Donnerstag, 1. Oktober 2009

District 9

USA / Neuseeland 2009 - Regie: Neill Blomkamp - Darsteller: Sharlto Copley, Jason Cope, Nathalie Boltt, Sylvaine Strike, Elizabeth Mkandawie, John Summer, William Allen Young, Greg Melvill-Smith, Nick Blake - FSK: ab 16 - Länge: 112 min.

Neo-klassisch erzählt
Neil Blomkamp ist bislang eher als Trickfilmzeichner aufgefallen. Seine erste Regiearbeit ist allerdings ein Volltreffer, denn das SF-Drama „District 9“ bietet eine heutzutage bereits konservativ anmutende Lust am genauen Erzählen, erinnert also mehr an klassische SF-Parabeln denn an Effektgewitter à la Roland Emmerich. Das ist angenehm.
Der Plot ist zudem originell, denn Aliens wie diese mag man (als Kreuzung der ‚Bugs’ aus den „Starship Troopers“ und den Aliens eines Ridley Scott) vielleicht schon gesehen haben, ihr sozio-kultureller Background ist allerdings um Längen interessanter als der jener anonymen Killermaschinen, die man möglichst effektvoll wegballert: über Johannesburg schwebt ein gigantisches Raumschiff, das kein Vorbote einer bevorstehenden Invasion ist, sondern ganz einfach ein gestrandetes Schiff, auf dem ganze Heerscharen unbekannter und grotesk aussehender Wesen krank dahinvegetieren, ohne dass man versteht, was denn nun vorgefallen sein mag.
Was macht man mit einer ständig wachsenden Anzahl fremdartiger Gäste, die niemand eingeladen hat? Man interniert sie. Kein Wunder, denn sie sind weder weise Lichtgestalten wie bei Spielberg noch tumbe Insekten, sondern ‚normale’ Migranten, die sich schnell an das Milieu anpassen, in das sie geworfen werden: Sie leben im Dreck und folglich wühlen sie darin. Die Kloake heißt District 9 und sieht aus wie eine Müllhalde.

Physische Dekonstuktionen
Blomkamp setzt dies ästhetisch angemessen in einem Semi-Doku-Look à la Cloverfield um und zeigt gleich zu Beginn ziemlich drastisch die desaströse Art und Weise, mit der die nunmehr fast 2 Mio. „prawns“ in ein weiter entlegenes Lager umgesiedelt werden sollen. Beide Kulturen können nach einigen Jahren zwar miteinander kommunizieren, verstehen ist etwas anderes. Gewalt liegt in der Luft, kleinste Konflikte schlagen in Brutalitäten um und der für die Aktion verantwortliche Wikus van de Merwe (Sharlto Copley) ist kaum imstande, den mit der Umsiedlung beauftragen privaten Security-Dienstleister Multinational United (MNU) einigermaßen zivilisiert auftreten zu lassen. Als sich der südafrikanische Biedermann, der zwischen vagem Altruismus und systemkonformen Vorurteilen oszilliert, mit einer unbekannten Flüssigkeit infiziert, beginnt eine rapide voranschreitende genetische Mutation, die ihn ganz offensichtlich in ein Alien verwandelt.
Irgendwie fühlt man sich an physische Dekonstuktionen wie in „The Thing“ oder Cronenbergs Remake von "Die Fliege" erinnert, angereichert mit einem dezent pädagogischen Zeigefinger, der anmahnt, dass man in eine fremde Haut schlüpfen muss, um das Andersartige zu verstehen. Diese und andere etwas vordergründigen, aber nicht von der Hand zu weisenden Allegorien sind allerdings verzeihlich, denn Blomkamp ist weit von irgendwelchen Rührseligkeiten entfernt - die Geschichte wird treffsicher und mit sardonischem Humor weitererzählt. Dazu gehört auch die alles andere als originell wirkende Plot-Wendung, die plötzlich die ‚Bad Scientists’ der Regierung als zynische Schlächter auftreten lässt. Van de Werwe, dem bereits ein Alien-Arm gewachsen ist, scheint nämlich der einzige Mensch zu sein, der die bio-genetischen Wunderwaffen der Aliens bedienen kann. Eine regelrechte Vivisektion steht dem leicht beschränkten Beamten bevor, und die will nicht einmal sein einflussreicher Schwiegervater verhindern.

Dumm, gierig und ignorant
30 Mio. Dollar kostete „District 9“, was man als billig einstufen darf. Immerhin konnte der Film überwiegend auf einer Müllkippe gedreht werden. Dass es am Ende etwas teurer wurde, liegt wohl daran, dass Blomkamp im letzten Drittel des Films seine Zivilisationsstudie zugunsten eines Action-Spektakels aufgibt, das für meinen Geschmack zu sehr an die „Transformers“ und „Iron Man“ erinnert: Van de Werwe hat sich mit dem Alien Christopher angefreundet, der ihm Heilung verspricht, wenn es gelingt, auf das Mutterschiff zu gelangen. Der Mensch-Alien-Hybrid hält Wort, besteigt eine Alien-Kampfmaschine und schießt seinem neuen Freund den Weg frei.

Ob „District 9“ das Zeug zu einem Genreklassiker besitzt, wird sich zeigen. Als kräftiger Kontrapunkt zu der uns bevorstehenden 3 D-Invasion im Kino funktioniert er allemal. Was mir am meisten Spaß gemacht hat, war die lässige Schnodderigkeit des Plots: die Menschen sind nicht böse, sondern überwiegend dumm, gierig und ignorant. Und über weite Strecken hat man den Eindruck, dass die Überirdischen möglicherweise keinen Deut besser sind, auch wenn sie ganz ‚menschlich’ ihre Kinder lieben.
Sollten wir tatsächlich mal fremden Wesen gegenüberstehen, dann gibt es wohl kein mystisches Erweckungskonzert wie in „Close Encounter of the Third Kind“. Die Fremden werden so aussehen wie in „District 9“.
Warum soll es ihnen besser gehen?

Noten: Klawer = 1,5, BigDoc = 2