Donnerstag, 14. Februar 2008

Der Krieg des Charlie Wilson

USA 2007 - Originaltitel: Charlie Wilson's War - Regie: Mike Nichols - Darsteller: Tom Hanks, Julia Roberts, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Ned Beatty, Emily Blunt, Rachel Nichols - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 102 min.

Keine Abrechnung, keine Botschaft, oder?
Auch wenn der Großteil des Publikums vielleicht nur dunkel ahnt, was mit wem überhaupt in Afghanistan passiert ist, so ist Mike Nichols Screwball-Polit-Satire doch ein Film der Perspektiven und der ideologischen Verankerung all derer, die im dunklen Kinosaal sitzen und sich 102 Minuten schlapp lachen.
Und Tom Hanks ist in diesem Spielchen ein ideale Projektionsfläche für das, was dem Zuschauer dabei so alles durch den Kopf geht: Graust es ihm unbehaglich, wenn er um die Folgen des US-amerikanischen Engagements für die Mujaheddin weiß, so ist es recht einfach in Hanks den politischen Volltrottel, den „Bad Guy“ zu sehen, ohne dass dieser zu böse und zu hinterhältig wirkt.
Ist man angesichts des sowjetischen Treibens in diesem Land nachhaltig vom Interventionismus überzeugt, dann funktioniert es auch andersrum prächtig: Hanks ist der pragmatische Prachtbursche, der einem das mörderische Treiben am Hindukusch  wie ein harmloses Videospiel andient. Kaum anders sieht es aus, wenn die bärtigen Muslime zum ersten Mal einen russischen Hubschrauber vom Himmel holen. Und am Ende, als alles vorbei ist und die Geschichte erst richtig losgeht, fällt nicht einmal das Wort „Taliban“.
„Charlie Wilson's War“ ist keine politische Abrechnung, sondern eine Groteske, mit der Nichols ein formidables Kunststück fertig bringt: Er zeigt, dass Weltpolitik von intellektuell bestenfalls mittelmäßig ausgestatteten Polit-Profis zusammengewürfelt wird und sich wie ein Patchwork aus den absurdesten Motiv speist, aber er bleibt irgendwie Patriot genug, um die Verantwortlichen nicht vollends in die Pfanne zu hauen. Beruhigend wirkt dies nicht.

Im Whirlpool streift ihn der Zeitgeist
Charlie Wilson gab’s wirklich: Er war der texanische Kongress-Abgeordnete, der Mitte der 80er Jahre an wichtigen Schnittschnellen diverser Unterausschüsse saß und zusammen mit einer skurrilen Mitstreiterschar aus bärbeißigen Anti-Kommunisten über eine Milliarde Dollar locker machte, um die afghanischen Mujaheddin auf den letzten Stand der Waffen-technik zu bringen.
Was im entlegenen Land der Afghanen so alles passiert, sieht Wilson TV guckend zum ersten Mal in einem Whirlpool, in dem er nackt mit einigen zweifelhaften Freunden und zweifellos sehr nackten Stripperinnen genüsslich Champagner schlürft. Das hat bei Nichols doch alles einen sehr naiven Look. Wenn dann aber die Multi-Millionärin Joanne Herring (Julia Roberts) Wilson per Beischlaf endgültig auf die Seite der „Cold War Warrior“ zieht, kriegt man doch das Gruseln angesichts der fast zufälligen Verkettung kleiner Ursachen und großer Folgen.
Der intelligent-verschlagene CIA-Agent Gust Avrakatos (Philipp Seymour Hoffman) ver-vollständigt das Duo. Gemeinsam schafft es das absonderliche Trio aus Pakistanis, Ägyptern, Israelis, Politikern und Waffenhändlern eine Allianz zu schmieden, die zu einem folgenschweren Wendepunkt der amerikanischen Geschichte wurde. Und wer es vergessen hat: Die schweineteuren Hi-Tec-Waffen, mit denen die bärtigen Widerstandskämpfer in Afghanistan viele böse Russen vom Himmel holten, sind noch immer im Umlauf, während die sowjetische Niederlage der Russen ein von amerikanischem Desinteresse begleitetes Machtvakuum erzeugte, dass den Siegeszug der Taliban erst ermöglichte.

Das Lachen bleibt irgendwo stecken...aber vorher hat man Spaß!
Musste der leutselige Charlie das wissen? Eher nicht. Am Ende ahnt er es aber, als er dabei scheitert, einen Bruchteil der bisher akquirierten Summen wieder den Wiederaufbau des danieder liegenden Landes zu sammeln. „Wir haben das Endspiel versaut“, immerhin das erfährt der Zuschauer als Textinsert und verdammt noch mal: Es klingt so vertraut. Der Rest bis hin zu 9/11 bleibt ihm erspart.

Über die tatsächliche Rolle Wilsons sollte man in einschlägig bekannten Archiven nachlesen, ein wenig streitet man sich schon darüber, ob er der große „Macher“ war. Egal. Und dass die Geschichte der amerikanischen Außenpolitik in einer Komödie ernsthaft verhandelt wird, sollte man angesichts der in den USA gecrashten „ernsthaften“ Politdramen am besten gleich vergessen. Was bleibt, das ist allerdings nicht schlecht: eine blitzschnelle, dialogintensive Screwball-Comedy, bei der man nie weiß, ob man lachen oder weinen soll. Meistens lacht man, bis man sich klar macht, dass hier Politik als irrwitziges Spektakel unglaublicher Zufälle gezeigt wird, inszeniert von abgezockten Strippenziehern und zynischen Geheimdienstlern, die nicht einmal ansatzweise ahnen, was sie da verhackstücken. Aber was sie machen, ist ziemlich effektiv. Und das ist nur solange lustig, bis einem selbst einmal die Bomben dieser Leute auf den Kopf fallen.

Ach ja, die Oskars: Leider habe ich die anderen wichtigen Filme nicht gesehen, aber Hanks ist klug besetzt, ein Erfolg wäre aber das falsche Zeichen; Julia Roberts ist glatt fehlbesetzt, weil die Rolle so simpel ist, dass sie nichts von „Roberts-Appeal“ zeigen kann. Dafür ist Philipp Seymour Hoffman der unglaubliche Höhepunkt des Films: ein bauernschlauer Prolet, ein Virtuose der Intrige, ein Gossen-Rhetoriker der feinsten Sorte – jener Typ, der den Zuschauer schaudernd ahnen lässt, dass die wahnhaften Auswüchse der Geschichte häufig sehr intelligenten Politgangstern zu verdanken sind, die dabei so eindimensional sind, das man jedwede Hoffnung auf der Stelle fahren lassen kann. Wir sind alle in einem großen Tollhaus, bloß die einen liegen im Whirlpool, die anderen eben nicht.

Note: BigDoc = 3