Mittwoch, 17. September 2008

The dark knight

USA 2008 - Regie: Christopher Nolan - Darsteller: Christian Bale, Michael Caine, Heath Ledger, Gary Oldman, Aaron Eckhart, Maggie Gyllenhaal, Morgan Freeman, Eric Roberts, Cillian Murphy - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 16 - Länge: 152 min.

Die Zahlen überschlagen sich: 500 Mill. Dollar hat Christopher Nolans Fortsetzung der Comic-Adaption „Batman begins“ bereits eingespielt und in einer fast massenhysterischen Aktion haben organisierte Fans dafür gesorgt, dass „The dark knight“ in einem Rutsch auf Platz 3 der Movie Internet Database gespült wurde. Einer der besten Filme aller Zeiten! Wirklich?

Man darf gespannt sein, wie der Film in zwanzig Jahren rezipiert wird. Die Kritik zeigt sich bereits heute so gespalten wie es auch der Film zu sein scheint: „The dark knight“ ist einerseits eine der spektakulärsten Comicverfilmungen der letzten Jahre, andererseits ein bedeutungsschweres Werk, das seine Befürworter in einen deutungsbeflissenen Taumel versetzt hat, während die Skeptiker nur prätentiöses, pathetisches und hohles Geschwafel wahrnehmen.

Tour de Force am Rande des Wahnsinns
Batman hat es schwer: in Gotham City scheint das Verbrechen besiegt zu sein. Man sieht dies im Halbdunkel der zweiten Sequenz, als einige Nachahmer Batmans gleich im Sechserpack auf Verbecherjagd gehen. Dass Batman kein Auslaufmodell ist, wird allen schnell bewusst, als eine geheimnisvolle Figur, der Joker, sich bei einem außergewöhnlich brutalen und zynischen Banküberfall über 60 Mill. Dollar aneignet, die der Mafia gehören. Das kommt nicht gut an, aber dem Joker gelingt es trotz seines Coups die Bestohlenen davon zu überzeugen, dass nicht er, sondern Batman, der selbsternannte hyperpotente Rächer und Hüter des Rechts, die eigentliche Bedrohung ist. Für nicht weniger als die Hälfte des Mafia-Vermögens will er Batman beseitigen – der Beginn einer Welle von Terroraktionen des Jokers, die Gotham City an den Rand des Untergangs führen.

Was folgt, ist eine zweieinhalbstündige Tour de Force am Rande des Wahnsinns. Am Ende ist man betäubt: Nicht nur wegen der extrem schnellen Montage, die auf irrwitzige Weise die ohnehin schon mit High-Speed daherkommende Handlung mit ihren Parallelmontagen in noch kleinere Häppchen von wenigen Sekunden sequenziert, sondern auch wegen der überwältigenden Performance, die Heath Ledger als Joker hinlegt. Ledger, der vor diesem Film als neuer James Dean gehandelt wurde, ist nunmehr alles andere als dies: er bleibt als einer der finstersten Bösewichter in Erinnerung, die die Leinwand je gesehen hat. Und er wäre dies trotz vieler Spekulationen auch geworden, wenn er nach den Dreharbeiten von „The dark knight“ nicht auf mysteriöse Weise zu Tode gekommen wäre. Ledger stiehlt allen die Show: Sabbernd und schmatzend genießt es der sadistisch-masochistische Joker, die Welt ins Chaos zu stürzen, nicht als schriller Punk der Fun-Generation, sondern als soziopathischer Einzelgänger, der das ‚Gute’ in einem subtilen Netzwerk von moralischen Dilemmata zugrunde richten will. Wenn man jemals in die Verlegenheit gerät, das Wort Nihilismus zu erklären, kann man von nun an mit dem Finger auf Nolans Film zeigen.

Big Brother Batman
Hätte Nolan die gewohnte Comic-Tradition fortgesetzt, in der sich der Held mit einem Anti-Helden herumschlägt, der durchaus auf Augenhöhe agieren darf, wäre vermutlich ein bemerkenswertes, aber nicht sonderlich tiefsinniges Action-Spektakel entstanden.
Aber Nolan, der auch an dem Drehbuch gearbeitet hat, wollte offenbar mehr und so wurde in „The dark knight“ das handlungs- und deutungsrelevante Personal kräftig ausgeweitet. Die einfache Dialektik von Gut und Böse verwandelte Nolan in ein Sextett plus Frau. Neben Batman und Joker spielen der gute Cop Jim Gordan (Gary Oldman) ebenso eine wichtige Rolle wie der neue Strahlemann von Gotham City: der Staatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart), der mit legalen Mitteln neue Rekorde bei Jagd auf Verbrecher aufgestellt hat. Abgerundet wird das Ensemble wie gehabt durch Alfred Pennyworth (Michael Caine), den loyalen Diener Batmans, und Lucius Fox (Morgan Freeman), den Konstrukteur, der nun eher wie der Aufsichtsratsvorsitzende von Wayne Enterprises auftritt, dem industriellen Komplex des Milliardärs Bruce Wayne. Und die Frau? Rachel Dawes (nunmehr dargestellt von Maggie Gyllenhaal) ist die Frau an Dents Seite, aber auch die Frau, die Batman heimlich liebt, die aber in dieser Männergesellschaft nicht mehr ist als ein dramaturgisches Vehikel.

Die Beziehungen dieses Ensembles sind schnell beschrieben, wenn man erst einmal akzeptiert, dass Batman nichts anderes ist als ein Vigilant, der Recht und Gesetz als Richter und Henker selbst in die Hand nimmt und damit das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellt. Natürlich, weil er schnell, erfolgreich und effektiv ist. Vigilantismus hat in der amerikanischen Mythenbildung eine nicht selten affirmativ bewertete Tradition und ohne diese Vorbilder wäre die Comicfigur Batman nicht denkbar gewesen. Die heimliche Zusammenarbeit Batmans und Gordans, in die auch Dent widerwillig hineingezogen wird, spiegelt jenes archaische Rechtsverständnis wider, das den Mechanismen der Zivilgesellschaft nicht traut. Und ohne diese Tradition wäre auch eine Reihe von Filmen nicht denkbar gewesen, deren Geschichte durch „Death Wish“ und „The brave one“ abgesteckt wird. Widergespiegelt wird dies in "The dark knight" durch einen düsteren Realismus, der wenig an die Verspieltheit der Spiderman-Filme erinnert und dafür mehr mit dem Kosmos der Comicvorlage zu tun hat.

Und wohin führt das? Ist Batman also als rechtskonservativen Vigilant?
Es fällt schwer, diese Frage zu verneinen. Spätestens dann, als der Joker mit ausgeklügelten Terroraktionen für Panik in Gotham City sorgt, wird deutlich, dass Nolan dem Publikum zunächst eine 9-11-Allegorie als Deutungshäppchen anbietet.
Wie bekämpft man den Terror und wo sind die Grenzen, hinter denen sich das auflöst, was man eigentlich verteidigen will? Dies aus Nolans Film herauszulesen, fällt nicht sonderlich schwer, erst recht nicht, als Batman alias Bruce Wayne eine neue Technologie einsetzt, mit der alle Handys in Gotham City so vernetzt werden, dass Bildgebungsverfahren sofort den Standort jeder beliebigen Person sichtbar machen. Big Brother Batman is watching you – der Überwachungsstaat ist perfekt, vermutlich perfekter als es die Bush-Administration mit ihren zahlreichen Einschränkungen und Verstößen gegen die amerikanische Verfassung jemals hinbekommen wird.

Die Macht der Einflüsterer
Aber es geht um mehr als 9-11. Denn so wie Bush von den intellektuellen Kadern seiner Think Tanks mit griffigen Parolen ausgestattet wird, sind es in „The dark knight“ zwei Figuren, die inmitten des Heath-Ledger-Hypes von der Kritik kaum gewürdigt wurden: nämlich die beiden Mentoren Batmans, Pennyworth und Fox. Dabei kommt Fox als das liberale Gewissen Batmans keineswegs schlecht weg: er ist der einzige, der sich gegen Batmans totalitäre Attitüden wehrt. Nicht ohne Erfolg. Viel entscheidender ist allerdings Pennyworth, der wieder einmal grandios von Michael Caine interpretiert wird: man höre sich ruhig einmal etwas genauer die Allegorie an, die er Batman in einer Stunde des Zweifels anbietet. Sie handelt von einem Edelsteinräuber, der nach einem Raub in Burma untertauchte und nicht zu finden war. Erst als spielende Kinder mit faustgroßen Rubinen entdeckt wurden, wird den Verfolgern klar, dass der Ganove alles aus purem Spaß weggeworfen hatte. Als Wayne fragt: „Und dieser Mann in Burma? Haben Sie ihn bekommen?“, da antwortet Pennyworth: „O ja. Wir haben den Wald abgebrannt!“

Für mich einer der herausragenden Höhepunkte des Films - Batmans treuer Diener will seinem Herrn und Meister nicht nur verklickern, wie der anarchistische Joker tickt, sondern er macht auch etwas anderes klar: Besser fällt alles in Schutt und Asche, als dass das Prinzip der Anarchie mit seiner willkürlichen Umverteilung von Macht und Besitz den Sieg davonträgt. Und damit nicht alles in Schutt und Asche fällt, ist jedes Mittel recht, um das Gemeinwesen zu verteidigen. Ich denke, dass spätestens an dieser Stelle klar wird, wer der Chefideologe im Hause Wayne ist. Hinter der respektvollen Unterwürfigkeit Pennyworths verbirgt sich ein geschickter Manipulator, ein Einflüsterer, der sein fast schon depressives Mündel dazu bringt, wieder an den eigenen Mythos zu glauben. Und der hat doch einiges mit dem Führerkult (Batmans Vigilantismus ist kraft seines Willens der schwächelnden demokratischen Zivilordnung per se überlegen) und seiner rigorosen Ästhetisierung (Uniform, Symbole, Embleme) zu tun. Sollte man jemals in die Verlegenheit kommen, den Begriff Faschismus zu erklären, dann kann man mit dem Finger auf Nolans Interpretation der Batman-Figur zeigen, einem dunklen Ritter, der längst alle Grenzen überschritten hat.

Sehr viel hohles Gerede versteckt einen intelligenten Kern
Aus dieser deprimierenden Konstellation kann sich der Film nur durch ein kaum weniger düsteres Finale befreien. Christopher Nolan schafft dies, in dem er die Figur des sauberen und unbestechlichen Staatsanwalts Harvey Dent korrumpiert: als Rachel vom Joker getötet wird, verwandelt sich Dent nach einem Gespräch mit dem Joker (der es Dent sogar anbietet ihn zu töten) sehr comic-haft in „Two Face“, einen zynischen Rächer, der eine Münze entscheiden lässt, wer leben darf und werden sterben muss. Das ist durchaus sehr witzig, denn die Münze hat nicht nur identische Seiten, sondern muss auch für das Chaosprinzip des Zufalls herhalten, das Dent von nun an seinen Opfern verkündet. Doch nichts ist Zufall, allein Dent entscheidet. Schließlich hat er vom Joker gelernt, dass es keine Regeln gibt, auch nicht die des Zufalls.

Als Dent während seines Rachefeldzugs von Batman getötet wird, übernimmt er die Verantwortung für Dents Taten, damit dieser als idealistischer Mythos in der Geschichte von Gotham City weiterleben kann. Mit Batmans ohnehin schon angekratzten Heldenrolle ist es endgültig vorbei, von nun an ist er es, den man jagen wird. Diese Szene ist beileibe nicht die einzige Stelle, in der Nolan ein prominentes Vorbild zitiert: Im Finale von „The dark knight“ handelt es sich um eine Umdeutung von John Fords „The man who shot Liberty Valance“. Wir erinnern uns: In Fords Western darf die Wahrheit hinter der Legende nicht gesagt werden, nämlich dass der von John Wayne gespielte Vigilant den Bösewicht erschießt und nicht der aufrechte Verfechter des Rechts (James Stewart). Der Mythos muss überleben, damit das Gemeinwesen seine zivilen Werte aneignen und bewahren kann.
In „The dark knight“ sieht man das genaue Gegenteil: zwar wird wie bei Ford die Wahrheit hinter dem Mythos verschwiegen, damit Gotham City weiterleben kann, aber der Unterschied besteht darin, dass der Stewart-Charakter tatsächlich integer ist, während in Nolans Variante der edle Held längst die Seiten gewechselt hat. Eine pessimistische Verdrehung, die das Filmende keineswegs so strahlend erscheinen lässt, wie es einige Kritiker meinten. Und wenn dem so ist, dann hat auch der Joker letztendlich sein Spiel gewonnen.

Schade ist nur, dass Nolan der Fähigkeit des Publikums nicht zugetraut hat, den komplexen Mechanismen seiner Geschichte in differenzierteren Dialogen nachzuspüren. Über weite Strecken muss man sich über recht pathetisches Geschwafel ärgern, das zwar den Sprechblasen eines Comics entspricht, aber in Wirklichkeit ein Sedativum darstellt, mit dem das Publikum in Schach gehalten wird. Besonders Batman (von Christian Bale eher maskenhaft und kühl dargestellt) wirkt mit seinen pathetischen Rhetorikblasen wie ein Sprechpuppe, die offenbar Mühe hat, an das zu glauben, was sie von sich gibt. Eine eher oberflächliche Wahrnehmung der Batman-Figur wird dies als Heldenpathos konsumieren.

Nolan hat den Kern der Geschichte so clever hinter Comic-Phrasen versteckt, dass die schillernde Mehrdeutigkeit seines Films versteckt bleibt. Sicher ein Garant für den gewaltigen Kassenerfolg. Auch die vordergründigen Allegorien des Films sind nicht sonderlich originell, zum Beispiel die Erkenntnis, dass man den Terror nicht besiegen kann, wenn man ein Teil von ihm wird, besonders dann, wenn man nicht wirklich erzählen kann, wie die Alternative aussieht.
Einen trügerischen Versuch unternimmt Nolan in der Boot-Sequenz (der Joker hat auf zwei Dampfern Sprengstoff versteckt und den Passagieren - ein Boot ist voller Schwerverbrecher - jeweils eine Zünder überlassen: überleben kann nur der, der zuerst abdrückt). Niemand drückt den Knopf und alle überleben: Zivilcourage scheint möglich zu sein. Allerdings wissen die Verschonten nicht, dass nicht ihr moralisches Handeln sie gerettet hat, sondern lediglich ein Zufall. Es war Batman, der den Joker daran gehindert hat, beide Boote in die Luft zu jagen. Auch der versöhnenden Boot-Parabel kann man nicht so recht trauen.

„The dark knight“ ist so gesehen ein recht ambivalenter Film. Die intelligente Konstruktion, die sich hinter dem in der Tat meisterhaften Actionspektakel verbirgt, wird allerdings nicht ganz ausgereizt. Ich sehe in dem Film einen pessimistischen Fingerzeig: so wie "Two-Face" mit einer Münze spielt, die nur ein Fake ist, zeigt Nolan, dass Batmans prä-faschistischer Gesellschaftsentwurf sich im Kern nicht vom nihilistischen Konzept des Jokers unterscheidet. Wie gesagt: die Medaille hat eine Kehrseite und die sieht immer gleich aus.

Vielleicht ist alles auch nur eine listige Provokation. Beunruhigend ist allerdings, dass der Joker in einigen Kinos lautstark angefeuert wurde. Vielleicht ahnte das Publikum, dass der Joker hinter seiner Maskerade als einziger authentisch wirkt, weil er ist, was er ist: der Überdruss an der Bürgerlichkeit und die negative Kraft, die lustvoll alles Zivilisatorische zerstören will, weil sie nicht an ihm teilhaben kann und will. Auch Batmans Versuch, das Gemeinwesen zu retten, endet im Chaos oder zumindest in der Zerstörung der zivilen Werte. Wer diesen Abgrund in Nolans Film nicht sehen will, soll sich noch einmal die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts genauer anschauen.

Noten: Melonie = 2, Mr. Mendez (der das Geschwafel nicht ertrug) = 3, BigDoc = 1,5, Klawer = 2,5.