Mittwoch, 11. Februar 2015

DVD-Review: Oz - Hölle hinter Gittern

Tom Fontanas Gefängnisserie „Oz“ (1997 – 2003) gehört zu den TV-Serien, die dazu beigetragen haben, dass heute meistens HBO gemeint ist, wenn von „Quality TV“ gesprochen wird. Dieser Markenkern von HBO besitzt mittlerweile mythische Qualitäten. „Oz“ trug zum Branding von HBO bei. Umso trauriger ist es, dass die erste deutschsprachig synchronisierte Staffel nun in einer katastrophalen DVD-Edition auf den deutschen Markt geworfen wird.

Fontanas Idee für „Oz“ war einfach: Was wird eigentlich aus den Verbrechern, die in einer Cop-Serie verhaftet werden?
Als HBO auf der Suche nach neuen Stoffen war, konnte Tom Fontana diesen Kernplot erfolgreich pitchen. Das „Oz“-Universum konzentrierte sich folglich sehr stark auf Personen, in denen sich die verschiedenen Facetten des öffentlichen Strafvollzugs widerspiegelten: Resozialisierung vs. Bestrafung, Moral vs. Verrohung. 

Letztere scheint in „Oz“ fast immer zu den Siegern zu gehören. In einer Parallelgesellschaft, in der neben der italienischen Mafia auch die Aryan Brotherhood und afro-amerikanische Gangs bestimmen, wo es lang geht. Gewalt und Mord bestimmen das Leben im fiktiven Hochsicherheitsgefängnis Oswald Maximum Security Penitentiary, in der nur die muslimische Gruppe um ihren charismatischen Führer Kareem Said (Eamonn Walker) so etwas wie ein politisches Bewusstsein entwickelt. 
Der Machtkampf zwischen Gefängnisleitung und Insassen, Gangs und Außenseitern, besteht aus pausenlosen Intrigen und Verschwörungen bis hin zu offenen Revolte. Die persönlichen Schicksale in dieser "Hölle hinter Gittern" werden exemplarisch an Figuren wie dem wegen fahrlässiger Tötung verurteilten weißen Anwalt Tobias Beecher (Lee Tergesen) durchgespielt . Beecher wird in der ersten Staffel von einem Anführer der arischen Fraktion zum Sexsklaven gemacht und solange gedemütigt, bis er „lernt“, dass nur brutale Gegengewalt ihn länger überleben lässt. Mit der Märchenwelt von Oz hat dies wenig zu tun.



Warum „Oz“ die TV-Serie revolutionierte

Das hatte man im US-Fernsehen so noch nicht gesehen. Der Realismus der Serie ging bei der sehr expliziten Darstellung von Gewalt weit über das hinaus, was sich die großen Networks erlauben durften.
„Oz“ war aber kein Brutalo-Trash. Die Figurenzeichnung war sehr differenziert, Flashbacks zeigten nicht nur den persönlichen Hintergrund der einzelnen Figuren, sondern auch die sozialen und milieubedingten Ursachen der kriminellen Vorgeschichte. 
Fontanas herausragendes Stilmittel war aber eine Figur, die ähnlich wie in griechischen Tragödie oder in Lehrstücken von Bert Brecht die Handlung kritisch, zynisch oder emotional kommentierte: Der im Rollstuhl sitzende Häftling Augustus Hill (Harold Perrineau, „Matrix“) wurde so die einzige Figur in einer barbarischen Umgebung, die offen über ihr Innerstes spricht, dabei die „Vierte Wand“ durchbricht und sich immer direkt an das Publikum wendet.

„Die Geschichte ist simpel“, resümiert Hill. „Ein Mann lebt im Gefängnis und stirbt. Wie er stirbt, ist nicht schwer zu erzählen. Das Wer und Warum ist der komplizierte Teil – der menschliche Teil ...“

Ohne „Oz“ keine „Sopranos“. Der Erfolg von Tom Fontana als Showrunner von „Oz“ machte HBO mutiger. Dennoch waren es in erster Linie extreme und technisch bedingte Marktverwerfungen gewesen, die bei dem Cable Network Mitte der 1990er Jahre einen Boom von Eigenproduktionen auslösten. Um das Pay-TV-Modell des Kabelfernsehens wirtschaftlich zu retten, setzte HBO in der Ära von CEO Jeffrey Bewkes auf selbst produzierte Inhalte. Serien sollten den Zuschauer wieder fester an HBO binden.
Ein Formatwechsel macht aber noch lange nicht eine neue Marke. Mit dem kreativen Tom Fontana setzte HBO auf einen Macher, der wie gewünscht die Grenzen auslotete, dabei aber qualitativ ein neues Erzählniveau etablierte: Diese Mischung aus hochwertig erzähltem Drama und explosiver Brutalität machte „Oz“ zu einer TV-Revolution. Möglich wurde dies allerdings nur, weil die US-Zensurbehörde FCC (Federal Communications Commission) lediglich frei empfangbare Networks wie ABC, NBC, CBS, FOX und CW reglementieren kann. Cable Networks wie AMC, FX, HBO oder Showtime unterliegen nicht der FCC. Ein Wettbewerbsvorsprung, den HBO (mittlerweile auch im Satelliten-TV und als Streaminganbieter engagiert) nicht nur bei „Oz“ nachhaltig nutzte.



Die deutsche DVD-Box ist ein miserables Produkt

Im deutschen Fernsehen war „Oz“ nicht zu sehen, obwohl ein Sender bereits mit der Synchronisation begonnen hatte. Dies wurde eingestellt: Fontanas Serie war zu „heikel“. 2014 wurde OZ dann neu synchronisiert und auf Sky Atlantic HD gezeigt.
Nun hat Paramount Home Entertainment im vergangenen Dezember die deutschsprachige 1. Staffel von „Oz“ veröffentlicht und herausgekommen ist ein erbärmliches Missverhältnis zwischen Preis und Leistung. Bereits nach wenigen Minuten ist klar, dass die im Framing von 4:3 produzierte Serie (Ton: Digital Dolby Mono) für den deutschen Markt nicht restauriert worden ist. Was auch immer für die Herstellung des Premasters herangezogen wurde: es ist minderwertig in Schärfe und Kontrast, die Farben sind verwaschen. Die miserable Qualität zeigt sich besonders bei Kameraschwenks, die fast immer von üblen Nachzieheffekten begleitet werden. Dies schließt ein digitales Quellmedium beinahe aus. An einer Stelle (in der finalen Episode der Staffeln) bricht das Bild sogar für mehrere Sekunden komplett zusammen.
Nach technischen Erklärungen oder Lösungen zu suchen, kann nicht die Aufgabe einer Rezension sein. Ebenso wenig ist für den Konsumenten das Herumbasteln an den Einstellungen des heimischen Flatscreens eine Alternative. Man beurteilt das, was man sieht. Und wenn es schlecht ist, kann man nur selten den Verbraucher dazu überreden, die Technik schönzureden, weil der Inhalt so exklusiv ist.
Um es deutlicher zu formulieren: „Oz“ sieht aus wie die Direktkopie eines VHS-Bandes. Und tatsächlich erschienen die Staffeln 1 und 2 in den USA auch auf VHS. Diese Qualität angesichts der Bedeutung der Serie für die Serienkultur nur als „lieblos“ zu bezeichnen, wäre sträflich. „Oz“ ist vielmehr komplett vermurkst worden.

Fazit: „Oz“ ist in dieser Verfassung nicht einmal ein Drittel des aktuellen Kaufpreises wert. Umgerechnet auf den Episodenpreis liegt dieser sogar deutlich über dem einer brandaktuellen Serie im VoD-Portfolio des Anbieters. Das Ganze wird noch dadurch passend abgerundet, dass die 1. Staffel ohne Bonusmaterial veröffentlicht wird. Übrigens im Gegensatz zum Region 1 Release in den Staaten. Paramount hat vermutlich den deutschen Markt als schwach eingeschätzt und so wenig wie möglich in das Produkt investiert. Im März erscheint die 2. Staffel – zu einem noch höheren Preis. Hier hilft nur der Griff zur britischen Komplettbox, deren Preis angemessen erscheint.