Dienstag, 24. April 2018

Westworld - der Auftakt der zweiten Staffel

Zehn Folgen brauchte „Westworld“ in der ersten Staffel (The Maze), um sein Worldbuilding der Klimax zuzuführen. Dann wurde klar, dass die raffinierte Verzahnung unterschiedlicher Zeitebenen, die verschütteten Erinnerungen der Hosts und ihre eskalierenden ‚Funktionsstörungen‘ Teil eines verzwickten Plan waren.

Dr. Robert Ford (Anthony Hopkins) hatte seine Geschöpfe langsam auf den Tag X vorbereitet, und damit war nicht nur der Aufstand gemeint, sondern die Erlangung eines Bewusstseins. Die finale Revolte war aus Gründen der Selbsterhaltung dann recht alternativlos.


Völlig neue Einblicke

Genial war an der ersten Staffel, dass die zunehmende Desorientierung des Zuschauers exakt die Desorientierung der Hosts widerspiegelte. Denn Bewusstsein, so lautete die Botschaft der Serie, ist nur dann relevant, wenn man erfährt, was die eigene Identität im Kern ist. 

Belohnt wurde der Zuschauer auf erneut geniale Weise: Ihm wurde eine völlig neue Rezeptionsebene angeboten, sollte er die Serie noch ein zweites Mal anschauen – man bekam so völlig neue Einblicke und eine neue, elaborierte Ebene des Zugangs. Mit anderen Worten: man sah eine neue Geschichte, die noch stärker mit der Perspektive der Hosts verknüpft war.
Und genau das bedeutet auch der Begriff der Elaboration in der Psychologie: vertiefte Informationsverarbeitung. Dabei stattet sich das neuronale Netzwerke mit zum Teil redundanten Assoziationen aus, die ihnen dabei helfen, das Vergessen zu vermeiden und Informationen in eine persönliche, authentische Erfahrung zu verwandeln.
Bei den Cyborgs klappte das ganz gut.

Endlich verständlich! Wirklich?

Ob Menschen da mithalten können? „Journey into Night“, der Staffelauftakt der zweiten Season (The Door), wurde von einigen Kritikern gefeiert. Gradlinig würde nun erzählt, die Fehler der ersten Staffeln würden vermieden. Endlich könne man erkennen, welche Ziel die Hosts hätten. 

Die Motive wurden allerdings in der ersten Staffel überlebensgroß serviert. Wer das nicht erkannt hatte, der hatte entweder nicht zugeschaut oder war der Elaboration einfach nicht gewachsen. Und so nutzten nicht wenige Rezensenten den Staffelauftakt für eine verspätete Generalabrechnung. Rache, kalt serviert.

Nun gut, das hatte eine Vorgeschichte. Fans, die in der ersten Staffel aufgepasst hatten, deckten frühzeitig den Trick mit den Zeitlinien auf. Also kein Spoiler, sondern das Ergebnis intelligenten Nachdenkens.
Die Westworld-Showrunner Jonathan Nolan und Lisa Joy kündigten daraufhin („Theories can actually be spoilers“) auf Reddit an, den gesamten Plot der zweiten Staffeln bis ins letzte Detail aufzudecken. 
Tatsächlich wurde kurz danach das Video „Westworld – Season 2 – A Primer“ ins Netz gestellt. Dort sah man dann einige Szenen – und plötzlich begann Evan Rachel Woods zu singen: „Never Gonna Give You Up.“ Danach durfte man geschlagene 20 Minuten Loops von „Bento“ (2009-2018) anschauen, einem Hund, der vor einem Klavier saß und ergriffen dem Main Theme von „Westworld“ lauschte.

Nun wird es in der Auftaktepisode „Journey into Night“ tatsächlich für alle einfacher. Die Hosts, zumindest Dolores und Maeve, scheint das „Erkenne dich selbst!“ gelungen zu sein. Andere Hosts befinden sich dagegen wohl immer noch in ihren Loops, nur dass sie jetzt nicht mehr wehrlos sind und ihre Waffen ziemlich nachdrücklich funktionieren, wenn sie auf Menschen feuern.
Und Dolores und Maeve? Die blonde, feinsinnige Farmerstochter ist nicht länger auf der Suche nach dem Guten und Schönen – sie metzelt nun Menschen nieder. Sie will nicht nur den Park erobern, sie will den Menschen ihre Welt vollständig wegnehmen – halt auch die reale. 
Auch Maeve sorgt mit ihrer Maschinenpistole dafür, dass Menschen das Gefühl bekommen, als Spezies alsbald von den Cyborgs aussortiert zu werden.

Die ärmste Sau ist jedoch Bernard, der mehrfach Ausgetrickste. Er weiß, dass er ein Host ist, aber seine innere Uhr läuft ab: totaler Systemausfall in weniger als zwei Tagen. Noch schlimmer: er muss an der Seite der eingeflogenen DELOS-Killerkommandos seine Identität verschleiern und anschauen, wie am Strand seine Artgenossen einer nach dem anderen liquidiert werden.
Es geht also ziemlich menschlich zu in „Journey into Night“: die Hosts töten Menschen, die Menschen töten Hosts. Das kennt man, das verwirrt keinen. Geheimnisse werden auf der Stelle erklärt (DELOS hat massenhaft Kundendaten gesammelt, solche aktuellen Querverweise werden allen Ernstes von Kritikern als Erkenntnis gefeiert), andere bleiben ungeklärt (warum will DELOS in den Besitz des aussortierten Peter Abernathy kommen, Dolores‘ ersten Vater?).

Unter Strich deutet die erste Episode von „Westworld 2“ an, dass konventioneller und überschaubarer erzählt wird. Das lässt nichts Gutes erwarten. Aber vielleicht sind die Macher von „Westworld“ gerade dabei, alle wieder kräftig auszutricksen. Hoffentlich!


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