Dienstag, 13. Mai 2008

Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada

USA / Frankreich 2005 - Originaltitel: The Three Burials of Melquiades Estrada - Regie: Tommy Lee Jones - Darsteller: Tommy Lee Jones, Barry Pepper, Julio César Cedillo, Dwight Yoakam, January Jones, Melissa Leo - FSK: ab 12 - Länge: 117 min.

Es geht darum, einen Mann vernünftig unter die Erde zu bringen. Etwas makaber ist es aber schon: eine Leiche auf dem Packpferd durch das amerikanisch-mexikanische Grenzgebiet zu transportieren und dabei immer wieder zu versuchen, den Verwesungsprozess durch improvisierte Konservierungstechniken aufzuhalten. Dazu ist schon eine starke Motivation vonnöten.
Die Leiche ist das, was von dem vielleicht nicht ganz legal in den USA arbeitenden mexikanischen Cowboy Melquiades Estrada (Julio César Cedillo) übrig geblieben ist. Der Mann, der ihn und seinen Mörder Mike Norton (Barry Pepper), einen affektflachen Grenzpolizisten, in ein mysteriöses mexikanisches Grenzdorf bringen will, ist Tommy Lee Jones, der dem Charakter des Vorarbeiters Pete Perkins ein überwiegend ausdrucksloses Gesicht verleiht. Dafür hat er zu Recht vor zwei Jahren den Darstellerpreis in Cannes erhalten.

„Three Burials“ ist ein Meisterwerk. Zumindest einer der besten Spät-Western der letzten zwei Dekaden. Entfernt erinnert diese obsessive Reise an John Fords "Der schwarze Falke" (1956), aber mehr noch an Sam Peckinpahs "Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia" (1974). Vom Rang würde ich ihn sogar auf eine Stufe mit „Unforgiven“ (1992) stellen.
Eigentlich ist „Three Burials“ ein Neo-Noir-Western, aber die Erfindung neuer Genrebegriffe sollte schon etwas mehr sein als Begriffs-Patchwork. Warum also um den heißen Brei herumreden? „Three burials“ ist ein Western wie er im Buche steht: Die Rolle des Pete Perkins hätte beispielsweise auch einem James Stewart gut zu Gesichte gestanden, der in seinen besten Filmen alles andere als ein freundlicher Biedermann war, sondern ein gelegentlich cholerischer, in der Regel rigide moralistischer und hartnäckiger Querkopf, der absolut keine Grenzen kannte, wenn es um die Durchsetzung seiner persönliche Moralgesetze ging. Wie in „The naked spur“ von Anthony Mann. Auch Budd Boetticher hat solche Einzelgänger gezeigt.
Tommy Lee Jones ist auch so ein Typ, allerdings teilt er nicht erkennbar den moralischen Eifer von Stewart, sondern hüllt sich und sein Gesicht maskenhaft in Schweigen. Er weiß, was er tun will, eigentlich muss, und das muss reichen in einer bizarren Welt, in der die Menschen so empathiefrei miteinander umgehen, dass man sich wohl vergeblich fragen muss, was es außer lustlos praktiziertem Sex und trostlosen Saufereien noch an sinnstiftenden Aktivitäten im Rio-Grande-Tal geben könnte. Vielleicht auf Mexikaner schießen, die Ziegen hüten?

Es gibt Leute, die diese Verhaltensstörungen mit „Coolness“ verwechseln. Tommy Lee Jones scheint da anderer Auffassung zu sein und er hat sich für seine erste Regiearbeit die richtigen Leute an Bord geholt, um einen richtig guten Film über verstörte Menschen zu machen: Das Drehbuch ist von Guillermo Arriaga ("Babel", "21 Gramm"), der nicht unbedingt für linear erzählte Scripts bekannt ist, die außergewöhnlichen Bilder hat der zweifache Oscar-Preisträger Chris Menges gedreht. Herausgekommen ist genau das, was man hoffen kann, aber nicht immer erwarten darf: ein Meisterwerk. Wie gesagt.
Zum Schluss die Pointe: Diesen Film gab’s in Deutschland irgendwo und irgendwann eine Woche lang zu sehen. Eine Kopie, eine Woche – das war’s. Einen deutschen Verleih hat „Three Burials“ nicht gefunden. Der Film wurde gleich in den DVD-Vertrieb abgeschoben.

Abgeschoben? Vielleicht auch nicht, denn mittlerweile landen viele Filme bekannter Regisseure im Home Movie-Bereich. Woody Allen hat es auch schon erwischt. Kinobetreiber, auch die der Arthouses, setzen auf sichere Sachen. Für komplexe Filme gibt es immer weniger Nischen. So gesehen ist die DVD eigentlich der beste Beitrag zur Rettung der Kinokultur, den man sich wünschen konnte.

Noten: Mr. Mendez = 2, Melonie = 2, BigDoc = 1,5, Klawer = 2.
Damit hat sich "Three Burials" vermutlich schon einen Spitzenplatz in der Jahresauswertung des Filmclubs gesichert. Zur Zeit liegt er hinter "No country for old men" und "Unsere Erde" auf Platz 3.