Samstag, 1. März 2008

Michael Clayton

USA 2007 - Regie: Tony Gilroy - Darsteller: George Clooney, Tom Wilkinson, Tilda Swinton, Sydney Pollak, Michael O'Keefe, Robert Prescott, Ken Howard, Denis O'Hare, Austin Williams, Sean Cullen, Merritt Wever, David Lansbury - FSK: ab 12 - Länge: 120 min.

Ich bin Shiva – der Gott des Todes

„Michael Clayton“ ist ein „schöner“ Film. Mit der stilistisch präsenten Fotografie von Robert Elswit („Magnolia“), dem depressiven Off-Prolog von Tom Wilkenson, seinen Stimmungen und Tönen und der außergewöhnlich guten Musik von James Newton Howard (einer der Besten seines Faches, zuletzt machte er die Score für alle Shyamalan-Filme, insgesamt wurde Howard sechsmal für den Oscar nominiert) bietet der Film nicht nur am Anfang alles auf, was ein guter Paranoia-Film benötigt – inklusive Sidney Pollack in einer netten Nebenrolle, eben jener Pollack, der vor 33 Jahren THREE DAYS OF THE CONDOR machte und den man sich ruhig noch einmal anschauen sollte. Das alles packt vom ersten Moment, auch wenn (oder vielleicht gerade deswegen) die Montage fast kalt und wie im Staccato den Plot abarbeitet und keine Zeitsprünge scheut - wir sind im Labor und schauen zu, wie Ratten durch die Irrgänge huschen und den Ausgang suchen.

Mächtige Ratten
Die Story ist nicht übel, aber alles andere als neu, denn dass ein Chemie-Multi mit einem Entlaubungsmittel arme Bauern killt und danach natürlich an sämtlichen Drähten zieht, um sich eine Sammelklage über 3 Mrd. Dollar vom Halse zu halten, dürfte die Verschwörungsphantasie der Zuschauer nicht sonderlich überfordern, zumal alles, was wir über Multis wissen, sowieso meistens aus dem Kino stammt, entweder fiction ist oder von Michael Moore stammt. Nun gut.

Was den Film einmalig macht, „schön“ im besten Sinne, ist die schlafwandlerische Müdigkeit, mit der sich die Protagonisten erschöpft durch die Handlung schleppen. Es sind Menschen, die nur noch wie konditionierte Laborratten funktionieren. Sie sind programmiert und es geht darum, die Macht nicht zu verlieren und viel, viel Geld abzuzocken. Das macht fertig.
Wie zeigt uns Tony Gilroy (er schrieb die Bücher für "Die Bourne Identität" und die "Die Bourne Verschwörung") diese hochintelligenten Ratten? Sie schauen sich ihre Schweißflecke in der Achselhöhle an! Kein Wunder, regiert doch die Angst alles zu verlieren, das Geld, die Karriere, die Macht.
Da ist die wundervolle Tilda Swinton, die Karen Crowder spielt. Crowder vertritt juristisch die Interessen des Multis U/North und bestellt schließlich ziemlich verdruckst einige Morde, als alles aus dem Ruder läuft. Immer wenn Crowder vor den Kameras und auf Versammlungen öffentlich lügen muss, bis sich die Balken biegen, übt sie dies ausführlich vor dem Spiegel und spielt dabei alle mimischen und rhetorischen Varianten durch. Sogar die Frage nach dem „Ausgleich“, dem „Privatleben“ antizipiert diese Frau und sie, die kein Privatleben hat, weil sie nur schläft und arbeitet, hat darauf eine Antwort, die ihre Sprache zu Metall gerinnen lässt. Gilroy zeigt uns dies als perfekte Studie der Zu- und Abrichtung, bei der sich die Ratte selbst konditioniert. Am Ende, wenn alles vorbei ist, läuft ein wellenartiges Zittern über ihr Gesicht, Swinton kollabiert und kriecht auf allen Vieren über den Teppich.
Da ist George Clooney. Er ist der „Janitor“, der Ausputzer, der Mann, der alles wegräumt. Er spielt Michael Clayton, einen Mann, den die Bullen für einen Juristen halten und die Juristen für einen Bullen. Die öffentliche Anwaltskarriere hat er an den Nagel gehängt, um für die Kanzlei Kenner, Bach & Ledeen die Drecksarbeit zu machen. Und er ist gut. Fast hart am Rande des Klischees zeigt ihn Gilroy als desillusionierten Profi mit einem Hang zur Spielsucht und fast tödlich hohen Schulden. Auch Clooney wirkt müde, dabei aber wie aufgezogen, ein Charakter, der nicht Herr in seiner Haut ist.

Da rettet nur der Wahnsinn
Wirklich fantastisch und der heimliche Held des Films ist Tom Wilkenson. Er spielt Arthur Edens und der ist ein Freund von Clayton. Eigentlich soll Edens als Anwalt von Kenner, Bach & Ledeen die Interessen von U/North vertreten. Aber er wird nach sechs Jahren Aktenarbeit scheinbar wahnsinnig, strampelt, schlägt um sich, zieht sich während einer Anhörung nackt aus – no longer acting like a rat.
Aber warum? Edens kann beweisen, dass U/North weiß, dass sein Entlaubungsmittel killt. Schlimm wäre diese Erkenntnis für die meisten Beteiligten nicht, aber leider ist Edens eine bipolare Persönlichkeit - er ist manisch-depressiv, hat vergessen, seine Pillen zu nehmen und so entdeckt er mitten im Pharmaentzug die Moral. Schlecht gelaufen, aber ein herrlicher Einfall.

Gilroys Regiedebüt überzeugt über die vollen 120 Minuten, auch wenn man nicht wirklich etwas Neues sieht. Aber Gilroy variiert das Thema virtuos und es macht wirklich Spaß, diesen Neo-noir-Thriller auf sich wirken zu lassen. Clooney ist gut, Swinton hat ihren Oscar verdient, aber wirklich stark ist Tom Wilkenson, bei dem man nie weiß, ob er nun mitten in einer manischen Phase steckt oder einfach nur lustvoll die Freiheit des Denkens und Handelns genießt. Ein Anarchist, der aus einem Bunuel-Film geflohen sein könnte und sich nun in einem Paranoia-Movie verirrt hat. Herrlich.

Note: BigDoc = 2