Donnerstag, 29. Mai 2008

Tagebuch eines Skandals

Großbritannien 2006 - Originaltitel: Notes on a Scandal - Regie: Richard Eyre - Darsteller: Judi Dench, Cate Blanchett, Bill Nighy, Andrew Simpson, Phil Davis, Michael Maloney, Juno Temple, Joanna Scanlan - Prädikat: wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 92 min.

Im Filmclub (fast) ungesehen durchgerauscht: Ein Film wie ein Faustschlag. Schade.

Die Story könnte so oder verlaufen
Judi Dench und Cate Blanchett liefern ein Psychoduell ab, das unter die Haut geht: Sheba Hart (Blanchett) ist die Neue an einer Schule, deren einziger Zweck es zu sein scheint, die künftigen Vertreter der Unterschicht mit den Grundlagen des Lesens und Schreibens auszurüsten. So sieht es jedenfalls Barbara Covett (Dench), das pensionsreife Methusalem des Kollegiums. Aber die alternde Lesbe hat noch ein anderes Ziel und das vertraut sie ihren Tagebüchern an, den ‚Notes’. Ein Skandal und damit die große Chance bahnen sich aber erst an, als Sheba eine sexuelle Affäre mit einem minderjährigen Schüler beginnt. Als Barbara dies herausfindet, lernt man das Ziel kennen: Sheba wird endgültig zum Objekt der Begierde, als klar wird, dass sie erpressbar ist und in einem subtilen Unterwerfungsprozess gefügig gemacht werden kann.

Wozu? Um der Einsamkeit zu entgehen, um Sex zu haben? Oder geht es um die Macht?
So what: die Story könnte so oder so verlaufen. Mehrer Male bieten sich andere Plot Twists an, doch der Film von Richard Eyre entscheidet sich für ein deprimierendes, aber erträgliches Ende, bei dem alle als Verlierer dastehen.

„Tagebuch eines Skandals“ ist keineswegs ein ‚Geschichte über Einsamkeit, Loyalität, Neid, Freundschaft und Liebe’, wie die Presse-Flyer des Verleihs vermuten lassen, sondern die Geschichte einer bizarren Egomanin mit einer schizoid-affektiven Störung. Der intelligente, aber kalte Zynismus, mit dem Barbara im Off ihr soziales Umwelt taxiert, ist hoffnungsfrei und bar jeder Menschlichkeit. Judi Dench liefert hier eine absolute Meisterleistung ab, die auch das keineswegs schlechte Spiel von Cate Blanchett verblassen lässt. Und für alle, die keine Off-Monologe im Kino ertragen können, ist Eyres Film ein perfektes Exempel dafür, welche dramaturgischen Möglichkeiten dieses angebliche unfilmische Mittel bereithalten kann.

Wie gesagt: Schade, dass einer der besten Filme des Jahres 2006 keine verspätete DVD-Premiere im Filmclub hatte.