Dienstag, 6. März 2018

„Bad Banks“ – eine Serie zwischen Koks und Kohle

Wenn nur 20 Prozent von dem stimmen, was Christian Schwochow auf ARTE und im ZDF in seinem Thriller über korrupte Banken zeigt, dann sind wir alle verloren, faktisch regiert von Soziopathen, die sich am Ende nur deshalb retten, weil der deutsche Finanzminister in den finalen Verhandlungen einfach nicht die körperliche Kondition hat, um das Rettungs-Marathon durchzuhalten.

Finanzkrisen sind, so der skrupellose Banker Quirin Sydow (Tobias Moretti), vielleicht erforderlich, um das ‚System‘ widerstandsfähiger zu machen und seine Immunkräfte zu stärken. Sydow ist maßgeblich daran beteiligt, dass die deutsche Global Invest heimlich Schrottpapiere in Milliardenhöhe an eine Tochterbank verscherbelt hat, um die eigenen Bilanzen aufzubrezeln. Sydows selbstkritische und gleichzeitig anmaßende Quintessenz ist Teil seines schriftlichen Testaments, denn eigentlich ist er gerade dabei, sich ein Messer ins Herz zu rammen. Denn gerade ist alles aufgeflogen.


Der Investmentbanker Gabriel Fenger (Barry Atsma) hat mit wilden Spekulationen und Wetten Gewinne in Milliardenhöhe eingefahren, aber die Natur des Geldes hat er nie verstanden. Wo kommt es her, wo geht es hin? Deshalb trägt er ein Halskettchen aus Gold, denn das ist so viel wert, wie das Geld, das er dafür ausgegeben hat. Geld – eine Chimäre? Ein Bluff, der funktioniert, weil alle daran glauben?

Christelle Leblanc (Ex-Kindermoderatorin Désirée Nosbusch) impft der hochtalentierten Strukturiererin Lana Liekam (Paula Beer: Bayerischer Filmpreis für ihre Rolle in „Poll“) gleich zu Anfang ein, dass es in einer Bank allein darum geht, mit allen Mitteln zu überleben und seinen eigenen Vorteil zu suchen. Freundschaft, Loyalität, Vertrauen, Ehrlichkeit und kaufmännische Seriosität sind Atavismen, die sich die Herrscher über die Finanzmärkte dabei nicht leisten können.
Am Ende wird Liekam ihre Lektion gelernt haben. Zusammen mit der deutsch-vietnamesischen Teamkollegin Thao Hoang (Mai Duong Kieu) und ihrem Ex-Kollegen Adam Pohl (Albrecht Schuch) gründet sie einen Pakt fürs Leben. Und das, nachdem Liekam und Pohl gerade eine der größten Finanzkrisen im europäischen Bankenwesen losgetreten haben. Nun wollen sie als Trio miteinander alles tun, um ihren Vorteil zu mehren. Um sich gegenseitig trauen zu können, teilen sie sich tödliche Fakten mit, die sie ins Gefängnis bringen können. Jeder kann den anderen vernichten, das schweißt zusammen. Moral unter Bankern.


Menschen manipulieren, ohne dass diese es merken

„Bad Banks“ wurde zum TV-Ereignis des jungen Fernsehjahres erklärt. Die Kritik reagierte enthusiastisch auf den Sechsteiler. „Bad Banks (demonstriert), wie blendend europäisches Fernsehen aussehen kann, wenn es ganz bei sich bleibt, aber alle mittelmäßige Lustlosigkeit hinter sich lässt“, staunte die FAZ.Und tatsächlich: der Bankenthriller ist atemberaubend spannend. Im Prolog sehen wir bereits das Ende: die Global Invest ist zusammengebrochen, an den Geldautomaten stehen die Menschen Schlange, um ‚ihr‘ Geld abzuheben. Aber dann ist Schluss, die Automaten spucken nichts mehr aus, auf den Straßen herrschen Panik und Gewalt. Ein gewalttätiger Mob taucht aus dem Nichts auf, Autos brennen, es wird geplündert, jeder fällt über den nächsten her.
In der vorletzten Einstellung der Serie stehen Liekam, Pohl und Thao auf dem Dach ihrer Bank und schauen auf die desorientierten Ameisen herab, die unten auf den Straßen wimmeln. Liekam muss lächeln. So sieht die Arroganz der Macht aus.

Zuvor zeigte Christian Schwochow (2013 Grimme-Preis für „Der Turm“) knappe sechs Stunden lang eine wilde Verschwörungsgeschichte, in der es um eine Bankenfusion geht, um die illegale Verschiebung toxischer Papiere, aber auch um das gigantische Städtebauprojekt Leipzig 2025, das seinen nächsten Finanzierungsschub braucht: vier Milliarden Euro benötigt der todkranke OB Peter Schultheiß (Jörg Schüttauf), damit es vor seinem Tod weitergeht. Das ist sein Erbe. Die Global soll es besorgen. „Stuttgart 21“ lässt grüßen.

Die brutalen Intrigen, mit denen die Banker in „Bad Banks“ um Posten und Macht kämpfen, lassen dabei keine Hinterhältigkeit aus. Martin Scorseses „The Wolf of Wall Street“ ist ein handzahmes Lämmchen im Vergleich zu Schwochows Endzeitszenario. Die Broker, Analysten und Strukturierer in dem Finanzthriller zeigt er als Kriminelle, die über Leichen gehen. Sie koksen und saufen, feiern ihre Erfolge mit Edelnutten und Strichern, treffen sich wie Pohl bei organsierten Schägereien, um sich Angst, Erniedrigung und Frust aus der Seele zu prügeln.
Liekam ist mittendrin im europäischen Hustle der Zocker, als sie plötzlich von der Crédit International Financial Group gefeuert wird. Hat sie ihren Chef Luc Jacoby (brachial, narzisstisch, treuherzig: Marc Limpach) vor Kunden bloßgestellt?
Gerade noch ein gefeierter Rookie, steht Liekam vor dem Nichts. Aus diesem Nichts kommt aber auch die rettende Hand, denn ihre alte Chefin
Christelle Leblanc vermittelt sie an die Konkurrenzbank Global Invest. Dort soll sie unter dem neuen Leiter der Investmentabteilung Gabriel Fenger einen Neustart versuchen und sich rehabilitieren. 
Eine menschliche Regung?
Liekam braucht nicht lange, um herauszufinden, dass es Leblanc war, die sie gefeuert hat. In deren Auftrag soll sie nun undercover bei der Global Invest Belastendes gegen Fenger zusammenzutragen. Leblanc, die vor ihrer Karriere für den französischen Nachrichtendienst DGSE Geldwäscher gejagt hat, will nach der Fusion von
International Financial und Global Invest, die bereits heilich vorbereitet wird, Fengers Job, sie will irgendwann in den Vorstand. Und ein bisschen träumt sie auch von sauberen, nachhaltigen Wertpapieren. Dazu muss sie erfolgreich sein in einer Welt, in der alte Männer den Gang der Dinge beherrschen. Sie ist hart, Liekam muss noch härter sein. Sie muss lernen, in dem Spiel aus Erpressung und Gegenerpressung cleverer, brutaler und gewissenloser zu werden als ihre Gegenspielerin. Ein Kampf unter Alpha-Frauen. Im Kern ist das die Story und die Motive der Akteure sind im Kern erschreckend trivial. Visionen? Fehlanzeige. Alle lügen sich in die Tasche.

Opfer und Täter in einem gnadenlosen Getriebe

Paula Beer spielte die junge Strukturiererin umwerfend. Am Anfang kämpft Jana Liekam um Gerechtigkeit und Respekt, sechs Episoden später hat sie sich von diesen Illusionen befreit und weiß, dass sie und ihr Team auch dann gefeuert werden, wenn sie Leipzig 2025 erfolgreich finanzieren. Sie hat zu tief hinter die Kulissen geschaut. Und sie erfährt, dass sie von Anfang an Teil eines perfiden Machtspiels gewesen ist, zu dem auch ihre inszenierte Entlassung gehörte. Danach beschließt sie, die gigantische Blase platzen zu lassen.

Désirée Nosbusch ist ihre Gegenspielerin, aber nolens volens auch ihre Mentorin. In einer von Männern dominierten globalen Finanzwelt beherrscht sie die Kunst, Menschen zu manipulieren, ohne dass diese merken, was überhaupt geschieht. Nosbusch gelingt es erschreckend gut, die eiskalte Machtstrategin zu spielen, bei der jede empathische Regung nur Teil eines ausgeklügelten Konzepts ist. Sie ist der heimliche Star der Miniserie.

Der holländische Schauspieler Barry Atsma spielt den charismatischen Gabriel Fenger, den Guru des Investmentbankings. Fenger treibt als verführerischer Motivator sein Team zu Höchstleistungen an, liquidiert aber schonungslos die allzu Schwachen. Ein gewalttätiger und sexistischer Mann, der von seinen privaten Dämonen getrieben wird und als Einziger die intellektuelle Reflexionsfähigkeit besitzt, um zu durchschauen, dass er zugleich Opfer und Täter in einem gnadenlosen Getriebe ist. Atsma (eine echte Entdeckung) spielt das so faszinierend und menschelnd, dass man Fenger als Zuschauer emotional schnell auf den Leim geht: Ein Mann, der noch einen Rest von Moral zu besitzen scheint. Am Ende wird er sich auf die Seite der Chefetage schlagen. Sehenswert. Aber auch verstörend.

Schwochow nimmt sich in „Bad Banks“ die Zeit, um die soziale Isolation dieser Machtclique zu zeigen, die die Welt beherrschen will. Privat, falls es so etwas gibt, sind sie allesamt kleine Würstchen. Liekam fährt ihre Beziehung vor die Wand, ihr Freund Noah hält ihr völlige seelische Leere vor. Fenger ist traumatisiert vom Tod einer hochtalentierten Kollegin, die er heimlich liebte. Die Vietnamesin Thao ist eine fiese Intrigantin, die verzweifelt um die Liebe und die Anerkennung ihres Vaters kämpft, aber nach einem One-Night-Stand von ihrem angeekelten Lover wie eine heiße Kartoffel fallengelassen wird. Der Rest der Zocker betäubt sich mit Sex, Alkohol und Koks oder hat permanent Angst vor dem Jobverlust. 

Aussteiger gibt es auch, etwa Luc, den Sohn des mächtigen Vorstandsvorsitzenden der Crédit International, Ties Jacoby (Germain Wagner). Luc ist ein „Bullshiter“, der die Fähigkeit besitzt, Kunden den letzten Schrott zu verkaufen. Marc Limpach spielt ihn als skrupellos Besessenen, der tief fällt und danach versucht, ein geläutertes Leben ohne Abzocke zu führen. Am Ende sitzt er wieder im Boot, das permanente Adrenalin beim Zocken und der Kick des Erfolgs haben ihn süchtig gemacht. Die schönsten Szenen von „Bad Banks“ zeigen Luc Jacoby bei der ehrenamtlichen Arbeit für die Verlierer dieser Gesellschaft. In einer Tafel erklärt Luc bei der Essenausgabe
in schönstem Banker-Kauderwelsch den Obdachlosen und Hilfsbedürftigen die Regeln des Spiels. Die schweigen jedoch. Sie wollen nur ihre Suppe.

Hinter jeder Gemeinheit tut sich eine noch fiesere auf

Schwochows Menschenpark in „Bad Banks“, so lautet unübersehbar die Botschaft, lebt in einer Echokammer fernab der Realität. Es sind hochintelligente, schwer gestörte Menschen, offenbar Süchtige, die sich zwar gelegentlich, wenn sie betrunken genug sind, über ihre Motivation austauschen, aber tatsächlich völlig ratlos sind, wenn sie versuchen, sich selbst zu verstehen. Auch Jana Liekam wird am Ende nicht wissen, was sie antreibt. Sie weiß nur eins: sie braucht das.

Auch der Zuschauer müsste eigentlich ratlos sein. „Bad Banks“ scheint kein Klischee auszulassen, um die umfassende Amoralität der globalen Finanzwelt zu illustrieren. Die gewaltigen Erdbeben, die zyklisch die Märkte durchschütteln, sind, so erzählen es Regisseur Christian Schwochow und Drehbuchautor Oliver Kienle, letzten Endes den Narzissten, Soziopathen und Kriminellen zu verdanken, die sich in die Vorstandsetagen der Global Player hochgeputscht haben. Drogen-, alkohol- und sexabhängige Zyniker und Machiavellisten, die sogar Schlägertrupps losschicken, um ihre Feinde zur Räson zu bringen. Und sie wissen alle, dass sie am Ende der Staat mit Steuergeldern retten wird, wenn sie auffliegen. Politiker tauchen in „Bad Banks“ selten auf, die wenigen, die uns Schwochow zeigt, sind ernüchternd. Sie glauben, die Entscheider zu sein – tatsächlich sind sie Staffage, leicht kontrollierbar, im Kern einfach zu dumm.

Christian Schwochow haut in seiner Miniserie also in jede Wunde, bis es weh tut. Als Thriller beherrscht der Regisseur die Regeln des Genres perfekt. Fasziniert schaut man zu, wie sich hinter jeder Gemeinheit eine noch fiesere und niederträchtigere auftut. „Bad Banks“ funktioniert ein wenig wie „Dallas“, aber ohne Glanz. Es ist Nacht, wenn die Kamera über die Skyline Frankfurts schwenkt, viele Szenen spielen in dieser Dunkelheit, in die farblosen Grauzonen der Finanzwelt dringt Sonnenlicht nicht vor. 

Atmosphärisch passend sind auch die eingehenden Anrufe, Videochats und Nachrichten, die pausenlos auf den Smartphones der Mächtigen eintreffen. Die digitale Vernetzung ist total. Man fragt
sich, wie es in der analogen Welt überhaupt möglich gewesen ist, ohne diese Devices auszukommen. Auch damit übertrifft Schwochows Serie die schlimmsten Befürchtungen des Zuschauers. Nun wissen wir es: hochintelligente, gefährliche Wahnsinnige beherrschen die Welt. Und wir alle lassen es zu.

Menschen interessieren sich nicht für Dinge, die sie nicht verstehen

Ist die Welt der Gordon Gekkos und Jordan Belforts in „Bad Banks“ tatsächlich ein Klischee, das die vielen Normalos vor den TV-Geräten mit blankem Horror und saftigen Bildern der amoralischen Dekadenz bedient? Oder bedient Schwochow mit diesen drastischen Bildern den „die da oben“-Reflex der Menschen, die sich inzwischen ungefiltert auf alles einschießen, was fragwürdig ist, aber auch auf das, was schlicht und einfach nicht mehr begriffen wird und daher schlecht sein muss?

„Deutschlandfunk“ hat dazu einen Insider befragt, den Ex-Goldman-Sachs-Manager Thomas Mayer. Der kam zu dem Schluss, das Bad Banks“ einiges richtig wiedergegeben habe, aber die Intrigen der Banker dann doch wohl etwas überzeichnet hat: „Die Serie macht Spaß, (…) der Alltag sieht nicht ganz so wild aus, wie es in dem Film dargestellt wird.“

Was in Cristian Schwochows Film unter die Haut geht, ist aber die Ahnung, dass die Global Player wie Fenger und Leblanc eigentlich weniger interessant sind als das System selbst. Es ist ein von uns geschaffenes Perpetuum mobile. Die globalen Finanzkrisen sind ein Phänomen, aus dem trotzdem nichts gelernt wird.
Das System lässt sich aber nicht psychologisch beschreiben, die Serie versucht es.
Etwas macht „Bad Banks“ trotz seiner inszenatorischen Überspitzungen deutlich – wenn man es sehen will: Es ändert sich nichts. Nicht etwa, weil die Falschen in den Schaltzentren der wahren Macht sitzen, sondern weil das System jederzeit die passenden Nachfolger generiert, wenn einer der Mächtigen abgestürzt ist. Und am Ende, wenn der Crash alle in den Abgrund reißt, retten die Staaten ihre Zocker. Schließlich sind die Banken systemrelevant.

„Wichtige Banker gehen nicht in den Knast“, tröstet Jana Liekam Gabriel Fenger, als dieser begreift, dass er selbst auch über den Tisch gezogen wurde. Fenger erwischt es aber trotzdem. Aber nicht wegen seiner Business-Strategien, sondern weil er Quintin Sydow aus rein privaten, hochemotionalen Gründen zusammengeschlagen hat. Aber auch das war inszeniert, Fenger wurde vom Opfer manipuliert. Er hätte wissen müssen, dass Gefühle in dieser Scheinwelt, die so schrecklich real ist, nur eine Währung sind, die man strategisch einsetzen kann.

Taugt „Bad Banks“ als Kapitalismuskritik? Eher nicht. Menschen interessieren sich nicht für Dinge, die sie nicht verstehen. Oder sie schlagen in Social Media wild um sich und wählen danach garantiert die Falschen. Auch Profi Thomas Mayer weiß dies: „Man würde sich wünschen, dass der Zuschauer mehr darüber erfährt, was da tatsächlich vor sich geht.“


„Bad Banks“ ist mit seinen Buzzwords und wilden Transaktionen aber so unverständlich, dass man nie weiß, wie und warum all dies funktioniert, was virtuell erzeugt und durch die digitalen Netzwerke gejagt wird.

„Aufgabe der Strukturierer ist es, die Down-and -Out-Barrier-Option zu bewerten“, erklärt die Fachliteratur. Aha, das macht Jana Liekam also. Die Fokussierung auf die Menschen, die dieses große Spiel spielen, erzählt „Bad Banks“ immens klug und spannend. Der Sprache des Geldes setzt der Film seine eigene Sprache entgegen. Aber die amüsiert nur und jagt einem auch ab und zu Angst ein. Die Kritik am Bankensystem müsste aber systemisch sein, nicht psychologisch. Dazu müssten wir wohl alle Ökonomie studieren. Tun wir aber nicht. Deshalb sind wir alle verloren.

Bad Banks – Deutschland 2018 – Miniserie: ARTE, ZDF – 6 Episoden – Regie: Christian Schwochow – Buch: Oliver Kienle u.a. – D.: Paula Beer, Désirée Nosbusch, Barry Atsma, Albrecht Schuch, Mai Duong Kieu, Tobias Moretti, Marc Limpach, Germain Wagner, Jörg Schüttauf