Sonntag, 21. April 2019

Star Trek Discovery: Die zweite Staffel brilliert in der ersten Staffelhälfte und ruiniert sich dann selbst

CBS hat das Kunststück fertiggebracht, in der ersten Staffelhälfte fast alles richtig zu machen und ein echtes „Star Trek“-Gefühl zu erzeugen. Einige Episoden waren so gut, dass man das Gefühl hatte, die Serie könne den Spagat hinbekommen: nämlich jene Kultur einzupflegen, die die Trekkies seit Jahrzehnten an das Star Trek-Universum bindet, und den kommerziellen Ansprüchen des Networks zu genügen. Doch am Ende scheiterte STD am Größenwahn.
 

Im Erzählkosmos eines Brannon Braga, der jetzt Mastermind bei „The Orville“ ist, gab es in „Star Trek: The Next Generation“ und „Star Trek: Voyager“ auch groß angelegte Story Arcs (man denke nur an die „Borg“), aber die Serie verlor nur selten das Gefühl für die Figuren und die Logik der Ereignisse. Heute mag das hausbacken wirken, aber noch immer fühlen sich viele Fans in dieser altmodischen, langsamen Welt sehr wohl. 
„Star Trek: Discovery“ blähte dagegen einen vielversprechenden Plot in der zweiten Hälfte zu einer gigantomanischen Erzählblase auf, in der es um nicht weniger als um die Rettung jeglichen Lebens in unserer Galaxis ging. Ging es nicht eine Nummer kleiner?



Writer’s Room, Showrunner und Production Values- und ein roter Engel

Nein, auch eine schier unbezwingbare KI musste besiegt werden. Mr. Spock (Ethan Peck mit Vollbart) wurde nach langem Vorlauf eingeführt, Paul Stamets (Anthony Rapp) Sporenantrieb durfte erneut Kunststücke im Raum vorführen. Und als würde das nicht reichen, jumpte ein roter Engel in einer zunehmend unübersichtlich werdenden Handlung durch die Zeit. Mal in die Zukunft, mal in die Vergangenheit.
Das Staffelfinale endete dann mit einer größenwahnsinnigen Raumschlacht, die mehr mit „Star Wars“ und „Battlestar Galactica“ zu tun hatte und alles andere als episch war. Man wusste zwar, wer da auf wen schoss, man sah es in dem Getümmel Abertausender Drohnen und sonstigen Flugapparate nicht. Und schließlich tauchten auch noch die Klingonen auf, um in dieser finalen Schlacht die Galaxis zu retten. Wer dabei die Schilde fallen ließ, war allerdings tot. Trotzdem wurde gebeamt, wenn die Autoren es für erforderlich hielten. Erstaunliche Logiklöcher, aber das Tempo raste an ihnen vorbei. Und am Ende musste der digitale Schurke trotz des ganzen Bombast wie im klassischen Western in einer Prügelei zur Strecke gebracht werden.


Die CBS-All-Access-Serie, auf die Netflix exklusiven Zugriff hat, boomte trotzdem oder gerade deswegen wie nie zuvor. Streaming-Anbieter hüten ihre Abrufzahlen, aber nach Messung von Goldmedia erreichte die Serie mit den ersten Episoden der neuen Staffel Spitzenwerte von über 8 Millionen Zuschauer. Das hatte drei Gründe: Writer’s Room, Showrunner und Production Values.

Im Writer’s Room wurde zunächst gute Arbeit geleistet. In der ersten Episode „Brother“ werden die Weichen auf der „Discovery“ neu gestellt: mit Captain Christopher Pike (Anson Mount) übernimmt ein neuer Leader das Kommando auf der Discovery, eine Figur, die seit der klassischen Serie im Star Trek-Universum gut bekannt ist. Pikes eigenes Schiff, die USS Enterprise, wurde während der Suche nach sieben mysteriösen Signalen beschädigt. Die roten Energiequellen tauchten plötzlich in der gesamten Galaxis auf und Pike benötigt nun ein funktionsfähiges Schiff, um dem Rätsel auf den Grund zu gehen. Gleichzeitig erfährt Michael Burnham (Sonequa Martin-Green), dass ihr Halbbruder Spock zu Pikes Crew gehört, nun aber verschwunden ist. Als Burnham dann auf einem Asteroiden einem schemenhaften roten Engel begegnet, ist die Konfusion komplett.

Die beiden Showrunner Gretchen J. Berg und Aaron Harberts hatten mit Ted Sullivan das Script geschrieben, Executive Producer Alex Kurtzman führte höchstpersönlich Regie. „Brother“ war ein gelungener Staffelauftakt mit einem charismatischen neuen Captain. Das versprach einiges.
Nach dem actionreichen Staffelauftakt traten die Macher auf die Bremse und erzählten mit „New Eden“ eine Old School-Geschichte (Regie: TNG Alt-Star Jonathan Frakes), wie wir sie schon etliche Male in der Classic Series oder in TNG gesehen haben: auf der Suche nach den mysteriösen Energiequellen stößt die Besatzung auf eine Prä-Warp-Zivilisation - mit Menschen! Und wieder hatte der „Red Angel“ etwas mit dieser rätselhaften Kolonie zu tun.
Also ein klassisches Procedural mit einem Metaplot, in der natürlich wieder einmal die 1. Direktive alle praktischen Lösungsversuche der Crew durchkreuzt, bis man ein Kompromiss findet. Die Macher versuchten erst gar nicht, das bekannte Schema zu durchbrechen, sondern variierten den an sich ausgeleierten Plot „Crew muss sich mit Prä-Warp-Zivilisation auseinandersetzen“ mit einigen schlüssigen Einfällen und erzählten dabei so straight wie in den klassischen Serien. Alles wurde vorzüglich gefilmt wurde und die Effekte zeigten dezent, aber visuell äußerst eindrucksvoll, was heute technisch möglich ist.

Was an der 2. Staffel also von Beginn an auffiel, war eben dieser gelungene Erzählstil, der ein angenehmes „Star Tek“-Feeling auslöste. So ging es weiter. Die Handlung der nächsten Episoden wurde dann vom Thema „Auf der Suche nach Mr. Spock“ dominiert, denn dessen Verschwinden hatte ebenfalls etwas mit dem „Red Angel“ zu tun. Der war ihm in Visionen bereits seit frühester Kundheit begegnet.
Dann erschien eine geheimnisvolle Sphäre, die das gesamte Wissen des Universums bewahrte (ja, langsam fingen sie an, die super, super Superlative) und der
„Discovery“ den Wissensschatz vor ihrem Ableben überließ. Noch immer funktionierte der Plot, die Serie behielt ihren guten Rhythmus und investierte Zeit für die Entwicklung der Figuren. Und dann gab es auch noch mit dem Hinweis auf Talos IV ein Schmankerl aus uralten Zeiten. Den Trekkies dürfte dies gut gefallen haben.

Man hatte anfänglich also ein gutes Gefühl. Die Serie schien anders zu funktionieren als in der ersten Staffel. Im Writer’s Room war man nach der 1. Staffel, die eher an Military Sci-Fi erinnerte, moderat zu den traditionellen Erzählmustern zurückgekehrt. Es gab zwar keine klassischen Procedurals, aber
viele abgeschlossenen Handlungselemente in den Episoden. „Star Trek: Discovery“ blieb zwar eine horizontal erzählte Serie, aber mit starker Anlehnung an das Erfolgsrezept der Vorgängerserien. Sogar die üblichen Nebenhandlungen mit ihren Sidekicks funktionierten wie früher, also mit Charme und Humor. Also Back to the roots. Das galt auch für die Production Values. STD erzeugte mit seinem Budget in dieser Phase tatsächlich einen nachhaltigen Mehrwert. Visuell ist die Serie ein Kracher - eben nicht nur CGI-technisch, sondern auch dank der Settings und einer exzellenten Kamera- und Montagequalität. Um Mr. Spock zu zitieren: „faszinierend“.

Dann kam der Bruch. Um dem auf den Grund zu gehen, begeben wir uns auf eine Zeitreise. Im Juni 2018 wurden Gretchen J. Berg und Aaron Harberts als Showrunner gefeuert. 



„Everything sounds cooler when you put time in front of it“

Vor gut einem Jahr spekulierte „The Hollywood Reporter“ über die Hintergründe. Offenbar war es nicht die Qualität der Arbeit, die zum Bruch führte, sondern Vorfälle, die das Teamworking im Writer’s Room belastet hatten. Einige Autoren wollten aufgrund verschiedener Ausraster angeblich nicht mehr mit Berg und Harbarts zusammenarbeiten. Man munkelte, dass die Budgets überzogen wurden. Wie auch immer: Alan Kurtzman übernahm mitten in der Produktion nach Episode 6 die Geschäfte als Showrunner.

Hatte die Veränderung der Tonalität in den folgenden Episoden etwas damit zu tun, dass nach Bryan Fuller zum zweiten Mal die Showrunner der CBS-Serie ihre Arbeit nicht zu Ende bringen konnten? Das ist schwer zu sagen. Klar ist nur, dass bereits vor Beginn der Produktion der Hauptplot und die einzelnen Episoden minuziös geplant werden müssen. Ob Alan Kurtzman etwas an den Scripts änderte, ist nicht bekannt. Was bekannt ist: Kurtzman ist nicht gerade ein Fan subtiler Charakterstudien, sondern will hauptsächlich jene Zuschauer ansprechen, die es nicht so kompliziert mögen. Anders formuliert: bei Kurtzman muss es krachen und explodieren. So kam es dann auch, obwohl Kurtzman sich in zahlreichen Interviews als einfühlsamer Star Trek-Kenner mit eigenständiger Meinung präsentierte (
I always think of Galaxy Quest as one of the best Star Trek-Films ever, because it was an absolute love letter.“)
Trotzdem: Irgendwann schien es nur noch darum zu gehen, spektakulären Erzählstoff zu generieren und das Tempo anzuziehen. Der Plot
wurde noch komplexer, als der Hauptschurke auf den Plan trat. Zunächst wurde die Basis der berüchtigten Section 31 mitsamt der Starfleet-KI namens Control von einer Sonde gehackt. Eine böse KI aus der Zukunft verfolgte den Plan, mithilfe von Control an das Wissen der Sphäre heranzukommen, um ein eigenes Bewusstsein zu generieren. Ihr Plan: sämtliches Leben in der Galaxis auszulöschen.
Was sonst?
Man begann zu ahnen, dass der Rote Engel womöglich ein Zeitreisender ist, der offenbar diese große Apokalypse zu verhindern versucht. Auch Spock, von Starfleet und Section 31 wegen angeblicher Morde verfolgt, wurde gefunden. An
Ethan Peck musste man sich gewöhnen, an Leonard Nimoy erinnerte nur wenig. Spock stand in der Classic Series schon einmal an der Schwelle zum Wahnsinn, blieb aber ansonsten der coole Logiker. In STD ist der junge Spock weit davon entfernt. Die Visionen, in denen er den Roten Engel sieht, sorgen beinahe für seinen Zusammenbruch. Wenigstens kann er in Episode 8 „If Memory Serves“ von den Talosianern per telepathischer Psychoanalyse geheilt werden.

In der nun immer komplizierter werdenden Handlung musste die „Discovery“ die Flucht antreten. Nicht nur, um Spock vor der Section 31 zu retten, sondern auch gejagt von der KI Control, die - kontrolliert von einem Virus aus der Zukunft – nicht nur Teile von Starfleet, sondern auch Section 31 inzwischen vollständig beherrschte und ganz zwanglos von menschlichen Wirtskörpern Besitz ergreifen konnte. Ohne zu viel zu verraten: Die Zeilinien kreuzten sich, das narrative Netzwerk begann sich zu verzetteln. Im großen Staffelfinale sollte die Apokalypse dann auf die harte Tour verhindert werden: als letzter Ausweg musste die Discovery durch ein Wurmloch in die Zukunft befördert werden, wo sie Control nicht mehr erreichen könnte.

Das war schon recht viel für die zweite Staffelhälfte, in die schließlich auch noch die obligatorischen Sub-Plots abgearbeitet werden mussten: die emotional kritische Beziehung zwischen Michael Burnham und ihrem Halbbruder Spock, die weit in ihre Kindheit auf Vulkan zurückreicht, kleinere Geschichten um Saru (Doug Jones) und Tilly (Mary Wiseman), die Beziehungskrise zwischen Paul Stamets und seinem Lover Hugh Culber (Wilson Cruz), der zuvor aus dem Reich der Toten (!) zurückgeholt werden konnte.
Und dann war da auch noch das Spiegel-Ich von Philippa Georgiu (Michelle Yeoh), die ebenso wie Ash Tyler für Section 31 arbeitete. Ganz nicht zu reden von den Komplikationen, die Ash aka Voq (Shazad Latif) mit seiner Ex, der klingonischen Herrscherin L’Rell (Mary Chieffo), aufbröseln musste. Und dann gab es noch durchaus interessante Nebenfiguren wie die von Tig Notora faszinierend gespielt Starfleet-Ingenieurin Jet Reno – alles Stoff genau für eine doppelte Anzahl von Episoden.

Ich bin ganz ehrlich: langsam ging das Interesse an diesen hyper-angestrengten Handlungsvolten verloren. Es wurde einfach zu viel. Gut, „Star Trek: Discovery“ sah blendend aus und man konnte in jeder Folge erkennen, wie viel Geld CBS in die Premiumserie gesteckt hatte. Aber man erkannte auch den Druck, den die Macher offenbar aushalten mussten. Scheitern war ein No-Go. Also wurde alles immer schneller, immer gigantischer. Und das Schlimmste an der Sache war, dass alles, was in der ersten Staffelhälfte so wundersam gut funktionierte, an drei elementaren Fehlern zugrunde ging:

1. Überflüssige Zeitreisen. Ich mag sie nicht. Science-Fiction sollte sich auch in einer Unterhaltungsserien an essentiellen Kenntnissen der Physik orientieren, sonst verliert „Science“ seine Bedeutung. An den Warp-Antrieb hatte man sich gewöhnt, aber wenigstens wurden all die anderen Gimmicks wie Tricorder, Kommunikatoren und Tablets von der Wirklichkeit überholt. Aber Zeitreisen gibt es nun mal nicht – abgesehen vom Phänomen der Einsteinschen Zeitdilatation. Und selbst die ist halt nur mathematisch beschreibbar, aber physikalisch nicht machbar. Es sei denn, man schafft es irgendwann, mit 99% der Lichtgeschwindigkeit zu reisen.
Zeitreisen haben im Star Trek-Universum nur selten gut funktioniert. Heute wirken die Time Travels aus der Classic Series mit ihren Abstechern ins Mittelalter oder in eine Westernstadt eher albern, später haben sie aus dem Ende von The Next Generation ein Rätsel gemacht und einem gelegentlich den Spaß an
Star Trek: Enterprise“ verdorben. Über 40-mal wurde in den Serien durch die Zeit gereist, von den temporalen Anomalien soll erst gar nicht geredet werden. Selten wurden die Paradoxien der Zeitreisen befriedigend gelöst. Auch nicht mit Begriffen wie Mehrphasentemporalkonvergenz. Und auch wenn dieser Topos die Macher immer wieder magisch anzieht: Time Travelling ist ein Ausdruck des fehlenden Vertrauens in eine gute Geschichte. Und eben nicht cool!

2. Halbherzige Erzählkultur. Star Trek bestand überwiegend aus einem Erzählkosmos, in dem es in der Tradition von Gene Roddenberry um die Utopie einer humanistischen Gesellschaft ging, um Menschen und Werte. Vielleicht war dies gelegentlich etwas eindimensional und nie frei von pathetischen Klischees, aber man hatte immer ein sehr großes Interesse an den Figuren, die ziemlich glaubwürdige Konflikte durchleben mussten. Sie mussten Fragen unserer Gegenwart in den Konflikten ihrer Zeit erleben und beantworten – das war witzig, stimmte aber auch sehr nachdenklich. Ein Androide wie Data zeigte dabei, dass eine KI ohne Emotionen kein Mensch werden und dennoch einen bewundernswerten Charakter besitzen kann. Trekkies haben dies sehr gut verstanden – deshalb auch der ewige Streit um den Kanon. „Star Trek: Discovery“ bekam dies in der ersten Staffelhälfte ziemlich ordentlich hin, danach wurde es immer belangloser. Auch die KI.

3. Gigantismus. Serien sind nicht mehr der kleine Bruder des Kinos. Sie sind Investments, die sich mittlerweile an den Franchise-Formaten orientieren, die im Moment das Blockbuster-Kino dominieren. Serien sollen Gewinne einfahren, folglich soll auch Star Trek aussehen wie großes Kino. Visuell funktionierte dies in
„Star Trek: Discovery“, aber der Mut zur guten Geschichte ging dabei verloren. Das ist ein Dilemma: abgesehen von Marvel funktionieren die Geschichten auch im Blockbuster-Kino nicht mehr, weil die Filmindustrie per se nicht experimentiert. Man greift zu Topoi, die strunzlangweilig sind, sich aber bewährt haben. Dies führt zu Endlosschleifen wie im „Star Wars“-Franchise. Ändern wird sich das nicht, solange das Rezept an der Kasse aufgeht. 

Auch die Künstliche Intelligenz, die sich die Macher von STD nur als böse vorstellen konnten und die jegliches Leben auslöschen will (wozu eigentlich?), ist  phantasielos und
strunzlangweilig. Dutzendfach gesehen und mutlos. Und zumindest in unserer Zeit ein schlechter Scherz angesichts der Algorithmen, die erbärmlich lausig funktionieren, wie es YouTube neulich bei den Berichten über den Brand von Notre Dame unter Beweis stellte.

Fehlende Phantasie ist trostlos. Mutlos orientiert man sich am Verbrauchten. Die Verantwortlichen übersehen dabei im erbitterten Konkurrenzkampf der Streaming-Anbieter, dass man auf lange Sicht besser fährt, wenn man an Qualität glaubt, andere Akzente setzt als das Blockbuster-Kino und nicht in den Rausch der Gigantomanie verfällt. Was hilft es, wenn eine Serie eine Raumschlacht inszeniert, die kinoreif ist, man aber über dreißig Minuten lang überwiegend Kampfdrohnen auf andere Kampfdrohnen schießen sieht? Nur wenig. Es ist einfach nur langweilig.



Visionen und verpasste Chancen

Nun, Bryan Fuller hatte die interessante Vision von „Star Trek“ als einer Anthologieserie, in der die „Discovery“ zunächst ein Prequel der Kirk-Spock-Ära gewesen wäre, dann in die Zeit der Classic-Serie springen würde, danach in die von The Next Generation, Deep Space Nine und Voyager. Und schließlich in eine Zeit, die man bislang noch nicht gesehen hat.
Ob Fuller dies besser hinbekommen hätte als Kurtzman? Wir werden es nicht erfahren. Der umtriebige Querdenker hätte aber seine Stärken eingebracht, und dazu gehörte eben auch sein Interesse an den emotionalen Qualitäten der Figuren.

Was kommt nun? Offenbar denkt Alex Kurtzman daran, einen Teil von Fullers Ideen umzusetzen. Indem die „Discovery“ in den letzten Folge 950 Jahre nicht nur in die Zukunft katapultiert wird, sondern dadurch auch eine neue Zeitlinie entsteht, glaubt der neue Showrunner damit wie J.J. Abrams im Kino-Franchise den Stein der Weisen entdeckt zu haben:
We're are now completely free of canon, and we have a whole new universe to explore." Eine interessante Umdeutung. Die Gefahr eines Prequels besteht ja darin, dass man darauf achten muss, dass nichts gezeigt wird, was nicht zur bekannten Zukunft passt. Aber der Kanon ist mehr als die Abfolge der Ereignisse in der Zeitlinie des Star Trek-Universums. Die Essenz der Serie wird man auch in 950 Jahren nicht los.

Kurtzman scheint immerhin die Probleme dieser Strategie erkannt zu haben. Da alles, was wir bislang im Prequel gesehen haben, massive Verwerfungen in der Zeitlinie ausgelöst hat, wurde eine Radikalkur verordnet: Pike, Spock und Co. verpflichten sich wie auch die restliche Crew, dass nie wieder über die
„Discovery“, den Sporenantrieb und auch nicht über Michael Burnham geredet werden darf. Das erklärt, warum in den älteren Serien das Wissen über diese Vorgänge komplett verschwunden ist. So einfach ist das. Man schreibt es einfach ins Script.
Wohin die Reise geht, ist unklar. Das Franchise scheint darauf hinauszulaufen, dass es womöglich eine eigene Serie für Captain Pike und die USS Enterprise geben soll. Ob die dann wenigstens beim Feierabendbier über ihre Erlebnisse reden dürfen?
Fest eingeplant ist die Rückkehr von Patrick Stewart als Jean-Luc Picard. Und vielleicht gibt es auch eine eigene Serie über die Sektion 31. „Star Trek“ soll dann an 365 Tagen zu sehen sein. Gigantismus.

Fazit: Die zweite Staffel ist visuell prächtig, in der ersten Halbzeit wird auf hohem Niveau erzählt, streckenweise besser als je zuvor. Dann folgt ein merkwürdiger Bruch, die Serie übernimmt sich: eine verpasste Chance. Schade.
 

Note: BigDoc = 3,5