Freitag, 10. Mai 2013

Star Trek – Into Darkness

Titel: Star Trek Into Darkness · USA 2013 · Laufzeit: 129 Minuten · FSK: ab 12 Jahren · Regie: J.J. Abrams · Drehbuch: Roberto Orcil, Alex Kurtzman, Damon Lindelof · Darsteller: Zachary Quinto, Chris Pine, Benedict Cumberbatch, Alice Eve, Zoë Saldana, Karl Urban, Simon Pegg, Anton Yelchin, John Cho, Peter Weller.

Innerhalb weniger Tage zwei Hi-Speed-Blockbuster in 3D zu konsumieren, das ist quasi ein medialer Einlauf. Nach Iron Man 3 buhlt nun das Star Trek-Franchise mit Star Trek – Into Darkness um die Gunst der Zuschauer, meine konnte der Film nur teilweise gewinnen: das neue Spin-off von J.J. Abrams ist Überwältigungskino à la carte und nur noch locker mit dem Roddenberry-Universum verbunden.


Der Trick mit der Zeitlinie

Ein Einlauf soll eigentlich eine reinigende Wirkung haben. J.J. Abrams Fortsetzung des Prequels Star Trek (2009) löst leider eine audio-visuelle Verstopfung aus, der man am besten mit alten, völlig entschleunigten Filmen entgegentritt. Trekkies können dies am besten mit einer TNG-Episode erledigen – trotzdem ist der zweite Teil des Star Trek-Prequels kein misslungener Film. 

Kritik an Star Trek-Blockbustern ist natürlich vorhersehbar, sie hatte es nicht nur vor vier Jahren gegeben, sondern auch bei den älteren Kinoformaten, besonders bei jenen, die zuletzt ziemlich kläglich an der Kasse floppten. Die üblichen Verdächtigen sind Verstöße gegen das etablierte Design der Original Series (TOS), falsche Uniformen und unpassende Masken, zu modernes Set-Design, Brüche der Zeitlinie und Logikanomalien. 
Dabei hatte J.J. Abrams mit seiner nervigen Neigung zu temporalen Paradoxien, Zeitreisen und Paralleluniversen bereits mit dem ersten Prequel eine völlig neue Zeitlinie kreiert – dies wird Hardcore-Trekkies auch bekannt sein, während 2009 der Kritiker der WELT - wie viele andere auch - nichts davon mitbekommen hatte und ratlos fragte, wo denn Kirks Vater geblieben sei (1). 
Die einzige Person aus dem vertrauten Roddenberry-Universum war 2009 der originale Mr. Spock (Leonard Nimoy) und das ist er auch geblieben, denn er taucht erneut in Into Darkness auf. 
Alles wurde also von J.J. Abrams also auf Null gesetzt. Was viele Trekkies verärgerte, gab den Machern den Freibrief, alte mit neuen Geschichten zu mixen, ohne sich in der komplett neuen Zeitlinie tiefschürfende Gedanken über die Integrität des Star Trek-Universums Gedanken machen zu müssen. 

Wer mit „The Original Series“ (TOS), James T. Kirk, Mr. Spock und „Pille“ groß geworden ist, wird sich daher nicht nur über die Beziehungskrise von Mr. Spock und seiner Herzensdame Uhura wundern, bsondern auch darüber, dass die beiden ihren Stress während einer lebensgefährlichen Aktion ausdiskutieren und Spock sich sogar die Zeit nimmt, zu erörtern, warum Emotionslosigkeit auch ihr Gegenteil bedeuten kann. Das hätte der ‚richtige’ Mr. Spock nie getan – aber gut, wir sind ja in einer neuer Zeitlinie.


Weniger Dialoge, mehr Sci-Fi-Action

Into Darkness ist unterm Strich betrachtet keineswegs der bessere Film: er erzählt seine Geschichte zwar härter und erwachsener als das 2009er-Prequel, ist dafür aber deutlich humorloser und spielt ohne übertriebene Ironie, dafür aber ein wenig lustlos mit einigen Gimmicks wie den guten alten Tribbles oder der geheimnisvollen Sektion 31 herum. Andere Zitate und Querverweise wie zum Beispiel der berühmt-berüchtigte Kobayashi Maru-Test und seine Bedeutung für den Kirk-Charakter und dessen Interpretation von No-Win-Scenarios deuten dagegen an, dass man sich doch den einen oder anderen Gedanken gemacht hat. Viel geredet wird darüber nicht, denn Abrams und sein Drehbuchteam haben die Dialoge gestrafft und damit den Film noch stärker in Richtung Sci-Fi-Action entwickelt.
Dafür bietet Into Darkness spektakuläre Bilder und Effekte. Das große Finale legt Los Angeles eindrucksvoller in Schutt und Asche als dies die Aliens in „The Avengers“ mit N.Y. tun und auch die 3 D-Dramaturgie passt sich der Story gut an. Einige Szenen draußen im Weltall hat man selten imposanter gesehen und den interessanteren und damit besseren Schurken hat Into Darkness auch, obwohl dessen Back-Story nonchalant gestrichen wurde. Aber trotz des atemlosen Tempos wird die Geschichte ziemlich straight und effektiv erzählt. Zeit für Dialoge hat man derzeit ohnehin nur im Quality TV und so ist es Abrams anzurechnen, dass er die vertrauten Figuren nicht völlig einem Rummelplatz-Event geopfert hat und ihnen zumindest ansatzweise eine Entwicklung zugesteht.

Dass man am Ende dennoch das Gefühl hat, dass Into Darkness etwas seelenlos wirkt, hat mehr mit den zwanghaften Spielregeln des aktuellen Blockbuster-Kinos zu tun. Die großen Vorbilder werden weitgehend von der klassische Spannungsdramaturgie und Dialogfreudigkeit entkernt und durch ein Dauerbombardement von grandiosen Kulissen, außergewöhnlichen Effekten und einem bombastischen Soundtrack ersetzt. Ein Erzählrhythmus entsteht so nicht. Fans ist daher zu raten, nach dem Kinobesuch noch einmal das 2009er-Sequel anzuschauen, das fast schon wie ein entschleunigter Film aus dem vergangenen Jahrhundert wirkt. Mit anderen Worten: Into Darkness löst im weiteren Verlauf fast schon eine eine mittelschwere Amnesie aus und hinterher fragt man sich, was man eigentlich gesehen hat. Die Zeiten, in denen ein Captain Picard mit einer Tasse Tee schweigend ins endlose All schaut und nachdenkt, nun, die sind vorbei.
 

Into Darkness spart sich daher fast folgerichtig eine ruhige Exposition und wirft seine Helden in einen Prolog, der in einer der klassischen TV-Serien für eine 90-minütige Doppelfolge gereicht hätte – heute erledigt man das in fünf Minuten: eine irrwitzige Verfolgungsjagd durch einen roten 3 D-Wald, der wie das Resultat eines LSD-Trips aussieht, ist der Auftakt einer Rettungsaktion, mit der Kirk (Chris Pine) und sein Crew versuchen, einen Vulkanausbruch zu verhindern, der zur Vernichtung einer steinzeitlichen Zivilisation führen würde. Spock (Zachary Quinto) sitzt dabei buchstäblich auf heißen Kohlen und kann nur durch einen Verstoß gegen die 1. Direktive in letzter Sekunde gerettet werden. Kirks Regelverstoß wird dank Spocks zwanghafter Ehrlichkeit aufgedeckt und Kirk wird von seinem Mentor Admiral Christopher Pike (Bruce Greenwood) in die zweite Reihe versetzt: wieder einmal verliert er sein Kommando.
Indessen kommt es auf der Erde zu einem Terroranschlag auf eine getarnte Einrichtung der Sektion 31 (die Geheimorganisation, die völlig außerhalb des Starfleet-Ethikcodex operiert, spielt sowohl in Star Trek: Deep Space Nine als auch in Star Trek: Enterprise eine wichtige Rolle). Nur Kirk erkennt während einer anschließenden Sicherheitskonferenz, dass eben jene Konferenz das eigentliche Ziel des Attentäters ist, kann aber den Anschlag nicht verhindern. Pike kommt ums Leben und Kirk erhält das Kommando über die Enterprise zurück. Im Auftrag von Admiral Marcus (Peter Weller) soll er den identifizierten Terroristen John Harrison (Benedict Cumberbatch) auf dem klingonischen Planeten Kronos ohne weiteres Federlesen liquidieren. 

Natürlich kommt alles anders, als Kirk erfährt, dass Harrison kein anderer ist als der genetisch manipulierte Superkrieger Khan (TOS-Episode Space Seed, 1967, und Kinofilm Star Trek II: The Wrath of Khan, 1982), und so entwickelt sich Into Darkness tatsächlich zu einer Reise in die Finsternis, in der ein kriegslüsterner Starfleet-Admiral genauso rücksichtslos seine  martialischen Pläne verfolgt wie der physisch und intellektuell omnipotente Khan.
Dass nebenbei die fragile Beziehung zwischen Kirk und Spock sich dann zu der längst fälligen Freundschaft entwickelt, verdankt sich auf dem emotionalen Höhepunkt der Story der Neuauflage einer Schlüsselszene aus Star Trek II: The Wrath of Khan. Allerdings ist es nun Kirk, der beim Versuch, den Warp-Kern zu retten, radioaktiv verstrahlt wird. Das hat was, doch zu diesem Zeitpunkt ist Into Darkness längst im prä-faschistoiden Starship Troopers-Universum angelangt. Mit Roddenberrys kohärenter Starfleet-Philosophie hat das nur noch wenig zu tun: Vertreter der zivilen Regierung bekommt man nicht zu Gesicht, die Erde scheint dagegen von militärischen Hardlinern kontrolliert zu werden, die alle politischen Probleme unter sich ausmachen. Und wenn sich die Starfleet-Angehörigen am Ende zusammenfinden, um dem Policy Paper des neuen alten Captain Kirk zuzuhören, dann sehen die Abertausende in ihrem Einheitsgrau auf erschreckende Weise wie eine moderne Version der deutschen Wehrmacht aus.


Brauchen wir Star Trek noch?

Derartige Vorbehalte tragen nicht ganz zu Unrecht nostalgisch-konservative Züge. Aber wer J.J. Abrams erstes Spin-Off gesehen hat, dürfte nicht davon überrascht sein, dass Into the Darkness außer den bekannten Figuren, der berühmten 1. Direktive und einigen selbst-referentiellen Verspieltheiten diesmal noch weniger mit dem Roddenberry-Universum zu tun hat als sein Vorgänger.

Das spiegelt sich auch beim Cast wider. Chris Pine als James T. „Jim“ Kirk ist eine Fehlbesetzung, die den eloquenten Charme, die Fähigkeit zur Ironie und die kühle Entschlusskraft William Shatners (die man ohnehin in der Originalfassung richtig mitbekommt) nicht einmal im Ansatz erkennen lässt. Pines Version ist narzisstisch und aufgrund der latenten Cholerik und Arroganz ärgerlich. Kein Wunder, dass Pine nicht nur von der exzellenten Spock-Interpretation Zacharay Quintos, sondern auch von einer Reihe anderer Charaktere (z.B. Karl Urban als Dr. Leonard „Bones/Pille“ McCoy) locker an die Wand gespielt wird.

Aber stimmen denn die alten Mythen überhaupt und brauchen wir sie noch (2)? 
Wer sich ohne kritisches Hinsehen auf die Strahlkraft einer der wichtigsten populär-mythologischen Mythen des 20. Jh. verlässt und in alten Erinnerungen schwelgt, macht unter Umständen aus dem Mythos eine faule Legende. Ich habe TOS als Jugendlicher kennengelernt und hatte anschließend kein Verständnis dafür, dass nach so einer grandiosen Space Opera so etwas wie The Next Generation überhaupt über den Bildschirm laufen durfte. Den Irrtum habe ich schnell korrigiert.
Aber ganz ehrlich: TOS war schon damals ziemlich queer, man hat es nur nicht gemerkt, weil es keine ernsthafte Konkurrenz im TV gab. Und wer sich heute TOS noch einmal in der edlen Bluray-Edition anschaut und sich dabei an die matten Farben und matschigen Bilder von früher erinnert, die überwiegend im Kinderprogramm der deutschen Fernsehanstalten zu sehen waren, wird über den originalen Bonbon-Farben-Look von TOS genauso entsetzt sein wie über die zahllosen schlechten Scripts und kitschigen Storys, aus denen nur wenige Highlights herausragten und die Zeiten überdauerten. Also bitte keine Nostalgie aus falsch verstandener Wehmut: erwachsen wurden das Roddenberry-Universum erst mit The Next Generation (TNG), Captain Picard, Data, Whorf und all den anderen.

Das wird jüngeren Kinogängern herzlich egal sein, wenn sie wie erhofft völlig zugedröhnt das Kino verlassen. Alle anderen, die aus gutem Grund die Star Trek-Mythologie und ihren zivilisierten Humanismus mitsamt seiner liebenswerten Charaktere als lebensgeschichtlich bedeutsame Erfahrung abgespeichert haben, werden nun trotz der grandiosen Bilder ein wenig das Frösteln bekommen. Nostalgiker können mehr vom alten Spirit in den Old School-Fanprojekten (3) zurückerhalten, die genau das leisten, was Peter Mühlbauer vor einigen Jahren über Star Trek zu Recht feststellte:  „... (es) war keinesfalls in erster Linie eine Actionserie, sondern ein Diskutieren philosophischer Fragen im optisch angenehmen Ambiente“ (4).
Nostalgiker sind daher bei alten DVDs oder den neuen Bluray-Editionen besser aufgehoben. 
Wer die Sache nicht ganz so bierernst nimmt, darf sich dagegen Into Darkness guten Gewissens anschauen - und etwas ablästern. Für mich steht fest: Egal, ob TOS, TNG oder DS 9 - die besten TV-Episoden waren immer großes Kino, die wenigsten Kinoableger waren es und Into Darkness ist es auch nicht. Ein völliger Flop ist der Film allerdings nicht.

Am Ende bricht die Crew dann zu ihrer fünfjährigen Mission in die Weiten des Weltalls auf. Wenn dann das vertraute Main Theme erklingt, hat man doch ein wenig das Gefühl, dass die Sache vielleicht noch gut wird. Beam me up, Scotty!

Noten: BigDoc, Klawer = 3

(1) „Tatsächlich ist der Plot so unübersichtlich wie sonst nur das Universum. Es geht um eine Supernova, schwarze Löcher und einen überspannten romulanischen Weltraumrächer, der sich offenbar in der Zeit verfahren hat. In einem verblüffend kompliziert gestalteten Raumschiff, das aussieht wie eine Mischung aus einer Stahlqualle und einem besorgniserregend misslungenen Versuch beim Bleigießen, rast er durch die Galaxien, um Spock zu finden. Ab und zu macht er dann mit seinem Raumschiff halt und bohrt mit einem Riesenbohrer Löcher in Planeten (...) Natürlich macht das alles überhaupt keinen Sinn. Wenn der Film tatsächlich die Anfänge der "Enterprise"-Geschichte erzählt, dann ist so manches, was danach folgt, dummerweise falsch. Hat Kirk in der Serie nicht des Öfteren von seinem Vater erzählt, den er laut Film eigentlich gar nicht kannte?“
Harald Peters, in: Der elfte „Star Trek“-Film ist völlig unlogisch, Die WELT, 6.5.2009, http://www.welt.de/kultur/article3673426/Der-elfte-Star-Trek-Film-ist-voellig-unlogisch.html

(2) Myra Çakan, in: Wo sind die tolldreisten Helden in den schnellfliegenden Raumschiffen?, Telepolis 1.5.2013, http://www.heise.de/tp/druck/mb/artikel/38/38996/1.html

(3) http://www.startrekphase2.de/de/home.html. Altstars wie Walter Koenig treiben sich in derartigen Fanfilmprojekten herum, die ihre Sache ziemlich gut machen.

(4) Peter Mühlbauer, in: „Erdbeeren mit Curry-Ketchup“, Telepolis 4.5.2009, http://www.heise.de/tp/artikel/30/30240/1.html

Mittwoch, 8. Mai 2013

Iron Man 3

Originaltitel: Iron Man 3, USA 2013; R.: Shane Black, Buch: Drew Pearce, Shane Black, Laufzeit: 130 Minuten, D: Robert Downey, Jr. Gwyneth Paltrow, Don Cheadle, Guy Pearce, Rebecca Hall, Ben Kingsley

Lange musste man nicht auf Iron Man warten: nach dem weltweiten Start am 24. April spielte der 200 Mio. $ teure Film innerhalb einer Woche satte 300 Mio. ein. Nun ist der dritte Teil auch in den deutschen Kinos – und zum ersten Mal gibt es einen der erfolgreichsten Helden des Marvel-Universums auch in 3 D zu sehen.
„Iron Man 3“ ist ein Sequel und ein Unterhaltungsartikel. Die Herstellung derartiger Produkte gelingt der US-Filmindustrie in der Regel recht gut. Auch oder wegen gelegentlicher Flops spielt man auf der Klaviatur des Blockbusters ziemlich gut: große Budgets und massiver Werbeeinsatz fahren große Renditen ein, da dürfen die künstlerisch Verantwortlichen nicht viel falsch machen. Zum Glück liegen die Rezepturen vor: Publikumserwartungen werden mit kleinen oder großen Widerhaken garniert, ohne die Essenz der Figur zu gefährden, ein Schuss Ironie und gelegentliche politische Seitenhiebe gehören zur Marke Iron Man ohnehin dazu, aber am Ende entscheidet im Zeitalter der totalen digitalen Machbarkeit die CGI-Abteilung darüber, was an der Kasse passiert. Deswegen war schon vor dem Kinobesuch zu vermuten, dass den Zuschauer in „Iron Man 3“ keine ausgelutschten 08-15-Plots erwarten, dafür aber jede Menge visueller Highlights.
„Iron Man 3“ kriegt das gut hin. Der Film macht anfänglich sogar richtig viel Spaß. Die Frage war ja: Wie erzählt man die Geschichte einer Marvel-Figur weiter, die bereits im ultimativen Mega-Event „The Avengers“ die Klimax erreicht hat? Iron Man rettet dort am Ende die Welt im Alleingang und die anderen Superhelden erledigen derweil auf den Straßen New Yorks die Aufräumarbeiten.
 

Schlaflos im Kampfanzug

Geht denn mehr?
Natürlich. Dazu macht man das, was die großen Erzähler immer gerne gemacht haben: man demontiert einfach den Helden, stürzt ihn in eine seelische Krise und lässt ihn tief genug fallen, damit er einige Normalos kennenlernt, die ihm auf die Beine helfen – und dann darf er es (geläutert oder nicht) wieder krachen lassen, denn das Böse ruht bekanntlich nicht.
Gesagt, getan: Gleich am Anfang tritt
Iron Man 3“ mit einer Überraschung an - Tony Stark aka Iron Man (Robert Downey Jr.) hat eine Posttraumatische Belastungsstörung!
Das Finale von „The Avengers“ hat ihm doch wohl zu heftig zugesetzt und nun quälen ihn Schlaflosigkeit und Panikattacken, was aber nicht bedeutet, dass jemand wie er zum Seelenklempner geht. Stattdessen baut er zwanghaft einen Kampfanzug nach dem anderen, unterhält sich mehr mit seinem AI-System J.A.R.V.I.S als mit seiner Freundin Pepper (Gwyneth Paltrow) und verbindet sich mit seinen Suits dank implantierter Bio-Chips, was nicht nur eine komplette Fernsteuerung erlaubt, sondern auch eine Reihe durchaus witziger Mutmaßungen: Ist er nun drin oder nicht? Allein Buddy J.A.R.V.I.S weiß es.
 

Natürlich wirkt Starks depravierte Seelenpein besser, wenn man den Helden aus dem Off seine Geschichte erzählen lässt – ein vorzüglicher Gedanke, denn so kann man natürlich noch mehr Starksche Pointen an den Mann bringen. Den Framing Device gibt’s gleich doppelt, denn nicht nur die Hauptstory wird als Rückblende erzählt, sondern auch die Vorschichte. Diese führt ins Jahr 1999 nach Bern. Tony Stark baggert gerade eine Biologin an, als ihn der ausgesprochen peinliche Auftritt des Nerds Aldrich Killian (Guy Pearce) so stark nervt, dass er sich dessen Geschäftsvorschlag erst gar nicht anhört, sondern den skurrilen Sonderling auf dem windigen Hoteldach vergeblich warten lässt. So etwas rächt sich im Leben.
Jahre später sorgt ein Terrorist namens The Mandarin (Ben Kingsley grandios als durchgeknallter Reboot von Dr. Fu Man Chu) für Angst und Schrecken, aber nicht nur wegen seiner brutalen Anschlägen und der Fähigkeit, das nationale TV-Netz zu kapern, sondern auch durch eine Serie von Werbespots, die allemal zeigen, dass man mit dem richtigen Effektgewitter auch den Terror ästhetisieren kann, ohne dabei auf Riefenstahl-Pathos verfallen zu müssen.
Selbstverständlich taucht auch der zum GEO mutierte Killian wieder auf, der mit Hilfe der zunächst undurchsichtigen Biologin Maya Hansen (Rebecca Hall) eine schreckliche Waffe entwickelt hat: das Extremis-Projekt. Das von Maya entwickelte Virus zur Regeneration schwerster Verletzungen entpuppt sich als perfektes Mittel zur Manipulation des menschlichen Genoms – mit der Folge, dass man sich so ziemlich alles zusammenbauen kann, was sich ein Comicschurke gerne einfallen lässt, um die Weltherrschaft zu erlangen. Zum Beispiel eine schier unverwüstliche Zombie-Armee, deren Mitglieder allerdings nicht völlig grenz-debil sind, sondern im wahrsten Sinne des Wortes mit ‚Feuer und Flamme‘ bei der Sache sind.
Mitten in der Krise muss Tony Stark erleben, dass ihm sein alter Kumpel Colonel James Rhodes (Don Cheadle) nicht nur mit einem eigenen Anzug als War Machine Konkurrenz macht, sondern sich PR-tauglich auch zum Iron Patriot umtaufen lässt, damit die kriegsmüden Amerikaner nicht zu viel Martialisches verdauen müssen. So viel Euphemismus treibt Stark endgültig in die Depression.
Da passt es gut, dass der Mandarin Starks Domizil in Schutt und Asche bombt und Iron Man sich irgendwo in Tennessee inmitten der Reste seines demolierten Anzugs wiederfindet. Gut deshalb, weil nun der passende Sidekick auftauchen kann: ein technik-affiner Zwölfjähriger namens Harley (!), dem es nicht nur gelingt, Stark bei den erforderlichen Reparaturen zu helfen, sondern es auch schafft, das geschundene PTS-Opfer wieder einigermaßen aufzumöbeln.
 

Überwiegend witzig, bis auf das Ende

Zugegeben: das wird über weite Strecken witzig erzählt, kleine Boshaftigkeiten zur aktuellen politischen Lage eingeschlossen. Leider hat „Iron Man 3“ seine Klimax weit vor dem Filmende, denn ganz trauten die Macher ihrer Storyline dann doch nicht. Am Ende wartet eine doch recht seelenlose Materialschlacht auf den Zuschauer, in der unzählige Kampfanzüge durch die Luft sausen, um unzähligen Zombies den Garaus zu bereiten. Die Kids dürften begeistert sein, aber leider sieht das dann doch aus wie: Höher, schneller, mehr, und dass Tony Stark am Ende zu einer rigorosen Methode greift, um seine erfolgte Katharsis zu demonstrieren, glaubt man ihm beim besten Willen nicht. Der Mann ist unverbesserlich.
Wirklich nervig ist aber eine vertane Chance: Endlich wird Pepper, der sonst dezent im Hintergrund agierenden und vieltalentierten Frau, etwas mehr Handlung gegeben und schon ist alles wieder vorbei. Pepper wird nämlich im Laufe der wilden Auseinandersetzungen mit Extremis infiziert, was sie zu einer Mega-Heldin mutieren lässt, deren fast unbegrenzte Kräfte selbst den Hulk nachdenklich machen würden, aber dann entschieden die Macher, dass Tony seine Liebste von dem Teufelszeug befreit und sich auch endlich die Herzsplitter wegoperieren lässt. Letzteres ist o.K., aber das Downsizing von Gwyneth Paltrow schockierte mich dann doch – politisch korrekte Genderfilme sehen anders aus, Freunde!
 

Fazit: Angesichts des Hypes war nach „The Avengers“ ein Reboot nötig. Das ist trotz einiger Halbherzigkeiten insgesamt gelungen. „Iron Man 3“ ist ein gelungener Spaßfilm, dessen 3 D-Umsetzung zudem rundum überzeugt, weil sie sich angenehm zurückhält, im richtigen Moment aber wirklich gute Kinomomente herbeizaubert.
Wer nun meint, in diesem Film tiefer schürfen zu müssen, unterliegt aber einem Irrtum, auch wenn die herumfliegenden Anzüge aussehen wie ein Werbeclip für jene Drohnen, die man sich auch hierzulande gerne zulegen möchte.
Die Hypothese, „Iron Man 3“ sei ein ideologiekritischer Reflex auf die Verletzlichkeit der amerikanischen Nation oder gar ein kritischer Kommentar zu den Entgleisungen der Anti-Terror-Strategie, der macht gleich zwei Fehler: Hollywood lässt zwar liberale Seitenhiebe gelten, aber im Blockbusterkino geschieht dies nur selten und so richtig hingekriegt hat dies nur Christopher Nolan. Und zweitens sind derartige Interpretationen eines industriellen Unterhaltungsartikels häufig nur Projektionen des eigenen Kultur- und Geschichtsverständnisses, das gerne möchte, dass Filme jenseits der Intentionen ihrer Macher und der ökonomischen Interessen etwas besitzen, was sich den gemeinen Geschäftszielen eines Blockbusters entgegenstellt.
In „Iron Man 3“ lässt sich lediglich erkennen, dass die Re-Organisation des Narrativs das primäre Ziel gewesen ist. Die intelligente Modifikation einiger Plot-Elemente kombiniert mit dem unschlagbaren Downey-Charme ist aber insgesamt so gut gelungen, dass man auf den nächsten Teil neugierig ist. Den wird es aber vermutlich nicht geben, denn Robert Downey Jr. steht für weitere Stand-Alone-Filme angeblich nicht mehr zur Verfügung. Und das heißt: Iron Man will be back soon – aber nur noch in „The Avengers“, Teil 2 und 3. Und das bedeutet: zwei Jahre warten.
Vielleicht durfte Pepper auch deswegen keine Superheldin werden …


Noten: BigDoc = 3