Samstag, 14. Mai 2011

Das letzte Schweigen


Deutschland 2009 - Regie: Baran bo Odar - Darsteller: Ulrich Thomsen, Wotan Wilke Möhring, Katrin Sass, Burghart Klaußner, Sebastian Blomberg, Karoline Eichhorn, Roeland Wiesnekker, Claudia Michelsen, Oliver Stokowski, Jule Böwe - FSK: ab 16 - Länge: 118 min.

Eine deutsche Kleinstadt, wogende Kornfelder vor den Stadttoren, ein Hauch beschaulicher Provinzialität. Vorsichtig tastet sich die Kamera an die Protagonisten heran, dringt in eine Wohnung vor. Warmes Licht dringt unter einem Vorhang in das dunkle Wohnzimmer, dessen Fenstervorhänge von außen keinen Blick in das Innere gestatten. Schnitt auf einen 8mm-Filmprojektor, zwei Männer schauen sich einen Film an. Schnitt auf ein Kindergesicht auf der Leinwand, ein trauriges Closeup, das sofort ahnen lässt, das hier Verbotenes geschieht. Peer und Timo sind Pädophile.
23 Jahre später verschwindet in eben dieser Stadt ein dreizehnjähriges Mädchen. Das ist schon einmal geschehen und sogar am gleichen Tag und damals hat man erst viel später die Leiche des Kindes gefunden. Gleich zu Beginn von „Das letzte Schweigen“ zeigt uns Regisseur und Drehbuchautor Baran bo Odar allerdings, dass er den dominanten und manipulativen Peer (Ulrich Thomsen) und den schüchternen, verführten Timo (Wotan Wilke Möhring) keineswegs zu seinen Hauptfiguren machen will. In „Das letzte Schweigen“ gibt es keine Hauptfiguren.

Packende Story, exzellentes Ensemble – kann da noch was schief gehen?
Der 1978 in der Schweiz geborene Baran bo Odar studierte von 1998 bis 2006 Film- und Fernsehspielregie an der Hochschule für Fernsehen und Film München und beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit Industrie- und Imagefilmen. 2006 drehte Odar seinen ersten längeren Film: "Unter der Sonne", der den Studio Hamburg Nachwuchspreis und den Starter Filmpreis München (jeweils beste Regie) erhielt. „Das letzte Schweigen“ ist eine Co-Produktion, u.a. in Zusammenarbeit mit dem ZDF (Das kleine Fernsehspiel) und mit ARTE - eine Verfilmung von Jan Costin Wagners Roman „Das Schweigen“ (2007), einem von bislang fünf Kriminalromanen. Die meisten spielen in Finnland, wobei der um seine verstorbene Frau trauernden Kommissar Kimmo Joentaa im Mittelpunkt steht. Dieser Figur findet man in der Rolle des traumatisierten Polizisten David Jahn wieder.

Filmförderungsprojekte müssen ein eigenes Profil haben, aber in diesem Fall taucht auch die Klientel des am deutschen Standard-Krimi orientierten Zuschauers im Hintergrund auf, auch wenn das ZDF und ARTE sicher in den jeweiligen Formaten deutlich mehr Experimentierfreude erlauben dürften. Wenn man dann einen Roman des Shooting-Stars der deutschen Krimiszene verfilmen kann und mit einem Ensemble der besten deutsche Schauspieler arbeiten darf, dürfte eigentlich nicht mehr viel schief gehen. Allerdings muss man eine Balance zwischen tradierten Genremustern und einer eigenen, dem Sujet angemessenen Bildsprache findet. Baran bo Odar hat dies versucht und sein Film ist durchaus beachtlich geworden, wenn man das beklemmende Gefühl zum Gradmesser nimmt, das diese Geschichte zurücklässt. Trotzdem ist „Das Schweigen“ kein wirklich guter Film.

Es fehlt die Zurückhaltung
„Das letzte Schweigen“ hat einen ganz starken Auftritt: In einem für deutsche Tatort-Konsumenten wohl nur schwer zu verdauenden Cross-Cutting montiert Baran bo Odar seine Geschichte packend in kurzen, elliptischen Szenen zusammen. Kaum eine Viertelminute dauert eine Szene und schon springt die Kamera weiter: da ist der eben pensionierte Kommissar Krischan Mittich (Burghart Klaußner, „Das weiße Band“), den der alte Fall nicht ruhen lässt, während Mittichs Kollege David Jahn (Sebastian Blomberg), der seine vor fünf Monaten seine Frau verloren hat, schwer traumatisiert in den Abgründen des Falls wühlt und sein Vorgesetzter Grimmer (Oliver Stokowski) mit fehlendem Einfühlungsvermögen die Aufklärung eher behindert als vorantreibt.
Und da sind die Opfer und die Täter: Elena Lange (Katrin Saß, „Good bye Lenin!“) ist die Mutter des Mädchens, das 1986 ermordet wurde. Und mehrere Flashbacks zeigen uns, wie Peer und Timo nach dem Kinderporno die Wohnung verlassen, mit dem Auto die sommerlichen Felder und Wälder durchstreifen, Elenas Tochter finden, die Peer vergewaltigt und tötet, während Timo aus sicherer Distanz zuschaut. Und Cut: 23 Jahre später warten die Ruth und Karl Weghamm, die Eltern der 13-jährigen Sinikka, vergeblich auf ihre verschwundene Tochter. Und bald kommt der Verdacht auf, dass ein Wiederholungstäter verantwortlich ist, denn das Mädchen verschwindet an dem altbekannten Tatort des ersten Verbrechens. Am gleichen Tag wie vor 23 Jahren.

Mehr als ein halbes Dutzend Haupt- und Nebenstränge werden in einem Rhythmus verwoben, der uns die Vernetzung der Personen zeigt, nicht nur im Hier und Heute, sondern auch in der Verarbeitung alter Wunden, die auch nach über zwei Jahrzehnten nicht heilen wollen. Da ist ein Täter auf der Suche nach seiner Schuld, der dann sogar mit der Mutter seines Opfers Kuchen isst. Und da ist ein Mörder, der einen Freund zurückgewinnen will und eine grausame Botschaft an ihn richtet. Und immer wieder führen uns Bilder in die Vergangenheit, deren grausames Tiefschwarz in einem schrecklichen Gegensatz zu den ruhigen Sommerbildern einer harmlos anmutenden Landschaft steht. Und obwohl die schnelle Montage gewöhnungsbedürftig ist und Flashbacks an sich in einem klassischen Cross-Cutting nichts zu suchen haben, gelingt es dem Cutter Robert Rzesacz zunächst, sowohl eine konsistente Handlung als auch einen nachvollziehbaren zeitlichen Bildrhythmus in eine elegante, allerdings ästhetisch nicht unbedingt innovative Erzählsprache zu überführen.

Dann allerdings begann der Film damit, mir stilistisch gehörig auf den Wecker zu gehen, auch wenn nach einer Stunden die Szenen etwas länger werden und der Erzähler erkennbar mehr in die Psychologie der Figuren investiert. Cross-Cutting ist eine interessante Montagemethode, mit der dichotomische Akzente herausgearbeitet werden können, aber auch gehörig an der Suspense-Schraube gedreht werden kann. Aber, und man sollte dies als Regisseur bei seinem Langfilmdebut durchaus beachten, taugt dies nur häppchenweise. Etwa, wenn man die Klimax des Films in eine zeitlich eng verwobenen Folge simultan ablaufender Handlungselemente einbindet, die auf einen gemeinsamen Höhepunkt zustreben.
Wenn Cross-Cutting dagegen einen Film kontinuierlich beherrscht, muss die Balance zwischen Stil und Psychologie ziemlich ausgewogen sein, um diesen Drahtseilakt gelingen zu lassen (wir sehen Varianten dieses Stils in Magnolia und L.A. Crash).

„Das letzte Schweigen“ schafft dies nur ansatzweise und gerät durch die Übertreibung ins Schleudern, auch dort, wo der über-ambitionierte Stil und das Chargieren der Darsteller zu einer emotionalen Aufladung führen, die den letzten Rest Plausibilität aus den Figuren hinaustreibt. Ein besonders trauriges Beispiel ist Sebastian Blomberg, der die Rolle des David Jahn als Mischung von katatonischer Starre, völliger Geistesabwesenheit und plötzlich eruptiv aufbrechenden Aggressivität spielen muss. Das wirkt, sorry, nun mal leider wie Laientheater und wenn zudem die Filmmusik mit pompöser Geste nur das verstärkt, was man ohnehin dick aufgetragen in den Bildern findet, dann schlingert Baran bo Odars Film gelegentlich haarscharf an der Lächerlichkeit vorbei.
Untern Strich bleibt allerdings ein ambivalenter Eindruck zurück. Dem dank ausgezeichneter Kameraarbeit ästhetisch ausgefeilten Film gelingt es durchaus, auch wegen seiner düsteren und abgrundtief schwarzen Schlusspointe, den Zuschauer zu erreichen. „Das letzte Schweigen“ hätte ein schönes Stück deutscher Film Noir werden können, wenn sein Macher sich etwas mehr Zurückhaltung auferlegt hätte.

Pressespiegel

„Zuviel des Guten: Obwohl für "Das letzte Schweigen" eine hervorragende Darstellerriege zur Verfügung stand, hat der Regisseur scheinbar Figuren und Geschichte nicht so ganz getraut. Er überfrachtet seine Inszenierung mit Symbolen, einem aufdringlichen Sounddesign und einer großen Portion an Zufällen. Zu viele Figuren am Rande des Nervenzusammenbruchs treffen hier aufeinander. Was es dann am Ende mit dem vermissten Mädchen tatsächlich auf sich hat wird damit zur Nebensache“.
Magali-Ann Thomas (Bayern 3)

„Das illustre Ensemble um Wotan Wilke Möhring, der seit Jahren so regelmäßig mit tollem Spiel überrascht, daß es langsam keine Überraschung mehr ist, um den Dänen Ulrich Thomsen, der seinen pädophilen Mörder erschreckend real werden läßt, um Sebastian Blomberg, der eingängig den reflektierten Depressiven gibt, und um Katrin Saß, deren trauernde Mutter als nahezu einzige Figur an Stärke zu gewinnen vermag – das ganze Ensemble also trägt bedeutend dazu bei, daß der Film nicht als bloßer Whodunnit, sondern in erster Linie als psychologische Studie fesselt. Und als solche ragt Das letzte Schweigen auch dank einer sehr persönlichen gestalterischen Handschrift deutlich heraus“.
Oliver Baumgarten (Schnitt)

„Das Ärgerliche ist, dass die vielen guten Ansätze des Films allzu oft nicht zu Ende geführt werden, dass im entscheidenden Moment die künstlerische Radikalität fehlt, der Mut, sich klar auf eine Seite der eigenen Einfälle zu schlagen. So hat dieser Film mitunter den Charakter einer typischen "Visitenkarte", eines ersten Films, in den ein Regisseur möglichst viele weitere andeutungsweise einbaut, um sich für Zukünftiges zu empfehlen, vom "Tatort" über das B-Movie und anspruchsvolles Genrekino - wenn denn beides doch irgendwann einmal in Deutschland gemacht werden sollte -, bis hin zum echten Autorenfilm. Den Zuschauer kann solch ein multipolares Mittelding nicht wirklich befriedigen“.
Rüdiger Suchsland (Telepolis)

Noten: BigDoc = 3

Mittwoch, 4. Mai 2011

Quick Review: Rückkehr ans Meer

Frankreich 2009 - Originaltitel: Le refuge - Regie: François Ozon - Darsteller: Isabelle Carré, Louis-Ronan Choisy, Pierre Louis-Calixte, Melvil Poupaud, Claire Vernet, Jean-Pierre Andréani, Marie Rivière, Jérôme Kircher - FSK: ab 12 - Länge: 88 min.

Die Filme von François Ozon konnten mich bislang nicht begeistern. Es ist halt genauso wie mit Pedro Almodóvar: man liebt ihn oder man schüttelt sprachlos den Kopf. Den Unterschied in der Qualität machen häufig schneidender Humor und gallige Satire aus. Genau dies findet man in „Le refuge“ (was man durchaus mit Refugium = Zufluchtsort, Ort der Ruhe übersetzen kann) aber ausdrücklich nicht. Ozon bietet dem Zuschauer dafür einen kontemplativen und auch visuell lange nachwirkenden Ort der Ruhe und es schön, dass Almut Steinlein in ihrer empfehlenswerten Kritik (1) darauf hingewiesen hat, dass seit Eric Rohmers Das grüne Leuchten (1986) niemand mehr an der baskischen Atlantikküste gedreht hat.
Ich kann nicht leugnen, dass die ruhige und angenehm sparsame Art, mit der gedreht und geschnitten wurde, bei mir nach anfänglichem Zögern zu einer angenehmen Besinnung geführt hat. In diesem Punkt geht es mir mit „Rückkehr ans Meer“ wie mit den meisten Filmen von Rohmer: man muss sie sich ein wenig erarbeiten und das dauert halt. Allerdings ist bei Rohmer die Rendite größer.

An der schönen Atlantikküste hat Mousse (Isabel Carré) ihr Refugium. Die heroinsüchtige und nunmehr auf Methadon eingestellte junge Frau ist schwanger, hat den Vater des Kindes durch eine Überdosis verloren und wartet nun in einem angelegenen Haus an der Küste auf die Geburt. Zwei Männer treten in ihr Leben: Paul (Louis-Ronan Choisy) , der Bruder ihres toten Geliebten, und Serge (Pierre Louis-Calixte), der im Dorf arbeitet und Mousse mit Lebensmitteln beliefert. Beide Männer sind homosexuell und leben dies mit beiläufiger Selbstverständlichkeit. Kurz vor dem Ende wird Mousse mit Paul schlafen und ganz am Ende, nach der Geburt, wird sie das Haus am Meer verlassen, um wieder leben zu lernen. Das Kind lässt sie bei Paul zurück.

Fast ein wenig Poetischer Realismus
Wie immer bei Ozon steht eine Frau im Zentrum. Mousse ist ein wenig rätselhaft, schweigt gerne, ist aber selbstbewusst und gelegentlich ein wenig unberechenbar. Psychologisch liefert Ozon recht wenig ab, man sieht eigentlich nur ruhige Außenansichten. Im Falle von Mousse ist man daher gut beraten, wenn man mit Elias Canetti die rätselhaft schweigende Schöne betrachtet. Der Philosoph Canetti hat nämlich klugerweise festgestellt, dass der Schweigsame immer so wirkt, als hätte er ein bemerkenswertes Geheimnis zu hüten. Anders gesagt: der letzte Hohlkopf kann durch Schweigen eine Aura des Bedeutungsvollen um sich herum erzeugen. Leider ist es im wirklichen Leben so, dass der Zauber immer dann verfliegt, wenn die Betreffenden den Mund aufmachen.
Im Falle von Mousse ist das nicht ganz so schlimm, aber wirklich Tiefschürfendes hört man auch von ihr nicht. Dafür wirken die Figuren in „Rückkehr ans Meer“ alle irgendwie poetisch veredelt, besonders dann, wenn der pralle Bauch von Mousse immer wieder mit fast mythischer Intensität berührt und gestreichelt, beredet und sogar zum Objekt der sexuellen Begierde wird. Nicht nur warmes Licht umhüllt die Figuren, sondern auch eine angenehme unaggressive Aura und man ist nur allzu gerne bereit, darüber hinwegzusehen, dass Ozon sein Thema sorgfältig vor uns verbirgt und uns dafür einem visuellen Rhythmus der Bilder überlässt, der durchaus seine Reize hat, aber nur bedingt dazu führt, dass man seinen Figuren noch einmal begegnen möchte. Und fast ketzerisch fragt man sich, woher die Helden in Ozons kleinem Universum eigentlich das Geld für ihren erhabenen Lebensstil nehmen. Aber das war jetzt wirklich etwas zynisch.

Empfehlenswerte Kritik:

Noten: Melonie, BigDoc = 3

Fair Game


USA 2010 - Regie: Doug Liman - Darsteller: Naomi Watts, Sean Penn, Sam Shepard, Bruce McGill, David Andrews, Michael Kelly, Noah Emmerich, Brooke Smith, Geoffrey Cantor, Philipp Karner, Kristoffer Ryan Winters - FSK: ab 12 - Länge: 106 min. - Start: 25.11.2010

Was für ein Alptraum: man sitzt mit Freunden in der Küche, es wird politisch und alle lästern kräftig ab. Und natürlich glauben fast jeder, alles besser zu wissen. Selber ist man zum Schweigen gezwungen, obwohl man der Einzige ist, der alle Hintergrundfakten kennt.
Nur darf man nicht darüber reden, denn man ist – Geheimagent!

So funktioniert auch eine Schlüsselszene in Doug Limans „Fair Game“ und sie zeigt den Unterschied zu den peppigen Genreklischees auf: Joe Wilson (Sean Penn) ist ehemaliger US-Diplomat, seine Frau Valerie (Naomi Watts) ist CIA-Agentin und gerade damit beschäftigt herauszufinden, ob Saddam Hussein tatsächlich über Massenvernichtungswaffen verfügt. Den Freunden, die gerade in der heimischen Küche über den irakische Diktator herziehen, darf man als Geheimnisträger aber keine Fakten nennen: das eigene Privatleben ist ein Rollenspiel und man selbst ist ein streng bewachtes Geheimnis, dessen Identität nicht aufgedeckt werden darf.

Realistischer Politthriler
Doug Liman hat mit „The Bourne Identity“ (2002) und „Mr. & Mrs. Smith“ (2005) zwei sehr gegensätzliche Facetten des Agentenfilm-Genres bebildert – den High-Speed-Thriller und die Komödie. Mit „Fair Game“ orientierte sich Liman eher am Politthriller und noch mehr nunmehr an den harten Fakten. Im Mittelpunkt des Films steht Plamegate, jene erstaunliche Affäre, die zwar nicht ganz die Dimensionen von Watergate erreichte, aber immerhin zeigte, mit welcher Brutalität Teile der Bush-Administration mit politischen Gegnern umsprang.
Wir sind im Jahre 2002: Nachdem der Ex-Diplomat Joe Wilson in der New York Times einen kritischen Artikel über die angebliche Beschaffung von Uranoxid („Yellowcake“) durch den Irak veröffentlicht hat, diskreditieren Mitarbeiter aus dem Umfeld des US-Vizepräsidenten Richard Cheneys Wilsons Frau, indem sie deren Identität als CIA-Agentin gegenüber den Medien offenlegen. Über Wilson hat sich bereits der Zorn der Patrioten entladen und nun muss auch Valerie Plame büßen. Sie ist „verbrannt“ und verliert ihren Job.
Indiskretionen wie diese sind in den Staaten ein Straftatbestand und sowohl Wilson als auch seine Frau mussten hart um ihre Rehabilitierung kämpfen, bevor einige Jahre später der Stabschef Cheneys, Lewis Libby, zu 30 Monaten Haft und einer Geldstrafe von 250.000 Dollar verurteilt wurde. Nur wenig später machte George W. Bush von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch und erließ die Haftstrafe.

Liman hat Plamegate in „Fair Game“ minuziös rekonstruiert, das ist die Stärke des Films. Oscar-Preisträger Sean Penn war deshalb sofort bereit, die Rolle Wilsons zu übernehmen, nachdem der echte Joseph Wilson und seine Frau ihm versicherten, dass das Drehbuch von Jez und John-Henry Butterworth faktengetreu bis ins letzte Detail sei. So viel Akribie ist nicht erstaunlich, denn exakte Recherche hat in Hollywood eine (oft unterschätzte) Tradition. Und so spielt „Fair Game“ durchaus in einer Liga mit Alan J. Pakulas „All the President’s Men“, der genreprägend und zudem eine realistische Variante der Paranoia- und Conspiracy-Movies der Siebziger war und das amerikanische Kino dort prägte, wo ein aufklärerischer Impetus angesagt ist.
Dass Filme wir „Fair Game“ nicht unbedingt massentauglich sind, liegt daran, dass die politischen Dimensionen von Affären wie Plamegate jenseits der Großen Teiches nicht immer oder erst viel später erkannt werden. Das gilt auch für einige Hintergrunddetails. Und so fällt es nicht immer leicht, die Protagonisten des Katz und Maus-Spiels im Film auseinanderzuhalten, auch wenn dich die meisten Zuschauer daran erinnern dürften, dass Bush’ Irak-Intervention auf gefakten Dokumenten basierte und eine der größten politischen Lügen der anbrechenden Dekade bleiben wird.
Was einem jedoch wesentlich nachhaltiger den Spaß an „Fair Game“ verdirbt, ist weniger die starke Dialoglastigkeit des Films, sondern die vermeintlich ‚moderne’ und hektische Kameraarbeit, die der Regisseur selbst vorgenommen hat. Das Ergebnis ist eine nicht sonderlich konsistente Montage, die sprunghafter wirkt als der ruhigere und auch erzählerisch expliziter wirkende Film von Pakula, der Robert Redford und Dustin Hoffman berühmt machte.
Ich habe ohnehin den Eindruck, dass sich einige Filmemacher seit geraumer Zeit einen Spaß daraus machen, die bewährten Regeln der Continuity zu konterkarieren, jenes ausgefeilten Regelsystems des Drehens und Schneidens, das nicht nur im US-Kino zu einer professionellen Kunst des Erzählens geführt hat. Eigentlich schade, denn nicht nur der Film, sondern auch der Zuschauer hätte von größerer formaler Sorgfalt nachhaltig profitieren können.

Im Filmclub gab es dennoch ein sehr positives Feedback, nur Melonie wertete den Film aufgrund der hektischen Kameraarbeit ab. Wohl zu recht. Zum Glück, und dies muss nachdrücklich erwähnt werden, liegt die Qualität des Bonusmaterials (gesichtet wurde die DVD-Fassung) doch sehr deutlich über dem gewohnten Niveau und bietet einige zusätzliche Infos, die man sich keineswegs entgehen lassen sollte.

Noten: BigDoc, Klawer, Mr. Mendez = alle 2,5; Melonie = 3