Samstag, 18. Januar 2025

Alien: Romulus - ein Plagiat ohne neue Ideen

Acht Jahre nach Alien: Covenant" produzierte 21st Century Fox, das seit 2017 zu Disney gehört, einen neuen Alien-Film. „Alien: Romulus" ist ein nostalgisch-respektvoller Film, der nichts Neues zu bieten hat, aber sehr respektvoll versucht, die klaustrophobische Atmosphäre des ersten Film zu rekonstruieren.

Das Vergnügen beim Zuschauen ist trotzdem begrenzt, aber Regisseur und Co-Autor Fede Álvarez hat keinen Flop auf die Leinwand gebracht. Das zweithöchste Einspielergebnis der Alien-Saga deutet an, dass der neue Film nicht der letzte sein wird.


Auf der Suche nach neuen Arbeitern

Gleich zu Beginn weiß der Zuschauer, was uns erwartet, wenn wir ökonomisch dem Credo „Weiter, immer weiter“ folgen. Da steht Rain Carradine (Cailee Spaeny) am Schalter der lokalen Behörde und beantragt eine Reise zum Planeten Yvaga. Ihr Vertrag mit dem Weyland-Yutani-Konzern wurde fristgerecht erfüllt. Das sieht man auch auf dem Display der Mitarbeiterin, die allerdings in Sekundenschnelle die Vertragsdauer verdoppelt und die Ausreise verweigert.

Wir befinden uns auf dem Planeten „Jackson’s Star“, auf dem die Minenarbeiter null Rechte besitzen und schuften müssen, bis sie endlich tot sind. Menschen sind nur Ressourcen, allerdings sind sie als Lohnsklaven nur begrenzt effektiv. Denn später erfahren wir in „Alien: Romulus“, dass der Konzern damit zu kämpfen hat, dass Seuchen und unbekannte Krankheiten die Minenarbeiter dezimieren. Deshalb soll ein genetisches Upgrade der Arbeiter erfolgen. Ausgerechnet mit der DNA der grauenhaften Spezies, deren First Contact mit den Menschen wir 1979 in Ridley Scotts „Alien“ erleben konnten. Den Xenomorph, den Ripley (Sigourney Weaver) ins All geschleudert hat, hat eine Expedition von Weyland-Yutani mittlerweile gefunden. Die monströse Mixtur aus Mensch und einem beinahe unbesiegbaren Alien scheint in der Chefetage des Konzerns die Vision eines vollständig resilienten Arbeiters zu verkörpern. Die entsprechende Mixtur für variable Genmutationen heißt Z-01 - und sie verspricht neuen Horror.

Der Filmkritiker Rüdiger Suchsland erkannte daher in seiner Kritik, dass „das das zweite Monster der Alien-Geschichten immer Kapitalismus und Ausbeutung gewesen sind, und von der Macht überstaatlicher Unternehmen erzählen, die nicht weniger triebhaft zum Monster werden wie das Alien-Viech.“ Das stimmt, nur triebhaft scheint dies nicht zu sein. Vielmehr spiegelt es die Gier nach Profit und Macht und den vollständigen Verlust von Moral und Ethik wider. Alles zusammen ist dies wiederkäuend längst zu einem narrativen Klischee des Genrekinos geworden.
Auch aus diesem Grund ist nicht zu erwarten, dass diese dystopische Hypothese bei der Zielgruppe des neuen „Alien“-Films große Empörung auslösen wird. Obwohl uns möglicherweise irrwitzige Handelskriege erwarten, die uns ökonomisch ins frühe 20 Jh. zurückschleudern werden. Man sollte daher die aufklärerische Wirkung von Genrefilmen besser nicht überschätzen, auch wenn Ridley Scott, der dank des ersten und von der Kritik zunächst unterschätzten „Alien“-Films berühmt wurde, in „Blade Runner“ am Ende ziemlich poetisch davon erzählte, wie skrupellos Konzerne mit empfindungsfähigen Androiden umgehen.

Raumstation des Grauens

Allegorisch sind im Film die Namen „Romulus“ und „Remus“ zunächst nur schwer zu deuten, beide sind mythologische Figuren der römischen Kultur und laut Sage die Kinder des Kriegsgottes Mars und die Gründer der Stadt Rom. Im Kampf um die Vorherrschaft erschlug Romulus seinen Bruder.
Romulus und Remus, das sind auch die Namen der beiden Hälften des Raumschiffs Renaissance, das über „Jackson’s Star“ schwebt. Sie wird der Mittelpunkt von Fede Álvarez‘ Film sein, bei dem Walter Hill und Ridley Scott als Produzenten fungierten.

Rain will nämlich nicht aufgeben und den Planeten, auf dem dank Verschmutzung der Atmosphäre nie die Sonne zu sehen ist, für alle Zeiten verlassen. Allein schafft sie das aber nicht. Zusammen mit dem Androiden Andy (David Jonsson) ihrem Ex Tyler (Archie Renaux), seinem Cousin Bjorn (Spike Feran), seiner schwangeren Schwester Kay (Isabela Merced) und der Pilotin Navarro (Aileen Wu), Bjorns Adoptivschwester, will das Team mit dem geklauten Raumschiff Corbelan nach Yvaga flüchten. Allerdings braucht man für die neun Jahre dauernde Reise neue Kühlkomponenten für die Kryostase-Kapseln. Die werden auf dem verlassenen Raumschiff vermutet. Das entpuppt sich als gigantische Raumstation mit den zwei Modulen Romulus und Remus, auf der von Weyland-Yutani unzählige Facehugger in Laborbehältern aufbewahrt werden. Als Tyler, Bjorn und Andy nach den Kühlkomponenten suchen, wachen die Facehugger auf. Das Grauen nimmt seinen Lauf.

Was nun folgt, ist das Ausweiden eines Genrefilms. In „Alien: Romulus“ werden mit einer unübersehbaren Lust an den ikonischen Szenen eines 46 Jahre alten Kultfilms fast alle Elemente erneut serviert. Natürlich finden die Facehugger schnell menschliche Wirte, in deren Körpern sie ihre teuflische Brut ablegen. Natürlich windet sich ein ausschlüpfenden Xenomorph aus dem aufplatzenden Körper eines Wirts heraus. Es gibt einen Androiden, der andere Interessen verfolgt. Und wie in Ridleys Film wird auch das Team nach dem „Zehn kleine Negerlein“-Prinzip dezimiert und am Ende überlebt nur ein Mensch das Gemetzel.

Immer höher, immer weiter. In Ridleys Film gab es eine Kreatur, in Álvarez' ist die Multiplikation des Grauens Teil des Programms. Auf der Raumstation gibt es ein Nest mit voll entwickelten Xenomorphen, die sich auf alles stürzen, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist. Und wenn Rain am Ende in einer rauschhaften Szene diese Kreaturen im Dutzendpack abschießt, so erinnert dies ein wenig an James Camerons „Aliens – Die Rückkehr“ (1986), der ebenfalls nicht auf eine Vielzahl von Monstern verzichten wollte. Wie Cameron trägt Alvarez’ zu dick auf und nimmt den Monstern etwas von ihrem Horror.
Auch kurz vor dem Ende des Films haben den Regisseur die Instinkte verlassen. Kay gebärt ein neues Monster, nachdem sie vom „bösen“ Andy Z-01 erhalten hat. Es ist ein Mensch-Xenomorph-Hybrid, der sichtlich viel Spaß am Töten von Menschen hat. Eine der schlechtesten ‚neuen‘ Ideen des Films, denn dieses Monster sieht so albern aus, dass man am liebsten lauthals lachen möchte. Das Alte ist bewährt, das Neue nicht immer gut.

Alien: Romulus ist ein Plagiat

Die meisten Zuschauer, die das 1979er-Original gesehen haben, sind mittlerweile tot und bestenfalls Rentner. Nachfolgende Generationen haben den Film in einer neuen, veränderten Kinolandschaft gesehen, in der natürlich die Effekte immer besser wurden und die Produzenten nach neuen Dimensionen des Horrors suchten.

Erinnern wir uns trotzdem: „Alien“ war ein Film, der allein durch die düstere Architektur des Frachtraumschiffes „Nostromo“ eine beklemmende Atmosphäre erzeugte, die von Jerry Goldsmiths Musik dezent ins Schauerliche übersetzt wurde. Bahnbrechend war das von HR Giger entworfene Design, das an die Monstrosität der Figuren des legendären Horrorautors an H.P. Lovecraft erinnerte. Und völlig neu war es, eine Frau in der Hauptrolle zu sehen: Sigourney Weaver wurde die erste Actionheldin der Kinogeschichte. Dass der Verursacher des Schreckens ein skrupelloser Konzern war, stand allerdings in der Tradition der Paranoia-Movies der 1970er-Jahre. (Der Name „Weyland“ wurde erst später eingeführt, und zwar in den Alien versus Predator-Crossover-Filmen). Ein Konzern, der mit dem Androiden Ash (Ian Holm) einen Verräter im Team platziert hatte. Die Entdeckung, dass einer von ihnen eine künstliche Lebensform ist, war nicht nur für die Figuren an Bord der Nostromo, sondern auch für den Zuschauer eine erschreckende Erfahrung. Und last but not least reichte ein Xenomorph aus, um alle in Angst und Schrecken zu versetzen. Hermann Hesse hatte recht: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“
„Alien: Romulus“ ist – abgesehen von den Effekten und den ausgezeichneten Bildern des Kameramannes Galo Olivares – deshalb ein sonderbares Plagiat des ersten Alien-Films. Sonderbar, weil man sich nicht der Mühe unterzog, die Imitation zu verschleiern. Selbst die Musik hört sich so an wie bei Jerry Goldsmith. Einer Imitation, auch wenn sie respektvoll ist, fehlt halt der Zauber des Anfangs.

Das erkennt man auch an dem mit Deep Fake-Technologie rekonstruierten Androiden und Wissenschaftsoffizier Rook, den Rain und ihre Freunde auf der Raumstation entdecken. Hook sieht so aus wie der verstorbenen und von Ian Holm gespielte Ash in Ridleys Film. Dank der Software Speecher spricht er auch wie Ian Holm. Der Film ist ein Plagiat, das sehr viel Ehrfurcht vor dem Original ausdrückt.

Einiges ist neu, aber nicht immer gelungen

Dabei gelingt es Álvarez wesentlich besser von Androiden zu erzählen als von Menschen. Ash sollte dafür sorgen, dass ein Exemplar der fremdartigen Kreatur lebend die Erde erreicht. Gleichzeitig zeigte er eine gewissen Empathie im Umgang mit der Besatzung. Dem Androiden Hook ist es gelungen, aus der DNA der Facehugger Z-01 zu extrahieren, einen Stoff, der es einer Lebensform ermöglicht, sich genetisch zu manipulieren und sich an neue Umgebungen perfekt anzupassen zu können. Ansonsten ist deutlich skrupelloser als sein Vorgänger und er geht über Leichen, damit Weyland-Yutani seine Mixtur erhält. Sie scheint das geheimnisvolle Öl zu sein, das in „Prometheus“ von den Konstrukteuren entwickelt wurde.
Originell ist auch die ambivalente Rolle des Androiden Andy. Nicht nur, weil David Jonsson eine starke Performance abliefert, sondern auch zwei Rollen spielt. Andy wurde von Rains Vater als eine Art von Beschützer programmiert, der alles tun muss, um Rain in jeder Situation zu helfen. Da er Zugriff auf Weyland-Yutani-Technologien hat, wird er gebraucht, um verschlossene Türen auf der Raumstation zu öffnen. Als dies in einer heiklen Situation nicht mehr gelingt, wird Andy der Chip eines zerfetzten Androiden eingesetzt.
Als Bodyguard von Rain ist die Figur sehr empathisch. Mit dem neuen Chip vertritt Andy danach explizit die Interessen des Konzern, hilft Rain nur noch eingeschränkt und nimmt billigend den Tod ihrer Kameraden in Kauf. David Jonsson spielt sowohl die empathische als auch die eiskalt-emotionslose Version mit nuancierter Qualität. Ob perfekte Androiden sich als „Person“ wahrnehmen oder lediglich ihren Algorithmen gehorchen, ist eine berechtigte Frage, die der Film aber nicht beantwortet.

Trotzdem: Eine überragende Leistung von David Jonsson, die ein Gewinn für den Film ist, weil den anderen Darstellern, auch der preisgekrönten Cailee Spaeny, ähnlich charismatische Qualitäten fehlen. Nur der erratische Bjorn fällt durch seinen Zynismus, etliche Wutanfälle und seinen Hass auf Andy ein wenig mehr auf als seine Kollegen. In Sachen Figurenentwicklung bleibt „Alien: Romulus“ meilenweit hinter dem Original zurück.
Die Bilder „wiederholen (...) sich, bleiben gleich und reproduzieren sich selbst. Den klaustrophobischen und panischen Horror aus dem originalen Film lassen sie dabei vermissen. Die Bilder sind nostalgisch verklärt, aber kaum effektiv“, schrieb Martin Seng daher treffend in der TAZ.

Unterm Strich bleibt daher nur ein eingeschränktes Vergnügen beim Zuschauen. „Alien: Romulus“ ist ein Film, der die Möglichkeit verpasst, einen neuen Blick auf das Franchise zu werfen, wie es Ridley Scott in „Prometheus“ gelang. Im Alien-Franchise spiegelt der neue Film etwas anderes wider: das Bedürfnis der Studios, Networks und Streaming-Anbieter nach neuen Produkten. Es ist ein Zeichen von Erschöpfung, wenn man dabei alten Wein in neuen Schläuchen präsentiert. Der gute alte Wein in den alten Schläuchen ist dem vorzuziehen, denn nur wenige Filme verlieren auch nach Jahrzehnten nicht die Aura des Einmaligen.

Allerdings kann man Fede Álvarez etwas nicht absprechen: den Respekt vor dem Original und der Continuity des Alien-Kosmos. Und das Können, mit einem Budget von nur 80 Millionen US-Dollar ein Maximum an visueller Qualität erreicht zu haben. An der Kasse spielte der Film 350 Mio. ein. Offenbar hat die Zielgruppe des Films die nostalgische Reminiszenz positiv angenommen.
„Sehr gutes Old-School-Kino“ nannte dies Rüdiger Suchsland, der den Machern lediglich ein konservatives Geschlechterbild vorwarf. Und dies, obwohl alle männlichen Figuren das Ende des Films nicht erleben und nur einer jungen Frau, die zuvor alle Xenomorphen weggeballert hat, die Flucht in eine neue Heimat gelingt. Zusammen mit ihrem Androiden. Der hat seinen alten Chip bekommen. Ein durchaus versöhnliches Happy End.


Note: BigDoc = 3


Alien: Romulus -GB/USA 2024 - Regie: Fede Álvarez - Drehbuch: Fede Alvarez, Rodo Sayagues - Kamera: Galo Olivares – Laufzeit: 120 min. · FSK: ab 16 - Darsteller: Cailee Spaeny, Isabela Merced, Archie Renaux, David Jonsson, Spike Fearn u.a.