Mittwoch, 4. Mai 2011

Quick Review: Rückkehr ans Meer

Frankreich 2009 - Originaltitel: Le refuge - Regie: François Ozon - Darsteller: Isabelle Carré, Louis-Ronan Choisy, Pierre Louis-Calixte, Melvil Poupaud, Claire Vernet, Jean-Pierre Andréani, Marie Rivière, Jérôme Kircher - FSK: ab 12 - Länge: 88 min.

Die Filme von François Ozon konnten mich bislang nicht begeistern. Es ist halt genauso wie mit Pedro Almodóvar: man liebt ihn oder man schüttelt sprachlos den Kopf. Den Unterschied in der Qualität machen häufig schneidender Humor und gallige Satire aus. Genau dies findet man in „Le refuge“ (was man durchaus mit Refugium = Zufluchtsort, Ort der Ruhe übersetzen kann) aber ausdrücklich nicht. Ozon bietet dem Zuschauer dafür einen kontemplativen und auch visuell lange nachwirkenden Ort der Ruhe und es schön, dass Almut Steinlein in ihrer empfehlenswerten Kritik (1) darauf hingewiesen hat, dass seit Eric Rohmers Das grüne Leuchten (1986) niemand mehr an der baskischen Atlantikküste gedreht hat.
Ich kann nicht leugnen, dass die ruhige und angenehm sparsame Art, mit der gedreht und geschnitten wurde, bei mir nach anfänglichem Zögern zu einer angenehmen Besinnung geführt hat. In diesem Punkt geht es mir mit „Rückkehr ans Meer“ wie mit den meisten Filmen von Rohmer: man muss sie sich ein wenig erarbeiten und das dauert halt. Allerdings ist bei Rohmer die Rendite größer.

An der schönen Atlantikküste hat Mousse (Isabel Carré) ihr Refugium. Die heroinsüchtige und nunmehr auf Methadon eingestellte junge Frau ist schwanger, hat den Vater des Kindes durch eine Überdosis verloren und wartet nun in einem angelegenen Haus an der Küste auf die Geburt. Zwei Männer treten in ihr Leben: Paul (Louis-Ronan Choisy) , der Bruder ihres toten Geliebten, und Serge (Pierre Louis-Calixte), der im Dorf arbeitet und Mousse mit Lebensmitteln beliefert. Beide Männer sind homosexuell und leben dies mit beiläufiger Selbstverständlichkeit. Kurz vor dem Ende wird Mousse mit Paul schlafen und ganz am Ende, nach der Geburt, wird sie das Haus am Meer verlassen, um wieder leben zu lernen. Das Kind lässt sie bei Paul zurück.

Fast ein wenig Poetischer Realismus
Wie immer bei Ozon steht eine Frau im Zentrum. Mousse ist ein wenig rätselhaft, schweigt gerne, ist aber selbstbewusst und gelegentlich ein wenig unberechenbar. Psychologisch liefert Ozon recht wenig ab, man sieht eigentlich nur ruhige Außenansichten. Im Falle von Mousse ist man daher gut beraten, wenn man mit Elias Canetti die rätselhaft schweigende Schöne betrachtet. Der Philosoph Canetti hat nämlich klugerweise festgestellt, dass der Schweigsame immer so wirkt, als hätte er ein bemerkenswertes Geheimnis zu hüten. Anders gesagt: der letzte Hohlkopf kann durch Schweigen eine Aura des Bedeutungsvollen um sich herum erzeugen. Leider ist es im wirklichen Leben so, dass der Zauber immer dann verfliegt, wenn die Betreffenden den Mund aufmachen.
Im Falle von Mousse ist das nicht ganz so schlimm, aber wirklich Tiefschürfendes hört man auch von ihr nicht. Dafür wirken die Figuren in „Rückkehr ans Meer“ alle irgendwie poetisch veredelt, besonders dann, wenn der pralle Bauch von Mousse immer wieder mit fast mythischer Intensität berührt und gestreichelt, beredet und sogar zum Objekt der sexuellen Begierde wird. Nicht nur warmes Licht umhüllt die Figuren, sondern auch eine angenehme unaggressive Aura und man ist nur allzu gerne bereit, darüber hinwegzusehen, dass Ozon sein Thema sorgfältig vor uns verbirgt und uns dafür einem visuellen Rhythmus der Bilder überlässt, der durchaus seine Reize hat, aber nur bedingt dazu führt, dass man seinen Figuren noch einmal begegnen möchte. Und fast ketzerisch fragt man sich, woher die Helden in Ozons kleinem Universum eigentlich das Geld für ihren erhabenen Lebensstil nehmen. Aber das war jetzt wirklich etwas zynisch.

Empfehlenswerte Kritik:

Noten: Melonie, BigDoc = 3