Montag, 18. Januar 2010

Surrogates - Mein zweites Ich

USA 2009 - Originaltitel: Surrogates - Regie: Jonathan Mostow - Darsteller: Bruce Willis, Radha Mitchell, Rosamund Pike, Boris Kodjoe, James Francis Ginty, James Cromwell, Ving Rhames, Michael Cudlitz, Jack Noseworthy - FSK: ab 12 - Länge: 88 min.

“In echt” sieht Bruce Willis aus wie Bruce Willis in Barry Levinsons „Inside Hollywood“ (USA 2008) – ein bärtiger Glatzkopf, dessen Verschobenheiten einige Regisseure und Produzenten in den Wahnsinn treibt. In „Surrogates“ taucht er wieder mit Bart auf, wobei man grübeln darf, ob dieser Bart tatsächlich das unverkennbare Zeichen eines Karriereknicks ist, wie ihn Levinsons Satire vermuten lässt. Viel Raum für ein energisches Veto räumt Jonathan Mostows („U-571“, „Terminator 3“) nur durchschnittlich inspirierter Sci-Fi-Krimi allerdings nicht ein.

Knackige Avatare
Über weite Strecken darf Bruce Willis in „Surrogates“ in die Haut eines Dreißigjährigen schlüpfen – so knackig und porenfrei sah er nicht einmal in „Die Hard“ aus. Kein Wunder: Im Jahre 2017 verlassen die Menschen nur noch selten ihre Wohnung, und wenn, dann sind sie auf Beruhigungsmittel angewiesen, um den ungewohnten Realitätsdruck zu ertragen. Das tägliche Leben wird nämlich von Surrogates erledigt, Robotern, die quasi als Clients unterwegs sind, während der Host derweil auf der häuslichen Liege per Steuermodul und neuronaler Gedankenkontrolle sein virtuelles Alter Ego steuert, ohne dabei einen Finger zu rühren. Entwickelt hat die ferngesteuerten Androiden der US-Multi VSI und ihr Schöpfer, der längst vom Konzern entmachtete Dr. Lionel Canter (James Cromwell), hatte dabei durchaus Altruistisches im Sinn, gestatten die Surrogates bewegungsunfähigen oder sonst wie gehandicapten Menschen nicht nur ein vergleichsweise normales Leben zu führen, sondern auch ein weitgehend folgenloses. Surrogates können von Hochhäusern springen oder in die Luft gesprengt werden, ohne dass ihr Besitzer dadurch Schaden nimmt.
Als der Surrogate von Canters Sohn von einem Attentäter mit einer unbekannten Waffe getötet wird, stirbt auch der Host. Das Undenkbare ist geschehen: reale Menschen sterben, wenn ihr Surrogate gegrillt wird. Das FBI setzt die Agenten Tom Greer (Bruce Willis) und dessen Partnerin Agent Peters (Radha Mitchell) auf den Fall an, der sich rasch als Verschwörung entpuppt, die sich gegen den querschnittsgelähmten Canter zu richten scheint. Der Strippenzieher ist schnell ausgemacht, denn nicht alle Menschen lieben eine maschinelle Zweitexistenz: in Surrogate-freien Enklaven bekämpfen Der Prophet (Ving Rhames) und seine ultra-orthodoxen Jünger die Avatare als unnatürliche Lebensform und es scheint, als seien diese modernen Rednecks auch für die unheimliche Mordserie verantwortlich, die um sich greift. Als Greer ein Attentat auf seinen Surrogate knapp überlebt, muss er sich mit seinem realen Körper auf die Jagd nach den Tätern begeben.
Androiden sind in Ridley Scotts „Blade Runner“ und Steven Spielbergs „A.I. – Artificial Intelligence“ ausreichend als autonome Lebensformen gewürdigt worden. Das Thema Virtualisierung ist dagegen durch die „Matrix“-Trilogie und James Camerons 3-D-Spektakel „Avatar“ abgesteckt worden - "Surrogates" will beide Themenwelten verbinden. Ein anspruchsvoller Ansatz und ein riskantes Unterfangen, denn die gelungenen Sci-Fi's vor allen Dingen eins: Die künstliche Welt der Androiden, der Roboter und der Avatare muss erzählerischen Witz und allegorische Qualitäten mit einer originellen Ästhetik verbinden, um dauerhaft Eindruck zu schinden. Den Wachowskis gelang dies genial, während Camerons Plot eher durch einen besorgten Blick auf die Political Correctness der öko-zentrierten Handlung auffällt, technisch allerdings ein Riesenspektakel ist. „Surrogates“ spielt dagegen eine Liga tiefer und den Film fast zeitgleich mit „Avatar“ in die Kinos zu bringen, dürfte daher eher schaden als von Nutzen sein.

Routiniertes B-Picture
Dabei ist Mostows routiniert inszenierte Future Society ästhetisch und erzählerisch durchaus ein B-Picture gehobener Güte. Die Welt der Avatare sieht allerdings so aus wie die Mega-Citys der Gegenwart, also etwas bieder und überdies kostengünstig, und nur die verblüffende Arbeit der Maskenbildner und die digitale Nachbearbeitung der Ersatzkörper sorgt in „Surrogates“ anfänglich für einige gelungene Effekte mit Future Look.
Dies hält nicht lange an. Dafür sorgt der Plot: Schon nach dem ersten Drittel lenkt das recht unambitionierte Drehbuch die Comic-Vorlage von Robert Venditti und Brett Wedele in recht konventionelle Krimibahnen, die am Ende nicht einmal umwerfende Plot Twists bereithalten, obwohl die Identitäten mitunter recht witzig gewechselt werden. Statt eines bieder geratenen Whodunits wäre eine sarkastische Bebilderung des neuen Hedonismus und der sozialen Verwerfungen denkbar gewesen, die durch eine Virtualisierung des Alltags erst möglich wird. Warum in der neuen schönen Welt die Kriminalitätsrate gegen Null strebt, bleibt weitgehend unklar, und leider versagt sich das Skript auch die Risikobereitschaft, die Optionen einer sexuellen Revolution mehr als nur dezent anzudeuten. Vielleicht gingen den Drehbuchautoren Michael Ferris und John D. Brancato rasch die Ideen aus, möglicherweise ist der Film auch gezielt für ein Publikum produziert worden, dass sich gerne auf der sicheren Seite der 08/15-Stangenware wieder findet.
Die dramatische Essenz des Films ist so gesehen fast schon auf konsequente Weise mau ausgefallen, der moralische Konflikt der Willis-Figur ist an den Haaren herbeigezogen: Willis spielt einen Mann, der sich anfangs virtuos seiner technischen Zweitexistenz bedient, dann aber plötzlich entdeckt, dass er viel lieber mit seiner realen Frau zusammenleben möchte als mit deren geschöntem Ersatzkörper. Außerdem plagen ihn und seine Frau der Verlust des einzigen Sohnes. Greers moralische Wende ist zwar dramaturgisch notwendig, um das spätestens nach einer Stunde ziemlich vorhersehbare Ende plausibel erscheinen zu lassen, scheitert leider aber an flachen uninspirierten Dialogen, die der Hauptfigur außer einer stoischen Mimik nicht allzu viel abverlangen.
„Surrogates“ unterhält ordentlich, ohne dass man sich wirklich für die Figuren und ihre Nöte zu interessieren vermag, ein Gebrauchsfilm von gehobener Qualität, eben ein passables Industrieprodukt mit garantiert empathie- und ironiefreien Eigenschaften. Gerade das augenzwinkernde Spiel mit den Konventionen hat aber schon so manchen Genrefilm nicht nur gerettet, sondern erst auf den richtigen Weg gebracht - wie zuletzt „Zombiland“ vortrefflich gezeigt hat!
Durchwinken! Der Nächste, bitte.

Noten: BigDoc =3, Mr. Mendez = 3, Melonie = 3