Mittwoch, 24. Mai 2017

Review: The Path - Season 2

Die HULU-Serie über die Meyeristen-Bewegung geht in die zweite Runde. Streaming-Anbieter Amazon Video bietet die Geschichte um Eddie Lane und seine Familie bereits kurz nach der US-Distribution in synchronisierter Fassung an. Mit der ersten Staffel erzielte „The Path“ durchaus gute Kritiken. Hält die 2. Staffel nach ihrem vielversprechenden Start ihr Niveau?

Fazit: „The Path“ ist weiterhin spannend, bombardiert den Zuschauer mit Plot Twists, verliert aber bei der Charakterentwicklung der Figuren trotz exzellenter darstellerischer Leistungen seine Glaubwürdigkeit. Der ersten Staffel hatte ich im letzten Herbst eine originelle und aufmerksame Erzählweise bescheinigt: „The Path“ sei „alles andere als eine Soap Opera“. Die zweite Season ist nun aber mitten im Soap gelandet – allerdings immer noch auf ordentlichem Niveau.


Synopsis

Ökonomisch stecken die Meyeristen in der Klemme. Die Bemühungen Sarahs, die Hintergründe einer Wasserverschmutzung in Clarksville aufzudecken, führen zu einer Konfrontation mit dem Unternehmen, das für die Ökokatastrophe verantwortlich ist. Strippenzieher im Hintergrund sorgen dafür, dass den Meyeristen der Status als Religion nicht zuerkannt wird. Dies hat bedrohliche Folgen: Als Cal (Hugh Dancy: „Hannibal“) eine teure Immobilie ersteigert, wird eine hohe Steuernachzahlung fällig. Die Ressourcen der Bewegung sind jedoch erschöpft. Der undercover bei den Meyeristen ermittelnde FBI-Agent Abe Gaines (Rockmond Dunbar) findet heraus, dass er Teil eines Komplotts ist, das die Bewegung in den finanziellen Ruin treiben soll.
  • Eddie (Aaron Paul: „Breaking Bad“) erfährt in Peru, dass Dr. Stephen Meyer (Keir Dullea: „2001 – A Space Odyssee“) ihn als Nachfolger auserwählt hat. Die Begegnung mit dem Sektenguru endet während eines Unwetters mit dem Tod Meyers, während Eddie von einem Blitzschlag getroffen wird, den er überlebt. Zurückbleiben Stigmata auf seinem Rücken, zudem wird Eddie von Visionen geplagt. Er entschließt sich aber, zusammen mit einer Gruppe von verstoßenen Ex-Meyeristen als „Auserwählter“ die Bewegung zu reformieren.
  • Sarah (Michelle Monaghan: „True Detective“) erfährt von Cal, dass er Silas getötet hat. Sie deckt aber weiterhin Cal und behält ihre Führungsrolle in der Bewegung. Sie erlaubt Eddie, weiterhin die Kinder zu treffen. Der verbotene Kontakt mit dem „Leugner“ führt dazu, dass Sarah und Eddie ihre Beziehung sexuell wieder aufleben lassen. Später beginnt Sarah eine Affäre mit Cal, die zum endgültigen Bruch mit Eddie führt. Um die Steuerschulden begleichen zu können, erpresst Sarah erfolgreich ehemalige Klienten der Bewegung mit den Tonbandaufzeichnungen ihrer Coaching-Sitzungen. Sarah muss nach einer Anzeige mit Eddies Hilfe untertauchen, um der Verhaftung zu entgehen. 
  • Hawk (Kyle Allen), der Sohn von Sarah und Eddie, verschreibt sich der Arbeit in der Sekte und trennt sich von seinem Vater. Als er gegen die Verursacher des Öko-Skandals vorgeht, wird er als Terrorist verhaftet. Sarah und Eddie geraten unter Druck. Hawk beginnt eine Beziehung mit Noa (Britne Oldford), lässt sich aber auf eine kurze Affäre mit seiner Ex ein und erfährt, dass es Cal war, der ihre Beziehung mit einer Bestechung zerstört hat.
  • Mary Cox (Emma Greenwell: „Pride and Prejudice and Zombies“) nutzt ihre Schwangerschaft aus, um Cal, der als Vater infrage kommt, zu erpressen. Als ihr Freund Paul (Sean Egan: „The Last Ship“) von seiner Familie bedrängt wird, die Sekte zu verlassen, springt Mary im letzten Moment ab und wendet sich Cal zu. Die beiden leben nach der Geburt des gemeinsamen Kindes zusammen.
  • Cal (Hugh Dancy: „Hannibal“) kämpft weiterhin um die Anerkennung der Gruppe. Es gelingt ihm nicht, die Mittel für die Steuernachzahlung aufzutreiben. Als er herausfindet, dass sich ein FBI-Informant in die Bewegung eingeschlichen hat, unterzieht er die Mitglieder der Sekte umfangreichen Tests. Richard (Clark Middleton), der Counselor der Gruppe, und Kodiak (James Remar) hegen den Verdacht, dass Cal etwas mit Stephen Meyers Tod zu tun hat. Zwei prominente Mitglieder der Bewegung, darunter auch Richard, fallen der Säuberungswelle zum Opfer. Richard setzt das Tonbandarchiv in Brand und begeht dabei Selbstmord.


Kritik

Die erste Staffel überzeugte

In Season 1 verzichtete das Sektendrama weitgehend auf formelhafte Scientology-Exploitation. Die Meyeristen-Bewegung wurde von Showrunnerin Jessica Goldberg und Executive Producer Jason Katims („Parenthood“, „About a Boy“) als eine Gruppe skizziert, die ohne ihren religiösen Kern nicht mehr wäre als eine karitative Gemeinschaft - humanitär engagierte Menschen, die sich dem Wohl der Schwachen und Ausgegrenzten widmen und die dort soziale Dienste verrichten, wo die Not am größten ist.
Schrittweise zeigte sich dann der harte Kern der Bewegung, und tatsächlich funktionierte der Meyerismus wie andere Sekten auch: angeführt von einem Gründer, der als Gott und Messias verehrt wird, mit einer hierarchischen Ideologie, die den Anhängern die Verwandlung in einer ‚neuen Menschen’ verspricht und einer allegorischen Erlösungsvision als Belohnung.
Die Mitglieder mussten sich Stufe für Stufe in einem streng reglementierten Prozess auf einer „Leiter“ vorarbeiten, um den paradiesischen „Garten“ zu erreichen. Abweichler und Häretiker wurden einer speziellen Psychotherapie unterzogen oder gleich hinausgeworfen. Familien wurden zerrissen. Gelegentlich wurden Schläger eingesetzt, um die Gemeinschaft vor den ungesunden Einflüssen der Häretiker zu schützen.
Exemplarisch wurde die am Beispiel von Eddie Lane (Aaron Paul) durchdekliniert. Eddies Zweifel am Meyerismus führten in der ersten Staffel zum Bruch. Einem qualvollen, denn Eddies Trennung von der Gruppe zog nicht nur den Verlust seiner Familie nach sich, sondern gefährdete auch seine Identität. Die Serie funktionierte besonders bei der Darstellung dieses Selbstfindungstrips mit ihrem gebremsten Erzähltempo recht überzeugend, auch weil „The Path“ darauf verzichtete, die Figuren schablonenhaft weiterzuentwickeln.


Die zweite Staffel ist Soap

Die 2. Staffel hinterließ mich dagegen irritiert. „The Path“ ist zwar ein starkes Charakterdrama geblieben, aber am Ende war mir nicht klar, ob dies das Ergebnis einer durchdachten Erzählung ist oder ob raffiniert an der Spannungsschraube gedreht wurde. Letzteres scheint der Fall zu sein: immer häufiger überraschte die zweite Staffel mit Plot Twists, die alles andere als folgerichtig waren.

„The Path“ entwickelte sich zudem zu einem ensemble cast. Bekannte Hauptfiguren traten etwas in den Hintergrund, dafür wurde der aus einem guten Dutzend Charakteren bestehenden Main Cast auf eine Vielzahl von Handlungssequenzen verteilt - eingebunden in ein narratives Geflecht mit zwei Meta-Plots (Meyers Tod und der neue „Auserwählte“; die Vertuschung eines Öko-Skandals als klassische Conspiracy Story) und zahlreichen Sub-Plots. Die ermöglicht den Autoren kürzere Sequenzen, schnellere Dialoge, eine Vielzahl von Topics – und damit auch ein höheres Tempo.

Dies wurde durchaus geschickt arrangiert. Allerdings konzentrierten sich die Macher dabei, alle erzählerischen Tricks auszuschöpfen, um beinahe in jeder Episode einen oder mehrere Plot Twists zu servieren. Dies führte zu zahlreichen dramatischen Cliffhangern innerhalb und am Ende einer Episode.
Allerdings kam dabei zunehmend das Gefühl auf, dass die Figuren von den Autoren eher an den formalen Kriterien einer seriell erzählten Geschichte ausgerichtet wurden und weniger am Inhalt oder dem Thema der Geschichte. Fast atemlos ereigneten sich große und kleine Dramen. Charaktere richteten sich neu aus und wechselten kurz danach erneut ihre Haltung, ohne dass dies überzeugend nachvollziehbar war. Auch die sexuellen Bäumchen-wechsel-Dich-Plots dienten eher den Interessen einer hektischen Spannungsentwicklung, die offenbar um jeden Preis eskalieren sollte. Zusammen mit dem ensemble cast wurden damit bekannte Erzählstrategien einer Sopa Opera aktiviert, auf die „The Path“ in der ersten Staffel noch verzichten konnte.

So pfeift in „The Path“ mittlerweile ein mächtiger Sturm durch das zugige Gebäude, der viel zu oft die Figuren mitsamt ihrer Geschichten zu dramatischen Kehrtwenden um 180 Grad zwingt. „Gute“ werden zu „Bösen“, Häretiker zu Gläubigen, Gläubige zu Zweiflern – fast alle Figuren, und das sind nicht wenige, durchlaufen schillernde Entwicklungen bis zum harten Charakterbruch. Das sorgte für Tempo, ermüdete aber, weil die Glaubwürdigkeit der Geschichte nach der Hälfte der auf 13 Episoden aufgestockten Staffel vor einer Zerreißprobe stand.
Hört sich nach Soap an, ist es auch. Die Serie warf den Zuschauer auf diese Weise zurück in die Welt von Soaps wie „Dallas“, die mit Verschwörungen, Intrigen, bizarren Love Affairs und ständigen Kurswechseln und Charakterbrüchen die notwendige Schlagzahl an dramatischen Wendungen erzeugen wollte.


Nun auch noch Fantasy: In welche Richtung soll gehen?

Gut gemacht, könnte dies dennoch ein kraftvoller Erzählstoff sein. Gelungen ist dies aber nur teilweise. Immer noch faszinieren nach wie vor die überragenden Darsteller. Die Show ist gut gefilmt, der Soundtrack ist exzellent. Das Problem ist nur, dass man nach der 2. Staffel nicht weiß, was „The Path“ eigentlich will.
Soll ein psychologisches Sektendrama erzählt werden oder doch eine Soap Opera? Oder will „The Path“ zu einer religiösen Variante von Akte X werden? 

Selbst das kann nicht ausgeschlossen werden, denn das Autorenteam um Showrunner Jessica Goldberg verpasste der Geschichte überflüssigerweise auch noch eine Portion Fantasy: Ist vielleicht doch etwas dran an dem Glauben an das „Licht“? Hat Eddie nicht schon in Staffel 2 seine große spirituelle Kraft unter Beweis gestellt, als er kraft eines einzigen Gebetes Abe Gaines unheilbar krankes Kind geheilt hat? Und was bedeutet es, dass seine Stigmata plötzlich zu bluten beginnen?
Da überrascht es kaum noch, dass Eddies Sohn Hawk in Episode 2 „Dead Moon“ nach einer intensiven Meditation mit ausgebreiteten Armen plötzlich einen halben Meter über dem Boden schwebt. Ist dies real oder nur eine Kopfgeburt?
So geht es allen Figuren. Sie wirken wie Marionetten, die auf Befehl ihrer Strippenzieher im Writer’s Room pausenlos gewagte Pirouetten drehen, ohne dass dies einem Realitätscheck standhält. Spannung wird erzeugt, aber unterm Strich entsteht das Gefühl, dass „The Path“ nach dieser umtriebigen Staffel nur noch Kraft für eine dritte und dann wohl letzte Season besitzt. 


Last but not least mag der Kurswechsel der Macher ökonomische Gründe haben. Der Serienmarkt ist hart umkämpft, besonders bei den Streaminganbietern, die nur ungern über ihre Reichweiten und Einschaltquoten berichten. Die bewegen sich laut „Variety“ in völlig anderen Dimensionen als sie die klassischen Networks oder die Cable TV-Anbieter generieren.
Während dort Serien wie „The Walking Dead“ sogar in schlechteren Phasen mit 12 Millionen Zuschauern die Konkurrenz in den Boden stampfen, erreicht Netflix mit Sitcoms wie „Fuller House“ locker und regelmäßig über 20 Mio. Zuschauer, auch wenn die Kritik das Produkt verreißt. 

Hulu will sich in diesem Markt positionieren. „The Path“ erreichte 2 Mio. Abonnenten, blieb aber unter den Werten der sehr erfolgreichen Hulu-Serie „11.22.63“, die fast die Hälfte der Abonnenten erreichte. In diesem Wettbewerb stehen die Showrunner und ihre Autoren unter starkem Druck.