Nach seinem Achtungserfolg „Brick“ (2005) und dem nicht
ganz so erfolgreichen „Brothers Bloom“ (2008) konnte Regisseur und
Drehbuchautor Rian Johnson für den Sci-Fi-Film „Looper“ erstmals ein großes
Budget in die Hand nehmen. Mit Stars wie Bruce Willis und Joseph Gordon-Levitt
(„The Dark Knight Rises“, „Lincoln“) ist ein kniffeliger Film über die
drastischen Folgen von Zeitreisen entstanden, der handfeste Action und
alltagstaugliche Metaphysik auf einen gemeinsamen Nenner bringen will.
Herausgekommen ist – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Paradoxon, das eine
Bereicherung des Genres ist.
Bring Dich selbst um!
Im Jahre 2044 befinden sich
die Vereinigten Staaten in einem Zustand der Auflösung. Ökonomisch laviert man
am Rande des Abgrunds, anthropologisch ist der Zustand der Bevölkerung fragil:
jeder zehnte Amerikaner ist aufgrund einer Mutation in der Lage, mit schwachen
telekinetischen Kräften Gegenstände schweben zu lassen. Und schlimmer noch: aus
der Zukunft schicken Hi-Tech-Mobster mithilfe einer verbotenen
Zeitreisentechnologie ihre Opfer zwecks Entsorgung in die Vergangenheit. Das
kann eine zivile Gesellschaft schon aus den Angeln heben, besonders dann, wenn
man sich selbst liquidieren soll.
Zum Glück verliert „Looper“ dabei
nicht den notwendigen Humor. Irgendwann sitzen sich Joseph Simmons (Willis) und
Joseph Simmons (Levitt) in einem Drive-In gegenüber. Der eine (Willis) kommt aus
der Zukunft, der andere will sein in der Gegenwart materialisiertes älteres Ich
am liebsten umbringen, um seinen Job zu erledigen und sein Leben
zurückzuerhalten. Willis meint lakonisch: man könne sich endlos und vergeblich
über Zeitreisen unterhalten oder mit Streichhölzern stundenlang Diagramme
legen, nur bringen würde das nichts. Kaum anders geht es dem Zuschauer, der
beim Mitdenken schon recht fix sein muss, damit er sich nicht in den Schlingen
der Zeit verfängt. „Looper“ ist ein anstrengender Film.
Simmons ist ein Looper.
Looper sind Auftragskiller, die Personen beseitigen, die ihnen ein
Verbrechersyndikat unter der Führung des geheimnisvollen Regenmachers aus der 30 Jahre entfernten Zukunft zurückschickt. In
der Zukunft sind Auftragsmorde dank neuer Tracking-Technologien nicht mehr ohne
Weiteres möglich. Ihr Honorar erhalten die Looper auf denkbar einfache Weise:
auf dem Rücken der Opfer sind Silberbarren angebracht. Und gelegentlich
liquidiert dann ein Looper gar sich selbst, wenn er ihm aus der Zukunft geschickt wird. Zeugen müssen auch in der
Zukunft dran glauben. Dann gibt es eine Zusatzprämie aus Gold, denn der Looper
muss seine Karriere beenden und darf nun 30 Jahre darauf warten, dass ihn sein
Schicksal ereilt. Nun eines darf ein Looper nicht tun: den „Closed Loop“
verhindern, indem er sein zukünftiges Ich einfach laufen lässt. Denn das könnte
die Zeitschiene ziemlich durcheinander bringen.
Time Travel Movies – das heimliche Erfolgs-Genre
„Looper“ ist auf den ersten
Blick Science-Fiction, Sub-Genre: Dystopie. Aber das Genre müsste eigentlich
Time Travel heißen, denn seit den 1990er Jahren ist die Zahl der Filme über
Zeitreisen geradezu explosionsartig gestiegen. Zu den Klassikern gehören natürlich
nach wie vor George Pals „The Time Machine“ (1960), Franklin J. Schaffners
„Planet of the Apes“ (1968), Terry Gilliams „Time Bandits“ (1981) und natürlich
Robert Zemickis Trilogie „Back to the Future“ (1985 – 1990).
Ging es in den älteren Filme teilweise noch recht linear in den Zeitreisen zu,
griff in den 1990er Jahren James Camerons „Terminator 2: Judgment Day“ (1991)
das Problem der Korrektur von Zeitlinien auf, ein Problem, das man eigentlich
erst so richtig in „Star Trek“ mitbekommen hatte: man schickt jemanden in die
Vergangenheit, um zukünftige Ereignisse zu verhindern.
Wie kompliziert das Ganze
werden kann, wenn man sich in einer Zeitschleife verfängt, zeigte dann
„Groundhog Day“ („Und täglich grüßt das Murmeltier“, Harold Ramis 1993), ein
Film, den man nicht unterschätzen sollte, da er mit der Zeitschleife ein narratives Motiv
durchdeklinierte, das bis heute einen maßgeblichen Einfluss auf die Time
Travels behielt. Zeitreisen, so lernte man in dieser durchgeknallten Komödie,
sind nicht einfach nur technische Events, sondern durchaus geeignet, um als
Fabel eine Handvoll moralischer Dilemmata zu verhandeln. Am nachhaltigsten
wurde Gilliams Ansatz im philosophisch angehauchten und durchweg spannenden
„Source Code“ (2011) von Duncan Jones variiert.
Moralische oder philosophische Themen durchzukauen, schien auch in einem
weiteren Time Travel-Film von Terry Gilliam der Fall zu sein: „Twelve Monkeys“
(1995) zeigte indes auch, dass es im Kino nicht nur um Inhalte, sondern auch um
Form, Stil und gewisse Innovationszwänge geht. Einfach gesagt: man hat seit
„Twelve Monkeys“ (in dem ebenfalls Bruce Willis agiert, dessen jüngeres
Film-Ich am Ende den Tod seines älteren Alter Egos erlebt) das Gefühl, dass Time
Travels immer labyrinthischer und intellektueller geworden sind und zudem einen
stärkeren Science Touch erhalten haben.
Natürlich wurden weiterhin
en masse Billigfilme produziert, aber bereits der etwas unterschätzte
„Frequency“ (Gregory Hoblit, 2000) deutete an, dass sich der Zuschauer an eine
komplexere Narrativik zu gewöhnen hatte. In welche Richtung das geht,
demonstrierte „Donnie Darko“ (2000) von Richard Kelly, der auch deswegen
Kultstatus erhielt, weil man ihn eben nicht im herkömmlichen Sinne verstehen
kann, was im Web millionenfache Deutungsdebatten nach sich zog.
Im TV legte dann „Lost“
nach, im Kino sorgten Ideen aus der Chaostheorie in „The Butterfly Effect“
(Eric Bress / J.M. Gruber, 2004) für den notwendigen wissenschaftlichen Touch.
Aber wichtiger schien es aber zu sein, den Zuschauern schier unlösbare Rätsel
mit auf den Weg zu geben, indem man non-lineare Elemente in die komplizierten
Plots einführte. Mit anderen Worten: nicht nur das, was man in der Gegenwart
tat, hatte Folgen für die Zukunft, nein, auch die Adressaten in der Zukunft reagierten
auf die neuen Inputs und versuchten nun ihrerseits, auf die eine oder andere
Weise auf die Manipulationen der Zeitlinie einzugehen: Time Trouble beim Time
Travelling.
Wir sind doch Herr unseres Schicksals
Ähnliches hatte wohl auch
Rian Johnson im Sinn. In „Looper“ wird Joseph Simmons (Levitt) tatsächlich mit
seinem älteren Ich aus der Zukunft konfrontiert – und er drückt tatsächlich nicht
ab und sein ‚Auftrag’ kann flüchten. Von nun an wird er nicht nur von den
Killerkommandos des Syndikats, die eine ‚Niederlassung’ in der Gegenwart
eingerichtet haben, gejagt, Simmons jagt auch sein Alter Ego (Willis). Der aber
will unbedingt herausfinden, wer der geheimnisvolle Regenmacher in der Gegenwart ist. Die einfache Logik: bringt er ihn
rechtzeitig um, dann wird er in der Zukunft nicht vom Regenmacher selektiert
und auch seine Geliebte, die einen neuen Menschen aus ihm gemacht hat, wird
nicht getötet. Das Dilemma ist nur, dass der zukünftige Regenmacher in der
Gegenwart ein unschuldiges Kind ist.
Wie bekommt Johnson in
seinem Film aber den Overdrive hin, also die vertrackte Verkomplizierung, die
offenbar zum festen Baustein der Time Travels geworden ist? Eben nicht ganz
einfach: der ältere Simmons weiß natürlich, was der jüngere getan hat und tun
wird, aber dieser handelt aufgrund der Konfrontation mit seinem älteren Ich nun
ganz anders, was sofort die Zeitlinie verändert: Simmons (Willis) Erinnerungen
werden blasser und durch neue überlagert, beide sind in einer non-linearen
Schleife gefangen, die immer unberechenbarer wird.
Wie das funktioniert, zeigt Johnson an einem Looper, der sein Alter Ego
ebenfalls laufen ließ. Er wird vom Syndikat auf einen OP-Tisch gelegt und
während ihm schrittweise Arme und Beine amputiert werden, verschwinden
natürlich auch in der Zukunft Arme und Beine des Opfers, was rückwirkend dazu
führt, dass der älteren Version des Loopers während der Flucht quasi die
Gliedmaßen gelöscht werden.
Kompliziert? In der Tat. Und
das ist nur die Spitze des Eisberges. Aber „Looper“ wäre lediglich ein kalt konstruierter
Thriller über die Zeitmechanik, wenn es dabei nur um ein Puzzle gehen würden,
in dem überraschende Verschränkungen von Ursache und Wirkung immer wieder für
Verwirrung sorgen würden. In „Looper“ geht es auch um die Moral von der
Geschicht’ und die will einen Ausweg aus dem Ganzen. Und der lautet: der Mensch
ist letztlich doch der Herr seines Schicksals und nicht das Opfer vorbestimmter
Abläufe. Dass dies am Ende zu einem verblüffenden, radikalen Ende führt, gehört
durchaus zu den gelungenen Momenten des Films.
Sehenswerter, aber nicht immer mitreißender Genre-Beitrag
Irgendwie ist man hin- und
hergerissen: „Looper“ ist ein intelligenter Film, der unbedingte Konzentration
abverlangt. Aber wie bereits angedeutet, gehört der Overdrive, das verkomplizierte
Narrativ, mittlerweile zu den Bausteinen des Genres und das verlangt – wen
wundert’s – nach immer mehr. So gesehen ist „Looper“ ein regelrechter Overkill,
den man vielleicht erst beim zweiten oder dritten Mal ‚versteht’. Einige
Ungereimtheiten deuten dies schon beim ersten Mal an, vielleicht haben sich die
Macher auch in ihrem eigenen Netzwerk verfangen.
Visuell hat der Film einiges
zu bieten, besonders dann, wenn man erfährt, dass der geheimnisvolle
Regenmacher als Kind bereits über außergewöhnliche kinetische Fähigkeiten
verfügt. Interessant ist, dass Johnson und sein Team weitgehend auf CGI
verzichtet und die Visual Effects überwiegend ganz altmodisch produziert
haben: wer im Bild fliegen soll, hängt halt an Drähten. Also sollte der
Zuschauer kein durchgestyltes Sci-Fi à la „Inception“ erwarten: „Looper“
zeigt zwar, dass die Geschichte nicht in der Gegenwart spielt, ist aber beim
Set Design ziemlich sparsam. Dem Film schadet dies nicht.
Joseph Gordon-Levitt spielt
‚Bruce Willis’ und dessen stoische Physiognomie, die ja nicht frei von kleinen
Manierismen ist, absolut verblüffend und damit gut. Und Bruce Willis? Der ist
eben Bruce Willis und tut, was er kann. Und schlecht ist das keineswegs. Auch
Emily Blunt als Mutter des Regenmachers legt eine sehenswerte Perfomance hin,
sodass „Looper“ auch ein ziemlich guter Ensemble-Film geworden ist. Die
eigentliche (und ziemlich faustdicke) Überraschung ist aber der
Kinder-Darsteller Pierce Gagnon als Cid. Der Achtjährige hatte in „The Crazies“
(2010) seinen ersten Kinoauftritt und spielt in „Looper“ auf so professionelle
und glaubwürdige Weise, dass er die Stars fast alt aussehen lässt.
Und das Fazit? Mich
verblüfft bei derartigen Film die Chuzpe, mit der Genrefilme bereit sind, die
alte Faustregel des Hollywood-Kinos zu unterlaufen: nämlich nur solche Geschichten
zu erzählen, die man auf Anhieb versteht und die durch ihre
emotionale Message zu dechiffrieren sind. Die emotionale Seite „Looper“ mitsamt
seiner erkennbaren Moralität versteht man erst, wenn man das Puzzle wenigstens
ansatzweise verstanden hat.
Und die Zeitreisen? Ehrlich
gesagt: das hat mich schon immer ein wenig genervt, weil die Paradoxien selten
gelöst werden können und die pseudo-wissenschaftlichen Deutungen eben ‚pseudo’
sind. Stand der Physik heuer ist, dass man dank Einsteins Relativitätstheorie
weiß, dass die sogenannte Zeitdilletation durchaus Reisen in die Zukunft
ermöglicht, aber alle Hypothesen über Reisen in die andere Richtung sollten
vorerst ein Thema der Yellow Press bleiben. Dort ist das Ganze mitsamt der
Wurmloch-Hypothesen gut aufgehoben.
Mit anderen Worten: „Looper“
sollte sich der Freund des Genres nicht entgehen lassen, persönlich halte ich
Steven Spielbergs „Minority Report“ (2002) nach wie vor für rundum gelungener,
auch der erwähnte „Source Code“ ist ein raffinierter Beitrag.
Technik und Bonus
Die Bluray von „Looper“
bietet ein gutes, ausgewogenes Bild, ohne dass Referenzqualität erreicht wird. Der
Ton liegt in DTS-HD 5.1. vor und gehört nicht zu den Schwächen des Films. Im
Gegenteil. Das üppige Bonusmaterial (80 Minuten) enthält 22 Deleted Scenes, die
fast die Hälfte der Laufzeit beanspruchen. Zu den Featurettes gehört auch der
Auftritt des obligatorischen Physikers, der alles erklären soll, es aber nicht
hinkriegt.
Noten: BigDoc = 2,5