Donnerstag, 26. Dezember 2019

Watchmen - HBO und Damon Lindelof riskieren viel

Damon Lindelofs Serie wurde bereits zur „Jahrhundertserie“ erklärt, bevor die letzten Episoden gelaufen waren. Die Kritiker überschlugen sich vor Begeisterung, nicht wenige Fans teilten ihr Urteil. In den USA dümpelte die Serie trotzdem vor sich hin: ca. 0,7 Mio. Zuschauer wollten bei HBO zuschauen, zuletzt zogen die Quoten etwas an. So bescheiden treten Kultserien auf, die erst in einigen Dekaden verstanden werden. Aber auch Flops.
Ist „Watchmen“ ein Flop oder tatsächlich ein Geniestreich? Eher Letzteres, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Man beginnt am besten mit der Aussage: „Watchmen“ ist kein Flop. Diese Aussage halte ich für richtig, alles andere ist ziemlich kompliziert. Man muss zunächst bereit sein, alle Erwartungen an eine Serie über Bord zu werfen. Man braucht Geduld und muss akzeptieren, dass Kugelschreiber und Notizbuch beim Zuschauen in Griffweite sind. Nun, diese Utensilien beschränken die Reichweite bei den Quoten ganz entschieden, sind im praktischen Einsatz aber enorm hilfreich.

Donnerstag, 12. Dezember 2019

The Handmaid’s Tale – Staffel 3 mit starker zweiten Hälfte

In den USA musste man über ein Jahr auf die Fortsetzung der Hulu-Serie warten, in Deutschland war es kaum besser. „The Handmaid’s Tale“ gibt es aber weder bei Netflix noch bei Amazon oder Sky zu sehen. Die Lizenzen haben andere ergattert. Dafür sind DVDs und Blurays seit Anfang Dezember auf dem Markt.
Im Überangebot von neuen Serien und veränderter Genretrends ist die dystopische Hulu-Serie nach wie vor ein Solitär. Auch die dritte Staffel gehört zum besten, was derzeit zu sehen ist. Allerdings muss man etwas Geduld aufbringen.
„The Handmaid’s Tale“ nimmt sich zunächst viel Zeit, startet dann aber gewaltig durch.

Mittwoch, 4. Dezember 2019

The Irishman

Männer, die in Erinnerungen schwelgen. Wer bei NETFLIX die dreieinhalb Stunden für Martin Scorseses Alterswerk „The Irishman“ auf sich nimmt, wird gleich nach dem Abspann zu einem Round-Table-Gespräch eingeladen. Scorsese, Robert De Niro, Al Pacino und Jos Pesci sitzen zusammen und sprechen über das Kino und das Leben in der Mafia.

Alte Männer, so lautet die Einsicht des Quartetts, wissen mehr über das Leben und wie es endet. Ohne Glamour. Martin Scorsese, der mit Grandezza einige Meisterwerke über das Leben ohne Gesetz gedreht hat, zeigt, dass am Ende nur Tod oder Leere auf einen Mobster warten.

Mittwoch, 27. November 2019

The Hate U Give

Amandla Stenberg (u.a. The Hunger Games, 2012) ist als Starr Carter einfach umwerfend. Wenn man wissen will, wie es sich anfühlt, einer rassistisch ausgegrenzten Minderheit anzugehören, muss man sich die 21-jährige Schauspielerin in „The Hate U Give“ anschauen.
 

Sozialisiert in einem Ghetto, besucht sie eine teure private High-School und hat einen weißen Freund. Starr ist cool. Ihre Assimilationsleistungen sind allerdings gewaltig, denn sie muss zwei Sprachen beherrschen: den elaborierten Talk der zum Teil stinkreichen Klassenkameraden und den Slang ihres Milieus, einem Viertel, in dem Gewalt zum Alltag gehört.

Mittwoch, 6. November 2019

Tom Clancy’s Jack Ryan – die zweite Staffel überzeugt nicht restlos

War die ikonische Figur des Erfolgsautoren Tom Clancy in der ersten Staffel noch in den Kampf gegen den islamistischen Terror verwickelt, so führt Jack Ryans Weg ihn nun nach Venezuela, wo er wieder einmal recht starrköpfig den Kampf gegen einen neuen Schurken aufnimmt: den rechtspopulistischen Präsidenten Nicolás Reyes.

Man muss nicht viel Phantasie aufbringen, um die Parallelen zu Nicolás Maduro zu erkennen, dem aktuellen Präsidenten des krisengeschüttelten Landes. Und noch weniger Phantasie ist nötig, um zu erkennen, dass ein Agententhriller, der sich ausgiebig mit den Verhältnissen in Venezuela beschäftigt, auf irgendeine Weise auch eine politische Agenda besitzt. Die Frage ist, welche das ist.


Samstag, 26. Oktober 2019

Joker

The Same As It Ever Was – Todd Phillips Film über die Vorgeschichte des berühmten Gegenspielers des DC-Comic-Helden Batman hat zu einem Rauschen im Blätterwald geführt und auch zu bizarren öffentlichen Debatten über Gewalt und Kunstfreiheit im Kino.
Man kann sich angesichts der ganzen Aufregung also darauf verlassen, dass der Film ziemlich gut sein muss. 
Ist er auch, bloß sollte man im Kino besser kein Prequel der Batman-Filme erwarten. „Joker“ ist eine tiefschwarze und deprimierende Tragödie mit einem Joaquin Phoenix in absoluter Höchstform. Wer allerdings die Origin Story des Joker sucht, sollte dies besser in den Comics tun.

Sonntag, 13. Oktober 2019

„El Camino: A Breaking Bad Movie“ - die Geschichte wird weitererzählt

Im November 2018 fanden in Albuquerque geheimnisvolle Dreharbeiten für einen Film mit einem nichtssagenden Arbeitstitel statt. Als erste Gerüchte über eine Beziehung des Projekts zur Erfolgsserie „Breaking Bad“ in Umlauf kamen, war alles bereits abgedreht.
Tatsächlich hatte sich „Breaking Bad“-Schöpfer Vince Gilligan im Geheimen einen Herzenswunsch erfüllt. Mit „El Camino: A Breaking Bad Movie“ wird pünktlich zum 10. Geburtstag seiner Mega-Serie (2008-2013) die Geschichte weitererzählt. Diesmal für Netflix. Im Mittelpunkt steht die Geschichte von Jesse Pinkman, der rechten Hand des toten Drogenbosses Walter White. Eine rundum überzeugende Geschichte ist dabei nicht entstanden, dafür aber einige schöne „Breaking Bad“-Momente.

Mittwoch, 25. September 2019

The Loudest Voice - Russel Crowe spielt ein Sexmonster

Beim Casting für die Showtime-Serie „The Loudest Voice“ hätte ich bei der Besetzung der Hauptrolle eher an John Goodman gedacht, tatsächlich spielt aber Russell Crowe den Ex-CEO Roger Ailes, der als Macher von Fox News zwanzig Jahre lang nicht nur den Medienmarkt, sondern auch die Politik in den USA aufmischte.

Viele amerikanische Zuschauer werden „The Loudest Voice“ nicht mögen. Dass Russell Crowe für seine Darstellung eines Mannes, der Frauen sexuell ausbeutete und nicht ganz unwesentlich an Donald Traums Aufstieg beteiligt war, einen EMMY verdient hat, ist allerdings nach wenigen Folgen klar.

Donnerstag, 12. September 2019

The Sisters Brothers

Der neue Film des französischen Autorenfilmers Jacques Audiard ist ein Spätwestern, vielleicht auch ein Noir Western – möglicherweise auch eine Entzauberung klassischer Westernmythen, die trotzdem respektvoll mit diesem Genre umgeht.
Auf jeden Fall wird von einer existenziellen Selbstfindung in einer unberechenbaren, gewalttätigen Welt erzählt. Aber das hat Audiard bereits in früheren Filmen getan. Auch diesmal ist ein filmisches Juwel entstanden.

Dienstag, 27. August 2019

Mindhunter - die NETFLIX-Serie ist ein Volltreffer

Nach der aufsehenerregenden 1. Staffel der NETFLIX-Serie „Mindhunter“ geht die Analyse von und die Suche nach Serienmördern in neun neuen Episoden auf NETFLIX weiter.
Die zweite Staffel vertieft die Charakterentwicklung der Ermittler Holden Ford und Bill Tench und der Wissenschaftlerin Wendy Carr und stellt einen der spektakulärsten Kriminalfälle der 1970er Jahre in den Mittelpunkt - die Atlanta-Morde, die von 1979 bis 1981 insgesamt 28 farbige Kinder und Jugendliche das Leben kostete. Spannend, vielschichtig und auch ohne blutige Szenen erschreckend realistisch – auch die zweite Staffel ist ein Fall für Binge Viewer.


Sonntag, 18. August 2019

Once Upon a Time in Hollywood

Mit seinem nach eigener Aussage vorletzten Film zeichnet Quentin Tarantino nicht nur ein impressionistisches Bild der Film-und TV-Industrie Hollywoods in den 1960er-Jahren, sondern auch das Ende der Flower Power-Ära, die durch die „Tate-LaBianca-Morde“ ein abruptes Ende fand.
„Once Upon a Time in Hollywood“ erzählt allerdings nicht von den Stars eines recht gnadenlosen Business, sondern von den Profis aus der zweiten Reihe: einem abgehalfterten TV-Westernstar und seinem besten Freund, einem Stuntman. Leonardo DiCaprio und Brad Pitt spielen die spannendsten Buddys seit „Pulp Fiction“ und weil Quentin Tarantino nicht nur das Kino liebt, sondern auch an seine Macht glaubt, dürfen seine Helden am Ende wieder einmal die Realität korrigieren. „Once Upon a Time in Hollywood“ ist ein Meisterwerk.

Samstag, 17. August 2019

Widows

Drei Gangsterbräute wollen den Männern endlich ein Schnippchen schlagen und planen im Alleingang einen großen Coup. Es war ein Jugendtraum von Steve McQueen, die 1983 und 1985 von ITV ausgestrahlte britische TV-Serie Widows“ von Lynda La Plante irgendwann zu verfilmen. 
Beim britischen Regisseur hatte die Serie in jungen Jahren einen mächtigen Eindruck hinterlassen. Nun also das Remake, das eigentlich keins ist, da AMC sich bereits 2002 an dem Stoff versuchte. Steve McQueens neuer Film ist sehenswert, kann aufgrund seiner Drehbuchschwächen aber nicht restlos überzeugen.

Sonntag, 4. August 2019

Der Name der Rose - die Serienadaption von Umberto Ecos Roman

Über dreißig Jahre nach Jean-Jacques Annaud Verfilmung des Umberto Eco-Bestsellers „Der Name der Rose“ hat sich nun der Serienmarkt an einer frisch aufgepeppten Version versucht.
Regisseur Giacomo Battiato erfindet das Rad zwar nicht neu, liefert aber eine gediegene Erzählung ab, die besonders in den letzten Episoden Fahrt aufnimmt. Das ist nicht immer stimmig, aber trotz gelegentlich hämischer Kritikerschelte kaum schlechter als Annauds Kultfilm. Dies liegt weniger an der sattsam bekannten Geschichte, sondern an den respektablen Darstellerleistungen.


Sonntag, 7. Juli 2019

Spider-Man: Far From Home

Nach dem furiosen „Endgame“ schließt Marvel die Phase 3 seines Marvel Cinematic Universe mit einem neuen Solo-Film von Spider-Man ab. Doch der von Tom Holland gespielte Spinnenmann hat es nicht nur mit gefährlichen Widersachern zu tun, sondern auch mit Kräften aus einer Parallelwelt, die an ihm zerren. Es ist unsere Welt und es sind vor allen Dingen die Verwerfungen des Medienmarktes, die darüber entscheiden werden, was aus ihm wird.
„Spider-Man: Far From Home“ ist vor diesem Hintergrund ein spannender Film geworden. In einem kompliziert gewordenen Erzählkosmos, in dem Parallelwelten und Zeitreisen für viele Rätsel sorgen, befindet sich der neue Marvel-Film irgendwo zwischen LSD-Trip und einer netten Coming-of-Age-Geschichte. Ordentliches Popcorn-Kino, aber sicher kein weiterer Höhepunkt des Marvel-Kosmos.


Sonntag, 23. Juni 2019

Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm

Wer sich für deutsche Literatur- und Theatergeschichte interessiert und auch für einen der genialsten Dichter und Denker des 20. Jh., der kommt um Joachim A. Langs Film nicht herum. Schwere Kost? Ja! Aber leicht serviert. Der Film macht Spaß, auch Zuschauern, die zuletzt in der Schule mit Bertolt Brecht zu tun hatten. Lang ist ein ausgezeichneter Brecht-Kenner und so zeigt er in „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt: Denken macht Spaß, ist aber kein Zuckerschlecken.

„Mackie Messer“ ist ein opulentes Stück Kino mit ausgezeichneten Darstellern, aber auch eine Lektion darüber, was Brecht vorschwebte, als er Ende der 1930er Jahre die „Dreigroschenoper“, seinen großen Theaterhit, auch auf die Kinoleinwände der Weimarer Republik bringen wollte. Die Filmproduzenten wollten Unterhaltung, Brecht dagegen mehr Politik. Man zog vor Gericht und Brecht machte aus dem Prozess ein Lehrstück. Der deutsche Regisseur Joachim A. Lang zeigt nun, wie der „Dreigroschenfilm“ hätte aussehen können.

Dienstag, 11. Juni 2019

Chernobyl - der Horror der Fakten

Was hat HBO nach „Game of Thrones“ noch im Köcher? Eine ganze Menge. Mit der Miniserie über den Super-GAU, der sich 1986 im Kernkraftwerk Tschernobyl nahe der ukrainischen Stadt Prypjat ereignete, katapultierte sich HBO innerhalb weniger Tage in der IMDB auf Platz 1 der „Top Rated TV Shows“.

Mit Showrunner Graig Mazin, der bis lang nicht gerade mit anspruchsvoller Kost glänzen konnte, und dem schwedischen Musiker und Regisseur Johan Renck, der nur vereinzelt in den Regielisten von „Breaking Bad“, „The Walking Dead“ und „Vikings“ aufgetaucht ist, haben zwei wenig prominente Filmemacher nun ein gewaltiges TV-Gewitter inszeniert, das zu den dichtesten und unangenehmsten im aktuellen Serien-Kosmos gehört. „Chernobyl“ geht nicht nur unter die Haut, sondern schlägt auch auf den Magen

Montag, 10. Juni 2019

Designated Survivor - die dritte Staffel hat eine harte Agenda

Wie ein Phönix aus der Asche kam sie zurück, zuvor lieblos ad acta gelegt: „Designated Survivor, die vor anderthalb Jahren von ABC nach zwei Staffeln gecancelte Serie. Jenes Politdrama, das von einem Mann erzählt, der eigentlich kein Politiker sein will, aber plötzlich der mächtigste Mann der westlichen Welt ist.
Hatten nicht viele gesagt, dass diese Geschichte auserzählt ist? Nun ist der von Kiefer Sutherland gespielte Idealist Tom Kirkman, der kein Pragmatiker der Macht sein wollte, wieder da. In der letzten der zehn neuen Folgen holt er sich erneut seinen Therapeuten ins Weiße Haus, weil die Schuld an ihm nagt. Unmittelbar vor dem Finale der Präsidentschaftswahlen hat Kirkman zwar nicht gelogen, aber bewusst geschwiegen, um seinen größten Widersacher politisch zu vernichten. Darf das einer wie er, darf man das überhaupt? 
Das sind nicht die einzigen Fragen, die in einer Serie gestellt werden. „Designated Survivor“ wird sogar im letzten Drittel zu einer bitterbösen Anti-Trump-Brandrede. Überhaupt nicht fair, ausgewogen, objektiv und nett, sondern gallig, parteiisch und wütend.

Dienstag, 21. Mai 2019

Game of Thrones ist fertig – aber wie…!

Wer nach dem Ende einer der epochalsten Serien der jüngeren Seriengeschichte die von HBO geplanten Prequels sehen will, muss etwas nicht richtig verstanden haben. Denn wer sich nach der 8. Staffel anschauen will, was vor tausend Jahren in Westeros geschah, wird dabei das Ende der Mutterserie garantiert nicht aus dem Kopf bekommen. Ein Kommentar

Sonntag, 12. Mai 2019

Leave No Trace

„Leave No Trace" basiert auf dem gleichnamigen Roman von Peter Rock aus dem Jahr 2009. Rock hatte fünf Jahre zuvor einen Artikel über einen Mann gelesen, der mit seiner 12 Jahre alten Tochter vier Jahre lang ein eremitisches Leben in den Wäldern von Oregon führte. Der Vietnam-Veteran unterrichtete sein Kind mithilfe alter Enzyklopädien, beide ernährten sich von dem, was die Natur hergab.

Die Independent-Regisseurin Debra Granik adaptierte Rocks Buch zusammen mit der Filmproduzentin Anne Rossellini für den Film. Granik faszinierte dabei nicht nur der Non-Konformismus der beiden Außenseiter, sondern auch die Beherrschung von Überlebenstechniken, von denen der urbane Stadtmensch längst nichts mehr weiß.

Freitag, 3. Mai 2019

Die wandernde Erde – Sci-Fi-Katastrophenfilm exklusiv auf Netflix

Die Verfilmung von Cixin Lius Storysammlung „Die wandernde Erde“ ist mit einem Einspielergebnis von fast 700 Mio. US-Dollar im Moment der dritterfolgreichste Film an den chinesischen Kinokassen – hinter den Marvel-Filmen „Avengers: Endgame“ und „Captain Marvel“. Regisseur Frant Gwo zeigt einige spektakuläre Bilder – Story und Figurenentwicklung hinken mühsam hinterher.

Wieder einmal muss die Erde gerettet werden. Diesmal aber nicht vor einer ökologischen Katastrophe, sondern vor der guten alten Sonne, die sich langsam, aber tödlich zu einem Roten Riesen aufbläht. Gerade mal sieben Minuten dauert die Pre-Titel-Sequence, dann ist bereits eine der Hauptfiguren eingeführt und die gesamte Vorgeschichte erzählt.


Sonntag, 28. April 2019

„Avengers: Endgame“: Wie Kino funktioniert

Die Rekorde werden purzeln. 643 Mio. US-Dollar hat der neue Marvel-Film in den ersten drei Tagen eingespielt, die 2 Milliarden-Grenze wird vermutlich keine sein. Die Fans strömen weltweit ins Kino und wollen sich ungestört bespaßen lassen, die Kritiker (längst nicht alle) wittern Eskapismus und finstere Mächte am Werk. 
Ja, „Avengers: Endgame“ ist augenbetäubend, größenwahnsinnig und nicht frei von Logiklöchern. Aber er ist auch ernsthaft, witzig, charmant und menschlich. Aber nie langweilig. Gutes Kino halt.

Sonntag, 21. April 2019

Star Trek Discovery: Die zweite Staffel brilliert in der ersten Staffelhälfte und ruiniert sich dann selbst

CBS hat das Kunststück fertiggebracht, in der ersten Staffelhälfte fast alles richtig zu machen und ein echtes „Star Trek“-Gefühl zu erzeugen. Einige Episoden waren so gut, dass man das Gefühl hatte, die Serie könne den Spagat hinbekommen: nämlich jene Kultur einzupflegen, die die Trekkies seit Jahrzehnten an das Star Trek-Universum bindet, und den kommerziellen Ansprüchen des Networks zu genügen. Doch am Ende scheiterte STD am Größenwahn.
 

Im Erzählkosmos eines Brannon Braga, der jetzt Mastermind bei „The Orville“ ist, gab es in „Star Trek: The Next Generation“ und „Star Trek: Voyager“ auch groß angelegte Story Arcs (man denke nur an die „Borg“), aber die Serie verlor nur selten das Gefühl für die Figuren und die Logik der Ereignisse. Heute mag das hausbacken wirken, aber noch immer fühlen sich viele Fans in dieser altmodischen, langsamen Welt sehr wohl. 
„Star Trek: Discovery“ blähte dagegen einen vielversprechenden Plot in der zweiten Hälfte zu einer gigantomanischen Erzählblase auf, in der es um nicht weniger als um die Rettung jeglichen Lebens in unserer Galaxis ging. Ging es nicht eine Nummer kleiner?

Freitag, 5. April 2019

The Walking Dead reloaded: Staffel 9 ist gut, bringt die Serie aber nicht vom Fleck

Die Untoten schlurfen ihrer 10. Staffel entgegen. Einige nicht, sie sind in der bitteren Winterkälte Georgias zu Eisblöcken gefroren, stehen monolithisch in der winterkalten Landschaft, was Daryl nutzt, um einem von ihnen mit dem Kolben seines Bogens den Kopf abzuschlagen. Es regnet Eissplitter.
Man konnte diese Bildmetapher unterschiedlich deuten. Wer wohlwollend ist, goutiert dies als innovative Idee. Wer schlechter drauf ist, erkennt den Stillstand im Aufbruch, denn nach wie vor sieht es bei einigen Quoten für die Serie schlecht aus.

Mittwoch, 3. April 2019

The Highwaymen


Über 50 Jahre nach Arthur Penns mythologisierendem Film „Bonnie an Clyde“ versucht John Lee Hancock Junior mit einem Wechsel der Perspektive eine historisch akkuratere Version der Geschichte um die Barrow-Gang auf die Leinwand zu bringen. Das ist dem Film über weite Strecken gelungen.
Das berüchtigte Gangster-Pärchen ist in dem Film kaum zu sehen. Stattdessen erzählt Hancock („Blind Side – Die große Chance) die Geschichte von Frank Hamer und Maney Gault, den beiden ehemaligen Texas Rangern, die Bonnie und Clyde zusammen mit vier lokalen Polizeibeamten am 23. May 1934 in Louisiana blutig zur Strecke brachten. „The Highwaymen“ ist seit einer Woche ausschließlich bei NETFLIX zu sehen.

Freitag, 22. März 2019

„Trautmann“ – ein Film aus der faktenfreien Zeit

Marcus H. Rosenmüller setzt dem in Deutschland lange unbekannt gebliebenen Torhüter Bernd „Bert“ Trautmann in seinem gleichnamigen Film ein hochemotionales Denkmal. Ein Film über den Deutschen, der bis 1964 insgesamt 545-mal im Fußballtor von Manchester City stand, war überfällig. Er hätte nur gelingen müssen.

„Trautmann“ (The Keeper) ist zwar nicht auf ganzer Linie gescheitert. Der Film bleibt aber mutlos, weil er es mit den Fakten nicht genau nimmt, Trautmanns Biografie sogar verfälscht und sich in den Ambitionen des Regisseurs verzettelt. Rosenmüller umkurvt zugegeben elegant alle politischen und historischen Zumutungen eines spannenden Fußballerlebens und verpasst dem Publikum stattdessen einen kompakten Wellness-Einlauf, der aus der Hauptfigur einen tragischen Helden macht. Enttäuschend.

Dienstag, 19. März 2019

A Star Is Born

Ein gefeierter Country-Rockstar entdeckt ein schüchternes Mädchen, das phantastisch singen kann. Er holt die Widerstrebende bei einem Gig auf die Bühne. Sie singt sich die Seele aus dem Leib. Ein entscheidendes Momentum: A star is born. Das Mädchen wird zum Pop-Star, der Rockstar versinkt in Drogen und Alkohol, ruiniert seine Karriere und bringt sich um. 

Plotbeschreibung oder Spoiler? Weder noch. Eher schon eine Symptombeschreibung, denn die Krankheit, an der Bradley Coopers Melodram „A Star Is Born“ leidet, heißt Recycling. Was in der Müllverwertung eine tolle Sache ist, das führt im Filmbusiness leider nur zu oft zu einem riesigen Haufen neuen Schrotts.

Dienstag, 5. März 2019

True Detective Staffel 3: Weder Fisch noch Fleisch

Viel diskutiert, umstritten - und doch streckenweise klug. Die dritte Staffel von „True Detective“ besitzt alle Eigenschaften, um zu polarisieren. Sie streut falsche Fährten aus, um dem Zuschauer erst in der letzten Folge zu erklären, welche Geschichte er tatsächlich gesehen hat.
 

Wer das akzeptieren kann, hat die emotional berührende Zersplitterung des Lebens seiner Hauptfigur erlebt, die im Dschungel Vietnams beginnt und dort als letzte schreckhafte Erinnerung auch fortgesetzt wird. Zwischendurch hat sich Hays bedingungslos einer Sache verschrieben, einem 35-jährigen Suchen nach der Wahrheit in einem Labyrinth, in dem auch der Rest seines Lebens zerbricht und an dessen Ende nur ein kleiner Lichtstreif Hoffnung übrigbleibt.

Sonntag, 17. Februar 2019

Black Earth Rising - komplexer Politthriller bei Netflix

Der aktuell von Netflix gestreamte Politthriller „Black Earth Rising“ gehört mit zum Besten, was derzeit zu sehen ist. Auch zum Schwierigsten. Man kann sich leicht im Plot verirren, man sollte sich sogar über den Völkermord in Ruanda und die aktuelle Geschichte des Landes einiges anlesen, bevor man sich dem Binge Watching hingibt.
 
„Die Koproduktion von BBC Two und Netflix mutet dem Publikum vieles zu. Sie balanciert immer wieder auf der Grenze zur Überforderung, überschreitet diese hier und da und sammelt die Zuschauer erst spät mit Erklärungen wieder ein“, schrieb Benedict Frank in der „Süddeutschen“. Das trifft den Kern, nur bringen diese Erklärungen dann am Ende auch die gewünschte Klarheit. Sehenswert.

Dienstag, 12. Februar 2019

The Rider - einfühlsames Drama über einen Rodeo-Reiter

In ihrem zweiten Kinofilm nach „Songs My Brothers Taught Me“ erzählt die chinesische Regisseurin Chloé Zhao die Geschichte eines indianischen Rodeo-Reiters, der nach einem schweren Sturz Abschied von seinem alten Leben nehmen muss. Der mehrfach preisgekrönte Film ist ein Juwel des Independent-Kinos.

„The Rider“ erzählt vom jungen Indianer Brady Blackburn, der nicht nur ein einfühlsamer Pferdekenner ist, sondern auch ein erfolgreicher Rodeo-Reiter. Bis er während eines Bronc Riding-Wettbewerbs von einem buckelnden Pferd abgeworfen wird. Das ist tatsächlich passiert und der fiktive Brady sieht sich das Video vom realen Brady auf dem Smartphone an. Brady spielt also seine eigene Geschichte.


Samstag, 26. Januar 2019

Roma

Alfonso Cuaróns bildmächtige Reise in die eigene Kindheit gehört zu aussichtsreichsten Kandidaten für mehr als einen Oscar. Sollte es dazu kommen, wäre dies ein verblüffender Triumpf des Autorenkinos. „Roma“ ist eine Hommage an Cuaróns Kindheit in Mexico. Das Erinnerte wird nicht einfach bebildert, der Film will auch ein ästhetisches Programm sein.
„Roma“ wurde bereits bei den Golden Globe Awards als Bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet. Alfonso Cuarón („Children of Men“, 2006, „Gravity“, 2013) erhielt zudem die Auszeichnung als bester Regisseur. Das waren längst nicht alle Preise, den Goldenen Löwen von Venedig gab es auch, der Zuspruch überraschte auch nicht. 

Mittwoch, 16. Januar 2019

Ein Wunder (Il miracolo) - ARTE präsentiert eine wundersame Serie

Mit Niccolò Ammanitis „Il miracolo“ (Ein Wunder) präsentiert ARTE zum Jahresbeginn eine Serie über Glauben und Hoffnung und die existenziellen Abgründe globalisierter Gesellschaften. In Italien taucht eine Madonna auf, die Blut weint. Einige Menschen beginnen auf ein Wunder zu hoffen, die meisten haben einfach nur Angst und verschweigen das Phänomen. „Il miracolo“ gehört schon jetzt zu den großen Serienentdeckungen des Jahres. Ein weiteres Meisterwerk aus der italienischen Serienschmiede.

Es ist schon ein kleines Wunder, welche Geschichten wir uns zumuten, wenn wir uns Science-Fiction-Filme im Kino anschauen. Ihre wissenschaftlichen Unzulänglichkeiten haben das Genre von dem programmatischen Science so weit abgerückt haben, dass man einen Großteil der Produktionen gnädig Fantasy nennt. So wird dem Zuschauer immerhin klargemacht, er möge es doch bitte nicht ganz so ernst nehmen, was ihm da aufgetischt wird.


Dienstag, 15. Januar 2019

True Detective 3 kopiert sich auf hohem Niveau

Sie können einem leidtun. 2013 schufen Showrunner Nic Pizzolatto und Regisseur Gary Fukunaga einen Meilenstein der Seriengeschichte, der 2014 on air ging: „True Detective“ erzählte gleichzeitig straight und mäandernd die Geschichte zweier Cops, die in einem düsteren Südstaaten-Crime Plot einem Pädophilen-Ring nachspüren, am Ende einen monströsen Schurken zu Strecke bringen, aber dann doch mit leeren Händen dastehen und immerhin ziemlich beste Freunde werden. 

So etwas lässt sich nicht so einfach wiederholen. Im zweiten Anlauf verhob sich Nic Pizzolatto ohne Fukunaga ein wenig. Die Serie wird mittlerweile als Flop gehandelt, obwohl sie die besseren Quoten erzielte. Im dritten Anlauf wollen HBO und Pizzolatto wieder Glanz und Glorie der ersten Staffel wieder auferstehen lassen.

Mittwoch, 9. Januar 2019

Bird Box - Netflix punktet mit einem Quotenhit

45 Millionen Zuschauer riefen den Film der Oscar-Preisträgerin Susanne Bier bei Netflix ab. Für den Streaming-Anbieter Grund genug, zum ersten Mal konkrete Nutzerzahlen zu veröffentlichen. Der Grund für den Hype will sich nicht recht erschließen: Susanne Biers Film ist ein spannender und auch visuell packender Horrorfilm, der allerdings nicht an den Genrekonventionen rüttelt.
 

„Der Film ist sehr emotional. Viele schreiben und teilen mit, dass sie sehr berührt waren. Diese Filme haben normalerweise nicht so ein emotionales Element“, zeigte sich die Regisseure überrascht vom Erfolg ihrer ersten Zusammenarbeit mit Netflix.