Dienstag, 17. April 2018

The Walking Dead – das Saisonfinale. Und wieder ist keiner zufrieden

Die letzte Episode der 8. Staffel beendete nicht nur den „All Out War“, sondern präsentierte auch eine Schlusseinstellung, die so aussah wie das Ende der Serie. Schluss und Aus mit der Zombieapokalypse, Vater und Sohn gehen vereint in eine bessere Zukunft. Dazu wird es nicht kommen – es war ein Flashback. Ginge es nach einigen Kritikern und Fans, müsste „The Walking Dead“ auf der Stelle eingestampft werden. 

Die achte Staffel endete verblüffend friedlich. Außer ein paar Statisten musste niemand sterben. Die Macher verzichteten trotz einiger auf Click Baiting spezialisierten Medien auf das angekündigte Massensterben wichtiger Figuren und auch Negans Schicksal folgte konsequent der Storyline der Comics. 


In der zweiten Staffelhälfte hatte sich die Qualität der Drehbücher ohnehin etwas gebessert und für das Staffelfinale hatten Scott M. Gimple, Angela Kang und Matthew Negrete selbst Hand angelegt. Und ganz am Ende konnte man sogar so etwas wie eine erzählerische Kohärenz erkennen, denn der Tod von Carl schien tatsächlich eine moralische Neubewertung ausgelöst zu haben. Auf jeden Fall bei Rick Grimes, der sich an der Friedensphilosophie seines Sohnes aufrichtete und sich für Idee einer Welt begeistern konnte, in der auch Platz für die Besiegten ist.

Dass sich das große Finale mit den Saviors im wahrsten Sinne als Rohrkrepierer entpuppte, was ausgerechnet Eugene Porter zu verdanken, der sich im letzten Moment auf die Seite der strategisch bereits überrumpelten Anti-Negan-Allianz geschlagen hatte. Und so war auch die finale Auge-um-Auge-Prügelei zwischen dem Schurken Negan und seinem Widersacher kein Fight mit biblischem Ausmaß. Rick bezog kräftig Prügel und konnte sich nur mit einem fiesen Trick retten. 

Die letzten Minuten dienten danach nur noch der Abarbeitung einiger Erzählfäden, die fast sakral anmuteten (Father Gabriel sieht das Licht und findet seinen Glauben wieder) und mit einem sich hart am Rand des Kitsches bewegenden Sound illustriert wurden. Nicht alles lief also rund, es war auch nicht zu erwarten, aber es folgte glücklicherweise kein Cliffhanger, sondern ein tröstendes Ende – sieht man einmal davon ab, dass sich Maggie und Daryl und ausgerechnet auch der stets an Versöhnung interessierte Jesus zu einer Anti-Rick-Allianz formierten. Sie wollen sich dafür zu rächen, dass der große Leader darauf verzichtete, Negan umzubringen. Wie das gehen soll angesichts des neuen limitierten Vertrags von Lauren Cohan, der aufgrund eines anderen Engagements deutlich weniger Screentime vorsieht, dürfte noch spannend werden. Sollen nun tatsächlich die alten Freunde gegeneinander in den Krieg ziehen? 


Das Bashing scheint Spaß zu machen

„The Walking Dead“ ist ein kulturelles Phänomen. Das hat zwei Gründe: ziemlich lange war TWD einer der größten Quotenhits der Seriengeschichte. Das war kein Zufall, sondern das Ergebnis einer epischen Geschichte, die Frank Darabont kongenial auf den Weg brachte. Von der Zombieapokalypse zu erzählen war zwar ohne Robert Kirkmans Comics nicht denkbar, aber es war Darabont, der aus der Vorlage eine Suche nach der verlorenen Heimat und nach einer neuen kulturellen Identität machte. Mit spannenden Figuren, kinoreifen Plots und viel Überlebenswillen inmitten der Ausweglosigkeit - ehe ihn AMC vom Hof jagte. Wir werden nie erfahren, was aus TWD geworden wäre, wenn Darabont am Ruder geblieben wäre. Aber es waren die neuen Showrunner, die danach Spitzenquoten von bis zu 17 Mio. Zuschauern erzielten. Immerhin.

Der andere Grund ist das große Vergessen. Acht Jahre später scheint es für die meisten nur noch eine Qual zu sein, die Serie weiterzuverfolgen. Offenbar tun dies noch einige, aber selbst diese Zuschauer scheinen an ihrem Sehverhalten zu verzweifeln, glaubt man den sozialen Medien. Selbst das, was einen noch vor 4-5 Jahren fesselte, gerät auf den Prüfstand: Eigentlich war diese Serie schon immer schlecht. Auch das ist ein kulturelles Phänomen.

Vergessen oder verdrängt wird, was früher noch begeisterte, aber alle wissen, was TWD zeigen sollte und was nicht. Weniger Negan, mehr Zombies. Häufig gewinnt man dabei den Eindruck, dass einige nicht verstanden haben, worum es in TWD eigentlich geht. Und das sind nicht die Untoten.
Dass dies nicht die Meinung einiger elitärer Kritiker ist, zeigten die Geschichten und die Figuren ziemlich deutlich. Wenn man bereit war, genau hinzuschauen oder sich darüber zu informieren, was Robert Kirkman im Sinn hatte, als er seine Comicserie konzipierte.
„The Walking Dead“ war für eine lange Zeit eben keine Zombie-Splatter-Serie, sondern ein dystopisches Gesellschaftsdrama, das davon erzählte, wie sich Menschen moralisch verlieren und wiederfinden.
Das dürfte einigen schon seit geraumer Zeit nicht gefallen haben. Nun kommen sie zu Wort. Besonders jene, die es anekelt, wenn Figuren Gefühle zeigen oder über ihr Tun und Handeln nachdenken.
Diese Hater dominieren die Foren, einige Online-Anbieter ziehen gehorsam nach und geben dem Affen Zucker: Feed the Trolls. 



Dass dabei auch immer häufiger unprofessionell geschrieben wird, scheint nicht aufzufallen. So schrieb der Redakteur des „Rolling Stone“, dass die Saviors nie hätten besiegt werden können, wenn sie die neue Munition zuvor getestet hätten. Dabei hatte Oberschurke eben dies zu seiner vollsten Zufriedenheit höchstpersönlich getan. So what.
Auch Luke Holland, der sich im britischen „Guardian“ mehr oder weniger zum Sprachrohr der Bashing-Fraktion gemacht hat, konnte dem Season-Finale nichts abgewinnen. Obwohl die zweite Hälfte der Staffel mit unübersehbarer Konsequenz auf die Umsetzung von Carls Zukunftsprogramm hingearbeitet hatte, echauffierte sich der Journalist darüber, dass Negan wieder einmal überleben konnte und dass ansonsten niemand gestorben ist: „Season finales are when people die. That’s what finales are for. (…) Kill someone. Shock us. Make Henry flip out and start murdering people. Anything.“


Was war und was kommt

Über den epochalen Quotenschwund ist genug geschrieben worden. Das Season-Finale sahen laut VARIETY 7.9 Mio. Zuschauer, in der Gruppe der 18-49-Jährigen gab es ein 3.4-Rating. Das war ein zweistelliger prozentualer Anstieg im Vergleich zur Vorwoche, gleichzeitig aber auch der zweitschlechteste Wert seit Staffel 1.

Ob er tatsächlich mit der Qualität der Geschichte zu tun hat oder Ausdruck eines neuen Sehverhaltens ist, steht zwar nicht in den Sternen, aber es scheint, als wäre beide Faktoren ausschlaggebend. Zumindest der Schwund bei den Live-Zuschauern lässt sich nicht allein dadurch erklären, dass man TWD streamt oder nur noch zeitversetzt sieht.

Dass die achte Staffel förmlich kollabierte und gegen Ende fast 40% seiner Zuschauer eingebüßt hatte, lag offenbar auch an der Fehleinschätzung der Macher, vielleicht auch an Scott M. Gimples Ausrichtung der Show. Versprochen wurde ein Mega-Geballer. Man hielt Wort, aber die Scripts waren teilweise konfus, es gab zu viele lose Erzählfäden und eine nicht immer folgerichtig Aneinanderreihung von Handlungssegmenten. Figuren tauchten ab und dann wieder auf, und einige waren für die Show so wichtig, dass ihr Verblassen mächtige Blessuren erzeugte. 

Am Ende musste Scott M. Gimple zwar nicht gehen, aber seine Beförderung durch die AMC-Granden kündigte an, dass man einen Schuldigen gefunden hatte. Nun soll es Angela Kang richten, aber bereits ihre Ankündigung, die Serie an der 4. und 5. Staffel auszurichten, löste wütende Proteste aus. Warum eigentlich? Beide Staffeln gehören zu den erfolgreichsten der TWD-Geschichte.

Wer nach dem Saisonfinale noch Zeit und Lust hatte, konnte bei Amazon dann die Auftaktfolge der 4. Staffel von „Fear The Walking Dead“ mitsamt dem groß angekündigten Crossover sehen. Überraschend war, dass die letzte TWD-Episode „Wrath“ dort beinahe nahtlos weitererzählt wurde. Inklusive der Gastauftritte von Andrew Lincoln, Melissa McBride und Tom Payne.
Damit verschmolzen die Timeslines von TWD und FTWD. Ob aber der Figurentransfer von Lennie James als „Morgan“ dem Ableger gut tun wird, bleibt offen. So bot die Auftaktepisode „What’s Your Story?“ (mit 4.0 Mio. Zuschauern und einem 1.6-Rating erreichte FTWD immerhin Platz 4 in den Cable Shows am Sonntag und verdoppelte damit sogar die zuletzt recht mageren Quoten) durchwachsene Kost: interessante neue Figuren, aber eine schablonenhafte Storyline, die man nach der 3. Staffel eigentlich nicht mehr erwartet hatte. Da ist noch Luft nach oben. Wenigstens machte Morgan nach einem Gewaltmarsch quer durch den Kontinent eine fitte Figur, immer noch mürrisch und schweigsam, aber wenigstens frei von Halluzinationen.

Was den Zuschauer in den beiden apokalyptischen Universen in Zukunft erwartet, bleibt auf jeden Fall spannend. Beide Serien haben das Potential dazu, das der Mutterserie ist jedoch größer. Und auch das hat einen Grund. So sollten sich alle Nörgler noch einmal alle Staffeln anschauen und sich danach, gerne auch intuitiv, ein Urteil über die aktuelle Entwicklung bilden. Ich habe dies getan und war selbst ziemlich überrascht, dass ausgerechnet die 4. Staffel von „The Walking Dead“ den besten Eindruck hinterließ. Es war Scott M. Gimples erste Staffel als Showrunner.
Das lag an den ausgefeilten Scripts, die durchaus schmerzhaft vor Augen führten, warum TWD zuletzt spürbar an Qualität eingebüßt hat. Wenn der neue Showrunner Angela Kang sich an dieser Staffel orientieren will, dann ist dies eine gute Entscheidung.