Dienstag, 21. Januar 2025

Landman - Taylor Sheridans Serie über die texanische Ölindustrie

Der Versuch eine Serie zu verstehen, grenzt an Kunst. Der erste Schritt: Man muss unterscheiden zwischen dem, was man gesehen hat, und dem, was man lieber hätte sehen wollen. Der zweite Schritt: Man muss sich entscheiden, ob man eine Enttäuschung akzeptieren kann.

In Taylor Sheridans neuer Serie „Landman“ hätte sich der Rezensent ein klares Plädoyer für den Klimaschutz gewünscht. Denn in den Weiten von Texas wird in Sheridans Serie wie besessen nach Öl gebohrt. Fossile Energieträger, wie schrecklich. Ein klares Statement lieferte Sheridan aber nicht. Die Serie „wurde nicht mit einer Agenda geschrieben und sollte auch nicht so gesehen werden. (…) Ich denke, es ist interessant zu sehen, was in dieser Welt vor sich geht. Wir zeigen die Licht- und Schattenseiten,“ erklärte Hauptdarsteller Billy Bob Thornton in einem Interview mit der dpa.

Ganz so einfach ist das nicht mit den Schattenseiten

Man hätte das auch ganz anders erzählen können. Zum Beispiel als Geschichte einer Umweltaktivistin, die mit aller Macht dagegen kämpft, dass Ölmultis in Texas auf Teufel komm‘ raus nach Öl bohren, dabei Milliarden US-Dollar verdienen (man kann auch schnell pleite gehen, auch das lernt man in Sheridans Serie) und sich einen Dreck um die Folgen für unsere Umwelt scheren. Gut, diese Geschichte hat Sheridan bereits in „Yellowstone“ by the way erzählt, nur mit dem Ergebnis, dass die Aktivistin am Ende mit einem tiefen Verständnis für die Dutton-Philosophie von dannen zog. Nur dass, die Duttons halt nicht nach Öl bohren. Im Gegenteil. Man sieht: so schnell lässt sich Taylor Sheridan nicht eine Botschaft abringen.

Erst recht nicht bei der Figurenentwicklung. Tommy Norris, die Hauptfigur in „Landman“, ist ein erzkonservativer „Mann für alles“, der für den milliardenschweren Ölkonzern M-Tex arbeitet. In seinem Job sorgt er für die Akquise von Land-und Mineralrechten und räumt Probleme weg. Nicht immer legal. Norris ist sozusagen ein „Cleaner“ wie Harvey Keitel in Tarantinos „Pulp Fiction“. Dabei bekommt man es auch mal mit schwierigen Kunden zu tun.

Gespielt wird Tommy Norris vom wieder einmal exzellenten Billy Bob Thornton und in der 1. Episode „Landman“ zeigt Norris, was für eine coole Sau er ist. Er sitzt in einer Scheune, einen dreckigen Sack über den Kopf gezogen, und ist kurz davor, vom Lokalchef eines Drogenkartells liquidiert zu werden. Dieser Jimenez (Alex Meraz) hat gerade einen seiner Mitarbeiter grundlos erschossen, wohl um zu zeigen, was er tun kann, wenn er es will. Doch Norris macht dem Drogenhändler klar, dass sein Konzern über die notwendigen Mittel verfügt, um Jimenez und seinen Leuten das Geschäft zu versauen. So besäße das Kartell zwar Grund und Boden in dem fast menschenleeren Flecken des westlichen Texas, aber der Ölkonzern hätte nun mal die Schürf- und Förderrechte. Und nun müsse Jimenez entscheiden, ob er ihn erschießen oder doch lieber einen fett dotierten Vertrag mit dem Konzern unterschreiben möchte. Man würde sogar umsonst Straßen auf dem Territorium des Kartells bauen. Wenig später hat Norris die Unterschrift.

Leider kracht sechs Monate später ein LKW von M-Tex in ein Flugzeug des Kartells, das auf einer dieser Straßen notgelandet ist. Das wird die einvernehmlichen Geschäftsbeziehungen der beiden Multis natürlich nachhaltig belasten. In der zehnten und letzten Episode der 1. Staffel wird Tommy Norris wieder mit einem Sack über dem Kopf vor Jimenez sitzen, der diesmal fest entschlossen ist, seinen „Geschäftspartner“ zu Tode zu foltern. Doch es kommt anders und der Cliffhanger erinnert wie ein erzählerischer Textbaustein an das Ende der letzten Staffel von Sheridans „Tulsa King“.

Ein Umwelt-Thriller ist die Serie nicht

Dieser Auftakt der Serie könnte allegorisch gedeutet werden. Und tatsächlich werden Gemeinsamkeiten zwischen kriminellen Drogenkartellen und zu allem entschlossenen Kartellen schnell erkennbar. Zumindest was die Bestechung von Senatoren, Lokalpolitikern und Cops der örtlichen Polizei betrifft. Oder im Ernst den Einsatz der Nationalgarde ermöglicht.
„Landman“ ist aber kein Polit- und Umweltthriller, sondern überwiegend eine skurrile Sitcom-Comedy, die sich ausgiebig mit dem dysfunktionalen Familienleben der Familie Norris beschäftigt. Tommy hat sich gerade mit seiner Ex-Frau Angela (Ali Larter) ausgesöhnt, ahnt aber, dass guter und regelmäßiger Sex die schrägen Launen und Attitüden seiner Ex nicht vollständig kompensieren kann.

Auch seine beiden Kinder sorgen nicht für Heiterkeit. Norris‘ Tochter Ainsley (Michelle Randolph) ist ein charmant-selbstbewusstes Biest, das sich gerade einen lokalen Sporthelden angeln will, den Quarterback Ryder Sampson (Mitchell Slaggert). Ryder erfährt auf handfeste Weise, was „Papa“ von vorehelichem Geschlechtsverkehr hält, und lernt auch, dass das „erste Mal“ mit Ainsley seinen Preis hat. Natürlich ist der Trieb stärker als die begründeten Bedenken, die man mit etwas Nachdenken sehr kritisch abwägen müsste.

Weniger schräg ist die Rolle von Norris Sohn Cooper (Jacob Lofland), der das College an den Nagel hängt und sich als Roughneck bei einer der Bohranlagen seines Vaters anheuern lässt. Cooper ist eher ein introvertierter und reflektierter junger Mann, der sich an die rauen Sitten der Ölarbeiter schnell gewöhnt. Bis eine Bohranlage in die Luft fliegt und Cooper der Einzige ist, der die Katastrophe überlebt. Cooper wird sich später in Ariana (Paulina Chavez) verlieben, die Witwe eines der toten Männer. Eine Rolle, die in „Landman“ nicht nur an dieser Stelle die Perspektive „von denen das oben“ auf „die da unten“ verschiebt und keine romantische Verklärung der lebensgefährlichen Jobs an und auf einer Bohranlage zulässt. Am Ende wird es Cooper sein, der mit unerwartet cooler Cleverness dafür sorgt, dass die Hinterbliebenen des Unglücks vom Ölkonzern nicht mit einer billigen Entschädigung abgespeist werden, sondern dass M-Tex tiefer in die Kasse greifen muss.

Eine klimafreundliche Agenda umschifft „Landman“

Leider ziehen die überwiegend recht unterhaltsamen Familiendramen den Plot in die Breite. Zumindest dann, wenn das, was man gesehen hat, nicht das abliefert, was man lieber hätte sehen wollen. Nämlich eine explizite Kritik an einer Ökonomie, die sich immer noch an fossilen Energieträgern orientiert. Erst recht, nachdem die Trump-Administration bereits kurz nach der Inauguration von Donald Trump das Pariser Klimaschutzabkommen kündigte, Klimaschutzmaßnahmen canceln und stattdessen auf Öl und Gas setzen will.

Taylor Sheridan lässt in „Landman“ aber nicht auf eine plakative Botschaft ein, obwohl sich diese Entwicklung aufgrund der globalen Erfolge der Rechtspopulisten abgezeichnet hat. Tommy Norris, seine Hauptfigur, ist politisch ein ultra-konservativer Mann, der in einer Schlüsselszene erklärt, dass und wie im Detail eine klimagerechte Energiepolitik letztendlich nur dafür sorgt, dass noch mehr Kohlendioxid in die Luft geblasen wird.
Das haben Kritiker als Propaganda bezeichnet. Aber Norris' Argumente sind keine ideologisch motivierte Lüge, sondern meinen die Energie-Rücklaufzeit, die sichtbar macht, dass auch nicht-fossile Energieträger wie Photovoltaik bereits bei der Herstellung einen CO2-Fingerprint erzeugen, bzw. einen hohen Energiebedarf haben, der später wieder ausgeglichen werden muss. Das gilt auch für die CO2-Bilanz von Windkraftanlagen.
Das werden Zuschauer aber nicht ohne Weiteres wissen, wenn Tommy Norris seine Ansicht rhetorisch clever begründet. Auch nicht, dass die CO2-Bilanz von Photovoltaik und erst recht von Wind nur einen Bruchteil der CO2-Bilanz von Kohle, Erdöl und Gas ausmachen.

In solchen Szenen müsste man eigentlich auf Distanz zur Hauptfigur gehen. Aber das klappt nicht, auch wegen des Faktenchecks. Es ist halt ein bekanntes Phänomen von Filmen und erst recht von seriell erzählten Geschichten, dass zum einen die Hauptfiguren (schönes Beispiel ist die Serie „Dexter“) einen Sympathie-Bonus erhalten und dies zum anderen zu einer positiv emotionalen Bewertung führt, wenn es im Leben der Hauptfigur kräftig „menschelt“. So ist Tommy Norris eher der „nette Schurke von nebenan“, der mehr Opfer der Verhältnisse und nicht ihr Mit-Verursacher ist. Immerhin weiß Norris, dass die Ära des Öls zu Ende geht, auch wenn man tiefer und tiefer bohrt oder per Fracking die letzten Ressourcen ausplündert.

Das scheint auch Norris‘ Boss Monty Miller (Jon Hamm) zu ahnen, der im stillen Kämmerlein mit anderen Bossen darüber diskutiert, wie man sich die Umweltschützer vom Leibe hält, und ansonsten nur daran interessiert ist, mit einer letzten großen Anstrengung stattliche Gewinne in Milliardenhöhe einzufahren. Hamm spielt diese Nebenrolle als permanent genervter, gelegentlich auch überforderter Unternehmer, der am Ende seiner schweren Herzkrankheit Tribut zollen wird.

Eine interessante Nebenrolle ist die junge Anwältin Rebecca Falcone (Kayla Wallace), die die Eigenschaften ähnlicher Frauenrollen in „Yellowstone“ besitzt. Eine komplizierte Frau, die von Norris als „woke“ bezeichnet wird und in einer netten Szene einige sexistische Business-Partner von M-Tex rhetorisch über den Tisch zieht. Taylor Sheridan hat sich also erneut ein breites Spektrum an Frauenrollen ausgedacht, was es den Kritikern erschweren sollte, ihm vorzuwerfen, dass er nur Machos, aber nicht Frauen „kann“. Demi Moore als Cami, Montys Frau, bleibt allerdings blass.

Es geht weiter

Taylor Sheridan konterkariert in der letzten Episode „The Crumbs of Hope” (dts. Die Krümel der Hoffnung) alle Hoffnungen auf ein klares Statement (was ihn übrigens mit Clint Eastwood verbindet, den konservativ-neutralen Beobachter einer Welt voller Widersprüche). Als Monty nach einer Bypass-Operation und mit sehr negativen Aussichten auf dem Sterbebett liegt, erhält er Besuch von einem anderen Öl-Magnaten. Es ist Jerry Jones, der sich in einem Cameo-Auftritt selbst spielt. Der 83-jährige Jones erzählt Monty in einem langen Dialog, wie er dank Öl zu einem reichen Mann wurde, aber wahres Glück erst erfuhr, als er die Geschäftsführung mit seinen Kindern teilen konnte.
Will Sheridan dem Zuschauer mit dieser Szene etwas Versöhnliches über die imagegestörten Tycoons der mächtigen Energiekonzerne erzählen? Oder will er uns allen sagen: ‚Hallo, die Welt ist kompliziert, ich zeige sie euch in allen Facetten und was ihr daraus macht, ist mir völlig egal.‘ Man wird sehr tief bohren müssen, um eine Antwort zu finden.

Landman“ ist noch lange nicht auserzählt, denn in der letzten Episode gibt es einen blutigen Auftritt von Andy Garcia, der à la „Tulsa King“ die Geschäfte des Kartells in West-Texas übernehmen wird. Spannend könnte es auch werden, wenn die Geschichte Coopers weitererzählt wird, der in Ölgeschäft einsteigen will und dabei andeutet, dass er beim Erwerb von Förderrechten auf scheinbar ungeeigneten Mini-Parzellen seinen Partnern nicht das Fell über die Ohren ziehen will.

Nach der ersten Staffel ist es mir trotzdem nicht so klar, ob die Geschichte genug Substanz für eine Fortsetzung besitzt. Gut, „Landman“ ist visuell sehr stylish. Die schattigen Umrisse der Bohrtürme sehen vor dem Hintergrund der Abendsonne so aus, als wären sie ein naturhafter Teil der weiten Landschaft von Texas. Auch das Stilelement des Teasers wird wie bei Sheridan üblich mitten in der Handlung platziert, etwa wenn Taylor Bilder der malochenden Arbeiter zeigt, deren dreckige Arbeit in den hübschen gelackten Aufnahmen gleichzeitig eine realistische und eine ästhetische Qualität erhält. Und über solche retardierenden Momente wird natürlich wieder Countrymusik oder Soft Rock gelegt. Das ähnelt dann doch sehr dem Stil der Top Gun-Filme, nur dass die Helden nicht die lebensgefährlich mutigen Piloten sind, sondern die lebensgefährlich mutigen Ölarbeiter.

Unterm Strich bleibt Sheridan ein erzählerisches Chamäleon, von dem man noch einiges erwarten darf, was man eigentlich nicht sehen wollte. Enttäuschend war die Serie aber nicht. Und wer weiß, vielleicht wird Sheridan angesichts der bedrohlichen Situation seiner Landes beim nächsten Mal etwas präziser. Darauf wetten würde ich nicht.

Noten: Klawer = 2, BigDoc = 2,5

Landman – USA 2024 – Paramount+ (10 Episoden) - Showrunner, Drehbücher: Taylor Sheridan – Regie: Stephen Kay, Michael Friedman, Taylor Sheridan -D.: Billy Bob Thornton, Ali Larter, Jacob Lofland, Michelle Randolph, Paulina Chavez, Demi Moore, Andy Garcia.