Dienstag, 4. April 2017

The Walking Dead Season 7: Viel Lärm um nichts?

Ein unpopulärer Schurke, ein zu langsames Tempo und Frust über verkorkste Cliffhanger –AMC‘s bestes Pferd im Stall steht lahmend auf der Rennbahn wie in Dafür massive Quoten-Einbrüche und weltweit ein ruppiges Bashing in den Fan-Foren. „The Walking Dead“ im freien Fall?
 

Wenn Serienmacher den Punkt erahnen könnten, an dem sie ihre Fans verlieren, würden sie dennoch kein As aus dem Ärmel ziehen können. Horizontal erzählte Serien wie „The Walking Dead“ werden in großen Erzählbögen geplant. Dass man sich von Script zu Script hangelt, wie es teilweise bei „Lost“ der Fall war, ist bei einem Premiumprojekt schlichtweg undenkbar. Während die 7. Staffel von TWD zu Ende gegangen ist, sind die großen Erzähllinien für Staffel 8 und 9 also bereits entworfen. Jedenfalls behauptet dies Showrunner Scott M. Gimple, und man sollte es ihm glauben.

Von langer Hand geplant war auch das Staffelfinale. Der „All-out-War" begann und alles sah aus wie bei „Game of Thrones“: Der Feind steht vor den Mauern der Stadt, aber in den Reihen der Verteidiger brechen Verräter den Widerstand. Verblüfft fragt man sich, warum Rick, der misstrauische und beinahe paranoide Leader des Widerstands, sich ausgerechnet mit einer Gruppe verbandelt hat, deren Machtgefüge und Gruppenideologie er nicht wirklich kennt. Nun rächt sich die Fahrlässigkeit.

Wenig später kniet er – hallo déja-vu! – erneut vor Negan, zusammen mit seinem Sohn Carl. Der aktuelle Oberschurke schwingt „Lucille“, seinen Baseballschläger, will diesmal allerdings nur mit einem einzigen Schlag seinem Opfer den Schädel einschlagen. Carl soll es sein, ausgerechnet der Junge, den Negan eigentlich mag. Und Rick? Wirft er sich in einer letzten verzweifelten Attacke zwischen den Unhold und seinen Sohn? Nein, er schleudert Negan erneut seine finsteren Todesdrohungen entgegen, bleibt aber auf den Knien. Zum Glück tauscht Tiger Shiva und schnappt sich einen Savior und mit ihm treffen auch des Königs Boten ein, allerdings nicht reitend, sondern zu Fuß.
 

Nicht alles war stimmig beim Staffelfinale. Dass, wie von der Fans vermutet, ein Supporting Actor ins Gras beißen muss, überraschte nicht. Die Fans werden die Actrice demnächst in „Star Trek Discovery“ bewundern können. Dass die Scavengers (auf Deutsch „Aasfresser) offenbar einen besseren Deal mit Negan abgeschlossen haben, mag ein netter politischer Scherz sein, überraschte aber auch nicht. Dies hatte ausgerechnet am 1. April ein deutsches Film-Magazin geleakt.
Dass die Scavengers aber ihre Ex-Verbündeten nicht zwingen, die Waffen niederzulegen, sondern sie nur in Schach halten, strapaziert doch ein wenig das Bedürfnis nach Plausibilität. So waren die Alexandriner sofort schussbereit und kein Zuschauer musste befürchten, dass ein Cliffhanger alles Weitere in den Spätherbst verschiebt.
Und so verabschiedete sich „The Walking Dead“ mit einigen durchaus gefühlvollen und vertretbar sentimentalen Reminiszenzen und einer wüsten Ballerei in die Sommerpause. Allerdings und trotz eines stark verbesserten Ergebnis mit der zweitschlechtesten Quote für ein Staffelfinale seit Season 2. Die Frage: Ist das Arithmetik oder ein echtes Problem?



Die Quoten: Viel Lärm um nichts.

Quotenverluste sind nicht Business as usual. Serien müssen sich eine Verlängerung erkämpfen und wäre TWD eine normale Serie, müsste man über den Quotensturz besorgt sein. Eine Halbierung der Quoten hätte bei einer weniger erfolgreichen Serie und bei vorherigen Ratings um 2.0 (Nielsen) in den USA schnell das Aus sein können. Aber auch das ist nicht immer ein Automatismus, erst recht nicht für den Dauerrenner „The Walking Dead“. Zum Vergleich: die von der Kritik gefeierte FX-Serie „Legion“ startete mit 1.62, nach den 8 Episoden der ersten Staffel war man dann bei 0.81. Dennoch erhielt „Fargo“-Schöpfer Noah Hawley seine zweite Staffel. 

„Okay, not great“, kommentierte Hawley den mangelnden Zuspruch seiner Serie, die immerhin im MARVEL-Universum angesiedelt ist. Stattdessen wolle man auf DVR setzen. 


Das Dilemma ist bekannt. Alle starren am Montagmorgen gebannt auf die Live-Quoten, aber über die tatsächliche Zuschauerresonanz entscheiden eben auch zeitversetztes Fernsehen im +3 und +7-Schema, das Streaming via Webpräsenz und die langfristige Vermarktung auf dem internationalen Markt. 
Nachdenken wird man schon müssen.
Die aktuelle Staffel von „The Walking Dead“ begann mit in „The Day Day Will Come When You Won’t Be“ und einem sensationellen Rating von 17.03, stürzte dann auf 12.46 ab und pendelte sich anschließend bei Werten um 10.5 ein. Natürlich ließ dies aufhorchen, aber am besagten Montagmorgen sah es trotzdem immer gleich aus: TWD rangierte auf Platz 1, die AMC-Talkshow „Talking Dead“ auf Platz 2.
Schon erstaunlich: der Talk in „Talking Dead“ holte in seiner Hochzeit von 2015 bis 2016 für AMC dreimal so viel Zuschauer vor die Mattscheibe (5-6 Mio.) wie die auf Platz 3 platzierte Konkurrenzserie. Mittlerweile sind auch bei „Talking Dead“ die Quoten etwas mau geworden, aber während der gesamten Season erreichte man Werte um die 4.0. 


Der vermeintliche Quotensturz ist arithmetisch nicht zu leugnen, aber man muss die Relationen betrachten. Zieht man das zeitversetzte TV hinzu, so sieht die Sache nämlich anders aus: TWD rutschte nach der ersten Episode von insgesamt 21 Mio. Zuschauern auf 17,9 ab, pendelte sich stabil bei 16 Mio. ein, ehe die Serie mit ep 11 „Hostiles and Calamities“ erstmalig diese Marke unterschritt und zuletzt bei 14.78 rangierte.
Diese ‚schlechten Quoten“ spielen in einer anderen Liga, wenn auf Platz 4 die nächstplatzierte Serie „Into The Badlands“ für 4.3 beinahe hysterisch gefeiert wird.
Das Fazit: „The Walking Dead“ hat Fans verloren, ist aber im 7. Jahr immer noch ziemlich einsam an der Spitze. Aus dieser Sicht ist die Quotendebatte jedenfalls im Moment nicht wirklich wichtig. Viel interessanter ist die Frage, was die Fans so sauer machte.



Bashing macht Spaß: Nie wieder Cliffhanger!

Nach „The Day Day Will Come When You Won’t Be“ war die Jagdsaison eröffnet. Bis heute gilt der Staffelauftakt als brutalste TWD-Episode aller Zeiten. In den Foren verabschiedeten sich die Fans in Scharen von ihrem Favoriten. Gefühlt waren besonders in den USA neun von zehn Postings unverkennbarer Ausdruck von Wut und Unverständnis. Eine Gewaltdebatte wurde losgetreten, nicht zu Unrecht. Die Medien berichteten von „Torture Porn“, die TWD-Macher versprachen Besserung, was aber schnell vom Showrunner dementiert wurde.
Aber war die sadistisch zelebrierte Ermordung von Glenn, dem Pizzaboten, und dem tapferen Abraham, der nur bedingt zum engen Kreis der Fanfavoriten zu zählen war, wirklich der einzige Grund? Ich habe dies in einem älteren Beitrag bereits ausführlich kommentiert.
Natürlich war Negans zweiter Auftritt als Mega-Schurke unappetitlich und die Serienmacher Scott M. Gimple und Gale Anne Hurd mussten Stellung beziehen. Aber die explizite Gewalt in TWD hatte bereits in den früheren Staffeln ihre Opfer gefunden, etwa Hershels Ermordung in Staffel 4. Das allein konnte es nicht sein.


Stattdessen machte sich in den Fanforen etwas anderes breit: die Ablehnung von Cliffhangern. Der Missmut hat sich bis heute gehalten und er ist nachvollziehbar. Selten wurde zuvor dieses klassische Instrument der Spannungserzeugung so fatal gegen die eigenen Zuschauer in Stellung gebracht wie in Staffel 6. Der Cliffhanger dieser Staffel war nicht alternativlos, aber dies war nicht das Problem. Der Cliffhanger lebt von der gelungenen Auflösung, scheitert diese, ist die formale Konstruktion dieses Erzählkniffs als solche zu durchschauen. Man denkt nicht mehr daran, wie die Geschichte weitergeht, sondern daran, dass sich jemand etwas ausgedacht hat, um die Neugierigen zu foltern.


Jemanden auf die Folter spannen, das konnte bereits der Großmeister des Cliffhangers. Nein, es war nicht Alfred Hitchcock. Es war Charles Dickens, der Autor von „Oliver Twist“ und „David Copperfield“, der fast alle seiner Erfolgsromane zunächst in Form von Fortsetzungsromanen in monatlich erscheinenden Magazinen veröffentlichte. Dickens musste seine Leser allein schon aus finanziellen Gründen bei der Stange halten und so endete das jeweilige Kapitel immer dann, wenn es am spannendsten war. Zudem arbeitete Dickens mit parallelen Handlungen und anderen Tricks und perfektionierte so die Methoden des Storytelling auf eine Weise, die an heutige TV-Serien erinnert.
Sein letzter Cliffhanger war der perfekteste von allen: Dickens starb mitten im Schreibprozess, ausgerechnet als die Spannung zum Zerreißen war. Die Leser erfuhren nicht, wie es weiterging.


Im Vergleich zum viktorianischen England des 19. Jh. hat sich einiges, aber nicht alles geändert. Zum Cliffhanger gehört die überzeugende Auflösung – und die lieferte TWD zum Auftakt der 7. Staffel nicht. Die erste Episode verzögerte die Auflösung durch zahllose Flashbacks, ein retardierendes Stilmittel, das bekannt ist, aber zur Pein wird, wenn es durch endlose Werbeblöcke ausgeweitet wird. 
Beim Staffelfinale griff man erneut zu dieser Methode, aber längst nicht so intensiv. Der Staffelauftakt wirkte jedoch so manipulativ, dass man beim Zuschauen den Verdacht hatte, dass die erfolgsverwöhnten Serienmacher ihre Zuschauer wie Marionetten behandelten, die an den Fäden der Erzähler hängen. Quod erat demonstrandum.


Von Dickens hätte man lernen können, wie es gehen kann. Der britische Autor tourte durch England und spielte seinem begeisterten Publikum in einer One-Man-Show die Kapitel seiner Bücher vor. Dabei übernahm er auch noch alle Rollen. Dickens war er offen für Anregungen und Kritik und nahm aufmerksam Notiz davon, was seine Fans dachten und füllten. Heute wird dies im Internet erledigt, aber die Serienmacher erfahren immer erst dann davon, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. 



Zu langsames Tempo und der Schurke ist langweilig

Ja, mit großem Getöse war der Auftritt Negans vorbereitet worden. Und dann kam der Auftritt von Jeffrey Dean Morgan. Auch an ihm rieb sich die Fangemeinde auf. Kein Wunder, denn J. D. Morgan musste gegen sein imposantes Comic-Alter Ego ankämpfen.
Natürlich gab es in der TV-Serie nicht mal annähernd so viel F-Words wie in den Comics. Offen gestanden: es gab überhaupt keine. Aber sonst war Jeffrey Dean Morgans Performance (für die er den Critic’s Choice Television Award als Best Guest Performer in einer Dramaserie erhielt) mehr als ordentlich. Die Mischung aus sadistischer Genussfähigkeit, ironisch-zynischer Rhetorik, unübersehbarer Intelligenz und einem überschaubaren Maß an Empathie erzeugte eine interessante Mischung von Charakterdissonanzen. Die ließen erkennen, dass in der 7. Staffel die Grundlage für die komplexe Beziehung zwischen Rick und Negan geschaffen wurde, eine Beziehung, die in den Comics nach dem „All-out-War“ den Status eines pragmatischen Zweckbündnisses erhält. Eine Zeitlang wird man diesen Bösewicht noch bestaunen dürfen.


Den Fans schien dies egal zu sein, populär wurde – zumindest in den Staaten – diese Figur eigentlich nie. Die meisten Zuschauer wünschten sich ein schnelles Ende der Negan-Storyline. Der Wunsch wird nicht in Erfüllung gehen. 

Vermutlich ist die Aversion der Zuschauer daran festzumachen, dass man einen Schuldigen für die maßvolle Enttäuschung suchte, die sich nach dem Staffelauftakt wie ein Waldbrand ausbreitete und TWD einige Millionen Zuschauer kostete. Die Umlenkung der Wut auf eine fiktive Figur, die nichts anderes getan hatte als das, was man bereits aus den Comics wissen konnte, war psychologisch zwar nachvollziehbar. Dies änderte aber nur wenig daran, dass sich das Team um Scott M. Gimple und Comicschöpfer Robert Kirkman geprellt fühlen musste. Die Einführung des populärsten Schurken aus dem Comics sollte ein staffelübergreifender Höhepunkt werden, stattdessen registrierte man insgeheim wohl fassungslos darauf, dass einige Millionen Zuschauer dies völlig anders sahen. 


„I’ve decided I’m not going to watch another episode with Negan or whatever the f*** his name is. I see the sadism and glee continues. One of the reasons I watch TWD at all is because I am invested in the characters survival, or attempts at survival. If they decide to kill Negan, well, I’ll watch that“, protestierte ein Fan in einem Forum, während Ende November ´16 ein anderer alles deutlich knapper auf den Punkt brachte: „Negan is one of the most disgusting characters I’ve ever seen or read, yet I’m completely transfixed every time Jeffrey Dean Morgan is on the screen.“ Oder: „Morgan acting performance after the first episode has become stale, repetitive and somewhat boring with his manerism and strange voice inflections. If we don’t see a different approach, soon people will grew tired of this character.“

 
Es waren aber nicht nur die Fans, auch die Medien stimmten in den Chor der Kritiker ein. In FORBES schrieb Erik Kain: „Negan is a one-note villain with no discernible motives beyond cruelty who talks endlessly, boastfully, cracking unfunny jokes and generally annoying everyone around him. The showrunners said audiences would love Negan and feel bad about it since he's such a terrible monster. Instead, we dislike him not because he's a bad guy, but because he's so irritating and omnipresent 8 (…) Maybe the character works in the comics and something's simply been lost in the translation. Maybe you need to do more than simply copy what works in a comic book and expect it to work on TV. It seems to me that The Walking Dead TV show has a very different audience and demand than the comics, and it's time to move toward what works on TV and away from what works in a comic if the two don't mesh very well, which seems to be the case.“
 

Sieht man davon ab, dass sich Trolle begeistert über angeschlagene Gegner hermachen, konnte man weitgehend einen glaubwürdigen Ärger spüren. Der machte sich sich allen weiteren Episoden bemerkbar, was immerhin bewies, dass sich nicht alle seriellen Wutbürger von der Serie verabschiedet hatten.

Auf jeden Fall konnte man einen Side Effect von Negan aus der Kritik herauslesen: den Ärger über die Zersplitterung des Narrativs. Die Omnipräsenz Negans war nicht nur in seiner Screentime spürbar, sie führte auch fast zwangsläufig zur Einführung neuer Communitys und neuer Gruppen, zu neuen Nebenfiguren, von denen einige interessante aus den Augen verloren wurden, und zu vielen Handlungssträngen, die in ein zusammenhängendes Konzept integriert werden mussten. Natürlich ging dies zu Lasten von anderen Figuren wie Morgan oder Carol, die zwar nicht völlig von der Bildfläche verschwanden, aber vergleichsweise selten zu sehen waren.


Vielen Zuschauern erschien dies viel zu umständlich zu sein, denn im Grunde drehte sich die 7. Staffel nur um ein Ziel: Wie besorgt man sich Waffen und wie schmiedet man eine Allianz gegen den Bad Ass, der in regelmäßigen Abständen in Alexandria die Ressourcen abgreift und dort für Ricks Sohn Carl schon mal ganz entspannt eine Portion Spaghetti zubereitet? Geht das nicht schneller?



Das Storytelling: keine Ursache ohne Wirkung, nur halt später

Dabei hatte sich am Narrativ nur wenig geändert. Scott M. Gimple verriet sein Konzept am Tag nach dem Staffelfinale dem „Hollywood Reporter“: „We try to reinvent the show every eight episodes.“
Ob man etwas neu erfindet, wenn man an ein Schema gebunden ist, ist eine Sache. Die andere ist: Funktioniert das auch?
 Im Verlauf der Season konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Sprengung der Gruppe um Rick ähnlich ablief wie in Staffel 4, die erst am Ende alle Mitglieder wieder zusammenführte. In Staffel 7 war dies bereits zur Midseason der Fall, also wie von Gimple definiert nach acht Episoden.


Beide Staffelhälften bestanden aus Episoden, die den Main Plot forcierten, und aus Brückenepisoden, in denen einzelne Figuren im Fokus standen. Allerdings besaßen einige Main Plot-Episoden einen veritablen Cliffhanger, der nicht in der Folgeepisode aufgelöst wurde und die gute Laune der Zuschauer nicht steigerte.
Main Plot-Episoden war neben der ersten Episode zunächst die vierte. In „Service“ sieht man zum ersten Mal, wie Ricks Gruppe die bisherigen Ereignisse zu verarbeiten versucht. Negan sucht mit dem Saviors Alexandria heim und sammelt seinen Tribut ein. Rick scheint kraft- und mutlos zu sein. „Sing Me a Song“, die 7. Episode, löste einen Cliffhanger aus Episode 5 (!) auf und erzählte, wie Carls vergeblicher Versuch, Negan zu töten, mit einer Sightseeing Tour durch das Sanctuary endet.
In „Hearts Still Beating“, der letzte Folge vor der Midseason, kann Darly aus Negans Gefängnis fliehen. Bei einem erneuten Besuch der Saviors der Alexandria werden zwei Bewohner von Negan und den Saviors getötet. Am Ende ist Ricks Gruppe zusammen und plant den Widerstand.


Vier Episoden waren also dramaturgisch essentiell. Die anderen Episoden zeigten Morgan und Carol im Kingdom (ep 2: „The Well“), Daryls Tortur in Negans Gefängnis (ep 3: „The Cell“), Maggies Geschichte in Hiltop (ep 5: „Go Getters“) und Taras Erfahrungen mit der Oceanside Community (ep 6: „Swear“). 

Solche Brückenepisoden werden von Fans oft als „Filler“ geschmäht, doch in einem echten „Filler“ wird definitiv kein Beitrag für die Story Arc geleistet. „Filler“ werden häufig produziert, um die Gesamtzahl der Episoden auf die geforderte Mindestanzahl zu hieven. Hier irrte man sich gehörig: In „The Walking Dead“ gab es auch in der zweiten Staffelhälfte keine Episode, die nicht einen erkennbaren Beitrag zum Thema der Staffel beitragen konnte. Im Gegenteil. Alles, was man sah, hatte direkte Konsequenzen für den weiteren Verlauf der Handlung, auch dann, wenn dies erst viel später zu erkennen war.

Anders formuliert: auch in dieser Hinsicht folgte TWD seinen bekannten Prinzipien. Auf eine Ursache folgte die Wirkung nicht unmittelbar, sondern erst nach einigen retardierenden Momenten. Und oft sind es die Nebenfiguren, die mit ihren eigenen Geschichten ein anderes Licht auf die Haupterzählung werfen.



Quo vadis, TWD?

Das Problem breit angelegter horizontaler Serien ist die Stringenz. Nicht nur in „The Walking Dead“ ist damit die Schlüssigkeit gemeint, mit der das Hauptthema weiterentwickelt wird. In der postapokalyptischen Welt der Zombies ging es von Anfang an nicht nur um das Überleben, sondern um die Verhandlung der dafür erforderlichen Regeln. Viele Figuren, die einen moralischen Kompass hatten, überlebten nicht. Neue Protagonisten tauchten auf und stellten diese Fragen aufs Neue. Bekannte Figuren wie Carol verloren sich in ihren Zweifeln und fanden lange keine Antwort.

In der apokalyptischen Welt der „Walking Dead“ herrschte aber immer ein durch Erfahrung erlernter Minimalkonsens: Jeder Mensch ist des anderen Menschen Feind (Homo homini lupus), man tut, was man tun muss, auch wenn es brutal ist. Dies führt(e) allerdings in die Anarchie. 
Angetrieben von der Hoffnung auf eine Safe Zone, auf ein neues Home, wurden die Wünsche der Protagonisten daher regelmäßig zerschlagen. Soziale Strukturen wie Alexandria drohten zu zerbrechen, entweder an der fehlenden Wehrhaftigkeit oder an der Skrupellosigkeit ihrer Anführer. Ricks Angriff auf einen Outpost der Saviors in Staffel 6 überschritt dabei die dünne Linie zwischen Notwendigkeit und Selbstüberschätzung.
Sterben müssen in so einer Welt deshalb immer die Naiven oder jene, die allzu moralisch sind. 
Auch diese skeptische Weltsicht ist ist nicht neu. Der englische Philosoph Thomas Hobbes sah zum Beispiel in der Unterwerfung unter einen absoluten Herrscher, der unbedingt über Gut und Böse entscheidet, die einzige Möglichkeit, um in relativer Sicherheit leben zu können. Der Preis ist die Freiheit. In der Welt von „The Walking Dead“ taucht dieser absolute Herrscher auf, aber die Konsequenzen sind drastischer: es droht die Sklaverei. Menschen sind für Negan lediglich „Humankapital“.


Diesen Grundkonflikt von Freiheit und Sicherheit, Reflexion und Entscheidungszwang hat „The Walking Dead“ bislang exzellent nachgezeichnet, es war ein gut austariertes Spiel zwischen Horror und Philosophie, das folglich völlig unterschiedliche Zuschauergruppen faszinierte, auch weil TWD dies mit deutlich weniger Hauptfiguren viel konzentrierter erzählen konnte als es im Moment der Fall ist.
In Staffel 7 scheint das Hauptthema allerdings verlorengegangen zu sein. Die Serie und ihre Hauptfiguren sind, wie ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe, bei den anarchischen Regeln einer prä-historischer Gesellschaft angekommen, in der auch die moralisch Skrupulösen wie Morgan oder Carol am Ende wieder tötend in der Krieg ziehen. Man wird sehen, wie lange das gut geht.
Wenn aber die Serie den Comics folgt, wird der Krieg zum Dauerzustand. „The Walking Dead“ würde in der Welt von „Game of Thrones“ landen. Gut wäre das nicht, denn GoT hat hinlänglich bewiesen, dass es diese Geschichte besser erzählen kann. Und dabei nicht zimperlich ist: Als in Staffel in der 6. Episode eine (und nicht die erste) Vergewaltigung zu sehen war, löste dies einen Sturm der Empörung aus. Auch in diesem Fall wollten sich zahllose Fans von der Serie verabschieden. Eingehalten haben sie das Versprechen nur in der Folgeepisode - danach ging es wieder rasch nach oben mit den Quoten. Abgesehen davon wären die GoT-Macher sicher sehr glücklich, wenn sie die schlechten Quoten von TWD übernehmen könnten.


Jede gute Serie muss sich neu erfinden. Mit der 7. Staffel wollten die Macher von „The Walking Dead“ die Welt größer und komplizierter machen. Nun müssen sie einen Weg finden, um den Fokus wieder herzustellen. Also mehr Konzentration auf die tragenden Figuren, mehr Main Plot-Episoden und ein guter Rhythmus zwischen Tempo und Beruhigung. Die Serie muss wieder ihr ureigenes Thema finden, auch wenn dies von einem Teil der Zuschauer manchmal als langweilig empfunden wird. Schaffen dies die Macher, werden auch die Quoten besser.



Alle Beiträge zu „The Walking Dead“