Sonntag, 2. März 2008

Streets of Rio

Regie: Alexander Pickl, Produzent: Dan Maag, Philip Schulz-Deyle, Buch: Nikolai Müllerschön, Rene Belmonte, Kamera: Arie Van Dam, Verleih: Falcom Media Group, Land: Deutschland, Darsteller: Thiago Martins, Ralf Richter, Luís Otávio Fernandes, Lui Mendes, Naima Santos, Gabriel Mattar, Arthur Bispo, Sandra Pera.

„Streets of Rio“ sieht man nur in kleineren Kinos, zum Beispiel in München oder anderen Großstädten, bevor sie verschwinden – die deutsche Produktion ist sicher einer jener Filme, die im Grunde genommen für den DVD-Markt produziert werden, der (wenn man boshaft ist) das Kino als relevante Distributionsstätte vermutlich schon abgelöst hat.
Erzählt wird eine Geschichte im „City of God“-Stil: Tiago (Thiago Martins) lebt mit seiner schwerkranken Mutter und seinem Bruder in den Armenvierteln von Rio de Janeiro. Der knapp 16-jährige Junge geht nicht mehr zur Schule, dafür kickt er wie ein Weltmeister, aber davon gibt es in den Favelas viele. Und die meisten träumen von einem Probetraining bei einem der großen Vereine, zum Beispiel dem Fluminense Football Club. Der soziale Aufstieg aus von Gangs beherrschten Favelas, ist ohne Geld und Unterstützung allerdings fast unmöglich und vermutlich kicken deshalb noch einige Ronaldinhos unentdeckt am Strand.

Der Dokumentarfilmer und Werbeclip-Spezialist Alexander Pickl und seine Drehbuchcrew erzählen die Geschichte Tiagos mit der Highspeed-Digitalkamera, schnell, etwas dreckig und an Originalschauplätzen gedreht. Auch wenn die Dialoge etwas simpel gestrickt sind und der Plot nicht frei von dramaturgischen Klischees ist, die sich meistens leicht erahnen lassen, gelingt das Ganze doch recht überzeugend, zumal einige Figuren alles andere als eindimensional gezeichnet werden. Da ist zum Beispiel der extrem brutale Gangboss Tubaro, der Thiagos Talente respektiert und alles dafür tut, um dem Jungen die Kriminalität der Favelas zu ersparen, einem Milieu, in dem Gangmitglieder selten älter als 30 Jahre werden. Bis am Ende möglicherweise doch eine Chance auf Thiago wartet, müssen einige Protagonisten ins Gras beißen.

Fast noch spannender als der Film ist das Presseheft des Schweizer Verleihs Falcom Media, in dem Pickl sehr eindrucksvoll von seinen Erfahrungen in Brasilien und den Drehbedingungen in den Favelas erzählt. Und er erzählt von den Talenten, die nur mit einer Plastiktüte bewaffnet in ein Flugzeug gesetzt werden, um bei irgendeinem europäischen Klub vorzuspielen. Fast alle kehren zurück – der Traum vom Fußballstar bleibt halt ein Traum.
Wer übrigens wissen will, was Fußball in Brasilien ist, nicht immer fernab der Vorstellungen, die man als Europäer so hat, sollte sich im Internet einmal auf der Homepage von Fluminense umsehen, wo es auch einen richtigen Online-TV-Kanal gibt: http://www.canalfluminense.com.br/index2.php.
Und auch sonst hätte man dem Film die eine oder andere realistische Fußballszene gewünscht. Egal: „Streets of Rio“ ist ein ästhetisch durchaus gelungener Film, dem man gelegentlich einen forcierteren Schnitt gewünscht hätte, der aber, zumindest konnte ich dieses Gefühl nicht loswerden, mehr über die Favelas von Rio zeigt als so manche bekannte Mainstream-Produktion.
Note: BigDoc = 3