Mittwoch, 4. Mai 2011

Fair Game


USA 2010 - Regie: Doug Liman - Darsteller: Naomi Watts, Sean Penn, Sam Shepard, Bruce McGill, David Andrews, Michael Kelly, Noah Emmerich, Brooke Smith, Geoffrey Cantor, Philipp Karner, Kristoffer Ryan Winters - FSK: ab 12 - Länge: 106 min. - Start: 25.11.2010

Was für ein Alptraum: man sitzt mit Freunden in der Küche, es wird politisch und alle lästern kräftig ab. Und natürlich glauben fast jeder, alles besser zu wissen. Selber ist man zum Schweigen gezwungen, obwohl man der Einzige ist, der alle Hintergrundfakten kennt.
Nur darf man nicht darüber reden, denn man ist – Geheimagent!

So funktioniert auch eine Schlüsselszene in Doug Limans „Fair Game“ und sie zeigt den Unterschied zu den peppigen Genreklischees auf: Joe Wilson (Sean Penn) ist ehemaliger US-Diplomat, seine Frau Valerie (Naomi Watts) ist CIA-Agentin und gerade damit beschäftigt herauszufinden, ob Saddam Hussein tatsächlich über Massenvernichtungswaffen verfügt. Den Freunden, die gerade in der heimischen Küche über den irakische Diktator herziehen, darf man als Geheimnisträger aber keine Fakten nennen: das eigene Privatleben ist ein Rollenspiel und man selbst ist ein streng bewachtes Geheimnis, dessen Identität nicht aufgedeckt werden darf.

Realistischer Politthriler
Doug Liman hat mit „The Bourne Identity“ (2002) und „Mr. & Mrs. Smith“ (2005) zwei sehr gegensätzliche Facetten des Agentenfilm-Genres bebildert – den High-Speed-Thriller und die Komödie. Mit „Fair Game“ orientierte sich Liman eher am Politthriller und noch mehr nunmehr an den harten Fakten. Im Mittelpunkt des Films steht Plamegate, jene erstaunliche Affäre, die zwar nicht ganz die Dimensionen von Watergate erreichte, aber immerhin zeigte, mit welcher Brutalität Teile der Bush-Administration mit politischen Gegnern umsprang.
Wir sind im Jahre 2002: Nachdem der Ex-Diplomat Joe Wilson in der New York Times einen kritischen Artikel über die angebliche Beschaffung von Uranoxid („Yellowcake“) durch den Irak veröffentlicht hat, diskreditieren Mitarbeiter aus dem Umfeld des US-Vizepräsidenten Richard Cheneys Wilsons Frau, indem sie deren Identität als CIA-Agentin gegenüber den Medien offenlegen. Über Wilson hat sich bereits der Zorn der Patrioten entladen und nun muss auch Valerie Plame büßen. Sie ist „verbrannt“ und verliert ihren Job.
Indiskretionen wie diese sind in den Staaten ein Straftatbestand und sowohl Wilson als auch seine Frau mussten hart um ihre Rehabilitierung kämpfen, bevor einige Jahre später der Stabschef Cheneys, Lewis Libby, zu 30 Monaten Haft und einer Geldstrafe von 250.000 Dollar verurteilt wurde. Nur wenig später machte George W. Bush von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch und erließ die Haftstrafe.

Liman hat Plamegate in „Fair Game“ minuziös rekonstruiert, das ist die Stärke des Films. Oscar-Preisträger Sean Penn war deshalb sofort bereit, die Rolle Wilsons zu übernehmen, nachdem der echte Joseph Wilson und seine Frau ihm versicherten, dass das Drehbuch von Jez und John-Henry Butterworth faktengetreu bis ins letzte Detail sei. So viel Akribie ist nicht erstaunlich, denn exakte Recherche hat in Hollywood eine (oft unterschätzte) Tradition. Und so spielt „Fair Game“ durchaus in einer Liga mit Alan J. Pakulas „All the President’s Men“, der genreprägend und zudem eine realistische Variante der Paranoia- und Conspiracy-Movies der Siebziger war und das amerikanische Kino dort prägte, wo ein aufklärerischer Impetus angesagt ist.
Dass Filme wir „Fair Game“ nicht unbedingt massentauglich sind, liegt daran, dass die politischen Dimensionen von Affären wie Plamegate jenseits der Großen Teiches nicht immer oder erst viel später erkannt werden. Das gilt auch für einige Hintergrunddetails. Und so fällt es nicht immer leicht, die Protagonisten des Katz und Maus-Spiels im Film auseinanderzuhalten, auch wenn dich die meisten Zuschauer daran erinnern dürften, dass Bush’ Irak-Intervention auf gefakten Dokumenten basierte und eine der größten politischen Lügen der anbrechenden Dekade bleiben wird.
Was einem jedoch wesentlich nachhaltiger den Spaß an „Fair Game“ verdirbt, ist weniger die starke Dialoglastigkeit des Films, sondern die vermeintlich ‚moderne’ und hektische Kameraarbeit, die der Regisseur selbst vorgenommen hat. Das Ergebnis ist eine nicht sonderlich konsistente Montage, die sprunghafter wirkt als der ruhigere und auch erzählerisch expliziter wirkende Film von Pakula, der Robert Redford und Dustin Hoffman berühmt machte.
Ich habe ohnehin den Eindruck, dass sich einige Filmemacher seit geraumer Zeit einen Spaß daraus machen, die bewährten Regeln der Continuity zu konterkarieren, jenes ausgefeilten Regelsystems des Drehens und Schneidens, das nicht nur im US-Kino zu einer professionellen Kunst des Erzählens geführt hat. Eigentlich schade, denn nicht nur der Film, sondern auch der Zuschauer hätte von größerer formaler Sorgfalt nachhaltig profitieren können.

Im Filmclub gab es dennoch ein sehr positives Feedback, nur Melonie wertete den Film aufgrund der hektischen Kameraarbeit ab. Wohl zu recht. Zum Glück, und dies muss nachdrücklich erwähnt werden, liegt die Qualität des Bonusmaterials (gesichtet wurde die DVD-Fassung) doch sehr deutlich über dem gewohnten Niveau und bietet einige zusätzliche Infos, die man sich keineswegs entgehen lassen sollte.

Noten: BigDoc, Klawer, Mr. Mendez = alle 2,5; Melonie = 3