Samstag, 6. September 2014

The Returned - Weder Zombies noch Menschen

Zerplatzende Schädel, abgeschlagene Köpfe und andere delikate Methoden, um einen Zombie endgültig ins Jenseits zu befördern, sucht man in dem spanisch-kanadischen Film „The Returned“ vergeblich. Regisseur Manuel Carballo verhandelt in einem weitgehend gewaltfreien kammerspielartigen Drama die sozialen und ethischen Konsequenzen einer weltweiten Pandemie. Alles moralisch korrekt, aber trotz der interessanten Ausgangsidee am Ende doch sehr unentschlossen.

Dass Zombiefilme das Bildungsgefälle ihrer Fans nachzeichnen, indem sie von subtilen Allegorien bis hin zum stumpfen Spatter-Gemetzel ein breites Spektrum von narrativen Grundmodellen anbieten, hat sich nicht nur bei Nerds und Filmkritikern herumgesprochen. Literarisch gebildete Cineasten freuen sich über die mitunter satirisch formulierte Gesellschaftskritik und die rabenschwarzen Dystopien, die das Genre liefert. Splatterfans können mit diesem Überbau oft wenig anfangen und der Streit zwischen beiden Gruppen kann in entsprechenden Foren nachgelesen werden. Dabei wird der Grundton der Debatte häufig durch Arroganz und Wut abgesteckt. Zombie Urgestein George A. Romero bedient clever beide Seiten. Manuel Carballo schlägt sich mit
„The Returned“ auf die Seite der Allegorie, allerdings nicht gerade subtil, sondern eher formelhaft.

Didaktisches Kammerspiel in einem entzombifizierten Zombiefilm

Zombies sind in Carballos Film nur dreimal zu sehen. Im Vorspann, der sehr dirty aussieht, fällt ein zombifizierter Familienvater über seine Frau her, während die Kinder in Schockstarre zusehen, ehe die Tochter zur Schrotflinte greift. Dann sieht man einen Untoten kurz in einem Laborfilm und irgendwann begegnet Alex, die männliche Hauptfigur in „The Returned“, in einem Laden einer dieser Kreaturen, die er mit einem Kopfschuss aus dem Verkehr zieht. 

Mehr Zugeständnisse an das Genre macht Manuel González Carballo („Der Exorzismus der Emma Evans“, 2010) nicht. In „The Returned“ agieren die Figuren in einer post-apokalyptischen Gesellschaft, die eigentlich ganz normal aussieht, hätte es nicht vor Jahrzehnten eine weltweite Zombieplage mit Millionen Toten gegeben. Wie sie beendet wurde, erfährt man nicht. „The Returned“ erzählt vielmehr von den gleichnamigen Infizierten, dem Kollateralschaden der Seuche, die zwar nicht zu Untoten geworden sind, aber nur dank eines aus den Körpern ‚toter Untoter’ gewonnenen Proteins vor der endgültigen Verwandlung bewahrt werden können.

Der Musiker Alex (Kris Holden Reed: „The Tudors“, „Underworld: Awakening“) gehört zu den „Returned“, die täglich eine Injektion benötigen, um nicht auf blutige Futtersuche gehen zu müssen. Seine Frau Kate (Emily Hampshire, „Snow Cake“, „Cosmopolis“) arbeitet in einem Krankenhaus als Ärztin in einer speziell für die „Returned“ eingerichteten Fachabteilung und nutzt ihre privilegierte Stellung als landesweit bekannte Wissenschaftlerin, um mit etwas Bestechung an die zur Neige gehenden Ampullen zu gelangen.
Die Katastrophe naht, als die Produktion eines synthetischen antiviralen Mittels nicht so recht vorankommt. Die Stimmung in der Bevölkerung schlägt um, die Anti-Returned-Bewegung wird immer gewalttätiger und ermordet ihre infizierten Mitbürger schließlich in den Krankenhäusern. Die WHO nennt dies übrigens Entsolidarisierung aus Selbsterhaltungstrieb und auch Alex überlebt nur knapp den Überfall eines Killerkommandos. Dann beginnen Armee und Polizei damit, die Infizierten in Auffanglagern zu internieren.


Carballos „The Returned“ hat inhaltlich auf den ersten Blick nichts mit der französischen TV-Serie „Les Revenants“ (2012) zu tun, natürlich auch nichts mit dem vom Broadcaster Arts & Entertainment Network (A&E) geplanten US-Remake, das auch unter dem Titel „The Returned“ firmieren wird. 
Die Vorlage der französischen TV-Serie war Robin Campillos Spielfilm „They Came Back“ (Les Revenants, 2003), der sich mit dem Problem der Re-Integration von „Wiedergängern“ in die menschliche Gemeinschaft befasste. Alles Filme, die wenig mit den aktuellen Zombie-Narrativen à la „The Walking Dead“ oder den Romero-Klassikern zu tun haben, sondern vom sozialen Konfliktpotential der überraschend aus ihren Gräbern gestiegenen Verstorbenen erzählen. Was macht man mit ihnen, wenn sie wieder mitten unter uns leben wollen?

Gute Frage. Denn dass angesichts des weltweiten Undead-Revivals immer wieder erzählerische Nebenpfade gesucht werden, überrascht nicht wirklich. Carballo und sein Autor Hatem Khraiche knüpfen an die Vorbilder dieser entzombifizierten Zombiefilme an und man muss als Zuschauer nicht viel Phantasie aufbringen, um herauszufinden, welches ethische Problem da eigentlich in Stellung gebracht werden soll: „The Returned“ interessiert sich ebenso wie Campillos Film nicht im Geringsten für genretypische Konstellationen, sondern für die sozialen Mechanismen der Stigmatisierung einer gesellschaftlichen Randgruppe. Zombies, und das wird leicht nachvollziehbar auf dem didaktischen Silbertablett serviert, können jederzeit durch Aids, Sars oder Ebola ersetzt werden, ohne dass die Dynamik des Zerfalls einer zivilen Ordnung anders verlaufen würden. Und die moralische Botschaft des Films ist nach einer Viertelstunde auch auf den Punkt gebracht: Die Rede ist von Menschen und nicht von potentiell tödlichen Bestien.

„The Returned“ wurde vom deutschen Verleih mit der idiotischen Titelergänzung „Weder Zombies noch Menschen“ auf den Markt geworfen, was geradezu aufreizend dämlich die überdeutliche moralische Botschaft des Films ad absurdum führt. Die Idee des von den Machern von „REC“ co-produzierten Films fasziniert trotz dieser Irreführung. Die Umsetzung lässt allerdings zu wünschen übrig. 

Man mag sich darüber streiten, ob man die politisch korrekte Botschaft eines Films bereits nach einer Viertelstunde auf den Punkt bringen muss. Dass die betuliche Einführung der Figuren und die lehrbuchhafte Plotentwicklung dem biederen Script geschuldet ist und auch dem offenbar sehr knapp bemessenen Budget, ist dagegen schwer zu leugnen. So zeigt „The Returned“ nur gering ausdifferenzierte Figuren, sparsame Settings und eine geringe physische Präsenz, wenn der Übergang einer zunächst humanitär agierenden zu einer totalitären Gesellschaft dargestellt wird. Carballo konzentriert sich stattdessen eine Stunde lang auf ein psychologisches Kammerspiel. Die Handlung wird über Dialoge und einige TV-Einspieler abgewickelt und die eng abgesteckte Figurenkonstellation, die im Wesentlichen aus vier Personen besteht, soll pars pro toto zeigen, wie sich moralische Dilemmata entwickeln, wenn eine Pandemie global aus dem Ruder läuft. 


Am Ende doch noch ein Actionfilm

Kate und Alex läuft die Zeit davon, als sie von ihren Freunden Amber (Claudia Bassols) und Jacob (Shawn Doyle) das Angebot erhalten, sich in ihrem Landhaus vor dem Mob und den Behörden zu verstecken. Doch die langjährigen Freunde entpuppen sich nicht als altruistische Wohltäter. Amber gehört selbst zu den „Returned“ und bald sind die Gastgeber mit den letzten Ampullen ihrer Freunde verschwunden. Alex hat kaum mehr als 24 Stunden Zeit, bis er sich in ein blutrünstiges Monster verwandeln wird. Verzweifelt kettet er sich selbst an, während Kate versucht, beim Leiter ihres Krankenhauses die letzten eisernen Reserven zu bekommen. Das gelingt ihr zwar, aber als sie auf dem Heimweg überfallen wird, werden alle Phiolen zerstört und das Drama nimmt seinen Lauf.

Zombiekiller, die infzierte Kinder erschießen, Autoverfolgungsjagden, Kates Kampf um die letzten Ampullen: In der letzten halben Stunde verwandelt sich „The Returned“ doch noch in einen Actionfilm. Kates Wettlauf mit der Zeit ist dramaturgisch zwar nicht unplausibel, aber das angezogene Tempo wirkt ein wenig so, als würde Carballo doch noch nach einem Kompromiss mit den Zuschauererwartungen suchen. Damit geht aber die Chance verloren, das ethische Dilemma des Films konsequent zu verhandeln. Angesichts der gewählten Binnenperspektive der Erzählung, die die spontane Sympathie der Zuschauer auf die Hauptfiguren lenkt, gerät das angedeutete Schreckenspanoptikum der brutalen Verfolgung der „Anderen“ zwar zu einem vertrauten Genrebild, aber originell ist dies keineswegs. 
In einer dialogzentrierten Erzählung, die durchaus Züge eines Thesenfilms aufweist, hätte dem Figurenensemble eine antagonistische Position gut getan, anstatt die real zu erwartenden Probleme eines Pandemie-Szenarios mit dystopischen Schwarz-Weiß-Konstellationen zu beantworten.
Wer da nun wen beklaut, ist weniger interessant als die subversiven Fragen: Wer erhält antivirale Mittel, wenn sie nur noch begrenzt verfügbar sind? Ärzte, Wissenschaftler, Polizisten und Soldaten, und zwar nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung? Oder die, die es bezahlen können? Werden gar im Extremfall zu Recht die bürgerlichen Rechte des Einzelnen suspendiert, wenn ein globaler Super-Gau vor der Tür steht? Ist die Internierung hochpotenter Überträger inhuman oder legitimes Mittel der Infektionsbekämpfung?

Dass der Film einige dieser Fragen zu früh beantwortet, macht ihn dröge. Dass das tragische Ende von Carballo außergewöhnlich feinfühlig inszeniert wird, gehört zu seinen Stärken. Die letzte Einstellung des Films ist dagegen ein ziemlich platter Plot-Twist. Am Ende ist man hin- und hergerissen, aber "The Returned" verdient keinen Verriss. Denn last but not least wird der Film trotz seiner Formelhaftigkeit von einer spannenden Ausgangsidee getragen. Angesichts der aktuellen Bilder, die uns die Medien vom anarchistischen Zerfall des ebola-geplagten afrikanischen Kontinents zeigen, wirkt das nicht nur beinahe realistisch. Es liegt auf der Hand, sich zu fragen, wie wir uns verwandeln, wenn Ebola den europäischen Kontinent betritt. Dass in einschlägig bekannten Foren bereits ein Einreiseverbot für „Neger“ oder gar der Abwurf von Atombomben über den afrikanischen Seuchengebieten gefordert wird, lässt wenig Gutes erwarten. 


Noten: Big Doc = 3
 
The Returned (dts. Weder Zombies noch Menschen) – Spanien/Kanada 2013 - Regie: Manuel Carballo – Laufzeit: 98 Minuten – D.: Kris Holden-Reed, Emily Hampshire, Shawn Doyle, Claudia Bassols)

„The Returned“ lief nur kurz in den US-Kinos und wird per Direct-to-DVD und Video-on-Demand vermarktet. In Deutschland ist der Film seit Mai auf DVD und Bluray erhältlich.