Freitag, 10. Mai 2013

Star Trek – Into Darkness

Titel: Star Trek Into Darkness · USA 2013 · Laufzeit: 129 Minuten · FSK: ab 12 Jahren · Regie: J.J. Abrams · Drehbuch: Roberto Orcil, Alex Kurtzman, Damon Lindelof · Darsteller: Zachary Quinto, Chris Pine, Benedict Cumberbatch, Alice Eve, Zoë Saldana, Karl Urban, Simon Pegg, Anton Yelchin, John Cho, Peter Weller.

Innerhalb weniger Tage zwei Hi-Speed-Blockbuster in 3D zu konsumieren, das ist quasi ein medialer Einlauf. Nach Iron Man 3 buhlt nun das Star Trek-Franchise mit Star Trek – Into Darkness um die Gunst der Zuschauer, meine konnte der Film nur teilweise gewinnen: das neue Spin-off von J.J. Abrams ist Überwältigungskino à la carte und nur noch locker mit dem Roddenberry-Universum verbunden.


Der Trick mit der Zeitlinie

Ein Einlauf soll eigentlich eine reinigende Wirkung haben. J.J. Abrams Fortsetzung des Prequels Star Trek (2009) löst leider eine audio-visuelle Verstopfung aus, der man am besten mit alten, völlig entschleunigten Filmen entgegentritt. Trekkies können dies am besten mit einer TNG-Episode erledigen – trotzdem ist der zweite Teil des Star Trek-Prequels kein misslungener Film. 

Kritik an Star Trek-Blockbustern ist natürlich vorhersehbar, sie hatte es nicht nur vor vier Jahren gegeben, sondern auch bei den älteren Kinoformaten, besonders bei jenen, die zuletzt ziemlich kläglich an der Kasse floppten. Die üblichen Verdächtigen sind Verstöße gegen das etablierte Design der Original Series (TOS), falsche Uniformen und unpassende Masken, zu modernes Set-Design, Brüche der Zeitlinie und Logikanomalien. 
Dabei hatte J.J. Abrams mit seiner nervigen Neigung zu temporalen Paradoxien, Zeitreisen und Paralleluniversen bereits mit dem ersten Prequel eine völlig neue Zeitlinie kreiert – dies wird Hardcore-Trekkies auch bekannt sein, während 2009 der Kritiker der WELT - wie viele andere auch - nichts davon mitbekommen hatte und ratlos fragte, wo denn Kirks Vater geblieben sei (1). 
Die einzige Person aus dem vertrauten Roddenberry-Universum war 2009 der originale Mr. Spock (Leonard Nimoy) und das ist er auch geblieben, denn er taucht erneut in Into Darkness auf. 
Alles wurde also von J.J. Abrams also auf Null gesetzt. Was viele Trekkies verärgerte, gab den Machern den Freibrief, alte mit neuen Geschichten zu mixen, ohne sich in der komplett neuen Zeitlinie tiefschürfende Gedanken über die Integrität des Star Trek-Universums Gedanken machen zu müssen. 

Wer mit „The Original Series“ (TOS), James T. Kirk, Mr. Spock und „Pille“ groß geworden ist, wird sich daher nicht nur über die Beziehungskrise von Mr. Spock und seiner Herzensdame Uhura wundern, bsondern auch darüber, dass die beiden ihren Stress während einer lebensgefährlichen Aktion ausdiskutieren und Spock sich sogar die Zeit nimmt, zu erörtern, warum Emotionslosigkeit auch ihr Gegenteil bedeuten kann. Das hätte der ‚richtige’ Mr. Spock nie getan – aber gut, wir sind ja in einer neuer Zeitlinie.


Weniger Dialoge, mehr Sci-Fi-Action

Into Darkness ist unterm Strich betrachtet keineswegs der bessere Film: er erzählt seine Geschichte zwar härter und erwachsener als das 2009er-Prequel, ist dafür aber deutlich humorloser und spielt ohne übertriebene Ironie, dafür aber ein wenig lustlos mit einigen Gimmicks wie den guten alten Tribbles oder der geheimnisvollen Sektion 31 herum. Andere Zitate und Querverweise wie zum Beispiel der berühmt-berüchtigte Kobayashi Maru-Test und seine Bedeutung für den Kirk-Charakter und dessen Interpretation von No-Win-Scenarios deuten dagegen an, dass man sich doch den einen oder anderen Gedanken gemacht hat. Viel geredet wird darüber nicht, denn Abrams und sein Drehbuchteam haben die Dialoge gestrafft und damit den Film noch stärker in Richtung Sci-Fi-Action entwickelt.
Dafür bietet Into Darkness spektakuläre Bilder und Effekte. Das große Finale legt Los Angeles eindrucksvoller in Schutt und Asche als dies die Aliens in „The Avengers“ mit N.Y. tun und auch die 3 D-Dramaturgie passt sich der Story gut an. Einige Szenen draußen im Weltall hat man selten imposanter gesehen und den interessanteren und damit besseren Schurken hat Into Darkness auch, obwohl dessen Back-Story nonchalant gestrichen wurde. Aber trotz des atemlosen Tempos wird die Geschichte ziemlich straight und effektiv erzählt. Zeit für Dialoge hat man derzeit ohnehin nur im Quality TV und so ist es Abrams anzurechnen, dass er die vertrauten Figuren nicht völlig einem Rummelplatz-Event geopfert hat und ihnen zumindest ansatzweise eine Entwicklung zugesteht.

Dass man am Ende dennoch das Gefühl hat, dass Into Darkness etwas seelenlos wirkt, hat mehr mit den zwanghaften Spielregeln des aktuellen Blockbuster-Kinos zu tun. Die großen Vorbilder werden weitgehend von der klassische Spannungsdramaturgie und Dialogfreudigkeit entkernt und durch ein Dauerbombardement von grandiosen Kulissen, außergewöhnlichen Effekten und einem bombastischen Soundtrack ersetzt. Ein Erzählrhythmus entsteht so nicht. Fans ist daher zu raten, nach dem Kinobesuch noch einmal das 2009er-Sequel anzuschauen, das fast schon wie ein entschleunigter Film aus dem vergangenen Jahrhundert wirkt. Mit anderen Worten: Into Darkness löst im weiteren Verlauf fast schon eine eine mittelschwere Amnesie aus und hinterher fragt man sich, was man eigentlich gesehen hat. Die Zeiten, in denen ein Captain Picard mit einer Tasse Tee schweigend ins endlose All schaut und nachdenkt, nun, die sind vorbei.
 

Into Darkness spart sich daher fast folgerichtig eine ruhige Exposition und wirft seine Helden in einen Prolog, der in einer der klassischen TV-Serien für eine 90-minütige Doppelfolge gereicht hätte – heute erledigt man das in fünf Minuten: eine irrwitzige Verfolgungsjagd durch einen roten 3 D-Wald, der wie das Resultat eines LSD-Trips aussieht, ist der Auftakt einer Rettungsaktion, mit der Kirk (Chris Pine) und sein Crew versuchen, einen Vulkanausbruch zu verhindern, der zur Vernichtung einer steinzeitlichen Zivilisation führen würde. Spock (Zachary Quinto) sitzt dabei buchstäblich auf heißen Kohlen und kann nur durch einen Verstoß gegen die 1. Direktive in letzter Sekunde gerettet werden. Kirks Regelverstoß wird dank Spocks zwanghafter Ehrlichkeit aufgedeckt und Kirk wird von seinem Mentor Admiral Christopher Pike (Bruce Greenwood) in die zweite Reihe versetzt: wieder einmal verliert er sein Kommando.
Indessen kommt es auf der Erde zu einem Terroranschlag auf eine getarnte Einrichtung der Sektion 31 (die Geheimorganisation, die völlig außerhalb des Starfleet-Ethikcodex operiert, spielt sowohl in Star Trek: Deep Space Nine als auch in Star Trek: Enterprise eine wichtige Rolle). Nur Kirk erkennt während einer anschließenden Sicherheitskonferenz, dass eben jene Konferenz das eigentliche Ziel des Attentäters ist, kann aber den Anschlag nicht verhindern. Pike kommt ums Leben und Kirk erhält das Kommando über die Enterprise zurück. Im Auftrag von Admiral Marcus (Peter Weller) soll er den identifizierten Terroristen John Harrison (Benedict Cumberbatch) auf dem klingonischen Planeten Kronos ohne weiteres Federlesen liquidieren. 

Natürlich kommt alles anders, als Kirk erfährt, dass Harrison kein anderer ist als der genetisch manipulierte Superkrieger Khan (TOS-Episode Space Seed, 1967, und Kinofilm Star Trek II: The Wrath of Khan, 1982), und so entwickelt sich Into Darkness tatsächlich zu einer Reise in die Finsternis, in der ein kriegslüsterner Starfleet-Admiral genauso rücksichtslos seine  martialischen Pläne verfolgt wie der physisch und intellektuell omnipotente Khan.
Dass nebenbei die fragile Beziehung zwischen Kirk und Spock sich dann zu der längst fälligen Freundschaft entwickelt, verdankt sich auf dem emotionalen Höhepunkt der Story der Neuauflage einer Schlüsselszene aus Star Trek II: The Wrath of Khan. Allerdings ist es nun Kirk, der beim Versuch, den Warp-Kern zu retten, radioaktiv verstrahlt wird. Das hat was, doch zu diesem Zeitpunkt ist Into Darkness längst im prä-faschistoiden Starship Troopers-Universum angelangt. Mit Roddenberrys kohärenter Starfleet-Philosophie hat das nur noch wenig zu tun: Vertreter der zivilen Regierung bekommt man nicht zu Gesicht, die Erde scheint dagegen von militärischen Hardlinern kontrolliert zu werden, die alle politischen Probleme unter sich ausmachen. Und wenn sich die Starfleet-Angehörigen am Ende zusammenfinden, um dem Policy Paper des neuen alten Captain Kirk zuzuhören, dann sehen die Abertausende in ihrem Einheitsgrau auf erschreckende Weise wie eine moderne Version der deutschen Wehrmacht aus.


Brauchen wir Star Trek noch?

Derartige Vorbehalte tragen nicht ganz zu Unrecht nostalgisch-konservative Züge. Aber wer J.J. Abrams erstes Spin-Off gesehen hat, dürfte nicht davon überrascht sein, dass Into the Darkness außer den bekannten Figuren, der berühmten 1. Direktive und einigen selbst-referentiellen Verspieltheiten diesmal noch weniger mit dem Roddenberry-Universum zu tun hat als sein Vorgänger.

Das spiegelt sich auch beim Cast wider. Chris Pine als James T. „Jim“ Kirk ist eine Fehlbesetzung, die den eloquenten Charme, die Fähigkeit zur Ironie und die kühle Entschlusskraft William Shatners (die man ohnehin in der Originalfassung richtig mitbekommt) nicht einmal im Ansatz erkennen lässt. Pines Version ist narzisstisch und aufgrund der latenten Cholerik und Arroganz ärgerlich. Kein Wunder, dass Pine nicht nur von der exzellenten Spock-Interpretation Zacharay Quintos, sondern auch von einer Reihe anderer Charaktere (z.B. Karl Urban als Dr. Leonard „Bones/Pille“ McCoy) locker an die Wand gespielt wird.

Aber stimmen denn die alten Mythen überhaupt und brauchen wir sie noch (2)? 
Wer sich ohne kritisches Hinsehen auf die Strahlkraft einer der wichtigsten populär-mythologischen Mythen des 20. Jh. verlässt und in alten Erinnerungen schwelgt, macht unter Umständen aus dem Mythos eine faule Legende. Ich habe TOS als Jugendlicher kennengelernt und hatte anschließend kein Verständnis dafür, dass nach so einer grandiosen Space Opera so etwas wie The Next Generation überhaupt über den Bildschirm laufen durfte. Den Irrtum habe ich schnell korrigiert.
Aber ganz ehrlich: TOS war schon damals ziemlich queer, man hat es nur nicht gemerkt, weil es keine ernsthafte Konkurrenz im TV gab. Und wer sich heute TOS noch einmal in der edlen Bluray-Edition anschaut und sich dabei an die matten Farben und matschigen Bilder von früher erinnert, die überwiegend im Kinderprogramm der deutschen Fernsehanstalten zu sehen waren, wird über den originalen Bonbon-Farben-Look von TOS genauso entsetzt sein wie über die zahllosen schlechten Scripts und kitschigen Storys, aus denen nur wenige Highlights herausragten und die Zeiten überdauerten. Also bitte keine Nostalgie aus falsch verstandener Wehmut: erwachsen wurden das Roddenberry-Universum erst mit The Next Generation (TNG), Captain Picard, Data, Whorf und all den anderen.

Das wird jüngeren Kinogängern herzlich egal sein, wenn sie wie erhofft völlig zugedröhnt das Kino verlassen. Alle anderen, die aus gutem Grund die Star Trek-Mythologie und ihren zivilisierten Humanismus mitsamt seiner liebenswerten Charaktere als lebensgeschichtlich bedeutsame Erfahrung abgespeichert haben, werden nun trotz der grandiosen Bilder ein wenig das Frösteln bekommen. Nostalgiker können mehr vom alten Spirit in den Old School-Fanprojekten (3) zurückerhalten, die genau das leisten, was Peter Mühlbauer vor einigen Jahren über Star Trek zu Recht feststellte:  „... (es) war keinesfalls in erster Linie eine Actionserie, sondern ein Diskutieren philosophischer Fragen im optisch angenehmen Ambiente“ (4).
Nostalgiker sind daher bei alten DVDs oder den neuen Bluray-Editionen besser aufgehoben. 
Wer die Sache nicht ganz so bierernst nimmt, darf sich dagegen Into Darkness guten Gewissens anschauen - und etwas ablästern. Für mich steht fest: Egal, ob TOS, TNG oder DS 9 - die besten TV-Episoden waren immer großes Kino, die wenigsten Kinoableger waren es und Into Darkness ist es auch nicht. Ein völliger Flop ist der Film allerdings nicht.

Am Ende bricht die Crew dann zu ihrer fünfjährigen Mission in die Weiten des Weltalls auf. Wenn dann das vertraute Main Theme erklingt, hat man doch ein wenig das Gefühl, dass die Sache vielleicht noch gut wird. Beam me up, Scotty!

Noten: BigDoc, Klawer = 3

(1) „Tatsächlich ist der Plot so unübersichtlich wie sonst nur das Universum. Es geht um eine Supernova, schwarze Löcher und einen überspannten romulanischen Weltraumrächer, der sich offenbar in der Zeit verfahren hat. In einem verblüffend kompliziert gestalteten Raumschiff, das aussieht wie eine Mischung aus einer Stahlqualle und einem besorgniserregend misslungenen Versuch beim Bleigießen, rast er durch die Galaxien, um Spock zu finden. Ab und zu macht er dann mit seinem Raumschiff halt und bohrt mit einem Riesenbohrer Löcher in Planeten (...) Natürlich macht das alles überhaupt keinen Sinn. Wenn der Film tatsächlich die Anfänge der "Enterprise"-Geschichte erzählt, dann ist so manches, was danach folgt, dummerweise falsch. Hat Kirk in der Serie nicht des Öfteren von seinem Vater erzählt, den er laut Film eigentlich gar nicht kannte?“
Harald Peters, in: Der elfte „Star Trek“-Film ist völlig unlogisch, Die WELT, 6.5.2009, http://www.welt.de/kultur/article3673426/Der-elfte-Star-Trek-Film-ist-voellig-unlogisch.html

(2) Myra Çakan, in: Wo sind die tolldreisten Helden in den schnellfliegenden Raumschiffen?, Telepolis 1.5.2013, http://www.heise.de/tp/druck/mb/artikel/38/38996/1.html

(3) http://www.startrekphase2.de/de/home.html. Altstars wie Walter Koenig treiben sich in derartigen Fanfilmprojekten herum, die ihre Sache ziemlich gut machen.

(4) Peter Mühlbauer, in: „Erdbeeren mit Curry-Ketchup“, Telepolis 4.5.2009, http://www.heise.de/tp/artikel/30/30240/1.html