Film von Robert Wise ist es die Begegnung Klaatus mit Helen und ihrem zunächst widerborstigen Sohn, die am Ende die völlige Zerstörung der Erde verhindert. Im Remake sorgt ein physischer Zusammenbruch des ansonsten übermächtigen Klaatu dafür, dass er heimlich Kontakt zu Helen aufnimmt. Diese Plotwendung verschlägt einem erneut den Atem, aber die Story muss halt weitergehen. Sie lässt kein Innehalten zu, weder in ihren schlechten noch in ihren guten Momenten.
Als Helen den wortkargen Klaatu mit einem ‚wahren’ Führer der Menschheit bekannt macht, dem Nobelpreisträger Professor Barnhardt (John Cleese), verbessert Klaatu einige Formeln, die der Mensch ganz herkömmlich auf eine Schiefertafel mit Kreide geschrieben hat. Barnhardt tritt hinzu und fragt ungläubig den Außerirdischen: „Das ist möglich?“. Klaatu antwortet mit einem lapidaren Ja, was die Neugier ins Unermessliche steigert, ohne dass sie am Ende befriedigt wird. „Ich habe so viele Fragen!“, mutmaßt der irdische Professor, aber leider fehlte dem Drehbuchautor Zeit und Muße, um einige davon zu formulieren. Es fehlte wohl auch an beidem, als es darum ging, die von Klaatu ausgelöste Apokalypse im letzten Moment zu stoppen. Als Helen klar wird, dass der Außerirdische nur gekommen ist, um vor der Annihilierung der menschlichen Spezies die wichtigen Tier- und Pflanzenarten einzusammeln, fällt der vermutlich promovierten Wissenschaftlerin nichts besseres, als Klaatu zu beschwören: „Wir können uns ändern!“. Wie, wann und in welcher Hinsicht? Dem Appell fehlt ebenso die Beweiskraft wie der Vermutung, der Mensch könne imstande sein, intelligente Remakes zu machen.

Weder Fisch noch Fleisch
Keanu Reeves wurde im einem Interview gefragt, ob es nicht anstrengend gewesen sei, als Klaatu ständig mit ausdrucksloser Miene herumzulaufen. Seine zustimmende Bestätigung ändert nur wenig an meinem Eindruck, dass es Reeves wohl recht gewesen sein muss, denn mehr ist wohl von ihm nicht zu erwarten, seit er in „Matrix“ die stoische Erlöserrolle verkörpert hat. Aber vielleicht ist er auch schuldlos und sollte sich besser bei den für das Script verantwortlichen Machern darüber beklagen, dass sie sich einen außerirdischen Öko-Terroristen nur als wortkarg, anti-intellektuell und absolut humorlos vorstellen können.
„The Day the Earth stood still“ ist auch in den Nebenrollen verhunzt: weder John Cleese noch Kathy Bates als US-Verteidigungsministerin können gegen die Infantilität ihrer Texte anspielen – und das sagt schon einiges. Dass der Film zumindest im ersten Drittel durchaus eine beachtliche Spannung aufbauen kann, liegt allerdings weniger an seinen Qualitäten, als vielmehr an den unrealistischen Erwartungen, die man als Cineast wieder einmal vergeblich entwickelt hat. Wem derartiges fehlt, wird auf jeden Fall einen Fall einen biederen, mäßig originellen Film von der Stange zu sehen bekommen, der auch in punkto Tricktechnik weit hinter die von Emmerich und Spielberg gesetzten Maßstäbe zurückfällt.

Noten: Mr. Mendez: 4, BigDoc: 4

Mittwoch, 24. Dezember 2008

Best of all movies 2008


2008 im Rückblick

Ein Jahr ist schnell vorbei und so mancher wird sich schon nicht mehr an die OSCAR-Verleihung im Frühjahr erinnern: Kopf an Kopf wetteiferten „No country for old men“ und „There will be blood“ um die Gunst der Juroren. (Fast) auf der Strecke blieb der Film von Paul Thomas Anderson, während die Brüder Joel und Ethan Coen mit ihrer stilsicheren Hommage an vergangene Zeiten alles abräumten.

Während die Coens nur knapp drei Jahrzehnte zurückblickten, begab sich P.T. Anderson ins frühe 20. Jh. und zeichnete unbarmherzig jene Mentalität nach, die in unseren Zeiten zu einer weltweiten Finanzkrise geführt hat: Maximierung der Rendite, Gier und Amoralität beherrschen die Hauptfigur während der Suche nach immer mehr Öl für die frühkapitalistische Industrie. Neben den nahe liegenden politischen Implikationen versteckte Anderson in seinem Film eine zynische Umbewertung der alten Fordschen Moralbegriffe wie zum Beispiel Ehrbarkeit und Familienzusammengehörigkeit, über die er ein gelegentlich fast opernhaftes Drama in bester shakespearscher Tradition legte. Verrat, Mord und Untergang, alles in einer Bildersprache, die an die besten Filme Stanley Kubricks erinnerte. Ein Jahrhundertwerk.
Im Filmclub schaffte es der Film nicht einmal in die Top Twenty und wenn man gewissenhaft unsere ‚Liste der schlechtesten Filme’ aufstellen würde, dann würde dieser Film leider dort landen. Selbst meine Bestnote konnte ihn nicht vor dem Fall in die Mülltonne bewahren, während meine angewiderten Mit-Juroren ein netten, aber harmlosen Film wie „Vitus“ auf Platz 8 beförderten.

Kommen wir zum Sieger: „No country for old men“.

Es war das Jahr der Coen-Brothers, wie wir noch sehen werden. In einer Kritik schrieb ich: „Und so ist der Oskargewinner zweifellos ein Meisterwerk, aber eins, das auch eine große Leere hinterlässt, denn der zynische und garantiert empathiefreien Witz, mit dem die Coens ihre Figuren betrachten, wird hier auf die Spitze getrieben.“ Das kann man auch für „Burn after reading“ Platz 20)  so stehen lassen. Persönlich habe ich den OSCAR-prämiierten Coen-Film aus stilistischen Gründen hoch bewertet, inhaltlich wurde er zumindest bei mir von anderen Filmen deutlich überrundet. Im Filmclub verteidigte er zäh ein ganzes Jahr seine Führungsposition.

Als Überraschungszweiter kam Ben Afflecks Neo-Noir-Film „Gone Baby gone“ zu Platz und Rang. Der Film gehört zwar nicht zu den hellsten Sternen am Kinohimmel, ist aber mehr als ein gutes Stück Genrekino: Was ist Recht, was ist Gerechtigkeit? Gute Frage, gutes Regiedebüt von Ben Affleck, den die meisten nur als Darsteller kennen.

Die BBC-Produktion „Earth“ gehörte in Deutschland zu den meistgesehensten Filmen des Jahres 2007. Über 3,5 Millionen Menschen wollten im Jahr des Knut eine nicht ganz unsentimentale Eisbären-Geschichte sehen – wir auch.

Neben den Coens und den Eisbären triumphierte im Filmclub ein Darsteller, den viele nicht mehr auf dem Schirm hatten: Tommy Lee Jones. In „No country for old men“ spielt er einen philosophierenden Sheriff, in „Three Burials“ (Platz 4) macht er seinem widerborstigen Image als Cowboy in einem brillanten Spät-Western alle Ehren (er führte auch Regie) und im „Tal von Elah“ von Paul Haggis (Platz 5) legt er den langen, schmerzhaften Weg vom Patrioten zum desillusionierten Vater eines jungen Mannes hin, den zwar nicht der Irak-Krieg umbrachte, wohl aber die ungern wahrgenommene Traumatisierung Tausender junger Männer, die in ihrer Heimat kein Zuhause mehr finden.
Auf Platz 6 landete Jean Beckers „Dialog mit meinem Gärtner“ ein kleines philosophisches Sommermärchen irgendwo zwischen Tiefsinn und Kummerkasten. Typisch französisch und mit leichter Hand inszeniert.
Stefan Ruzowitzkys „Die Fälscher“ (Platz 7) sorgte mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film 2008 nach „Das Leben der anderen“ für eine bemerkenswerte Imageverbesserung des deutschen Kinos, das längst wieder international konkurrenzfähig zu sein scheint. Das KZ-Drama um moralisches Handeln im Angesicht des Todes, einer der besten deutschen Filme der jüngeren Vergangenheit, sahen 2,4 % der Zuschauer, die sich am Eisbärendrama ergötzt hatten. Die meisten in der Nachverwertung nach dem Oscar-Gewinn…

F.M. Murers „Vitus“ gehört wohl auch zu den Filmen, die Menschen in schlechten Zeiten sehen wollen – die Geschichte eines unverstandenen Kindgenies wurde mit dem Idealopa Bruna Ganz genregerecht abgerundet – ein netter, aber doch wohl belangloser Film, dessen Platzierung im Filmclub (Platz 8) nicht nur wegen der Abkanzelung von „There will be blood“ ein kleiner Skandal ist, sondern auch, weil er den wohl hellsten Stern am Kinohimmel verdrängte: „The dark knight“ von Christopher Nolan landete zugrunde benotet auf Platz 9 - die Batman-Verfilmung, die in der berühmten Internet Movie Database mittlerweile auf Platz 4 in der Liste der ‚besten Filme aller Zeiten’ liegt, glänzte in jeder Beziehung: als politische Allegorie im Angesicht der zu Ende gehenden Bush-Ära, deren Kampf gegen das Böse zu einer grandiosen Entwertung der Bürgerrechte führte, als den Atem verschlagender Schauspielerfilm mit einem (fast) alle Dimensionen sprengenden Heath Ledger, als finessenreiches ästhetisches Spektakel. Nur wenig fehlt und der ‚dunkele Ritter’ wird Titanic als erfolgreichsten Film aller Zeiten verdrängen – im Filmclub reichte es gerade mal für den geteilten 7.-9. Platz.

Platz 10 erreichte ein Außenseiter, der wohl eher als DVD-Release Geld machen wird: „Mr. Brooks“ mit Kevin Costner ist für alle sehenswert, die einmal im Kopf eines Serienmörders sein möchten. Allerdings kommt man nach derartigen Exkursionen nicht ohne Schaden davon. Abgesehen von einer unklug überfrachteten Handlung knüpfte „Mr. Brooks“ sehr intelligent an das Konzept des Serienhits „Dexter“ (USA 2006) an. Von Hannibal Lecter war man fasziniert, ohne ihn so recht zu mögen – „Mr. Brooks“ dagegen provozierte Empathie: es ist schon rätselhaft, was Kino mit und in den Köpfen so alles anstellt.

Auf die weiteren Plätze gehe ich nicht weiter ein, nur eins: mein persönlicher Lieblingsfilm auf den Rängen 11-20 ist „Michael Clayton“. Mal abgesehen davon: es gab noch eine Reihe sehr interessanter Filme zu sehen, einige davon scheiterten nur knapp. Zu ihnen gehören „Der Fluch der goldenen Blume“ von Zhang Yimou, „A mighty heart“ von Michael Winterbottom, das preisgekrönte Mafiadrama „Gomorra“ (Matteo Garrone, bester europäischer Film 2008), der umstrittene „Baader Meinhof Komplex“ von Uli Edel, aber auch Julian Schnabels „Schmetterling und Taucherglocke“, der leider nur zwei Wertungen erhielt (2,5).

Mein Fazit: ein spannendes, aufregendes Kinojahr. Das Jahr 2009 wird es schwer haben, dies zu toppen. Lassen wir uns mal überraschen.
Besten Dank auch an meine Mitjuroren, die trotz meiner kleinen Seitehiebe dazu beigetragen haben, dass erneut eine lesens- und sehenswerte "Best of"-Liste zustandekam.
BigDoc

Mittwoch, 17. September 2008

The dark knight

USA 2008 - Regie: Christopher Nolan - Darsteller: Christian Bale, Michael Caine, Heath Ledger, Gary Oldman, Aaron Eckhart, Maggie Gyllenhaal, Morgan Freeman, Eric Roberts, Cillian Murphy - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 16 - Länge: 152 min.

Die Zahlen überschlagen sich: 500 Mill. Dollar hat Christopher Nolans Fortsetzung der Comic-Adaption „Batman begins“ bereits eingespielt und in einer fast massenhysterischen Aktion haben organisierte Fans dafür gesorgt, dass „The dark knight“ in einem Rutsch auf Platz 3 der Movie Internet Database gespült wurde. Einer der besten Filme aller Zeiten! Wirklich?

Man darf gespannt sein, wie der Film in zwanzig Jahren rezipiert wird. Die Kritik zeigt sich bereits heute so gespalten wie es auch der Film zu sein scheint: „The dark knight“ ist einerseits eine der spektakulärsten Comicverfilmungen der letzten Jahre, andererseits ein bedeutungsschweres Werk, das seine Befürworter in einen deutungsbeflissenen Taumel versetzt hat, während die Skeptiker nur prätentiöses, pathetisches und hohles Geschwafel wahrnehmen.

Tour de Force am Rande des Wahnsinns
Batman hat es schwer: in Gotham City scheint das Verbrechen besiegt zu sein. Man sieht dies im Halbdunkel der zweiten Sequenz, als einige Nachahmer Batmans gleich im Sechserpack auf Verbecherjagd gehen. Dass Batman kein Auslaufmodell ist, wird allen schnell bewusst, als eine geheimnisvolle Figur, der Joker, sich bei einem außergewöhnlich brutalen und zynischen Banküberfall über 60 Mill. Dollar aneignet, die der Mafia gehören. Das kommt nicht gut an, aber dem Joker gelingt es trotz seines Coups die Bestohlenen davon zu überzeugen, dass nicht er, sondern Batman, der selbsternannte hyperpotente Rächer und Hüter des Rechts, die eigentliche Bedrohung ist. Für nicht weniger als die Hälfte des Mafia-Vermögens will er Batman beseitigen – der Beginn einer Welle von Terroraktionen des Jokers, die Gotham City an den Rand des Untergangs führen.

Was folgt, ist eine zweieinhalbstündige Tour de Force am Rande des Wahnsinns. Am Ende ist man betäubt: Nicht nur wegen der extrem schnellen Montage, die auf irrwitzige Weise die ohnehin schon mit High-Speed daherkommende Handlung mit ihren Parallelmontagen in noch kleinere Häppchen von wenigen Sekunden sequenziert, sondern auch wegen der überwältigenden Performance, die Heath Ledger als Joker hinlegt. Ledger, der vor diesem Film als neuer James Dean gehandelt wurde, ist nunmehr alles andere als dies: er bleibt als einer der finstersten Bösewichter in Erinnerung, die die Leinwand je gesehen hat. Und er wäre dies trotz vieler Spekulationen auch geworden, wenn er nach den Dreharbeiten von „The dark knight“ nicht auf mysteriöse Weise zu Tode gekommen wäre. Ledger stiehlt allen die Show: Sabbernd und schmatzend genießt es der sadistisch-masochistische Joker, die Welt ins Chaos zu stürzen, nicht als schriller Punk der Fun-Generation, sondern als soziopathischer Einzelgänger, der das ‚Gute’ in einem subtilen Netzwerk von moralischen Dilemmata zugrunde richten will. Wenn man jemals in die Verlegenheit gerät, das Wort Nihilismus zu erklären, kann man von nun an mit dem Finger auf Nolans Film zeigen.

Big Brother Batman
Hätte Nolan die gewohnte Comic-Tradition fortgesetzt, in der sich der Held mit einem Anti-Helden herumschlägt, der durchaus auf Augenhöhe agieren darf, wäre vermutlich ein bemerkenswertes, aber nicht sonderlich tiefsinniges Action-Spektakel entstanden.
Aber Nolan, der auch an dem Drehbuch gearbeitet hat, wollte offenbar mehr und so wurde in „The dark knight“ das handlungs- und deutungsrelevante Personal kräftig ausgeweitet. Die einfache Dialektik von Gut und Böse verwandelte Nolan in ein Sextett plus Frau. Neben Batman und Joker spielen der gute Cop Jim Gordan (Gary Oldman) ebenso eine wichtige Rolle wie der neue Strahlemann von Gotham City: der Staatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart), der mit legalen Mitteln neue Rekorde bei Jagd auf Verbrecher aufgestellt hat. Abgerundet wird das Ensemble wie gehabt durch Alfred Pennyworth (Michael Caine), den loyalen Diener Batmans, und Lucius Fox (Morgan Freeman), den Konstrukteur, der nun eher wie der Aufsichtsratsvorsitzende von Wayne Enterprises auftritt, dem industriellen Komplex des Milliardärs Bruce Wayne. Und die Frau? Rachel Dawes (nunmehr dargestellt von Maggie Gyllenhaal) ist die Frau an Dents Seite, aber auch die Frau, die Batman heimlich liebt, die aber in dieser Männergesellschaft nicht mehr ist als ein dramaturgisches Vehikel.

Die Beziehungen dieses Ensembles sind schnell beschrieben, wenn man erst einmal akzeptiert, dass Batman nichts anderes ist als ein Vigilant, der Recht und Gesetz als Richter und Henker selbst in die Hand nimmt und damit das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellt. Natürlich, weil er schnell, erfolgreich und effektiv ist. Vigilantismus hat in der amerikanischen Mythenbildung eine nicht selten affirmativ bewertete Tradition und ohne diese Vorbilder wäre die Comicfigur Batman nicht denkbar gewesen. Die heimliche Zusammenarbeit Batmans und Gordans, in die auch Dent widerwillig hineingezogen wird, spiegelt jenes archaische Rechtsverständnis wider, das den Mechanismen der Zivilgesellschaft nicht traut. Und ohne diese Tradition wäre auch eine Reihe von Filmen nicht denkbar gewesen, deren Geschichte durch „Death Wish“ und „The brave one“ abgesteckt wird. Widergespiegelt wird dies in "The dark knight" durch einen düsteren Realismus, der wenig an die Verspieltheit der Spiderman-Filme erinnert und dafür mehr mit dem Kosmos der Comicvorlage zu tun hat.

Und wohin führt das? Ist Batman also als rechtskonservativen Vigilant?
Es fällt schwer, diese Frage zu verneinen. Spätestens dann, als der Joker mit ausgeklügelten Terroraktionen für Panik in Gotham City sorgt, wird deutlich, dass Nolan dem Publikum zunächst eine 9-11-Allegorie als Deutungshäppchen anbietet.
Wie bekämpft man den Terror und wo sind die Grenzen, hinter denen sich das auflöst, was man eigentlich verteidigen will? Dies aus Nolans Film herauszulesen, fällt nicht sonderlich schwer, erst recht nicht, als Batman alias Bruce Wayne eine neue Technologie einsetzt, mit der alle Handys in Gotham City so vernetzt werden, dass Bildgebungsverfahren sofort den Standort jeder beliebigen Person sichtbar machen. Big Brother Batman is watching you – der Überwachungsstaat ist perfekt, vermutlich perfekter als es die Bush-Administration mit ihren zahlreichen Einschränkungen und Verstößen gegen die amerikanische Verfassung jemals hinbekommen wird.

Die Macht der Einflüsterer
Aber es geht um mehr als 9-11. Denn so wie Bush von den intellektuellen Kadern seiner Think Tanks mit griffigen Parolen ausgestattet wird, sind es in „The dark knight“ zwei Figuren, die inmitten des Heath-Ledger-Hypes von der Kritik kaum gewürdigt wurden: nämlich die beiden Mentoren Batmans, Pennyworth und Fox. Dabei kommt Fox als das liberale Gewissen Batmans keineswegs schlecht weg: er ist der einzige, der sich gegen Batmans totalitäre Attitüden wehrt. Nicht ohne Erfolg. Viel entscheidender ist allerdings Pennyworth, der wieder einmal grandios von Michael Caine interpretiert wird: man höre sich ruhig einmal etwas genauer die Allegorie an, die er Batman in einer Stunde des Zweifels anbietet. Sie handelt von einem Edelsteinräuber, der nach einem Raub in Burma untertauchte und nicht zu finden war. Erst als spielende Kinder mit faustgroßen Rubinen entdeckt wurden, wird den Verfolgern klar, dass der Ganove alles aus purem Spaß weggeworfen hatte. Als Wayne fragt: „Und dieser Mann in Burma? Haben Sie ihn bekommen?“, da antwortet Pennyworth: „O ja. Wir haben den Wald abgebrannt!“

Für mich einer der herausragenden Höhepunkte des Films - Batmans treuer Diener will seinem Herrn und Meister nicht nur verklickern, wie der anarchistische Joker tickt, sondern er macht auch etwas anderes klar: Besser fällt alles in Schutt und Asche, als dass das Prinzip der Anarchie mit seiner willkürlichen Umverteilung von Macht und Besitz den Sieg davonträgt. Und damit nicht alles in Schutt und Asche fällt, ist jedes Mittel recht, um das Gemeinwesen zu verteidigen. Ich denke, dass spätestens an dieser Stelle klar wird, wer der Chefideologe im Hause Wayne ist. Hinter der respektvollen Unterwürfigkeit Pennyworths verbirgt sich ein geschickter Manipulator, ein Einflüsterer, der sein fast schon depressives Mündel dazu bringt, wieder an den eigenen Mythos zu glauben. Und der hat doch einiges mit dem Führerkult (Batmans Vigilantismus ist kraft seines Willens der schwächelnden demokratischen Zivilordnung per se überlegen) und seiner rigorosen Ästhetisierung (Uniform, Symbole, Embleme) zu tun. Sollte man jemals in die Verlegenheit kommen, den Begriff Faschismus zu erklären, dann kann man mit dem Finger auf Nolans Interpretation der Batman-Figur zeigen, einem dunklen Ritter, der längst alle Grenzen überschritten hat.

Sehr viel hohles Gerede versteckt einen intelligenten Kern
Aus dieser deprimierenden Konstellation kann sich der Film nur durch ein kaum weniger düsteres Finale befreien. Christopher Nolan schafft dies, in dem er die Figur des sauberen und unbestechlichen Staatsanwalts Harvey Dent korrumpiert: als Rachel vom Joker getötet wird, verwandelt sich Dent nach einem Gespräch mit dem Joker (der es Dent sogar anbietet ihn zu töten) sehr comic-haft in „Two Face“, einen zynischen Rächer, der eine Münze entscheiden lässt, wer leben darf und werden sterben muss. Das ist durchaus sehr witzig, denn die Münze hat nicht nur identische Seiten, sondern muss auch für das Chaosprinzip des Zufalls herhalten, das Dent von nun an seinen Opfern verkündet. Doch nichts ist Zufall, allein Dent entscheidet. Schließlich hat er vom Joker gelernt, dass es keine Regeln gibt, auch nicht die des Zufalls.

Als Dent während seines Rachefeldzugs von Batman getötet wird, übernimmt er die Verantwortung für Dents Taten, damit dieser als idealistischer Mythos in der Geschichte von Gotham City weiterleben kann. Mit Batmans ohnehin schon angekratzten Heldenrolle ist es endgültig vorbei, von nun an ist er es, den man jagen wird. Diese Szene ist beileibe nicht die einzige Stelle, in der Nolan ein prominentes Vorbild zitiert: Im Finale von „The dark knight“ handelt es sich um eine Umdeutung von John Fords „The man who shot Liberty Valance“. Wir erinnern uns: In Fords Western darf die Wahrheit hinter der Legende nicht gesagt werden, nämlich dass der von John Wayne gespielte Vigilant den Bösewicht erschießt und nicht der aufrechte Verfechter des Rechts (James Stewart). Der Mythos muss überleben, damit das Gemeinwesen seine zivilen Werte aneignen und bewahren kann.
In „The dark knight“ sieht man das genaue Gegenteil: zwar wird wie bei Ford die Wahrheit hinter dem Mythos verschwiegen, damit Gotham City weiterleben kann, aber der Unterschied besteht darin, dass der Stewart-Charakter tatsächlich integer ist, während in Nolans Variante der edle Held längst die Seiten gewechselt hat. Eine pessimistische Verdrehung, die das Filmende keineswegs so strahlend erscheinen lässt, wie es einige Kritiker meinten. Und wenn dem so ist, dann hat auch der Joker letztendlich sein Spiel gewonnen.

Schade ist nur, dass Nolan der Fähigkeit des Publikums nicht zugetraut hat, den komplexen Mechanismen seiner Geschichte in differenzierteren Dialogen nachzuspüren. Über weite Strecken muss man sich über recht pathetisches Geschwafel ärgern, das zwar den Sprechblasen eines Comics entspricht, aber in Wirklichkeit ein Sedativum darstellt, mit dem das Publikum in Schach gehalten wird. Besonders Batman (von Christian Bale eher maskenhaft und kühl dargestellt) wirkt mit seinen pathetischen Rhetorikblasen wie ein Sprechpuppe, die offenbar Mühe hat, an das zu glauben, was sie von sich gibt. Eine eher oberflächliche Wahrnehmung der Batman-Figur wird dies als Heldenpathos konsumieren.

Nolan hat den Kern der Geschichte so clever hinter Comic-Phrasen versteckt, dass die schillernde Mehrdeutigkeit seines Films versteckt bleibt. Sicher ein Garant für den gewaltigen Kassenerfolg. Auch die vordergründigen Allegorien des Films sind nicht sonderlich originell, zum Beispiel die Erkenntnis, dass man den Terror nicht besiegen kann, wenn man ein Teil von ihm wird, besonders dann, wenn man nicht wirklich erzählen kann, wie die Alternative aussieht.
Einen trügerischen Versuch unternimmt Nolan in der Boot-Sequenz (der Joker hat auf zwei Dampfern Sprengstoff versteckt und den Passagieren - ein Boot ist voller Schwerverbrecher - jeweils eine Zünder überlassen: überleben kann nur der, der zuerst abdrückt). Niemand drückt den Knopf und alle überleben: Zivilcourage scheint möglich zu sein. Allerdings wissen die Verschonten nicht, dass nicht ihr moralisches Handeln sie gerettet hat, sondern lediglich ein Zufall. Es war Batman, der den Joker daran gehindert hat, beide Boote in die Luft zu jagen. Auch der versöhnenden Boot-Parabel kann man nicht so recht trauen.

„The dark knight“ ist so gesehen ein recht ambivalenter Film. Die intelligente Konstruktion, die sich hinter dem in der Tat meisterhaften Actionspektakel verbirgt, wird allerdings nicht ganz ausgereizt. Ich sehe in dem Film einen pessimistischen Fingerzeig: so wie "Two-Face" mit einer Münze spielt, die nur ein Fake ist, zeigt Nolan, dass Batmans prä-faschistischer Gesellschaftsentwurf sich im Kern nicht vom nihilistischen Konzept des Jokers unterscheidet. Wie gesagt: die Medaille hat eine Kehrseite und die sieht immer gleich aus.

Vielleicht ist alles auch nur eine listige Provokation. Beunruhigend ist allerdings, dass der Joker in einigen Kinos lautstark angefeuert wurde. Vielleicht ahnte das Publikum, dass der Joker hinter seiner Maskerade als einziger authentisch wirkt, weil er ist, was er ist: der Überdruss an der Bürgerlichkeit und die negative Kraft, die lustvoll alles Zivilisatorische zerstören will, weil sie nicht an ihm teilhaben kann und will. Auch Batmans Versuch, das Gemeinwesen zu retten, endet im Chaos oder zumindest in der Zerstörung der zivilen Werte. Wer diesen Abgrund in Nolans Film nicht sehen will, soll sich noch einmal die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts genauer anschauen.

Noten: Melonie = 2, Mr. Mendez (der das Geschwafel nicht ertrug) = 3, BigDoc = 1,5, Klawer = 2,5.

Dienstag, 12. August 2008

Akte X - Jenseits der Wahrheit

USA / Kanada 2008 - Originaltitel: The X-Files: I want to Believe - Regie: Chris Carter - Darsteller: David Duchovny, Gillian Anderson, Amanda Peet, Billy Connolly, Xzibit, Mitch Pileggi, Adam Godley, Callum Keith Rennie - FSK: ab 16 - Länge: 104 min.

Es sind gerade einmal vierzehn Jahre seit dem Serienstart von ‚Akte X’ vergangen: Im Herbst des Jahres 1994 begann ProSieben mit der Erstausstrahlung einer Serie, die in der zweiten Hälfte der 90ziger Jahre zu einem Mega-Event und sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht zu einem einsamen Fixstern wurde. Die Geschichte der beiden FBI-Agenten, die Fälle zu untersuchen hatten, die gegen jede offenbare Logik verstießen, eben jene X-Files, sorgte dafür, dass wir bis zum heutigen Tage mit Alien-, Monster- und Mystery-Serien versorgt werden, obwohl deren Quotenerfolg mittlerweile – zumindest in Deutschland – auf wackeligen Füßen steht. 

Akte X war die Mutter als dieser Serien und ihre besten Episoden waren so brillant geschrieben und mit ironischen Verweisen auf Zeitgeschichtliches ausgestattet, dass der wöchentliche TV-Abend mit Fox Mulder und Dana Scully zu einem Straßenfeger wurde. Mit episodenübergreifenden Plots zwangen die X-Files nicht nur zu einer kontinuierlich und zeitlich korrekten Ausstrahlung der Staffeln, sondern führten auch eine mäandernde Mythologie ein, ohne deren Formprinzip ähnlich bahnbrechende Serien wie „24“ oder „Heroes“ nicht möglich gewesen wären. 

Das richtige Ende ist irgendwo da draußen
Mit den Staffeln 4 und 5 erreichte die Serie qualitativ ihren Höhenpunkt, 1998 folgte mit „Akte X – der Film“ der für Fans längst überfällige Kinostart des ersten X Files-Spielfilms („The X Files“), vier Jahre später wurde die Serie mit der Doppelfolge 200 und 201 der neunten Staffel beendet, ohne dass es Chris Carter und seinen Mitstreitern gelungen wäre, die X-Files überzeugend enden zu lassen. 
Sicher nicht grundlos: David Duchovny war lange zuvor ausgestiegen und als Fox Mulder nur noch selten zu sehen, er, der als skeptisch Suchender und doch vom Irrationalen und von der Existenz weltumspannender Verschwörungen Überzeugter letztlich der Motor gewesen war, der auch Dana Scully (Gillian Anderson) als methodisch prüfende Rationalistin dazu brachte, um seinen Fixstern zu kreisen: der Theorie einer weltweiten Regie-rungsverschwörung, deren Ziel es ist, eine geplante Alien-Invasion zu unterstützen, um im Gegenzug das Leben der Verschwörer zu retten. Duchovny war nicht wirklich zu ersetzen und den Geschichten, die ohne ihn erzählt werden mussten, ging in den letzten beiden Staffeln bald die Luft aus.
Am Ende entgingen der wieder aufgetauchte Mulder und Scully in einer fraglos schwachen Doppelfolge nach einem Schauprozess der fälligen Liquidierung durch die Verschwörer und tauchten unter, während die Wahrheit und vermutlich auch die Aliens immer noch irgendwo da draußen auf sie warteten. 
Als dann alles vorbei war, lehnte man sich verstört im Fernsehsessel zurück: war dieses Finish eine Rechtfertigung für neun Staffeln, die sich zuletzt neben den „Monster of the week“-Episoden immer mehr im undurchsichtigen Gestrüpp ihrer Mythologie verheddert hatten? 

Langweilig und reaktionär
Nun, sechs Jahre nach dem Serienende, noch einmal Akte X im Kino, die große Chance also, das Versäumte nachzuholen, alles rund zu machen. Herausgekommen ist dabei eine riesige Luftblase, ein jämmerliches und klägliches Scheitern, das auch für mich beispiellos ist. Man kann ‚The X-Files – I want to believe’ eine Menge vorwerfen, aber nichts ist unerträglicher als ein Film, der die Beziehung zu seinem eigenen Serien-Kosmos ruppig durchtrennt und so tut, als hätte es ihn nicht gegeben. 
Von der Erkenntnis getrieben, dass bereits eine halbe Dekade nach dem Ende der Serie das juvenile und medien-geschichtslose Publikum nichts mehr über Alien-Mensch-Hybriden und Supersoldaten weiß und die älteren Zuschauer im Vermarktungsgeschäft eine zu vernachlässigende Größe darstellen, haben Chris Carter und Frank Spotnitz ein Drehbuch verfasst zu einem Film verfasst, der nicht einmal als Single-Episode funktioniert: lausig, langweilig und leider auch streckenweise reaktionär angesichts Mulders Glaube an einen religiösen und gleichzeitig magischen Katholizismus, irgendwo da draußen angesiedelt zwischen diesem waberndem Mystizismus und einer dünnen Love Story. Summa summarum etwas, was wir einfach nicht verdient haben.

Das Drehbuch ist ein Desaster
Die Handlung beginnt mit einer Parallelmontage: während in West-Virginia ein FBI-Suchtrupp im tiefsten Schnee etwas Unbekanntes sucht und dabei von einem mysteriösen Mann geleitet wird, sehen wir, wie eine FBI-Agentin nachts überfallen wird. Kurz bevor sie verschleppt wird, fügt sie einem ihrer unbekannten Häscher noch eine schwere Armverletzung mit einem Gartengerät zu. Schnitt: der etwas strubbelige Anführer des FBI-Suchtrupp findet auf dem riesigen Schneefeld einen abgetrennten Arm mit den glei-chen Verletzungen: die Parallelmontage war gar keine, die zeitliche Dissonanz führt den Zuschauer geradewegs zu einer Pointe, deren Spannungspotential so gering ist, dass man zum ersten Mal stutzt - es wird nicht das letzte Mal sein, denn entscheidende Stei-gerungen hat der Film danach nicht mehr zu bieten.

Angeführt wurde der FBI-Suchtrupp von einem ‚Seher’, dem ehemaligen Priester Father Joe. Da die für den Fall verantwortlichen FBI-Agenten dessen übersinnlichen Fähigkeiten nicht ganz trauen, zieht man zwei Experten hinzu: Scully und Mulder. Dazu muss der Zuschauer allerdings die Continuity der letzten Staffel komplett vergessen, die uns die beiden Alienjäger als Verfolgte gezeigt hat: abgetaucht in New-Mexico, ausgestoßen und mit dem Tode bedroht.
Schwamm drüber: Scully geht mittlerweile in einem katholischen Krankenhaus einer Tätigkeit als Ärztin nach, Ex-FBI-Agent Mulder sitzt bärtig und ungepflegt zu Hause und beklebt die Wände mit Zeitungsartikeln, als würde er immer noch X-Files auswerten. Klar: bald rasiert er sich und sieht fast wieder so aus wie früher. Das ist auch alles.

Der Plot gerät danach komplett unter die Räder. Der Grund ist einfach: das von Chris Carter und Frank Spotnitz verfasste Drehbuch ist schwach und (offen gesagt) anfängerhaft. Bereits mit der Ausgangssituation haben sich die X-Files-Routiniers schwer verhoben und die Szenen, in denen sie dem Publikum erklären wollen, wie ihre beiden Helden ticken, basieren auf der fatalen Annahme, dass der mit den X-Files nicht sonderlich vertraute Zuschauer eine singuläre Handlung sehen soll, für die er wenig Vorkenntnisse benötigt. Gleichzeitig und trotzdem müssen auch die Serienbuffs genug Footage erhalten, um die Figuren als vertraut zu erleben. Diese Schieflage kann nicht gut gehen: abgese-hen davon, dass weite Strecken der Handlung auf schwer erträgliche Weise von Scully und Mulder mit langweiligen Beziehungsdialogen zugequatscht werden, läuft die Skizzierung der beiden Protagonisten lediglich darauf hinaus, dass Mulder immer noch der ‚I want to believe’-Sonderling ist, während Scully mit eisernem Rationalismus das Spirituelle nur als allerletzte Möglichkeit in Betracht zieht. Mehr ist von den X-Files nicht übrig geblieben: zwei gesichts- und geschichtslose Helden in einer Story, die nicht mal eine ist.
Das funktioniert nach der Exposition so: Mulder ist bald der einzige, der während der Suche nach der verschwundenen FBI-Agentin dem merkwürdigen Seher Father Joe glaubt (der übrigens ein pädophiler Priester war, bevor er sich in jungen Jahren selbst kastrierte (!)); Scully durchlebt derweil an ihrem Arbeitsplatz eine Krise, weil sie bei einem tödlich erkrankten Jungen eine neue Therapie riskieren will, während die von Geistlichen geleitete Krankenhausverwaltung den Patienten in ein Hospiz abschieben will. 
Diese Nebenhandlung gestattet Carter einige nette Einstellungen auf dämonisch wirkenden Priester und Krankenschwestern, ohne dass so recht klar wird, was das Ganze mit dem Kern der Geschichte zu tun hat. Geradezu grotesk ist die Szene, in der Scully allen Ernstes nach ‚stam cell therapy’ googelt, um sich über ihre nächsten Behandlungsschritte zu informieren. Bedeutend besser wird das Niveau übrigens nicht.

Reden wir nicht um den heißen Brei herum: Spätestens nach dieser Szene weiß man, dass das Erfolgsduo Carter/Spotnitz, das einige der besten Episoden der X-Files geschrieben hat, wahrhaftig von allen guten Geistern verlassen wurden. Anders formuliert: die Jungs können nicht mehr schreiben. 
Wer die ersten zwei Drittel des Films noch einigermaßen ertragen hat, gibt spätestens dann auf, wenn der Film ohne besondere Spannungsmomente lange vor dem Ende seine Pointe verrät: eine geheime Organisation, die mit Organhandel ihr Geld verdient, hat die FBI-Agentin entführt. Ihr Anführer, ein russischer (!) Dr. Frankenstein, experimentiert nebenbei mit der Verpflanzung von Köpfen. Die FBI-Agentin soll als Spenderkörper für einen kranken Mann herhalten, der in seiner Jugend von Father Joe missbraucht wurde. 

Wir erinnern uns: selbst in einigen schwachen ‚Monster of the week’-Folgen der X-Files hatte Chris Carter mit klassischer Spannungsdramaturgie dafür gesorgt, dass das Monströse und Unheimliche die Phantasie ausufern ließ, bevor es seinen letzten grandiosen Auftritt erhielt. In „Akte X – I want to believe“ wird der Kern des Plots so weit an die Peripherie geschoben, dass man Ende überrascht ist, dass es ihn überhaupt gegeben hat. Und von einem grandiosen Auftritt des Monströsen kann nun wirklich nicht die Rede sein: man sieht es kaum und wie ein laues Lüftchen haucht der Film sein Leben aus. Als hätten Carter/Spotnitz gewusst, dass das wirklich Unheimliche irgendwo da draußen wartet, 
aber kaum in ihrem Film, dürfen Scully und Mulder schließlich den albernsten Filmkuss der Seriengeschichte vorführen.

Ein Film, der nie entstehen durfte
Mich hat angenehm überrascht, wie viele Kritiker sich weniger mit dem Film als vielmehr intensiv mit der Serie auseinandergesetzt haben: von der ideologiekritischen Analyse bis hin zu einfühlsamen Beschreibungen der komplexen Lichtregie und den aufwändigen Sets der neun Staffeln wurde ein Bogen gespannt, der nostalgisch, aber auch erhellend wirkte, da er eben jenes historische Moment in die die Medienrezeption einbringt, die wir benötigen. Nur wer eine Geschichte hat, kann in der Gegenwart Bedeutungen erkennen.

Anscheinend wurde diese Verortung von Carter und Spotnitz geleugnet. Zweifellos befan-den sie sich in einer Zwickmühle: nämlich jener, zwischen Kommerz und Tradition ent-scheiden zu müssen. Sie entschieden sich für Ersteres und werden wohl auch dort auf den Bauch fallen. In den Charts sieht es jedenfalls nicht gut aus. Auf den Punkt gebracht sieht ihr Film so aus, als hätten bereits vor der ersten Scriptseite eine rigide Streichliste angelegt. Und das Ergebnis war klar: nach über sechs Jahre nach der letzten Folge kennt bestimmt kein Mensch mehr den „Raucher“, die „Supersoldaten“, „Deep Throat“ oder den „Alien Bounty Hunter“ – machen wir also einen Film, der so tut, als hätte es die X-Files nie gegeben.

Wie erbärmlich.

Noten: BigDoc = 6

Freitag, 18. Juli 2008

Mr. Brooks

USA 2007 - Originaltitel: Mr. Brooks - Regie: Bruce A. Evans - Darsteller: Kevin Costner, Demi Moore, William Hurt, Dane Cook, Matt Schulze, Marg Helgenberger, Aisha Hinds - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: keine Jugendfreigabe - Länge: 120 min.

Mr. Brooks ist ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann, ein leidlich guter Vater und ein aufmerksamer Ehemann. Mr. Brooks betet gerne und ausgiebig, allerdings weiß man nicht so recht, ob sich bei ihm wirklich religiöse Gefühle artikulieren oder nur Spruchweisheiten. Manchmal hat man als Zuschauer das Gefühl, dass Mr. Brooks doch hofft, dass das Numinose ihm die Einsicht verschaffen möge, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Dies ist schwierig, denn Mr. Brooks hat eine dunkle Seite, mit der er viel zu bereden hat, was allerdings wenig hilft, denn der Trieb ist zu stark. 
Das Dunkle, das ihn hinunter zieht, zeigt ihm ein junges viel versprechendes Pärchen, dem Mr. Brooks nicht widerstehen kann. Die Vorbereitungen des nächtlichen Besuchs sind sehr professionell: Mr. Brooks ist kein Anfänger, das sieht man. Und der Ausflug endet sehr ambivalent, aber in erster Linie tödlich: Mr. Brooks erschießt das Pärchen nach dem Liebesspiel, nachdem er rücksichtsvoll den Höhepunkt abgewartet hat. Er breitet lustvoll die Arme aus, für einen Moment scheint er zu schweben, dann arrangiert er die Leichen wie immer zu einem Tableau, das längst nicht mehr so romantisch ausfällt wie früher. Jedenfalls wird dies die Polizei am Tatort konstatieren. Mr. Brooks hat eine Handschrift, er ist bekannt, er ist ein Serienkiller.

Mr. Brooks und sein Alter Ego
Kevin Costners eigenwillige Karrieregestaltung hat nach einigen unklugen Experimenten wie „Water World“ und „Postman“ (den ich persönlich gar nicht so übel fand) einen heftigen Knick erlitten. Costner, der sich noch in den Neuzigern auf Augenhöhe mit Tom Cruise und Harrison Ford befand, musste nach diesem Einbruch auf niemanden mehr Rücksicht nehmen. Er kann machen, was er will. Das tut er nun ausgiebig. Er darf sogar zum zweiten Mal nach „Perfect World“ (1993) gegen sein Image des eher weichen, aufrichtigen und moralisch gefestigten Helden anspielen – obwohl: irgendwie wird man es nicht los, so ein Image. 
„Mr. Brooks“ ist allerdings eine Glanzrolle, die man nur wenigen anvertrauen würde. Vielleicht einem Edward Norton, aber der wirkt per se schon so zerrissen, dass man ihm den erfolgreichen Business-Mann, der soeben zum ‚Mann des Jahres’ gewählt wurde, nicht ohne weiteres abnehmen würde. Und wenn es darum geht, der morbiden und offenkundig an einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung leidenden Hauptfigur ein Alter Ego zu Seite zu stellen, dass nur Mr. Brooks sieht, weil es ein abgespaltener Ich-Anteil ist, so würde Brat Pitt mit einem gewissen Augenzwinkern wohl gut zu Norton passen, aber nicht zu einem Helden, der mit dem Wolf tanzt. Dann schon Marshall (William Hurt). Marshall ist Costners ewiger böser, an das Freudsche „Es“ erinnernder Stichwortgeber, dessen Credo recht einfach ist: „Ich esse gern, ich ficke gern, ich töte gern.“ So einfach ist das. Man muss die beiden nicht wirklich sympathisch finden.

Kann dies gelingen? Nicht wirklich, eigentlich nur bei jenen Zuschauern, die Kevin Costner eigentlich nie gemocht haben. Bei allen anderen dürfte Costners Positiv-Image zu jener klammheimlichen Sympathie finden, die fast alle Stars begleitet, wenn sie mal böse Rollen spielen. Hinzu kommt, dass Mr. Brooks nicht aus Passion tötet, das war vielleicht einmal so, sondern weil er süchtig ist. Dafür hat man Verständnis, denn Sucht ist ja eine Krankheit.

Dererlei Gemütsverrenkungen verdanken sich auch der Plot-Konstruktion des Drehbuchautors und Regisseurs Bruce A. Evans (Stand by Me (1986)), der sich etwas Interessantes einfallen ließ: Er lässt Brooks letzten Mord von einem Voyeur beobachten und dieser kleine schmierige Möchtegern-Soziopath Mr. Smith (Dane Cook) will von nun an beim Morden dabei sein und sozusagen das Handwerk gründlich vom Meister lernen. Dass Evans auch noch eine Ermittlerin (Demi Moore) einbaut, die zum einen Millionenerbin ist und zum anderen simultan Mr. Brooks jagt, aber gleichzeitig auch ein durchgeknalltes Serienkiller-Pärchen einfangen muss, und die sich auch ihren widerwärtigen Ex mitsamt einer Millionenklage vom Halse halten muss, dass alles könnte man als irrwitzige und hoffnungslose Überfrachtung des Films bezeichnen. Komischerweise hat Evans genug Talent, um die scheinbar wirren Erzählstränge zusammenzuhalten und dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen: Unser Held muss erkennen, dass er offenbar seiner Tochter die Neigung zu besonders speziellen Vergnügungen vererbt hat – auch das Töchterlein mordet und das vorzugsweise dilettantisch und mit der Axt.

Perfide-intelligentes Spiel mit dem Zuschauer
Es fließt also viel Blut in „Mr. Brooks“ und man muss schon genau hinschauen, um zu erkennen, dass Evans es offensichtlich darauf angelegt hat, den Zuschauer perfide aufs Kreuz zu legen. Denn im Zentrum bleibt die Beziehung von Mr. Brooks und seinem abgespaltenen Ich-Kern zu jenem Mr. Smith, der uns allen ein wenig zeigt, wie wir im Kino ticken. Sascha Westphal schrieb völlig zu Recht in der Berliner Morgenpost: „Dieser kleine, so niederträchtige wie feige Voyeur hält dem Publikum im Kinosaal einen Spiegel vor. Seine Komplizenschaft unterscheidet sich nur in ihrer letzten Konsequenz von der jede Moral negierenden Beziehung zwischen Zuschauer und Killer, auf die etwa die "Hannibal-Lecter"-Serie setzt. Jeder von uns ist Mr. Smith, und diese alles andere als schmeichelhafte Erkenntnis wird von nun an unseren Blick auf Serienkiller prägen.“

Das ist gewiss richtig, aber man muss dennoch hinzufügen, dass die diabolische und gleichzeitig so zivilisiert anmutende Verführungskraft Hannibal Lecters, die absolut ich-synton ist (der Psychotiker empfindet seine Wahnideen als Teil der eigenen Persönlichkeit und empfindet daher keinen Leidensdruck) den Zuschauer zur Neugier verführt, ob denn vielleicht doch etwas Empathie in ihm schlummert, während der ich-dystone Mr. Brooks offensichtlich an seinen Schüben leidet. 
Allein dies unterscheidet ihn von Mr. Smith, der das brachiale undifferenzierte Triebverlangen symbolisiert, vor dem wir alle Angst haben. Nur in seiner fast sublimierten Erscheinung (wobei ich die psychologie-fernen Trash- und Splatter-Movies mal außen vor lasse) kann der einigermaßen zivilisierte und nicht bildungsferne Zuschauer gebannt und eben voyeuristisch dem Grauen zuschauen und dabei ist er eben eher Mr. Brooks und nicht Mr. Smith.

Eins muss aber klar sein: eine echte Umwandlung der Triebwünsche im Sinne der Sublimierungstheorie Freuds gibt es nicht. Mr. Brooks und Hannibal Lecter, MD, sind zwei ausgesucht kultivierte Menschen - ihren Impuls kann das alles nicht aufhalten. Der Serial Killer macht die Psychoanalyse quasi zur Schnecke, die mühsam hinter den immer neuen Varianten und Abspaltungen des obsessiven Ichs hinterher hechelt.
Und wir mit ihm: noch in diesem Jahr wird RTL II die Serie „Dexter“ starten, die in den USA atemberaubende Quoten erzielte. Dexter ist Forensiker des Miami Police Departments, nett und gepflegt, ein höflicher Mann, der in seiner Freizeit all die bösen Jungs, die ungerechterweise der Justiz entkommen sind, entführt und mit dem Elektromesser schlachtet. Die Amerikaner lieben Dexter und auch wir werden uns an ihn gewöhnen. Wie gesagt: irgendwie sind wir alle ein bisschen Mr. Brooks.
Ob wir uns dabei wohl fühlen, muss sich jeder selbst beantworten. Als intelligente Variante gehört Mr. Brooks auf jeden Fall mit zum Besten, was man in diesem Genre bislang zu sehen bekam.

Noten: Melonie = 2, Mr. Mendez = 2,5, BigDoc=2,5

Dienstag, 24. Juni 2008

The Happening

Indien / USA 2008 - Regie: M. Night Shyamalan - Darsteller: Mark Wahlberg, Zooey Deschanel, John Leguizamo, Spencer Breslin, Betty Buckley, Frank Collison, Victoria Clark, Robert Bailey jr., Joel de la Fuente - FSK: ab 16 - Länge: 95 min.

Nach dem Desaster von „Lady in the Water“ (2006) brauchte M. Night Shyamalan immerhin zwei Jahre, um den Versuch zu unternehmen, mit einem neuen Film den dramatischen Aufmerksamkeitsverlust beim Massenpublikum zu stoppen. Ob ihm dies mit seinem Öko-Horrorfilm „The Happening“ gelingen wird, bezweifelt der nicht mehr sonderlich geneigte Kritiker schon vorab mit Nachdruck.

Die Erde spuckt uns aus
Menschen bleiben verwirrt stehen, stammeln wirres Zeug und haben danach nichts Eiligeres zu tun, als sich schnellstmöglich das Leben zu nehmen: egal, ob sich Bauarbeiter aus luftiger Höhe in den Tod stürzen oder Familienväter ihr voll besetztes Auto vor den Baum lenken – es sind Aussetzer, die mitten ins Herz der evolutionär auf Überleben getrimmten Spezies Mensch zielen. Anscheinend beginnt sie sich selbst auszurotten.
Natürlich denken Medien und Politiker zunächst an abgefeimte Terroristen, an Angriffe mit Nervengas, doch bald versagen alle vertrauten Erklärungsansätze. Die Seuche breitet sich aus, die Menschen fliehen in hellen Scharen in anscheinend sichere Regionen. Auch aus Philadelphia, wo der Lehrer Elliot Moore, der sich bald mit seiner Frau und der kleinen Tochter eines Freundes auf einer Odyssee durch die östlichen Bundesstaaten befindet, außer intelligenten und zweifellos sensiblen Fragen keine wirklichen Antworten hat. Es geht letztlich nur noch ums pure Überleben und Shyamalan schickt seine Figuren aus den Zentren hinaus in die tiefste, ländliche Provinz. Aber auch dort wartet das Grauen auf sie.

Es gibt kein Entrinnen
Shyamalan hat schon ungewöhnliches Pech: gleich mit einem seiner ersten Filme landete der Inder einen Haupttreffer und sah sich danach offenbar dazu verpflichtet, nach „The Sixth Sense“ (1999) den so geannten Shyamalan-Stil auch weiterhin kommerziell auszureizen. Mit „Unbreakable“ (2000) gelang dies noch einigermaßen, auch dank erstklassiger Besetzung, aber danach stellte sich heraus, dass andere den Stil des Inders bereits besser adaptiert hatten – ein sehr gelungenes Beispiel legte Mark Pellington mit den „Mothman Prophecies“ (2002) vor. Ein Schuss Mystery und Esoterik, eine verrätselte Liebes- und Trauergeschichte, schicksalshafte Ereignisse und die Rettung durch die Kraft der Liebe: Pellington zeigte dem Meister, wie man’s macht, derweil dieser wie zum Beispiel in "Signs" nur noch zu biederen Selbstzitaten fähig war.

Mit „The Happening“ gelang Shyamalan leider nicht der Ausbruch aus dem cineastischen Käfig, in den er sich selbst gesperrt hat. Shyamalan, der für Produktion, Drehbuch und Regie zeichnet und zudem noch eine Nebenrolle übernahm, hat offenbar niemanden gefunden, der ihm das fade Drehbuch ausreden konnte. „The Happening“ ist im Kern ein auf jugendfrei getrimmter Romero-Plot ohne Zombies, dem nicht nur der ‚Biss’ fehlt, sondern auch die intelligente Provokation. Da hat sich der Altvater des "Seuchen-Thrillers" mit "Diary of the Dead" schon etwas mehr einfallen lassen.
Dass "The Happening" trotz Mark Wahlberg keinen echten Helden hat, kann man noch als gelungenes Understatement durchgehen lassen, aber dass die passiven und von den Ereignissen quer durchs Land getriebenen Figuren langweilige und dazu noch banale Dialoge vortragen müssen, ist – wie wir zum Glück wissen – durchaus vermeidbar.
Immerhin ist Shyamalan durchaus positiv anzurechnen, dass er auf spekulative Splattereffekte verzichtet und mit dezenten Mittel und beschaulichen Kameraeinstellungen das Grauen eher gelassen inszeniert hat. Da sollen allein schon Bäume, die sich im Wind wiegen, den puren Schrecken verbreiten. Nun gut. Mit unerbittliche Gradlinigkeit und ohne aufregende Twists steuert der indische Regisseur dann auch auf die Lösung des Rätsel zu, das bald keines mehr ist: es ist die ‚Natur’, die sich offenbar gegen den ‚Homo Sapiens’ auflehnt – eine Abstoßreaktion, die abrupt endet, und das in dem Moment, als die drei Flüchtenden ihr Ende akzeptieren und voller Liebe, aber ohne Hoffnung, freiwillig in den Tod gehen wollen.
Das ist in etwa so spannend, als würde man Farbe beim Trocknen zuschauen. Dass man beim gelangweilten Hinschauen alles über Evolution und Biologie vergessen muss, was man in der Schule gelernt hat, setzt dem Ganzen dann die Krone ebenso auf wie das Ende, das außer einer billigen Pointe nichts zu bieten hat als die Erkenntnis, dass M. Night Shyamalan nichts mehr zu erzählen hat.
Es gibt kein Entrinnen.

Noten: BigDoc = 4

Donnerstag, 29. Mai 2008

Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels

USA 2008 - Originaltitel: Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull - Regie: Steven Spielberg - Darsteller: Harrison Ford, Shia LaBeouf, Cate Blanchett, Karen Allen, Ray Winstone, John Hurt, Jim Broadbent - FSK: ab 12 - Länge: 122 min.

Warum Indy einige Cineasten in die Klapse bringt
Etliche Jahre nach seinem letzten Abenteuer steht der nicht sonderlich betagte Archäologie-Professor Dr. Henry Walton Jones, Jr. (Harrison Ford) mit Schlapphut auf einem Flughafen mitten in der Wüste Nevadas, umringt und entführt von der US-Infanterie. Doch die ist nicht echt, sondern ein böser Spionagetrupp, angeführt von Irina Spalko (Cate Blanchett). Und die ist Stalins Lieblingsspionin. Es ist 1957, wir sind mitten im Kalten Krieg.
Der von George Lucas und Steven Spielberg ausgeknobelte Plot will es, dass „Indy“ den bösen Russen dabei helfen soll, in eben jener endlosen Lagerhalle aus „Raiders of the lost ark“ (1982, das Ganze liegt also schon 26 Jahre zurück) einen Bleisarg zu finden, in dem sich etwas Geheimnisvolles befindet. Die böse Bande macht sich also mitsamt einem Kumpel von Indy auf den Weg, die Wagenkolonne brettert durch die leblose Wüste und während der Kamerakran sich etwas hebt, kommt ein Straßenschild ins Bild: „The Atomic Café“.
Der Schreiber dieser Zeilen prustet im Kino los, er kann sein Lachen nicht unterdrücken; das Publikum beginnt zu tuscheln, Köpfe werden zusammengesteckt.

Nur wenige Minuten später hat sich Indy dank seines exzellent Stuntdoubles befreit und befindet sich nach einer wahrlich atemberaubenden Flucht mit einem Raketentestauto in einer lieblichen US-Kleinstadt, die aussieht, als sei sie aus David Lynchs „Blue Velvet“, allerdings stehen nur Schaufensterpuppen in der Gegend rum. Der Schreiber dieser Zeilen hat kapiert: Atomic Café, Blue Velvet, Schaufensterpuppen – und er prustet wieder los. Köstlich!

Zwei Reihen vor mir fragte ein kleines Mädchen weinend seine Mutter: „Was hat denn der Onkel?“ Der will erklären, doch es ist zu spät: Wärter stürzen ins Kino und eine riesige Zwangsjacke wird dem vor Lachen geschüttelten Blogkritiker übergestülpt. Verzweifelt versucht er zu erklären, dass der Tilt auf das Straßenschild „The Atomic Café“ eine herrliche Anspielung auf den 1982 entstandenen Collagefilm von Jayne Loader, Kevin und Pierce Rafferty ist, der nach allen Regeln der Kunst die „Duck and cover“-Propagandafilme der Amerikaner in den 50er Jahren verulkte (zur Erinnerung: wenn die große Bombe fällt, einfach unter den Tisch kriechen!) und dass man spätestens bei den Schaufensterpuppen ahnen konnte, dass sich Indy mitten in einem Atomwaffentestgelände befindet und auch, dass die Uhr tickt.

„Sie sind ja völlig übergeschnappt“, herrscht mich ein bulliger Wärter an. „Das kann keiner assoziieren!“ „Doch“, erwidere ich, „die Jungs und Mädels aus BIGDOC’s Filmclub können so was!“ und während ich rausgeschleift werde, sehe ich noch, wie Indy in einen Philco steigt und die Tür von innen schließt. Gleich geht sie hoch, die Bombe!

Ein PHILCO! Ein echter unverwüstlicher PHILCO! Einer jener legendären Ami-Kuhlschränke aus der 50er Jahren. Kultobjekt und Sammlerstück. Das Lachen schüttelt mich und während ich mich am Türrahmen festhalte, sehe ich die Bombe explodieren und ich frage mich, was Stanley Kubrick und Peter Sellers dazu sagen würden und die Lachtränen laufen über mein Gesicht und ich sehe auch, wie der Kühlschrank kilometerweit durch die Luft fliegt und aufschlägt. Die Tür öffnet sich und Indy fällt aus diesem riesigen PHILCO, natürlich unverletzt und dann sehen wir…
…doch es ist zu spät. Die groben Kerle haben meinen Griff gelöst und die letzten Bilder von Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull kann ich schon nicht mehr richtig erkennen.

Auf der „Geschlossenen“ treffe ich dann meinen alten Kumpel Klawer, den es in der Nachmittagsvorstellung erwischt hat. „Ja“, seufzt er, „auch 'The Wild One' mit Brando haben sie durch den Kakao gezogen. Aber Shia LaBeouf ist nun einmal das Method Acting nicht gerade auf den Leib geschrieben!”
Die Krankenschwester, die gerade unsere Spitzen aufzieht, schüttelt den Kopf: „Entspannt euch, Jungs, gleich wird es besser!“
Mit meinen letzten bewussten Gedanken frage ich Klawer: „Und sonst?!“ Er schielt zu der Spritze: „Na ja, Hergé: ‚Tim und Struppi im Sonnentempel’ haben sie auch geklaut. Überhaupt: eine Anspielung nach der anderen. Einfach köstlich!“
„Also ein Film für Buffs?“.
„Absolut!“.
Und während ich darüber nachdenke, dass Indy ein Indie ist, beginnt die Spitze zu wirken und ich kann der Krankenschwester nicht mehr erklären, das ein Indie ein Independent Movie ist und dass dieses Wortspiel…

Note: BigDoc = 3

Tagebuch eines Skandals

Großbritannien 2006 - Originaltitel: Notes on a Scandal - Regie: Richard Eyre - Darsteller: Judi Dench, Cate Blanchett, Bill Nighy, Andrew Simpson, Phil Davis, Michael Maloney, Juno Temple, Joanna Scanlan - Prädikat: wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 92 min.

Im Filmclub (fast) ungesehen durchgerauscht: Ein Film wie ein Faustschlag. Schade.

Die Story könnte so oder verlaufen
Judi Dench und Cate Blanchett liefern ein Psychoduell ab, das unter die Haut geht: Sheba Hart (Blanchett) ist die Neue an einer Schule, deren einziger Zweck es zu sein scheint, die künftigen Vertreter der Unterschicht mit den Grundlagen des Lesens und Schreibens auszurüsten. So sieht es jedenfalls Barbara Covett (Dench), das pensionsreife Methusalem des Kollegiums. Aber die alternde Lesbe hat noch ein anderes Ziel und das vertraut sie ihren Tagebüchern an, den ‚Notes’. Ein Skandal und damit die große Chance bahnen sich aber erst an, als Sheba eine sexuelle Affäre mit einem minderjährigen Schüler beginnt. Als Barbara dies herausfindet, lernt man das Ziel kennen: Sheba wird endgültig zum Objekt der Begierde, als klar wird, dass sie erpressbar ist und in einem subtilen Unterwerfungsprozess gefügig gemacht werden kann.

Wozu? Um der Einsamkeit zu entgehen, um Sex zu haben? Oder geht es um die Macht?
So what: die Story könnte so oder so verlaufen. Mehrer Male bieten sich andere Plot Twists an, doch der Film von Richard Eyre entscheidet sich für ein deprimierendes, aber erträgliches Ende, bei dem alle als Verlierer dastehen.

„Tagebuch eines Skandals“ ist keineswegs ein ‚Geschichte über Einsamkeit, Loyalität, Neid, Freundschaft und Liebe’, wie die Presse-Flyer des Verleihs vermuten lassen, sondern die Geschichte einer bizarren Egomanin mit einer schizoid-affektiven Störung. Der intelligente, aber kalte Zynismus, mit dem Barbara im Off ihr soziales Umwelt taxiert, ist hoffnungsfrei und bar jeder Menschlichkeit. Judi Dench liefert hier eine absolute Meisterleistung ab, die auch das keineswegs schlechte Spiel von Cate Blanchett verblassen lässt. Und für alle, die keine Off-Monologe im Kino ertragen können, ist Eyres Film ein perfektes Exempel dafür, welche dramaturgischen Möglichkeiten dieses angebliche unfilmische Mittel bereithalten kann.

Wie gesagt: Schade, dass einer der besten Filme des Jahres 2006 keine verspätete DVD-Premiere im Filmclub hatte.

Golden Door

Italien / Frankreich 2006 - Originaltitel: Nuovomondo - Regie: Emanuele Crialese - Darsteller: Charlotte Gainsbourg, Vincenzo Amato, Aurora Quattrocchi, Francesco Casisa, Filippo Pucillo, Federica de Cola, Vincent Schiavelli - FSK: ab 12 - Länge: 118 min.

Vom Regen in die Traufe
Anfang des 20. Jahrhunderts verlässt eine sizilianische Familie die hoffnungslose Armut ihrer Heimat, um im ‚Gelobten Land’ das Glück zu suchen. Doch niemand erwartet sie mit offenen Armen – auf Ellis Island, N.Y., warten erniedrigende Aufnahmeprozeduren auf die Familie. Damit sich die ‚Golden Door’ öffnen kann, werden auch hastig Zweckehen geschlossen. Hier prallen nicht nur Sprachwelten aufeinander, sondern Kulturen, die kaum noch auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind.

Unverdaulich
Emanuele Crialese ist für seinen Film 2006 in Cannes mit dem "Silbernen Löwen für die Beste Neuentdeckung" bedacht worden. Kaum Totalen, alles halbnah oder nah: Ästhetisch ist der Film ein Gegenentwurf zu James Camerons „Titanic“, aber dieser Edel-Popcorn-Klassiker ist ohnehin nur zur Hälfte eine Migrationsgeschichte. Hoch anzurechnen ist Crialese, dass er die Geschichte von Salvatore Mancuso (Vincenzo Amato), seinen Söhne Angelo und Pietro, den Mädchen Rita und Rosa sowie Salvatores Mutter Donna Fortunata in der Heimat beginnen lässt – ganz langsam. Nur so kann der ‚Clash of the Cultures’ glaubwürdig gelingen. Gelegentliche surreale Einsprengsel geben dem Film zu-dem eine spirituelle Aura, die den sperrigen Film wohl auf Dauer für das Kino und die TV-Anstalten unverdaulich machen wird. Am Ende sieht man nicht, dass die Helden amerikanischen Boden betreten. Wie es weitergehen kann, deuten Filme wie Scorceses „Gangs of New York“ an.

Noten: BigDoc = 2,5, Klawer = 2,5, Melonie = 2,5, Mr. Mendez = 2,5

Mittwoch, 28. Mai 2008

Max Minsky und ich

Deutschland 2007 - Regie: Anna Justice - Darsteller: Zoe Moore, Adriana Altaras, Emil Reinke, Monica Bleibtreu, Susanna Simon, Jan Josef Liefers, Rosemarie Fendel, Hildegard Alex - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ohne Altersbeschränkung - Länge: 99 min.

Erwachsenentauglich
Kinder- und Jugendfilme haben einen anderen Nachhall als das Erwachsenenkino: keiner interessiert sich so recht für sie. Das merkt man, wenn man zwecks Recherche ein wenig googelt – jedes B-Movie hat mehr Einträge in der Fame of Hall der Filmkritik. Dem Regieerstling von Anna Justice nach Holly-Jane Rahlens (die auch das Drehbuch geschrieben hat) erfolgreichem Jugendroman "Prinz William, Maximilian Minsky und ich“ geht es da leider nicht anders – schade, immerhin ist es die Verfilmung eines 2003 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Buches.

Dieser Mangel ändert wenig daran, dass „Max Minsky“ ein ziemlich guter Film ist – der Filmkritiker meint dies daran festmachen zu können, dass er ihn gleichzeitig auf „Erwachsenentauglichkeit“ prüft. Also gut – diesen Kinderfilm kann man sich auch älterer Zeitgenossen anschauen und dass liegt garantiert an dem frühreif-intellektuellen 13-jährigen Plappermaul Nelly Sue Edelmeister (Zoe Moore), die jeden Morgen mit einer Mobbing-Garantie den Weg zur Schule antritt, ist sie doch ihren älteren und pubertierenden MitschülerInnen geistig in jeder Beziehung überlegen. So etwas wird selten gemocht.
Nur Sport mag die gewiefte Agnostikerin, die Physik und Astronomie mit ihren präzisen naturwissenschaftlichen Methoden der jüdischen Verwurzelung ihrer Familie vorzieht, nicht – es ist etwas für Gehirntote. Gut, da hat sie bei mir Abzüge bekommen, aber ungeachtet dessen spielen zarte und sehr empiriefreie Gefühle unserer Heldin bald einen Streich: sie verliebt sich aus der Ferne und sehr schwärmerisch in den Hobby-Astronomen Prinzen Edouard von Luxemburg, der gleichzeitig Schirmherr eines Basketballturniers ist. Klar: Nelly muss ins Basketballteam ihrer Schule, das ist für sie der einzige Weg zu ihrem Prinzen.

Keine Karikaturen, keine Zombies!
Damit sind die Konturen des Plots festgezurrt und es macht Spaß zu sehen, wie Nelly Sue sich allen Widrigkeiten zum Trotz an die Lösung des Problems herantastet. Ach ja, die Widrigkeiten: da ist ihre Mutter, eine US-Amerikanerin (Adriana Altaras), die unbedingt die Bat-Mizwa ihrer Tochter vorbereiten will und ein wenig abnervt; der Papa (Jan Josef Liefers) ist Musiker und ein Schlemihl, der gerne eine Auge auf andere Frauen wirft, und da ist die Oma (Monica Bleitreu), die mit gelassen-philosophischer Geduld im Kreise ihrer bizarren Freundinnen ihrer Enkelin Versöhnliches über das religiöse Judentum erzählt – ach ja, Max Minsky ist da auch noch – renitenter Problemschüler und Basketballgenie, von Nelly Sue auserkoren, sie in die höheren Weihen des Basketballs einzuführen. Klar, dass hier eine tiefe Freundschaft entstehen wird.

Sehr erleichtert war ich, als nach einer Viertelstunde für mich feststand, dass dieser Jugendkomödie ohne groteske Typisierungen auskommt – ich hasse Filme für Kids, in denen Erwachsene wie trottelige Zombies umhertorkeln und fürchterlich grimassieren. Anna Justice bringt einen realistischen Pepp in den Film, der die Nöte der Heldin ebenso ernst nimmt wie die der Erwachsenen. Gut so, dass macht „Max Minsky und ich“ für beide Lager zu einem ansehnlichen Vergnügen, wobei ich ehrlich bin: der sport-abstinenten Nelly habe ich die motorischen Ausraster beim Versuch, den Ball in den Korb zu bekommen, sehr gegönnt – aber das ist eine andere Geschichte.

Dienstag, 13. Mai 2008

Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada

USA / Frankreich 2005 - Originaltitel: The Three Burials of Melquiades Estrada - Regie: Tommy Lee Jones - Darsteller: Tommy Lee Jones, Barry Pepper, Julio César Cedillo, Dwight Yoakam, January Jones, Melissa Leo - FSK: ab 12 - Länge: 117 min.

Es geht darum, einen Mann vernünftig unter die Erde zu bringen. Etwas makaber ist es aber schon: eine Leiche auf dem Packpferd durch das amerikanisch-mexikanische Grenzgebiet zu transportieren und dabei immer wieder zu versuchen, den Verwesungsprozess durch improvisierte Konservierungstechniken aufzuhalten. Dazu ist schon eine starke Motivation vonnöten.
Die Leiche ist das, was von dem vielleicht nicht ganz legal in den USA arbeitenden mexikanischen Cowboy Melquiades Estrada (Julio César Cedillo) übrig geblieben ist. Der Mann, der ihn und seinen Mörder Mike Norton (Barry Pepper), einen affektflachen Grenzpolizisten, in ein mysteriöses mexikanisches Grenzdorf bringen will, ist Tommy Lee Jones, der dem Charakter des Vorarbeiters Pete Perkins ein überwiegend ausdrucksloses Gesicht verleiht. Dafür hat er zu Recht vor zwei Jahren den Darstellerpreis in Cannes erhalten.

„Three Burials“ ist ein Meisterwerk. Zumindest einer der besten Spät-Western der letzten zwei Dekaden. Entfernt erinnert diese obsessive Reise an John Fords "Der schwarze Falke" (1956), aber mehr noch an Sam Peckinpahs "Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia" (1974). Vom Rang würde ich ihn sogar auf eine Stufe mit „Unforgiven“ (1992) stellen.
Eigentlich ist „Three Burials“ ein Neo-Noir-Western, aber die Erfindung neuer Genrebegriffe sollte schon etwas mehr sein als Begriffs-Patchwork. Warum also um den heißen Brei herumreden? „Three burials“ ist ein Western wie er im Buche steht: Die Rolle des Pete Perkins hätte beispielsweise auch einem James Stewart gut zu Gesichte gestanden, der in seinen besten Filmen alles andere als ein freundlicher Biedermann war, sondern ein gelegentlich cholerischer, in der Regel rigide moralistischer und hartnäckiger Querkopf, der absolut keine Grenzen kannte, wenn es um die Durchsetzung seiner persönliche Moralgesetze ging. Wie in „The naked spur“ von Anthony Mann. Auch Budd Boetticher hat solche Einzelgänger gezeigt.
Tommy Lee Jones ist auch so ein Typ, allerdings teilt er nicht erkennbar den moralischen Eifer von Stewart, sondern hüllt sich und sein Gesicht maskenhaft in Schweigen. Er weiß, was er tun will, eigentlich muss, und das muss reichen in einer bizarren Welt, in der die Menschen so empathiefrei miteinander umgehen, dass man sich wohl vergeblich fragen muss, was es außer lustlos praktiziertem Sex und trostlosen Saufereien noch an sinnstiftenden Aktivitäten im Rio-Grande-Tal geben könnte. Vielleicht auf Mexikaner schießen, die Ziegen hüten?

Es gibt Leute, die diese Verhaltensstörungen mit „Coolness“ verwechseln. Tommy Lee Jones scheint da anderer Auffassung zu sein und er hat sich für seine erste Regiearbeit die richtigen Leute an Bord geholt, um einen richtig guten Film über verstörte Menschen zu machen: Das Drehbuch ist von Guillermo Arriaga ("Babel", "21 Gramm"), der nicht unbedingt für linear erzählte Scripts bekannt ist, die außergewöhnlichen Bilder hat der zweifache Oscar-Preisträger Chris Menges gedreht. Herausgekommen ist genau das, was man hoffen kann, aber nicht immer erwarten darf: ein Meisterwerk. Wie gesagt.
Zum Schluss die Pointe: Diesen Film gab’s in Deutschland irgendwo und irgendwann eine Woche lang zu sehen. Eine Kopie, eine Woche – das war’s. Einen deutschen Verleih hat „Three Burials“ nicht gefunden. Der Film wurde gleich in den DVD-Vertrieb abgeschoben.

Abgeschoben? Vielleicht auch nicht, denn mittlerweile landen viele Filme bekannter Regisseure im Home Movie-Bereich. Woody Allen hat es auch schon erwischt. Kinobetreiber, auch die der Arthouses, setzen auf sichere Sachen. Für komplexe Filme gibt es immer weniger Nischen. So gesehen ist die DVD eigentlich der beste Beitrag zur Rettung der Kinokultur, den man sich wünschen konnte.

Noten: Mr. Mendez = 2, Melonie = 2, BigDoc = 1,5, Klawer = 2.
Damit hat sich "Three Burials" vermutlich schon einen Spitzenplatz in der Jahresauswertung des Filmclubs gesichert. Zur Zeit liegt er hinter "No country for old men" und "Unsere Erde" auf Platz 3.

Dienstag, 15. April 2008

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford

USA 2006 - Originaltitel: The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford - Regie: Andrew Dominik - Darsteller: Brad Pitt, Casey Affleck, Sam Shepard, Mary-Louise Parker, Zooey Deschanel - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 159 min.

Fiktionen über Jesse James sind so häufig wie Sand am Meer – ungezählte Filme, ungezählte Regisseure und ebenso viele Darsteller haben den Outlaw auf die Leinwand gebracht. Vielleicht sogar noch häufiger als es in den kinematografischen Huldigungen des anderen großen Mythos des Wild, Wild West geschah: Billy the Kid. Und wie bei vielen andren Mythen wird schließlich nicht mehr der Gegenstand selbst belangreich, sondern die Meta-Ebene der Nacherzählungen, die sich kaskadenartig auffächern und in endlosen Querverbindungen aufeinander beziehen.

Interessant: Beiden Westernlegenden wurde nachgesagt, dass sie überhaupt nicht erschossen worden sind und bis ins hohe Alter weiter lebten. Aber diesen Legenden wurde zumindest im Falle von Jesse James durch eine DNS-Probe in den 90er Jahre ein Ende bereitet. Den Mördern ging’s in beiden Fällen fürderhin schlecht: sie wurden gemieden wie die Pest und irgendwann erschossen. Und auch etwas anderes ist gleich: Sowohl um Pat Garrett als auch Bob Ford wurden besondere Beziehungen zu ihren späteren Opfern angedichtet. Und wenn eine Geschichte zum x-ten Mal erzählt worden ist, werden irgendwann auch diese Rand- und Nebenfiguren der Geschichte interessant. Je weniger man etwas von ihnen weiß, desto besser.

So ist es halt mit der historischen Wahrheit und auch im Falle von Andrew Dominiks „The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford“ sollte man erst mal zum Geschichtsbuch greifen, denn vom berühmten Outlaw und dessen bis in den amerikanischen Bürgerkrieg zurückreichende Geschichte erfährt man in dem Film nichts. Weder die Gräueltaten der Quantrill-Raiders, an denen Jesses Bruder Frank beteiligt war, noch die Massaker des „Bloody Bill“ Anderson, an denen der recht junge Jesse mitwirkte, werden erwähnt. Und genauso wenig erfährt man, dass es der Besitzer der Kansas City Time gewesen ist, der Jesse James aus politischen Gründen zu einem „Robin Hood“-Mythos verhalf.

Dominik zeigt vielmehr den Jesse James, dessen Mythos perfekt und somit beschlossene Sache ist, einen Mann, der am Ende seiner ‚Laufbahn’ depressiv und paranoid seine letzten Tage damit verbrachte, seine Bandenmitglieder misstrauisch zu überwachen und – falls erforderlich – als potentielle Verräter zu liquidieren. Und der am Ende kaltschnäuzig seine eigene Ermordung als mythengerechten Abgang plant.
Andrew Dominiks Version, den Mythos Jesse James zu erhellen, scheitert nicht, weil Dominik erst gar nicht den Versuch macht, dies zu tun. Sein Film ist keine „True Jesse James“-Story, sondern eine explizit elegische und anti-realistische Kontemplation über einen unreifen, spät-pubertierenden Jüngling, der sowohl mit sublimierten erotischen Neigungen als auch mit einer Mischung aus scharfer Intelligenz und lebensfremder Naivität an das Objekt seiner Begierde herantritt: Casey Affleck spielt den späteren Mörder des Outlaws mit einer gierigen, fast etwas schleimigen Präsenz, die man immer dann beobachten kann, wenn jemand keine eigene Persönlichkeit finden kann und nur über Adaption so etwas wie eine Identität zusammenstrickt. Dieser Bob Ford vergöttert den Mythos und scheitert an der realen Figur des Outlaws, der nur subtilen Spott für ihn übrig hat. Dies allerdings ist grandios gespielt und trotz des großen Lobes der Kritiker für die darstellerische Leistung des ‚kleinen’ Affleck muss hervorgehoben werden, dass Brad Pitt lange nicht mehr so grandios war wie in der Rolle des prä-psychotischen Killers, der schon durch ein verhaltenes Hochziehen der Augenbraue eine erneute paranoide Wahnidee signalisiert und seine Umgebung in Angst und Schrecken versetzt.

Ähnlich präsent sah man Pitt wohl zuletzt in David Finchers „Fight Club“ und wer die Interviews mit dem sehr reflektierten und auffallend intelligenten Charmeur liest, bekommt sehr schnell mit, wie distanziert und kritisch sich der Co-Produzent von „The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford“ mit den Möglichkeiten und Grenzen des Kinos auseinandergesetzt hat.

Der eigentlich Held des elegischen Noir-Western ist allerdings Roger Deakins, dessen virtuose Kameraarbeit (Oscar-Nominierung für „No Country for Old Men“) nicht nur die Arbeit der Coen-Brüder prägte, sondern auch maßgeblich für den Erfolg zahlreicher anderer Highlights der letzten Dekaden verantwortlich war.
Natürlich kann man geteilter Meinung über den einen oder anderen fast schon manieriert anmutenden Linsentrick sein und sich über extreme Unschärfebereiche mokieren, aber die visuelle Kraft, die Dominiks Film durch diesen außergewöhnlichen Kameramann erhält, prägt nach über zweieinhalb manchmal sehr lang gewordenen Stunden auch die Wahrnehmung einer unglaublich dichten Atmosphäre, die man so schnell nicht vergessen wird. Deakins gibt dem Sujet eine fast schon erotische Spannung, einen eigenen Rhythmus der Zeitwahrnehmung, der auch durch den Schnitt nicht verdorben wurde.

Die erlesenen Bilder und die Entschleunigung der Erzählung sind es auch, die am Ende dafür sorgen, dass man deutlich erkennt, um welche Art von Kino es sich hier handelt: Um eine formalistisch geprägte Ästhetisierung eines Sujet, die genauso faszinierend ist wie die Landschaftsmalerei der Renaissance, die ihren realistischen Gestus schon längst verloren hat, die man aber um ihretwillen liebt.

Noten: BigDoc = 2,5

Postscriptum:
Das Bonusmaterial der "Special Edition" des Films ist mit mit seinem schmalen Booklet ein schlechter Witz, die Single-Version des Films ist zwar vorzüglich gemastert, bietet aber nicht das geringste Bonus-Material. Man muss nicht erläutern, welche Chancen einer historischen Durchleuchtung schäbig vertan werden, wenn nicht einmal das übliche "Making of" auf die DVD gepresst wird.

Samstag, 15. März 2008

No country for old men

USA 2007 - Regie: Joel Coen, Ethan Coen - Darsteller: Tommy Lee Jones, Javier Bardem, Josh Brolin, Woody Harrelson, Kelly MacDonald, Garret Dillahunt, Tess Harper, Barry Corbin - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 16 - Länge: 122 min. - Start: 28.2.2008

Ein Film ohne Musik, voller Bilder und mit einer direkten Anrede: No country for old men beginnt mit einem Voice Over, das den Zuschauer daran erinnert, dass er es mit den Folgen der Geschichte eines Landes und der Landschaft selbst zu tun bekommt – einer tödlichen Kargheit, die sich in allen Bildern ausdrückt und der selbst die Schönheit der Tafelberge aus den Fordschen Western abhanden gekommen ist.
Aber die Story ist selbst schon Geschichte: sie spielt Anfang der 80er-Jahre, irgendwo im Südwesten von Texas nahe dem Rio Grande. Dort haben Drogenhändler offenbar die Viehdiebe aus dem klassischen Western ersetzt und auch alle anderen alten Regeln sind unter die Räder gekommen.
Eine der Hauptfiguren ist schnell eingeführt: der soziopathische Profikiller Anton Chigurh (Javier Bardem) bringt mit großer physischer Intensität einen Deputy um, der den Fehler begangen hat, Chigurh festzunehmen. Wenig später sehen wir den Mann mit der grotesken Topffrisur mit einem Bolzenschussgerät. Höflich bittet er einen Autofahrer darum, aus seinem Wagen zu steigen: „Halten Sie bitte still!“. Das Gerät wird auf die Stirn gesetzt, der Killer drückt ab, der Wagen wechselt seinen Besitzer. So tötet man sonst Schweine.
Die zweite Hauptfigur ist Llewelyn Moss (Josh Brolin), der bei der Antilopenjagd über die blutigen Folgen eines schief gelaufenen Drogendeals stolpert – mitten in der Wüstenei liegen Leichen und Waffen, eine Menge Drogen und ein Koffer mit zwei Millionen Dollar. Moss sieht einem Mann beim Sterben zu, nimmt das Geld und kehrt nachts zu dem Sterbenden zurück, um ihm Wasser zu bringen. Er weiß, dass er den größten Fehler seines Lebens macht.
Die dritte Figur scheint aus einer griechischen Tragödie zu stammen, in der üblicherweise ein Chor das Geschehen kommentiert. Im Film von Joel und Ethan Coen ist es der alternde Sheriff Bell (Tommy Lee Jones), der immer zu spät kommt und in langen, absurd komischen Gesprächen mit seinem Deputy die wachsenden Leichenberge kommentiert, aber nichts aufhalten und nichts ändern kann.
Fortan sind alle hinter dem Geld her und der Rest ist eine Mischung aus Road-Movie, Spätwestern und Neo-Noir-Krimi, in dem uns die Coen-Brüder demonstrieren, dass die Möglichkeiten des lakonischen Erzählens im Kino noch längst nicht ausgeschöpft sind.
Die Coens sind nach The Big Lebowski (1998), O Brother, Where Art Thou? (2000), The Man Who Wasn’t There (2001), Intolerable Cruelty (2003) und der unsäglichen Komödie Ladykillers (2004) wieder zu ihren Wurzeln zurückgekehrt, zu Blood Simple und Fargo. No country for old men ist zweifellos ein Meisterwerk, aber eins, das sprachlos macht und eine große Leere hinterlässt.

Im Kino der Coolness: Geniale Form ohne Inhalt
Im Oktober 1994 veröffentlichte Andreas Kilb in DIE ZEIT eine bemerkenswerte Doppel-Kritik über „zwei Reisen ins Herz der amerikanischen Finsternis“. Der Titel lautete „Zum Töten geboren, zum Schauen bestellt“ und die Kritik handelte von zwei Filmen, die unsere Wahrnehmung von Gewalt im Kino verändern sollten: Oliver Stones Natural Born Killers und Quentin Tarantinos Pulp Fiction. Stones Gewaltorgie ist zwar nicht vergessen, cineastisch hat sich die Halbwertszeit des Films aber als extrem kurz erwiesen, während Tarantinos Film über die Jahre zum Kultfilm geworden ist.
Kilb war schon vor knapp 14 Jahren skeptisch und bescheinigte Stone, eine „virtuose Furchtbarkeit“ geschaffen zu haben, während Tarantinos Film „bildervoll und menschenleer“ sei - in „Pulp Fiction“ gehe es, so Kilb, nur um den „Moment, den witzigen Einfall, den schönen Trick“. Man kann es auch anders formulieren: Geniale Form ohne Inhalt.

Spannend an Kilbs Artikel war auch etwas anderes. In einer längeren Einleitung beschrieb der Filmkritiker die MTV-Comic-Helden Beavis und Butt-Head als Protagonisten einer neuen Kälte, die zynisch und gewaltverherrlichend ist. Und von der völligen Leere im Kopf handelt. Sex ist cool, Mörder sind cool, Krieg ist cool, Gewalt ist cool. Alles, was uncool ist, muss weg. Beavis und Butt-Head waren für Kilb der „Ausdruck des Ausdrucklosen, der Signalton der absoluten Gleichgültigkeit im Angesicht des Öden und Schrecklichen“. Beavis und Butt-Head sind Monster, aber sorry: was Kilb nicht schrieb, soll hier nachgeholt werden – die beiden sind in erster Linie ungebildete hirnlose Idioten.

Mit der kultur- und medienphilosophischen Konstituierung der „Coolness im Kino“ hat Kilb aus meiner Sicht eine epochale und fast schon prophetische Kritik geschrieben, denn die folgende Kinojahre waren reichlich angefüllt mit Filmen, die nur eins im Sinn hatten: dem Kinogänger brillante Plots, unerwartete Twists und unverbrauchte Psychopathen um die Ohren zu hauen: David Finchers Seven, natürlich Fargo, From Dusk Till Dawn (Rodriguez/Tarantino), aber auch Finchers Fight Club und zuletzt David Cronenbergs A History of Violence spielten das Thema formal und ästhetisch frappierend durch, während Shooting-Star Shyamalan eher eine spezielle Nische besetzte.
Ähnlich wie im Horrorfilm wurden neben den Thrillern, den Noir- und Neo-noir-Filmen im Tarantino-Look auch unsäglich öde und gewaltverherrlichende B-Pictures abgekurbelt (wobei Slasher-Filme in Scream-Stil ein eigenes Sub-Genre schufen) - die Meisterwerke waren also „The cream on the coffee“, mit dem Schmuddelkram wurde Kasse gemacht. Und während die Kritiker ihren eigenen Kanon entwickelten, durfte man sich ganz leise die Frage stellen, ob denn nicht vielleicht das Genrekino aus uns Kinogängern nichts anderes als Beavis-und-Butt-Head-Klone macht, die mit ihrem hechelnden Lachen nur das „cool“ finden, was noch schrecklicher und noch sadistischer ist als das, was uns beim letzten Kinobesuch die Eingeweide durchgeschüttelt hat. Ganz so moralinsauer ist es dann doch nicht.

Grenzüberschreitungen und Verführungen: der geniale Irre
Die andere Seite der Medaille ist der Blick in den Abgrund. Und die Tür zum völlig anderen, der Blick in die Amoralität wird uns im Kino von den Bösewichtern, den Monstern geöffnet. Auch hier hat alles eine Vorgeschichte. Ganz am Anfang waren im Kino die Seiten geklärt - das Gute und das Böse standen sich diametral gegenüber. Das Gute siegte, das Böse musste definitiv untergehen. Ein Exorzismus unserer Ängste... bis die Irritationen einsetzten.
Es fing schon früh an, zum Beispiel mit Fritz Langs Dr. Mabuse: Der geniale Irre, eingesperrt in einer Zelle, gefährlich und unberechenbar, aber von überragender emotionaler und intellektueller Kraft. Ein Stratege des Bösen.
Die cineastischen Spuren werden schon also schon früh ausgelegt, bereits zwei Jahrzehnte nach der ‚Erfindung des Kinos’. Dr. Mabuse, erst dämonisch von Fritz Lang, dann später von eher zweitrangigen Regisseuren zum Serienhelden gemacht, ist ebenso ein Topos des Horrorfilms wie Fantomas, sein alter Ego, dessen bösartige Genialität allerdings mehr zur Farce neigte. Beiden gemeinsam war die Eigenschaft, das pathologische Moment ihres Handels durch dessen Folgen sichtbar zu machen, durch das Tun derer, die sie verführt hatten.
Seitdem hat sich die Erscheinungsweise des absolut Bösen in den Filmen dramatisch weiterentwickelt: das Andere, die schwarzen Phantasien und die vitale Lust am Töten haben eine verführerische Qualität erhalten.
Ein Film, der lange vor Pulp Fiction verführte, war Das Schweigen der Lämmer. In Jonathan Demmes Film war alles anders - das absolut Böse durfte nicht nur entkommen, sondern auch faszinieren. Lemme demonstrierte, dass Hannibal Lecters brillante, fast unmenschliche Intelligenz faszinierender war als die Abscheu vor seinen Morden. Lemme verführte das Publikum zur folgenlosen Teilhabe an den obsessiven, zunächst garantiert empathiefreien Begierden seiner Hauptfigur, um uns dann ein zweites Mal zu überlisten, indem er uns zeigte, dass das Monster auch menschliche Züge besaß (übrigens auch eine der großen Qualitäten des immer noch nicht hineichend gewürdigten Films Blutmond von Michael Mann), auch wenn das Objekt seiner Begierde eine schwer traumatisierte junge Frau war. Egal, das Monster fühlte und begehrte jenseits aller Monstrosität.
In diesem Kontext war David Finchers Zodiac fast schon eine Befreiung. Eine Filme, der Schluss machte mit der Mythologisierung des Serial Killer und ihn als das vorführte, was er ist: ein möglicherweise cleverer, aber im Kern primitiver und seelenloser Psychopath.

Von derartigen Nuancen sind die Coens mit No country for old men weit entfernt. Ihr Monster ist frei von Moral, und das ganz im Sinne Nietzsches. Chigurh, der Mann mit dem Bolzenschussgerät, ist cool im wahrsten Sinne des Wortes: Er tötet nicht nur aus professionellem Interesse, sondern auch aus Verachtung für die Unterlegenen. Und da die absolute Freiheit nicht unbegrenzten Spaß verspricht, ist Chigurh ein Mann mit Regeln und Grundsätzen, der ein Faible für grausame sprachphilosophische Diskurse entwickelt und schon einmal eine Münze wirft, um das Schicksal entscheiden zu lassen, ob jemand sterben soll oder nicht.

Kein Wunder, dass Bardem für diese Rolle einen Oscar erhielt und die Kritik beeindruckt die Luft anhielt. Aber man muss genau hinschauen, denn die Coens zeigen auch etwas, was verblüfft und kaum wahrgenommen wurde: Chigurh ist nur dann effizient, wenn er Wehrlose tötet. Nur einmal, als sich Llewelyn Moss ihm bewaffnet stellt, zieht er den Kürzeren und muss das Weite suchen – eine jämmerliche Niederlage. Chigurh ist ein kalter Schlächter, dessen Faszination sich offenbar nur in den genregeschulten Köpfen der Zuschauer zusammensetzt, während Moss der klassische Noir-Held ist, der trotz seiner Distanz und barschen Wortkargheit einige Werte für unantastbar hält. Am Ende lassen die Coens ihn fast unbemerkt verrecken.

Coolness minus Tarentino = Coen Brothers
Bringen wir es auf den Punkt. No counry for old men ist ein Film, der auf nichts außer sich verweisen kann als das, was in den Köpfen der Coens ist und im Kino und seiner Geschichte selbst existiert. Ein Film voller Referenzen, brillant fotografiert und meisterhaft geschnitten. Filmgeschichtlich ist der No counry for old men ein direkter Antagonist zu Sam Peckinpahs Meisterwerk Getaway, das trotz all seiner Gewalttätigkeit von Werten wie Loyalität berichtet. Und wer noch einen Schritt weitergehen will, um zu begreifen, wie das Universum der Coens funktioniert, dem sei John Sayles Lone Star (1996) empfohlen, auch eine gewalttätige Geschichte aus dem texanisch-mexikanischen Grenzland, auch eine Reise ins „Herz der amerikanischen Finsternis“, aber eine, die verstehen will. Getaway und Lone Star bewahren dabei eine grundsätzliche und bleibende Konsistenz.

Die Kunst der Coens besteht darin, die Konsistenz aufzulösen und das Formale bis an die Grenzen des Erzählbaren auszureizen, um das Publikum zu verblüffen und zu verwirren. Nichts ist mehr antizipierbar und selbst Figuren wie der von Woody Harrelson gespielte Kopfgeldjäger, der bedrohlich erscheint, verschwinden lapidar aus dem Film wie der traurige Held Llewelyn Moss, der ein Opfer der ihn verfolgenden mexikanischen Drogengang wird, kurz nachdem die Coens ein bombastisches Show-Down zwischen Moss und Chigurh angekündigt haben. Ein Fake.

Und auch Chigurh geht leer aus: der Killer hinterlässt zwar eine Blutspur, kommt dem Koffer mit den Millionen keinen Schritt näher. Die ganze Kälte des Films kulminiert in einer Szene, in der Chigurh sein Versprechen wahr machen will, nämlich die Frau von Moss zu töten, falls dieser ihm nicht das Geld aushändigt. Obwohl Moss bereits tot ist, hält sich der grimassierende Soziopath an seine ‚Regeln’ und schlägt dem Opfer einen Münzwurf vor. Die Frau lehnt ab und schlägt dem Killer eine moralische Entscheidung vor. Schnitt. Chigurh verlässt das Haus und betrachtet seine Schuhe. Dies tut er immer dann, wenn Blut geflossen ist und er prüfen will, ob seine Bekleidung Schaden genommen hat. Aber im Film ‚existiert’ nur das, was man sieht und auch das ist nur ein Produkt unserer Imagination.

Etwas beherrschen die Coens meisterhaft: sie konfrontieren in ihren Filmen immer wieder einfache und natürliche Menschen mit der Verkommenheit des Bösen. Meist zum Nachteil der Guten. Ähnlich wie Quentin Tarantino machen die Coens coole Filme, aber ohne den grotesken Humor Tarantinos, der immerhin eine gewisse Befreiung durch das Lachen verspricht.
Bei den Coens gibt es nichts mehr zum Lachen. Schon nach Fargo wurde dem Brüderpaar vorgeworfen, dass es die Opfer dem klammheimlichen Vergnügen der Zuschauer aussetzt – eine kalte, boshafte Eigenschaft ihrer Erzählkunst. Doch anders als in Fargo, wo die Anständigkeit nicht völlig unter die Räder gerät, ist No counry for old men ein Film ohne Hoffnung, der uns bestenfalls vorführt, dass das Spiel mit der Gewalt am Ende nur ein Gefühl der Agonie erzeugt. Und das ist nicht übel.

Noten: Klawer = 1, Big Doc = 1, Melonie = 1, Mr. Mendez (vielleicht zu Recht wieder skeptisch) = 2,5.

Sonntag, 2. März 2008

Streets of Rio

Regie: Alexander Pickl, Produzent: Dan Maag, Philip Schulz-Deyle, Buch: Nikolai Müllerschön, Rene Belmonte, Kamera: Arie Van Dam, Verleih: Falcom Media Group, Land: Deutschland, Darsteller: Thiago Martins, Ralf Richter, Luís Otávio Fernandes, Lui Mendes, Naima Santos, Gabriel Mattar, Arthur Bispo, Sandra Pera.

„Streets of Rio“ sieht man nur in kleineren Kinos, zum Beispiel in München oder anderen Großstädten, bevor sie verschwinden – die deutsche Produktion ist sicher einer jener Filme, die im Grunde genommen für den DVD-Markt produziert werden, der (wenn man boshaft ist) das Kino als relevante Distributionsstätte vermutlich schon abgelöst hat.
Erzählt wird eine Geschichte im „City of God“-Stil: Tiago (Thiago Martins) lebt mit seiner schwerkranken Mutter und seinem Bruder in den Armenvierteln von Rio de Janeiro. Der knapp 16-jährige Junge geht nicht mehr zur Schule, dafür kickt er wie ein Weltmeister, aber davon gibt es in den Favelas viele. Und die meisten träumen von einem Probetraining bei einem der großen Vereine, zum Beispiel dem Fluminense Football Club. Der soziale Aufstieg aus von Gangs beherrschten Favelas, ist ohne Geld und Unterstützung allerdings fast unmöglich und vermutlich kicken deshalb noch einige Ronaldinhos unentdeckt am Strand.

Der Dokumentarfilmer und Werbeclip-Spezialist Alexander Pickl und seine Drehbuchcrew erzählen die Geschichte Tiagos mit der Highspeed-Digitalkamera, schnell, etwas dreckig und an Originalschauplätzen gedreht. Auch wenn die Dialoge etwas simpel gestrickt sind und der Plot nicht frei von dramaturgischen Klischees ist, die sich meistens leicht erahnen lassen, gelingt das Ganze doch recht überzeugend, zumal einige Figuren alles andere als eindimensional gezeichnet werden. Da ist zum Beispiel der extrem brutale Gangboss Tubaro, der Thiagos Talente respektiert und alles dafür tut, um dem Jungen die Kriminalität der Favelas zu ersparen, einem Milieu, in dem Gangmitglieder selten älter als 30 Jahre werden. Bis am Ende möglicherweise doch eine Chance auf Thiago wartet, müssen einige Protagonisten ins Gras beißen.

Fast noch spannender als der Film ist das Presseheft des Schweizer Verleihs Falcom Media, in dem Pickl sehr eindrucksvoll von seinen Erfahrungen in Brasilien und den Drehbedingungen in den Favelas erzählt. Und er erzählt von den Talenten, die nur mit einer Plastiktüte bewaffnet in ein Flugzeug gesetzt werden, um bei irgendeinem europäischen Klub vorzuspielen. Fast alle kehren zurück – der Traum vom Fußballstar bleibt halt ein Traum.
Wer übrigens wissen will, was Fußball in Brasilien ist, nicht immer fernab der Vorstellungen, die man als Europäer so hat, sollte sich im Internet einmal auf der Homepage von Fluminense umsehen, wo es auch einen richtigen Online-TV-Kanal gibt: http://www.canalfluminense.com.br/index2.php.
Und auch sonst hätte man dem Film die eine oder andere realistische Fußballszene gewünscht. Egal: „Streets of Rio“ ist ein ästhetisch durchaus gelungener Film, dem man gelegentlich einen forcierteren Schnitt gewünscht hätte, der aber, zumindest konnte ich dieses Gefühl nicht loswerden, mehr über die Favelas von Rio zeigt als so manche bekannte Mainstream-Produktion.
Note: BigDoc = 3

Samstag, 1. März 2008

Michael Clayton

USA 2007 - Regie: Tony Gilroy - Darsteller: George Clooney, Tom Wilkinson, Tilda Swinton, Sydney Pollak, Michael O'Keefe, Robert Prescott, Ken Howard, Denis O'Hare, Austin Williams, Sean Cullen, Merritt Wever, David Lansbury - FSK: ab 12 - Länge: 120 min.

Ich bin Shiva – der Gott des Todes

„Michael Clayton“ ist ein „schöner“ Film. Mit der stilistisch präsenten Fotografie von Robert Elswit („Magnolia“), dem depressiven Off-Prolog von Tom Wilkenson, seinen Stimmungen und Tönen und der außergewöhnlich guten Musik von James Newton Howard (einer der Besten seines Faches, zuletzt machte er die Score für alle Shyamalan-Filme, insgesamt wurde Howard sechsmal für den Oscar nominiert) bietet der Film nicht nur am Anfang alles auf, was ein guter Paranoia-Film benötigt – inklusive Sidney Pollack in einer netten Nebenrolle, eben jener Pollack, der vor 33 Jahren THREE DAYS OF THE CONDOR machte und den man sich ruhig noch einmal anschauen sollte. Das alles packt vom ersten Moment, auch wenn (oder vielleicht gerade deswegen) die Montage fast kalt und wie im Staccato den Plot abarbeitet und keine Zeitsprünge scheut - wir sind im Labor und schauen zu, wie Ratten durch die Irrgänge huschen und den Ausgang suchen.

Mächtige Ratten
Die Story ist nicht übel, aber alles andere als neu, denn dass ein Chemie-Multi mit einem Entlaubungsmittel arme Bauern killt und danach natürlich an sämtlichen Drähten zieht, um sich eine Sammelklage über 3 Mrd. Dollar vom Halse zu halten, dürfte die Verschwörungsphantasie der Zuschauer nicht sonderlich überfordern, zumal alles, was wir über Multis wissen, sowieso meistens aus dem Kino stammt, entweder fiction ist oder von Michael Moore stammt. Nun gut.

Was den Film einmalig macht, „schön“ im besten Sinne, ist die schlafwandlerische Müdigkeit, mit der sich die Protagonisten erschöpft durch die Handlung schleppen. Es sind Menschen, die nur noch wie konditionierte Laborratten funktionieren. Sie sind programmiert und es geht darum, die Macht nicht zu verlieren und viel, viel Geld abzuzocken. Das macht fertig.
Wie zeigt uns Tony Gilroy (er schrieb die Bücher für "Die Bourne Identität" und die "Die Bourne Verschwörung") diese hochintelligenten Ratten? Sie schauen sich ihre Schweißflecke in der Achselhöhle an! Kein Wunder, regiert doch die Angst alles zu verlieren, das Geld, die Karriere, die Macht.
Da ist die wundervolle Tilda Swinton, die Karen Crowder spielt. Crowder vertritt juristisch die Interessen des Multis U/North und bestellt schließlich ziemlich verdruckst einige Morde, als alles aus dem Ruder läuft. Immer wenn Crowder vor den Kameras und auf Versammlungen öffentlich lügen muss, bis sich die Balken biegen, übt sie dies ausführlich vor dem Spiegel und spielt dabei alle mimischen und rhetorischen Varianten durch. Sogar die Frage nach dem „Ausgleich“, dem „Privatleben“ antizipiert diese Frau und sie, die kein Privatleben hat, weil sie nur schläft und arbeitet, hat darauf eine Antwort, die ihre Sprache zu Metall gerinnen lässt. Gilroy zeigt uns dies als perfekte Studie der Zu- und Abrichtung, bei der sich die Ratte selbst konditioniert. Am Ende, wenn alles vorbei ist, läuft ein wellenartiges Zittern über ihr Gesicht, Swinton kollabiert und kriecht auf allen Vieren über den Teppich.
Da ist George Clooney. Er ist der „Janitor“, der Ausputzer, der Mann, der alles wegräumt. Er spielt Michael Clayton, einen Mann, den die Bullen für einen Juristen halten und die Juristen für einen Bullen. Die öffentliche Anwaltskarriere hat er an den Nagel gehängt, um für die Kanzlei Kenner, Bach & Ledeen die Drecksarbeit zu machen. Und er ist gut. Fast hart am Rande des Klischees zeigt ihn Gilroy als desillusionierten Profi mit einem Hang zur Spielsucht und fast tödlich hohen Schulden. Auch Clooney wirkt müde, dabei aber wie aufgezogen, ein Charakter, der nicht Herr in seiner Haut ist.

Da rettet nur der Wahnsinn
Wirklich fantastisch und der heimliche Held des Films ist Tom Wilkenson. Er spielt Arthur Edens und der ist ein Freund von Clayton. Eigentlich soll Edens als Anwalt von Kenner, Bach & Ledeen die Interessen von U/North vertreten. Aber er wird nach sechs Jahren Aktenarbeit scheinbar wahnsinnig, strampelt, schlägt um sich, zieht sich während einer Anhörung nackt aus – no longer acting like a rat.
Aber warum? Edens kann beweisen, dass U/North weiß, dass sein Entlaubungsmittel killt. Schlimm wäre diese Erkenntnis für die meisten Beteiligten nicht, aber leider ist Edens eine bipolare Persönlichkeit - er ist manisch-depressiv, hat vergessen, seine Pillen zu nehmen und so entdeckt er mitten im Pharmaentzug die Moral. Schlecht gelaufen, aber ein herrlicher Einfall.

Gilroys Regiedebüt überzeugt über die vollen 120 Minuten, auch wenn man nicht wirklich etwas Neues sieht. Aber Gilroy variiert das Thema virtuos und es macht wirklich Spaß, diesen Neo-noir-Thriller auf sich wirken zu lassen. Clooney ist gut, Swinton hat ihren Oscar verdient, aber wirklich stark ist Tom Wilkenson, bei dem man nie weiß, ob er nun mitten in einer manischen Phase steckt oder einfach nur lustvoll die Freiheit des Denkens und Handelns genießt. Ein Anarchist, der aus einem Bunuel-Film geflohen sein könnte und sich nun in einem Paranoia-Movie verirrt hat. Herrlich.

Note: BigDoc = 2