Mittwoch, 24. Mai 2017

Alien: Covenant

Fünf Jahre hat Ridley Scott gewartet, um das Alien-Franchise nach dem umstrittenen Prequel „Prometheus“ fortzusetzen. Nun hat er es getan und dem Affen Zucker gegeben. Jene, für die in „Prometheus“ zu viel gelabert wurde, dürften nun sabbersatt das Kino verlassen. Sie wurden mit der erhofften Metzelei bedient. „Alien: Covenant“ ist ein unerhört schlechter Film.

Dabei fängt alles noch vielversprechend an. Im Prolog des Films spielt David (Michael Fassbender), der Android, der sich in „Prometheus“ noch an Peter O’Toole ergötzte, seinem Schöpfer Peter Weyland (Guy Pearce) in einem schnellweißen, lichtdurchfluteten Raum einige Takte Wagner vor. Auf dem Klavier, was doch einigermaßen ernüchternd viel zu wenig vom orchestralen Pomp Wagners erkennen lässt. In dem folgenden Gespräch wird deutlich, dass David ernste Zweifel an Weylands superiorer Rolle hat. Wer ihn denn geschaffen hat, fragt der Android listig, daran erinnernd, dass er selbst unvergänglich ist, Weyland jedoch sterblich sei. Eine Antwort wird ihm verwehrt, stattdessen verlangt Weyland, dass David ihm den Tee anreicht. Am Ende des Films wird David dann „Mutter“, den entzückenden Bordcomputer der Covenant (und später auch der Nostromo), bitten, ihm den
Einzug der Götter in Walhall“ aus dem Rheingold vorzuspielen – er hat gewonnen.

„Beschreitet kühn ihren schrecklosen Pfad“

Die im Rheingold besungene Brücke, die man leichten Fußes beschreiten soll, gibt es in Ridley Scotts Film tatsächlich, aber schrecklos ist der Pfad nicht. Denn wenn die Menschen, also die, die noch Leben sind, und der Android sich auf einem namenlosen Planeten dem neuen Wohnsitz Davids nähern, waten sie durch bergweise gestapelte Leichen. Es sind die geheimnisvollen Konstrukteure. In einem Akt von gigantomanischem Genozid hat David eine ganze Zivilisation hingemeuchelt (übrigens aus unbekannt bleibenden Motiven auch seine Lebensretterin Elisabeth Shaw, aber Noomi Rapace war sowieso nicht gecastet worden). Er hat die den Menschen zugedachte Büchse der Pandora geöffnet. Damit erledigen die maßlos inkompetenten Drehbuchautoren John Logan und Dante Harper wortwörtlich im Vorbeigehen das große Geheimnis von „Prometheus“. So geht’s halt auch.

Vorangegangen ist eine halbe Stunde Film, die noch einigermaßen funktioniert. Im Jahre 2014 fliegt das Raumschiff Covenant in Richtung Origae-6, einen Exoplaneten, der kolonisiert werden soll. Ein Neutrinosturm bringt das Schiff in Bedrängnis, die Besatzung wird zu früh aus der Stasis geweckt. Der Kapitän der Covenant verbrennt in der Tiefschlafkammer. Da will nun natürlich keiner mehr rein, immerhin wären sieben weitere Jahre für die Reise nach
Origae-6 fällig, aber zum Glück empfängt man einen John Denver-Song von einem nahegelegenen Planeten, der optimale Lebensdingungen zu bieten hat. Obwohl die Terraforming-Expertin des Schiffs, Daniels Branson (Katherine Waterson), entschieden davor warnt, beschließt der neue Kapitän Christopher Oram (Billy Crudup), das vermeintlich paradiesische Eiland im All anzusteuern.
Wir ahnen es: Es ist der Anfang vom Ende.


Honks im Weltall

In „Prometheus“ hatte man gelernt: Man setzt auf einem fremden Planeten nicht den Helm ab. Behält man ihn auf dem Kopf, dann hilft es auch nicht immer. In „Alien: Covenant“ stapfen alle mit einer kindischen Ich-bin-auf-einem-fremden-Planeten-und-trete-auf-unbekannte-Pilze-Attitüde durchs hohe Gras und entdecken, dass dort jemand Weizen angebaut hat. Klar, sie sind neugierig, wer denn nun diesen John Denver-Song gespielt hat, aber bevor sie die Quelle des Signals gefunden haben, sind bereits zwei Crewmitglieder infiziert und werden zur Wirtskörpern einiger ganz und gar nicht friedlichen Neomorphs. Der Rest ist bekannt, wir haben ihn im Wesentlichen in Ridley Scotts erstem Alien-Film gesehen.

Dass Michael Fassbender in „Alien: Covenant“ in einer Doppelrolle zu sehen ist, hat einen gewissen Reiz. Er spielt David, von dessen spielerischer Grazie aus „Prometheus“ nicht viel übrig geblieben ist, und er spielt auch Walter, den neuen Androiden an Bord der Covenant. Der ist das, was nach einem umfangreichen Downgrading vom großen Vorgänger übrig geblieben ist. Etwas phantasielos, ohne intellektuelle Höhenflüge, eher ein Pflichtmensch. Aber dieser Begriff ist dann doch etwas unpassend.
In feinster Dr. Jekyll & Mr. Hyde-Tradition trifft also eine gezähmte Version Davids auf einen schöpferischen Geist, der leider selbstständig denken kann und nun meint, dass er den Menschen nicht mehr viel schuldet. Schon sein Schöpfer Peter Weyland hat sich nicht als würdig erwiesen, warum soll er dem Rest der Spezies Beachtung schenken?

Schenken kann man sich dann auch den Rest des Films. Der ist ein Hybrid aus „Zehn kleine Negerlein“ und „Frankenstein“. Die Landungscrew wird der Reihe nach dezimiert und David ist der Mad Scientist, der nicht an einem Homunculus herumbastelt, sondern an einer perfekten Lebensform, offenbar fasziniert von der Vorstellung, dass der kalte Kosmos außer ihm noch weitere perfekte Kreaturen benötigt. Und so wird dann für den Rest der bildungsbürgerlich geschulten Kinogänger auch noch Percy Shelleys Sonett „Ozymandias“ zitiert: „My Name ist Ozymandias, king of kings – Look on my works, ye Mighty, and despair!“
Aber dieses Gedicht ist keine Apotheose, die David auf sich beziehen kann, sondern Ausdruck der Verzweifelung darüber, dass auch das Großartigste, das man erschaffen kann, irgendwann zu Staub zerfällt. Mag sein, dass David da einiges falsch verstanden hat, immerhin muss ihn Walter darüber belehren, dass nicht George Gordon Byron der Verfasser ist, sondern der Gatte jener Mary Shelley, die „Frankenstein or: The New Prometheus“ erschaffen hat.

Auch wenn über Lord Byron und Shelley gesprochen wird, was cinephobe Kinogänger wohl erneut auf die Palme bringen wird, ist der Rest purer Body Horror und Metzelei. Der Höhepunkt ist die Geburt des Xenomorph, wie ihn einige Jahre später die wehrhafte Sigourney Weaver auf der Nostromus kennenlernen wird und Ridley Scott, der in einem Interview mit Yahoo! freimütig eingeräumt hat, dass er seine Fans unterschätzt hat, zeigt ihnen nun ausgiebig, was sie sich gewünscht haben: Blut, Sabber, Gedärm, abgerissene Köpfe – und das Monster, den Xenomorph. Ausführlich, aus jedem nur denkbaren Winkel, wohl wissend – und Scott ist beleibe alles andere als ein Dummkopf – dass Monster, die man sieht, keinen Schrecken verbreiten.


Honks im Kino

Nun war „Prometheus“ kein perfekter, aber ein guter Film. Wer ihn sich heute genau anschaut, wird feststellen, dass er keineswegs mit prätentiösen Dialogen und „Gesabbel“ abgefüllt wurde, sondern einfach nur zeigen wollte, dass wir draußen im All nicht Spuren eines freundlichen Intelligent Design finden werden, sondern eine mysteriöse Alien-Rasse, die sich zwar daran versuchte, dann aber aus unbekannten Gründen beschloss, eine ihrer Schöpfungen auszuradieren. Die gentechnologischen Mittel dazu hatte ihr eine kalte, auf Effizienz getrimmte Natur in die Hände gespielt.
 

Dass sich „Prometheus“ beim ersten Mal nicht als kohärent erzählter Film präsentierte, lag aber nicht daran, dass sich einige Protagonisten auf dem fremden Planeten ziemlich dämlich anstellten und sich die Fans in Scharen daüber aufregten. Das tun die Figuren in Covenant auch, Scott hat daran nichts das Geringste geändert.
Vielmehr wurde nach Erscheinen der DVD- und Bluray-Editions ziemlich schnell klar, dass das Hickhack mit dem Studio und die daraus resultierenden brutalen Kürzungen die Kinofassung doch martialisch verstümmelt hatten. Die entfernte halbe Stunde tauchte im Bonusmaterial auf und ernüchtert stellte man fest, dass die Deleted Scenes in einem erheblichen Umfang zu einer verständlicheren Erzählung beigetragen hätten.
Dies bleibt jedoch ein Konjunktiv.
„Alien: Covenant“ droht möglicherweise auch eine systematische Vernebelung. Der von 20th Century Fox veröffentlichte Kurzfilm „The Crossing“ bestand im Wesentlichen aus Fake News und die Hoffnung, dass die großen mythologischen Fragen aus „Prometheus“ in Covenant beantwortet werden, entpuppte sich schnell als Schall und Rauch. Vielleicht geschieht dies ja erneut im Bonusmaterial.

Dankenswert ist, dass Sidney Schering in seiner Kritik auf Quotenmeter noch einmal darauf hingewiesen hat, dass Ridley Scott offenbar eingeknickt ist. Ein Teil des Publikums war von „Prometheus“ und dessen vermeintlich pseudo-philosophischem Gesabbel so frustriert worden, dass es in Foren weltweit seinen Unmut äußerte und wieder mehr Alien-Splatter sehen wollte. 
„Wow, OK, I'm wrong", resümierte Ridley Scott im Interview mit Yahoo. Nun hat er geliefert und mit einem (diesmal tatsächlich) hohlen und uninspirierten Film der Alien-Saga den Gnadenschuss verpasst. Die Fans wird’s nicht stören, auch das Franchise wird weitergehen, und so bestätigte sich Sidney Scherings Verriss im hauseigenen Forum. Dort schrieb ein Fan begeistert: „Jetzt ist das Alien-Franchise wieder da, wo es hingehört! Effekte vom Feinsten, Action on mass und Aliens wie wir sie sehen wollen. Kompromisslos, Blutig, Brutal!“ 

Selten genug, dass ein Kritiker so schnell und umfassend Recht bekommt.
 

Note: BigDoc = 5

Alien: Covenant - Regie: Ridley Scott - Drehbuch: John Logan, Dante Harper - Darsteller: Michael Fassbender, Katherine Waterston, Billy Crudup, Danny McBride, Carmen Ejogo, Demián Bichir - Laufzeit: 123 Minuten - FSK: ab 16 Jahren