Montag, 2. Januar 2017

Best of 2016

Wie immer ist unser Jahresrückblick alles andere als ein Spiegel der erfolgreichsten Filme des vergangenen Jahres. Aber die Frage, ob wir stattdessen die besten gesehen haben, kann nicht so leicht beantwortet werden. Aber wie immer interessiert sich der Filmclub besonders für Filme, die zwar gut sind, aber längst nicht mehr alle im Kino zu sehen sind. Das bedeutet aber nicht, dass Blockbuster-Boliden keine Chance hatten. 


Das Ranking

 



Platz 1: Fantastic Beasts and Where to Find Them

Dass das „Kino der Effekte“ nicht gerade die Phantasie beflügelt, dürfte regen Widerspruch erzeugen. Filme wie „Independence Day: Resurgence“ treiben immerhin Millionen Gutgläubiger ins Kino, töten aber mit gnadenloser Präzision jede Regung von Empathie bei den Zuschauern ab. Massive Hirnschäden werden von Machern als lässlicher Kollateralschaden in Kauf genommen. Anders gelaufen ist dies mit dem Harry-Potter-Spin-off „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind.“ Das Vergnügen verdankt der Zuschauer aber nicht nur der digitalen Trickkiste, sondern besonders dem ausgesprochen einnehmenden Hauptdarsteller. Eddie Redmayne spielt in dem Film von David Yates den Magizoologen Newt Scamander, der das gleichnamige Buch geschrieben hat, das der kleine Harry zum ersten Mal in „Harry Potter und der Stein der Weisen“ in die Hände bekommt. Nun erzählt J.K. Rowling als Autorin des gleichnamigen Romans und auch als Drehbuchautorin ihre Geschichte mit außerordentlich viel Charme und lässt den etwas tollpatschigen und sehr liebenswerten magischen Wissenschaftler nach New York reisen, um dort ein magisches Tierwesen zu retten. Dass er in seinem Koffer einige Exemplare dieser Gattung gleich im Dutzendpack mitbringt, ohne vom Zoll erwischt zu werden, löst eine Reihe bizarrer Ereignisse aus. In Deutschland haben sie fast 3 Millionen Zuschauer begeistert. Zu recht.

Platz 2: Le tout nouveau Testament (Das brandneue Testament)

Kritik

Platz 3: Brooklyn

Kritik

Platz 4: Arrival

Kritik

Platz 5: En man som heter Ove

Das schwedische Filmdrama nach dem gleichnamigen Buch von Fredrik Backman ist eigentlich eine Dramödie. Der als „Kurt Wallander“ auch in Deutschland zu großer Popularität gekommene Rolf Lassgard spielt in „Ein Mann names Ove“ den misanthropischen Witwer Ove Lindahl, der mehr als einen Grund zu haben glaubt, um sich endlich umbringen zu müssen. Allein, es klappt nicht mit dem Aufhängen. Immer wieder der griesgrämige alte Mann von Zufällen und umtriebigen Nachbarn ins Leben zurückgeholt. Und gelegentlich reißt auch mal der Strick. Als dann auch noch die neue Nachbarin Parvaneh (Bahar Pars) mit ruppigem Charme das Vertrauen des Lebensmüden gewinnt, beginnt eine Serie von skurrilen Ereignissen, die Ove beinahe wieder mit dem Leben aussöhnen. Hannes Holms Film oszilliert irgendwo zwischen „Ziemlich beste Freunde“ und „Gran Torino“. Dass Holm ständig mit Hilfe von Rückblenden die Verfassung seiner Hauptfigur ‚erklären’ will, wirkt teilweise etwas holperig und holzschnittartig, aber Rolf Lassgard kann sich dem grantelnden Clint Eastwood durchaus messen. Der bleibt in „Gran Torino“ allerdings Sieger nach Punkten. „Ein Mann names Ove“ erhielt 2016 den Europäischen Filmpreis als „Beste Filmkomödie“.

Platz 6: Spotlight

Kritik

Platz 7: Zoomania

Der Film der Walt Disney Animation Studios legte 2016 den besten Kinostart seiner Geschichte hin und landete am Ende auf Platz 6 der Liste der erfolgreichsten Filme des Jahres. Abgesehen von seinem enormen visuellen Charme ist „Zoomania“ ein Film, der mit einer moralischen Botschaft seinen Siegeszug antritt. Nicht zum ersten Mal in der bunten Welt der Disney-Filme. In einer von sprechenden Tieren bevölkerten Welt gelingt es Judy Hopps als erster Hase Polizist zu werden. Kein leichter Job für ein kleines Tier. Erst recht nicht, wenn der Vorgesetzte ein misstrauischer Büffel ist. Die bislang weitgehend problemfreie Koexistenz von Raub- und ehemaligen Beutetieren in der bunten multi-kulturelle Gesellschaft bekommt allerdings Risse, als Häsin Hopps einer Verschwörung auf die Schliche kommt, die einen tiefen rassistischen Spalt in die zuvor friedliche Gesellschaft treibt. Die kleine Häsin tritt mutig gegen alle Vorurteile an, auch wenn ihre Freundschaft mit einem Fuchs keineswegs frei von Problemen ist und ihr selbst ein folgenschwerer rhetorischer Lapsus auf einer Pressekonferenz unterläuft. Leider konnte ich zumindest einer deutschen Kritik intellektuell nicht folgen. Dort war die Rede davon, dass die tierische Parabel von „Zoomania“ eine „ungute Anlehnung an Rassenlehren“ aufweist. Hoppla, da dekonstruiert ein Kinderfilm, der auch für Erwachsene bestens zum empfehlen ist, die Dynamik der faktenfreien Diskriminierung und die Inszenierung von idiotischen Angstszenarien, und plötzlich glaubt jemand, dass der Film klammheimlich für die Position wirbt. Eine verquere Logik. Wenn ich nur dann politisch korrekt bin, wenn ich verschweige, dass Raubtiere – und um die geht es – eben nun mal Raubtiere sind, kann ich gleich zur Blindenbrille greife. „Zoomania“ zeigt, dass es darum geht, was man tut, und nicht darum, was man ist. Punkt.

Platz 8: The Eichmann Show

Kritik

Platz 9: Black Mass

Scott Cooper lässt sich Zeit mit seinen Filmen. In den letzten sechs Jahren kamen lediglich drei auf die Leinwand, der erste („Crazy Heart“) ergatterte 2009 einen OSCAR. „Black Mass“ ist die Geschichte von James Bulger, einem in Boston berüchtigten Mobster, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere zu den zehn meistgesuchten Gangstern der USA zählte. Martin Scorsese hat ihn 2006 in der in „Departed – Unter Feinden“ präsentiert – diabolisch verkörpert von Jack Nicholson. In Scott Coopers Film wirkt er auch nicht gerade vertrauenerweckend. Und das, obwohl er von Johnny Depp gespielt wird, der nicht gerade die Darstellung von Soziopathen zu seiner schauspielerischen Lebensaufgabe gemacht hat. Allerdings ist die Performance von Johnny Depp noch eher als die Nicholsons dazu geeignet, um gewaltiges Frösteln beim Zuschauer auslösen. Während Nicholson den Anführer der Winter Hill Gang als irren Clown präsentiert, spielt Depp die Figur des „Whitey“ Bulger als bipolare Existenz, bei der man nie weiß, was verrückter ist: der liebevolle Familienmensch oder der empathiefreie Killer. Coopers Film bebildert eine grausame Dunkelheit, die sich unwiderruflich über alles legt, was sich Bulger in den Weg stellt. Kaum zu glauben, dass der Gangster in seinem irischen Milieu beinahe wie ein Volksheld gefeierte wurde. Da aber Bulgers tatsächliches Leben noch spannender als der Film ist, warte ich immer noch auf das Biopic, das allen Facetten dieser Crime Story gerecht wird. In dem prominenten Cast spielt Joel Edgerton den FBI-Agenten John Connolly und Benedict Cumberbatch „Whiteys“ Bruder William. James Bulger wurde erst als 81-Jähriger gefasst. Er hatte zuvor seinen Lebensabend friedlich in Santa Monica verbracht.

Platz 10: Der Staat gegen Fritz Bauer

Kritik

Platz 11: „Remember”

Atom Egoyan ist ein klassischer Autorenfilmer (zwei OSCAR-Nominierungen für „Das süße Jenseits”, insgesamt 41 Filmpreise und 34 Nominierungen), der nicht nur gelegentlich am Mainstream vorbeifilmt. In „Remember” erzählt er die Geschichte der zwei Auschwitz-Überlebenden Zev Guttman (Christopher Plummer) und Max Rosenbaum (Martin Landau), die einem New Yorker Altenheim leben. Max schickt den dementen Freud auf eine Odyssee durch die USA. Er soll den Nazi Otto Wallisch töten, der vor über 70 Jahren die Familien der beiden Freunde im Konzentrationslager ermordet hat. „Remember” ist ein mit galligem Humor erzählter Thriller, der den von Christopher Plummer exzellent gespielten Todesboten am Ende mit einem unglaublichen Plot-Twist konfrontiert: Der Demenzkranke erinnert sich an die Wahrheit. Hört sich zynisch an, ist es aber nicht. In dem mit warmen Zwischentönen erzählten Film tauchen Bruno Ganz und Jürgen Prochnow in Nebenrollen auf.

Platz 12: Elser

Oliver Hirschbiegels Film landete spät auf unserem Tisch, denn eigentlich gehört er in die Auswertung des Jahres 2015. „Elser - Er hätte die Welt verändert“ zeichnet nicht nur die Geschichte von Georg Elser nach, dem es 1939 fast gelungen wäre, Adolf Hitler im Bürgerbräukeller zu töten, sondern findet auch ausreichend kluge und beklemmende Bilder, um nachzuspüren, warum die Deutschen die Nationalsozialisten gewählt haben und wie lustvoll sie danach ihren rassistischen und bigotten Impulsen nachgeben konnten.

Platz 13: Queen of the Desert (Königin der Wüste)

Bereits 2015 kam Werner Herzogs Biopic über die Ethnologin und Geheimdienstmitarbeiterin Gertrude Bell auf die Leinwand. Von der Kritik als „Schmonzette“ abgetan, konzentriert sich der Film tatsächlich eher auf die romantischen Erlebnisse der bekannten Historikerin, die von Nicole Kidman passabel gespielt wird. Gertrude Bells Reisen durch das Osmanische Reich und den Nahen Osten führten dazu, dass sie als Expertin gehandelt wurde und nach dem 1. Weltkrieg eine wichtige Rolle bei der Neugestaltung der Region spielte. Davon sieht man bei Herzog kaum etwas. In „Königin der Wüste“ ist auch von der filmischen Widerspenstigkeit des frühen Werner Herzog nicht mehr viel übriggeblieben. Man hat eher das Gefühl, dass der deutsche Regisseur mit viel Geschick den Investoren seine Mainstream-Tauglichkeit unter Beweis stellen wollte. Da der Cast zudem James Franco, Damian Lewis und Robert Pattinson als Lawrence von Arabien (kaum zu glauben, aber wahr) mehr oder weniger sehenswert zusammengestellt wurde, ist dies zumindest nicht völlig misslungen. Warum der Film aber so außergewöhnlich wohlwollend im Filmclub aufgenommen wurde, erschließt sich auch im Rückblick nicht ganz. Besonders auch deshalb, weil alle nachfolgenden Filme um eine Klasse besser sind als Werner Herzogs Wüstenzauber. Komisch.

Platz 14: Trumbo

Kritik

Platz 15: Captain America: Civil War

Kritik

Platz 16: Taxi (Taxi Teheran)

Kritik

Platz 17: Les héritiers (Die Schüler der Madame Anne)

Kritik

Platz 18: Monsieur Chocolat

Es gibt Geschichten, die im Meer der Geschichte versinken, aber auffindbar bleiben. Der 51-jährigen Regisseur und Schauspieler Roschdy Zem führt den Zuschauer in ausgehende 19. Jh. nach Paris und erzählt die authentische Geschichte des ersten farbigen Clowns der französischen Zirkus- und Varieté-Geschichte: Monsieur Chocolat aka Rafael Padilla bildete mit seinem Partner George Footit (James Thierée) zwanzig Jahre lang ein geniales Clowns-Duo mit Star-Status. Footit gab den autoritären Clown, der am Ende der Show seinem Partner, dem dummen August, einen Arschtritt verpasste. Das Publikum brüllte vor Lachen. Chocolat wird von Omar Sy gespielt, der als erster Farbiger den den französischen Filmpreis César als Bester Hauptdarsteller in „Intouchables“, dts. „Ziemlich beste Freunde“, erhielt. In Zems Film dauert es eine Weile, bis Chocolat entdeckt, dass er den kolonialen Rassismus der Pariser Obersicht bedient. Wut und Trauer drückt der Künstler aus, indem er sein Geld mit Glücksspiel und Frauen verprasst. Das Scheitern ist vorprogrammiert und als Padilla es wagt, den Mohr in Shakespeares „Othello“ zu mimen, ist er erledigt und stirbt einige Jahre schwer krank und in Armut. Ob Roschdy Zems Biopic immer historisch exakt ist, darf bezweifelt werden. Trotz einiger Schwäche transportiert der Film aber den Zeitgeist seiner Epoche auf sehenswerte Weise. Das liegt auch daran, dass man sich ständig fragt, ob die Sache mit dem Arschtritt auch heute noch funktionieren würde.

Platz 19: Eye in the Sky

Kritik

Platz 20: Experimenter

Kritik


Grottig: Die schlechtesten Filme des Jahres

  • Nr. 1: Deadpool.
    Für die prollige Comicverfilmung gab es eine glatte Sechs. Weltweit spielte der Film fast $ 800 Mio. ein. Niederschmetternd zu wissen, wie viele Menschen so etwas mögen. 
  • Nr. 2: 13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi
    Sinnlose Baller-Orgie, die  zudem nicht sonderlich an den historischen Fakten interessiert ist. Aber dies ist im postfaktischen Zeitalter ja egal. Note: 5.
  • Platz 3: Triple 9
    Lustlos, zynisch und garantiert empathiefrei. Mit anderen Worten: ein schrecklicher Film, der mit der Note 4,5 sogar noch gut bedient ist.
  • Platz 4: Batman v Superman: Dawn of Justice
    Pompös, pathetisch, lächerlich. Die DC-Comicverfilmung gilt als gescheitert, weil sie knapp die Milliardengrenze verfehlte. Wenigstens das spendet etwas Trost. Note: 3,5.
  • Platz 5: Star Trek Beyond
  • Die Kinoversionen der Roddenberry-Saga wurden bereits in der Vergangenheit kontinuierlich schlechter. Da hilft auch nicht die Flucht in einer Parallel-Universum. Note: 3,5


 

Außer Konkurrenz


Die Top Twenty verfehlten knapp: „The Jungle Book“, „Hail, Cesar!“, „Midnight Special“ (in 2016 einer meiner Lieblingsfilme) und „Money Monster“.
Positiv zu erwähnen sind auch Filme, die aufgrund zu geringer Beteiligung nicht in die Wertung kamen. Nicht übel waren
„Die Tribute von Panem - Mockingjay Part 2“. Toni Erdmann, der mittlerweile beim Europäischen Filmpreis abgeräumt hat, wird 2017 ausgewertet. Allerdings will ein Clubmitglied keinen Film sehen, in dem jemand mit einem Pferdegebiss herumläuft - wir arbeiten daran. „The Big Short“ wurde nicht durchgehend wohlwollend aufgenommen, war aber auch arg kompliziert. Und geradezu tragisch war es, dass „Stolz und Vorurteil & Zombies“ exakt auf die Schwelle zum neuen Jahr rutschte. Da war aber unser Jahresrückblick schon fix und fertig. Für den phantastischen und sehr feinfühligen Film, der mehr von Jane Austen als von George A. Romero besitzt, gab es die Note 2.

Ich wünsche allen Lesern ein tolles neues Filmjahr 2017!