Freitag, 28. Dezember 2007

Top Twenty 2007

Kategorie: Bester Film

1. Spider-Man 3 (Sam Raimi) 1,66
2. Letters from Iwo Jima (Clint Eastwood) 1,75
3. Babel (Alejandro Gonzalez Iñárritu) 1,75

4. Breakfast on Pluto (Neil Jordan) 1,87
5. The Last King of Scotland (Kevin Macdonald) 2
6. Stranger than fiction (Marc Forster) 2
7. Adams Äpfel (Anders Thomas Jensen) 2
8. The Good Shepherd (Robert de Niro) 2
9. 3:10 to Yuma (James Mangold) 2
10. The Simpsons - The Movie (David Silverman) 2
11. Road to Guantánamo (Michael Winterbottom) 2,12
12. Thank you for smoking (Jason Reitman) 2,12
13. Mein Führer (David Levy) 2,16
14. Zodiac (David Fincher) 2,25
15. Bobby (Emilio Estevez) 2,25
16. Snow Cake (Mark Evans) 2,25
17. American Gangster (Ridley Scott) 2,25
18. Flags of our fathers (ClintEastwood) 2,25
19. The Brave One (Neil Jordan) 2,25
20. Little Children (Todd Field) 2,33

In einem erstaunlichen Schlussspurt sicherte sich am ersten Weihnachtsfeiertag James Mangolds post-moderner Western „3:10 to Yuma“ noch ein Platz unter den Top Ten. Die Kritiker waren nicht ausnahmslos mit dem Film zufrieden, da das Remake des alten Delmer Daves-Klassikers anscheinend nicht in die großen Schuhe von Glenn Ford und Van Heflin passte. Aber Christian Bale, ein vorzüglicher Russell Crowe und sehenswerte Nebendarsteller sowie eine konzentrierte Dramaturgie reichten für einen runden Westernspaß, dessen „moralisches“ Ende zwar die psychologische Plausibilität arg strapazierte, aber auch verdeutlichte, dass sich die post-modernen Ableger des Genres an klassische Spielregeln kaum noch halten. Ganz daneben lagen wir aber nicht, denn Mangolds Film schaffte auf Anhieb und innerhalb weniger Wochen den Sprung in die Top 200 der Internet Movie Database (IMDB).

Nun aber zu den Spitzenreitern: „Spider-Man 3“, ebenfalls arg zerrupft von den Kritikern, schaffte es verblüffenderweise auf Platz 1 und der Chronist fragt sich betroffen, ob er mit seiner Höchstnote vielleicht mehr Schaden angerichtet hat als ihm lieb war. Denn bis zum Zerreißen angespannt war Sam Raimis Versuch, dem Spinnenmann psycho-pathologische Dimensionen zu verleihen und ein Schauerdrama aus Schuld und Sühne, Liebe und Hass auf eine Comicverfilmung zu projizieren. Aber auch wenn die Profikritiker hier eher Quark statt Sahne sahen, war der Filmclub der Überzeugung, dass Raimi im Genre „Comicverfilmung“ einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Allerdings: Hätte Mr. Mendez diesen Film gesehen, wäre es kaum zu dieser Platzierung gekommen.
Clint Eastwood ist einer von zwei Regisseuren, die es mit zwei aktuellen Filmen in die Top Twenty geschafft haben. Mittlerweile gibt es in der Fachwelt einen breiten Konsens in der Bewertung des Doppelprojektes: „Letters of Iowa Jima“ gilt als der gelungenere Film. So sah es auch der Filmclub, der „Flags of our Fathers“ auf Platz 18 einlaufen ließ. Der Chronist hatte beim zweiten Hinschauen durchaus Bauchschmerzen, denn mit Schlagwörtern à la „Wahnsinn des Krieges“ und einem streng ethischen Pazifismus wird man den historischen Zusammenhängen wohl nicht gerecht. Ich denke, dass die intuitive Menschlichkeit eines kleinen japanischen Bäckers, der seinen Offizieren moralisch haushoch überlegen ist, stärker berührt als alle Zweifel. Zumal diese von westlichen Werten nicht unberührt gebliebene intellektuelle Kaste fast konditioniert ihrem Codex folgt und damit einer tödlichen Starre verfällt.
Alejandro Gonzalez Iñárritu sicherte sich mit „Babel“ den dritten Platz, was angesichts der zwar sehr emotionalen, aber narrativ auch sehr sperrigen Suche nach den verschlungenen Pfaden der Wahrheit eine weitere Überraschung war. Ganz ehrlich: der mexikanische Regisseur, dessen Filme eigentlich nur von einer Handvoll Liebhaber goutiert werden, zeigte, dass Kino zunächst eine emotionale Angelegenheit ist. "Babel" ist ein Film, der sehr geschickt und streckenweise manipulativ seinen modernen Mystizismus und eine Spur Chaostheorie mit aktuellen und teilweise auch absonderlichen Themen verknüpft, aber auch ein zweites Hinschauen fast zwangsläufig notwendig macht.

Dass Neil Jordans „Breakfast on Pluto“ den vierten Platz erklomm, scheint mir im Rückblick auf das gesamte Filmjahr ein wenig fragwürdig zu sein, aber Note ist Note und der Chronist war mit seiner Bewertung letztlich der Hauptverantwortliche für diesen unerwarteten Durchbruch eines Transen-Märchens. Immerhin schaffte es auch Jordan mit zwei Filmen in die Top Twenty, wobei ich persönlich das Rachedrama „The Brave One“ (Die Fremde in Dir) zwar für deutlich mainstreamiger halte als „Pluto“, aber überzeugt bin, dass dieser Film aufgrund des brisanten Themas auf Dauer gesehen nachhaltiger sein wird. Überdies ist Jodie Foster brillant und den schnodderigen Vergleich mit „Deathwish“, den ein Filmclub-Mitglied ernsthaft in Erwägung zog, halte ich für mehr als gewagt.
Die nächsten fünf Platzierten erhielten eine glatte 2, wobei die besten Einzelnoten über die Reihenfolge entschieden: Im Vergleich zu einigen anderen Filmen der Spitzengruppe wirkt Kevin MacDonalds „The Last King of Scotland“ fast schon etwas bieder, aber erstens ist das Ansichtssache und zweitens ist das Thema „Verführung durch die Macht“ ein Evergreen. Zudem ist Forrest Whitaker (wieder einmal) schlichtweg brillant. Das sah auch Melonie so, deren Eins den Film ganz nach oben katapultierte. „Stranger than Fiction“ von Marc Forster ist eine der intelligentesten Komödien der letzten Jahre – Forster schaffte das Kunststück, einen sehr komplexen Film zu machen, der überdies vorzüglich amüsierte. Das schafft nicht jeder. „Adams Äpfel“ von Anders Thomas Jensen ist dagegen ein Außenseiterfilm: frech, zynisch, gewalttätig – und moralisch. Jensen erzählte die Geschichte eines Neo-Nazis, der sich mit dem Buch Hiob auseinandersetzen muss, auf typisch skandinavische Weise. „The Good Shepherd“ von Robert de Niro gehört zu den umstrittenen Meisterwerken dieses Jahres, weil Matt Damon einige Kritiker nicht überzeugen konnte. Viele Kinogänger wurden vermutlich auch durch die Komplexität des Films abgeschreckt, der zudem einiges an historischem Wissen voraussetzt. Die fast zölibatäre Männerwelt erinnert mich ein wenig an „Breach“ (Enttarnt) von Billy Ray, ebenfalls eine brillante Geheimdienststudie, aber eine Nummer kleiner. Über „3:10 to Yuma“ wurde eingangs berichtet. Und über die „Simpsons“ ist nur eins zu sagen: Wer den Zuschauer so boshaft lachen lässt und dies mit absoluten intelligenten Gags hinkriegt, der hat einen Platz unter den Top Ten verdient.

„Road to Guantánamo“ von Michael Winterbottom schaffte es auf Platz 11. Ich habe in den vergangenen Monaten in einigen Gesprächen gehört, dass die Internierung Verdächtiger einigen unserer Mitbürger offenbar als Beweis reicht. Sie alle hätten Kurnaz nicht wieder in die Republik gelassen, für den Rechtsgrundsatz „In Dubio Pro Reo“ haben sie nur Achselzucken und die Tatsache, dass ein FDP-Mitglied des Untersuchungsausschusses den Mann für unschuldig hält, löst bei ihnen blankes Entsetzen aus. So weit zu Rechtsverständnis einiger unserer Nachbarn. Winterbottoms Film werden sie vermutlich nie sehen.

Ich will nun nicht alle Filme Revue passieren lassen, nur einige Anmkerkungen noch: David Finchers „Zodiac“ schaffte es dank Klawers guter Note im letzten Moment unter die Top Twenty. Sonst wäre er, o Gott, glatt durchgerutscht. Dem Chronisten treibt dies die Tränen in die Augen, da Finchers Meisterwerk den Hannibal Lecter-Mythos gründlich dekonstruierte und gleichzeitig das Thema „Obsession“ so packend abhandelte, dass „Zodiac“ für viele Jahre bleibende Maßstäbe gesetzt hat. Klein, aber fein war Emilio Estevez’ Regiedebüt „Bobby“ und der Geheimtipp des Jahres ist aus meiner Sicht das stark an „Magnolia“ und „American Beauty“ angelehnte Vorortdrama „Little Children“.

Zu den Filmen, die es nicht schafften, gehörte nicht nur die Rosenmüller-Komödie „Wer früher stirbt ist länger tot“, Stephen Frears „The Queen“ oder das exzellente Hausfrauendrama „Irina Palm“ (ich vergaß, ALLE Noten einzusammeln), sondern auch Guillermo del Toros „Pans Labyrinth“, was fast schon ein kleiner Filmclub-Skandal ist. Nicht nur, weil einige Kritiker diesen Film für einen der besten Streifen dieses Jahrzehnts halten, nicht nur, weil dieses Meisterwerk auf Anhieb den Sprung auf Platz 49 der kritischen IMDB geschafft hat (nur vier europäische Filme gelangten in die Top Fifty), sondern weil die kontroverse Benotung den Filmclub fast zerriss. Während ein Lager den Film des Mexikaners mit Bestnoten überhäufte, schüttete ihn die andere Hälfte mit erschütternden Abwertungen zu. Absurder Höhepunkt: selbst der Ekel-Splatterfilm „Planet Terror“ von Robert Rodriguez erhielt eine bessere Gesamtnote! Warum dies so ist? Darüber kann man lange Abhandlungen schreiben, aber del Toro bricht nicht nur alle tradierten Erzählmuster auf, sondern verletzt auch mit subversiver Gemeinheit grundlegende Gesetze der filmischen Fiktion. Das war wohl zuviel und ich schätze, dass einige in späteren Jahren diesen Ausrutscher zutiefst bereuen werden, zumal der Film beim zweiten Sehen nicht an Kraft verliert, sondern eher noch zulegt.

BigDocs Favoriten mit Note 1: Pans Labyrinth, Zodiac, Stranger than Fiction, Spider Man 3.
Mr. Mendez vergab nur einmal eine 1,5: Babel.
Klawer hielt sich mit einer Eins auch zurück und griff nur einmal zu: Letters of Iowa Jima.
Melonie hatte zwei Einser übrig: The Last King of Scotland, Mein Führer.

Insgesamt war es ein packendes Filmjahr, das an Qualität nur wenig zu wünschen übrig ließ.

Montag, 24. Dezember 2007

Die miesesten Filme 2007

Originaltitel

Regisseur


1. Im Schwitzkasten

Eoin Moore

4,5

2. Five Fingers

Laurence Malkin

4,5


3. Sommer ‘04

Stefan Krohmer

4,5


4. Dreamgirls

Bill Condon

4,25


5. Children of men

Alfonso Cuáron

4


6. Ocean´s Thirteen

Steven Soderbergh

4


7. The Sentinel

Clark Johnson

4


8. Wahrheit oder Pflicht

Arne Nolting

3,875


9. Spartan

David Mamet

3,375


10. Black Dahlia

Brian de Palma

3,37


11. Hannibal Rising

Peter Webber

3,33



In die Top Twenty wird es wohl nur die intelligente und witzige deutsche Komödie „Wer früher stirbt ist länger tot“ von Marcus H. Rosenmüller schaffen. Kein Wunder, erwiesen sich deutsche Filme in diesem Jahr wieder einmal als uninspiriert und langweilig. Ein gutes Beispiel war die Sauna-Komödie „Im Schwitzkasten“, die zwar einige gute Darsteller bot, aber überraschend hartnäckig demonstrierte, wie man ein nicht sonderlich aufregendes Thema zudem auch noch zu Tode quatschen kann. Laurence Fishburne konnte dagegen den ein wenig an die „Saw“-Philosophie erinnernden Terroristen-Folterfilm „Five Fingers“ nicht retten, der überambitioniert, sadistisch und kalt dafür sorgte, dass der Filmclub kopfschüttelnd den Daumen senkte.
Ebenfalls mit einem Notenschnitt von 4,5 fiel Stefan Krohmers grässlicher Thriller „Sommer `04“ völlig durchs Qualitätsraster. Krohmer, der hauptberuflich als Dozent deutschen Filmstudenten das Drehbuchschreiben beibringt, beachtete nicht den elementaren Grundsatz „Zeig’, was die Figuren tun“ und ließ seine Figuren dafür endlos in hölzernen Dialogen quatschen. Gut, bei Rohmer wird auch geredet wie ein Wasserfall, aber erstens sind diese Dialoge einige Nummern pfiffiger und zweitens zeigt Rohmer danach den Unterschied zwischen Reden und Handeln, was enorm spannend ist. Krohmers Film ist dagegen so langweilig, dass man wieder mal zu dem Schluss kommt, dass gute Theoretiker selten ihr Wissen in die Tat umsetzen können. Gelegentlich erinnere ich mich da an Hans C. Blumenberg…
Entsetzlich fanden wir alle die „Dreamgirls“, der weder als netter Gesangsfilm noch als kritisches Pamphlet gegen die Musikindustrie taugte. Offen gestanden: uns beschlich der Verdacht, dass dieser Film einfach nur kalkuliert und verlogen ist. Weg damit!
Dagegen enttäuschte mich besonders Alfonso Cuáron, da seine mexikanischen Kollegen Guillermon del Toro und Alejandro Gonzalez Iñárritu mit „Pans Labyrinth“ und „Babel“ absolute Spitzenfilme vorgelegt hatten, während man bei „Children of men“ nie so genau wusste, wo der Autor uns eigentlich hinführen will. Die anderen sahen das genauso und mit einer 4 kam das angestrengte Sci-Fi-Drama noch gut davon.
Dass Steven Soderbergh mal in dieser Rubrik landen würde, hätte ich mir nie träumen lassen, aber den Glanz seiner bereits fast klassischen Caper-Komödien konnte das ziemlich öde Sequel „Oceans 13“ nicht mehr verbreiten. Total gelangweilt verließen zwei Filmclubberer das Kino und die beiden anderen strichen angesichts der verheerenden Kritik schnell die Segel. Auch abgemahnt wurde mit einer glatten 4 der klischeehafte Thriller „The Sentinel“, den man nicht mal auf den DVD-Markt lassen dürfte. Vermutlich haben die meisten bereits den Hauptdarsteller vergessen…Na, wer war das denn noch?
Andere Filme landeten aufgrund der statistischen Notwendigkeit in dieser Kategorie, lagen aber wenigstens noch im Bereich „Befriedigend“: Arne Noltings „Wahrheit oder Pflicht“ wurde vor schlimmeren Folgen nur durch einen sentimentalen Gnadenakt des sonst so kritischen
Mr. Mendez gerettet. Ansonsten erreichte die stinklangweilige deutsche Komödie nicht einmal das Niveau einer Filmhochschul-Abschlussarbeit und zur Not kriegen wir das auch noch mit einer Consumer-Kamera selbst hin. Aber soweit wollen wir es erst nicht kommen lassen.
David Mamets „Spartan“ retteten dagegen eine glatte 2,5 von
Klawer und eine 3 von BigDoc vor dem Fall ins Bodenlose. Hier sieht man, dass ältere Cineasten mit Wehmut an die Paranoia-Thriller der 70er Jahre zurückdenken und gerne sentimental werden, wenn man das Genre noch mal wiederkäut. Auf passablem Niveau scheiterte dagegen der Film Noir-Versuch von Brian de Palma. Obwohl keiner die Handlung von „Black Dahlia“ verstand, was ja für „schwarze“ Filme eher ein Qualitätssiegel ist, erfreuten uns die Stimmung und die schöne Bilder. Na ja, aber mal ehrlich: das ist nicht gerade viel.
Um so erstaunter waren wir, dass die an sich eher sanft gestimmte
Melonie den kultivierten Splatter-Mix „Hannibal Rising“ mit einer 2,5 vor den Abgründen dieser Rubrik rettete. Aber da uns Hannibal Lecter bereits in Demmes „Lämmer“-Film so richtig ans Herz gewachsen ist, mussten wir nicht zwingend erfahren, dass er in seiner Jugend unfreiwillig seine Schwester verspeist hat. Immerhin: mit 3,33 P ist der Film nicht mal besonders weit vom gehobenen Mittelfeld entfernt und gehört somit eigentlich nicht in den Schredder.

Und demnächst an dieser Stelle: die Top Twenty!
Wegen der enormen Qualität des zurückliegenden Filmjahres verschwinden die Top Ten nämlich in der Versenkung. Da gibt’s die eine oder andere fette Überraschung und das ist auch gut so…