Mittwoch, 17. Mai 2017

Café Society

Nur 90 Minuten braucht Woody Allen, um mit dem Glamour Hollywoods aufzuräumen. Er schickt Jesse Eisenberg ganz einfach in die 1930er Jahre zurück. Der spielt Bobby Dorfman, den jüngsten Sohn eines jüdischen New Yorker Juwelier, der nicht in das Geschäft seines Vater einsteigen will, sondern viel lieber in der Filmmetropole Karriere machen möchte. Irgendwie gelingt dies nicht, dann doch ein wenig und zurück bleiben gebrochene Herzen. „Café Society“ ist nicht nur eine routinierte Satire, sondern auch ein eleganter Täuschungsversuch.

Woody Allens Film, mit dem im letzten Jahr die Internationalen Filmfestspiele von Cannes eröffnet wurden, erzählt von einer klassischen ménage à trois. Bobby Dorfman zieht es nach Los Angeles, wo sein Onkel Phil Stern (aalglatt: Steve Carrell) eine erfolgreiche Casting-Agentur leitet. Der will zunächst nichts mit seinem Neffen zu tun haben, verschafft ihm dann aber einen Phantom-Job und schickt ihn mit seiner Sekretärin Vonnie (Kristin Stewart) auf eine Who-is-who-Tour durch Hollywood, wo der junge Mann die Schickeria der Filmindustrie kennenlernen soll. Natürlich verliebt sich der von Jesse Eisenberg mit naivem, aber zupackenden Charme gespielte Novize in die hübsche Begleiterin. Die aber ist heimlich liiert mit ihrem Chef, sodass Onkel und Neffe alsbald um die Gunst Vonnies buhlen.


Im Off kommentiert Woody Allen die Geschichte höchstpersönlich mit der gebührenden Lakonie. Das hat Witz, ist aber auch praktisch. Allen kann auf diese Weise das Tempo des Films vorantreiben und disparate Handlungselemente lässig und auf beiläufige Weise verbinden, ohne bei seinen narrativen Arrangements zu viel Aufwand treiben zu müssen.
Ein Film im Schnelldurchlauf.


Auf dieser Weise lernt der Zuschauer en passant auch die skurrilen Mitglieder der weit verzweigten Familie Dorfman kennen, zu der auch Ben Dorfman (Carey Stoll, bekannt aus der TV-Serie „The Strain“) gehört. Dessen Skurrilität hält sich allerdings in Grenzen, denn Ben ist zwar ein ausgesprochener Familienmensch mit dem Herzen am rechten Fleck, verdient aber hauptberuflich als Gangster seinen Lebensunterhalt. Das gibt Woody Allen immerhin die Gelegenheit, mehrfach zu zeigen, wie man Mordopfer in den Fundamenten von Rohbauten einbetoniert. 
Ben ist inmitten dieses komischen Figurenpark offenbar die einzige Figur, die Woody Allen ernst genommen hat: geerdet, realistisch, aber mit dem Makel behaftet, nicht nur seine Familienprobleme auf ziemlich ultimative Weise zu lösen. Das führt ihn dann auch zwangsläufig auf den elektrischen Stuhl.
Als Bobby einigermaßen desillusioniert aus Hollywood zurückkehrt, nimmt ihn Ben in seinem neuen Jazzclub unter seiner Fittiche. Bobby macht seinen Weg als Geschäftsführer des in der Szene erfolgreichen Etablissements, heiratet auch und scheint recht glücklich zu sein, bis eines Tages Vonnie erneut auftaucht. Und die hat inzwischen Onkel Phil geheiratet. Und erneut schlagen die Herzen Funken.


Leeres Gerede: Woody Allen nimmt Hollywood beim Wort

Den Jazzclub „Café Society“ hat es tatsächlich gegeben. Im berühmten Greenwich Village, dem Künstlerviertel New Yorks, zog der Club eine Dekade lang seine Gäste magnetisch an. Seinen Ruf verdankte der Club allerdings weniger den Besuchern aus dem Gangstermilieu, sondern seinem exzellenten Musikprogramm. Dass das „Café Society“ dann auch beliebter Treffpunkt linker Intellektueller wurde, führte dann Ende der 1940er Jahre in der beginnenden McCarthy-Ära zur Schließung.

Das ist in Woody Allens Film hübsch gefilmt und hübsch anzuschauern. Aber es ist Kulisse. Denn niemand verpackt heiße Luft so schön und funkelnd wie Woody Allen. Traumhafte Villen, sündhaft teure Kleider und ein an sich berauschter Lifestyle – so bebildert Allen die Schönen und Reichen, die in den 1930er Jahren das Sündenbabylon Hollywood bevölkerten. Auch im prunkvollen „Café Society“ treffen sich alle, die schön, dekadent und ziemlich reich sind. Doch in Allens hübsch gelackter Diegese mit ihren wunderbar gefilmten luxuriösen Settings steckt der Wurm, aber den hat der Regisseur selbst dort platziert. Alles, was seine Protagonisten von sich geben, ist leeres Gerede und Phrasendrescherei. Und die Gefühle, die mit faulem Wortzauber artikuliert werden, entsprechen dann auch kalkuliert jenem sentimentalen Geschwafel, mit dem die Traumfabrik mitsamt ihrer großen Studios die Zuschauer in die protzigen Filmpaläste lockte.


Schöne Bilder, boshafte Bilder

Hollywood hat sich eigentlich schon immerdurch den Kakao gezogen. Billy Wilder hatte in „Boulevard Hollywood“ (1950) noch hochdramatische Ziele. Ähnlich ernsthaft ging Jay Roach das Thema in seinem Biopic „Trumbo“ (2015) an, aber spätestens seit „Hail, Cesar!“ von den Coen Brothers weiß man, dass es auch ironisch und ziemlich lästerlich geht. David Cronenberg inszenierte mit „Maps to the Stars“ (2014) die sattsam bekannten Klischees Hollywoods dann auch prompt als böse Satire.

Auch Woody Allens „Café Society“ ist keine liebevolle Hommage an die große Filmgeschichte, auch kein kitschiger Rückblick auf Glitter und Glamour der Stars und Sternchen, dafür aber eine boshafte Reminiszenz, deren Außenansichten mit voller Absicht so gelackt sind wie die trivialen Innenansichten der Figuren. Man kann sich in die schönen Bilder von „Café Society“ verlieben, aber die versteckte Gehässigkeit in Woody Allens Bildern liegt darin, dass seine Figuren, so opportunistisch und gewieft sie sich auch verhalten mögen, offenbar den Schmock glauben, den sie sich vor dem Weg ins Schlafzimmer erzählen.

Allens Kunst besteht allerdings darin, sie dabei nicht zu Karikaturen zu machen. Aber hinter den großen Gefühlen, der Trauer um verlorene Zeiten und der wortreichen Ausschmückung der beinahe unvermeidbaren sexuellen Eskapaden verbirgt sich der brennende Wunsch, den American Dream um jeden Preis Wirklichkeit werden zu lassen. Der eine geht dafür über Leichen, andere reden sich die Welt schön. Dabei dreht sich alles aber nur um Geld, Erfolg und besseren Sex als den, den man bereits hatte. Woody Allen, so scheint’s, hat für diese Welt kein Herz. Sein Widerwille wird ab so hübsch und nett verpackt, dass man fast vergisst, das „Café Society“ im Kern auch ein unfreiwilliger Täuschungsversuch ist. Es besteht nämlich die akute Gefahr, dass der Zuschauer am Ende die Bilder doch beim Wort nimmt.


Noten: Melonie = , BigDoc = 2,5


Café Society – USA 2016 – Regie und Buch: Woody Allen – Laufzeit 96 Minuten – D.: Jesse Eisenberg, Kristen Stewart, Steve Carell, Corey Stoll, Jeannie Berlin