Donnerstag, 23. August 2018

„Die Verlegerin“ – Steven Spielbergs Plädoyer für die Pressefreiheit

Fragt man Regisseure nach der Botschaft ihrer Filme, reagieren die meisten abweisend. Sie haben keine. Angeblich. Steven Spielberg allerdings hat immer eine. In seinem Film „Die Verlegerin“ (Originaltitel: The Post) steht sie überlebensgroß im Raum und kann beim besten Willen nicht übersehen werden. Erzählt wird die Geschichte der Verlegerin Katherine Graham als leidenschaftliches Plädoyer für die Pressefreiheit.

„The Post“ ist die Geschichte einer starken Frau, die zunächst keine ist, aber am Ende über die Mächtigen triumphiert. Eine Traumrolle für Meryl Streep, ein Wunschfilm für Steven Spielberg. Wir sind im Jahre 1971: Nach dem Tod ihres Mannes ist Katherine Graham (Meryl Streep) als Besitzerin und Vorstandsvorsitzende der Washington Post die einzige Frau zwischen dominanten Männern. Obwohl sie einen Spickzettel mitgenommen hat, bekommt sie bei ihrem ersten Auftritt im Aufsichtsrat kein Wort heraus. Ein scheues Reh sei sie gewesen, berichtete später eine Mitarbeiterin. Das, was sie sagen wollte, sagt stattdessen ein Mann. 




Auch die Beziehung zu ihrem Chefredakteur Ben Bradlee (Tom Hanks) ist nicht unkompliziert – eine freundschaftliche Arbeitsbeziehung. In die Tagesarbeit lässt sich Bradlee von seiner Chefin aber nicht hineinreden.
Auch Bradlees Arbeit ist nicht einfach. Die finanziell angeschlagene Post steht gerade vor ihrem Börsengang. Man braucht frisches Geld, die Zeitung hat im harten Konkurrenzkampf der Printmedien bestenfalls den Status eines Provinzblattes. Und dies, obwohl das Weiße Haus quasi vor der Haustür steht. 
Während man sich bei der Post Gedanken darüber macht, wie man an die Hochzeitsfotos von Richard Nixons Tochter herankommt, platzt die Bombe: ausgerechnet die New York Times veröffentlicht geheime Unterlagen des Pentagon, die der Whistleblower Daniel Ellsberg (Matthew Rhys) der Redaktion zugespielt hat. Es handelt sich um eine Studie der Vietnam Study Task Force unter der Leitung des US-Verteidigungsministers Robert McNamara (Bruce Greenwood). Der war noch während seiner Amtszeit vom Saulus zum Paulus geworden war: der Falke erkannte, dass der Vietnam-Krieg nicht mehr zu gewinnen ist. Auch das von McNamara angeordnete großflächige Bombardement Nordvietnams erwies sich militärisch als wirkungslos. Und noch schlimmer: das amerikanische Engagement in Vietnam war das Ergebnis jahrzehntelanger politischer Irrtümer und Fehlentscheidungen, an denen vier US-Präsidenten beteiligt waren. 


Aber auch McNamara täuschte bis zu seinem Rücktritt im Jahre 1967 weiterhin die Öffentlichkeit, wollte aber mit der Studie Historikern die Chance geben, in späteren Jahren die in den Sand gesetzte Indochina-Politik der Amerikaner objektiv zu bewerten. Der Schuss ging nach hinten los. Ausgerechnet McNamara hatte der Nixon-Administration den Strick gedreht, an dem sie nun öffentlich aufgehängt wurde.

Der NYT war damit also ein gigantischer Scoop gelungen – die exklusive Veröffentlichung brandheißer und geheimer Informationen mit weltweiter Bedeutung. Für
Ben Bradlee, den Chefredakteur der Washington Post, ist der Triumph der Konkurrenz ein gewaltiger Rückschlag. Aber die New York Times wird von US-Präsident Richard Nixon unter Hinweis auf die nationale Sicherheit mit einer einstweiligen Verfügung zum Schweigen gebracht. Dies war bis zu diesem Zeitpunkt ein einmaliger Akt von Zensur in der US-Geschichte. Die Wende gelingt dem Post-Redakteur Ben Bagdikian (herrlich gespielt von Bob Odenkirk, „Breaking Bad“, „Better Call Saul“). Er schafft es, Daniel Ellsberg aufzuspüren und von ihm Kopien der Unterlagen zu erhalten. Nun steht die Post vor der schwierigen Entscheidung: Soll die Aufklärungsarbeit fortgesetzt werden oder zieht man sich zurück?

Geschrieben wurde das Script von Liz Hannah, einer jungen Autorin, die von der Autobiographie Katherine Grahams so begeistert war, dass sie mit der Arbeit an einem Filmskript begann. 2016 landete das Drehbuch auf dem zweiten Platz der Black List, in der die besten Screenplays von noch nicht produzierten Filmen gelistet werden. Als Steven Spielberg das Drehbuch erhielt, befand er sich mitten in der Post-Production von „Ready Player One.“ Spielberg war von Hannahs Arbeit spontan so begeistert, dass er sofort zusagte. An der Weiterentwicklung des Drehbuches wurde danach auch Josh Singer beteiligt, der erfolgreiche Autor von „Spotlight“, wohl auch, weil Spielberg angesichts der etwas bescheidenen Quellenlage dem Film mehr historische Substanz geben wollte. 


Das Kino und die Presse – und Watergate!

Spielbergs „The Post“ reiht sich in die vielen Filme ein, mit denen Hollywood nicht nur sich selbst im politischen Diskurs verorten will, sondern auch die Arbeit der Medien und Journalisten reflektiert. „Citizen Kane“, das ambivalente Portrait eines Pressemoguls, erlangte späten Ruhm, das Sujet hat die Filmemacher seitdem immer wieder beschäftigt. Etwa in dem nicht mehr allzu bekannten „Deadline – U.S.A“ von Richard Brooks (1952), der vom Niedergang der New York Sun erzählt (mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle).

Die zynischen Aspekte des Business beleuchtete Billy Wilder in dem exzellenten, aber an der Kasse erfolglosen „Ace in the Hole“ (1951, dts. Reporter des Satans) - vielleicht interessierte sich das Publikum mehr für heroische Reporter, die heldenhaft eine bitterböse Verschwörung aufdecken – auch unter Gefahr für das eigene Leben.

Mit positiven Gegenentwürfen, Whistleblowern und den Helden des investigativen Journalismus beschäftigte sich zum Beispiel Michael Manns „Insider“ (1999), während die Wahrheitssuche in David Finchers „Zodiac“ geradezu obsessive Züge annimmt.
In James Vanderbilts „Truth“ (2015) mit Robert Redford und Cate Blanchett in den Hauptrollen wollen TV-Journalisten die Vergangenheit von George W. Bush enthüllen. „Truth“ basiert wie „The Post“ auf einem realen Vorbild und endet mit einem Mediendesaster, das erneut die Bedeutung akribischer Recherchen sinnfällig machte. 
Diesen Aspekt thematisierte Tom McCarthys „Spotlight“ (2015) deutlich besser. Co-Autor Josh Singer beschrieb die investigativen Ermittlungen gegen pädophile Priester in Boston als harte und monatelange Teamarbeit. Die Ergebnisse verschafften dem Boston Globe den Pulitzer-Preis. 

Nicht zu vergessen ist Oliver Stones umstrittenes Biopic „Snowden“ (2016). Mittlerweile versteht man ganz gut, warum einige Geheimdienste den Computer in die Ecke stellen und wieder zur guten alten Schreibmaschine greifen.


Im Zusammenhang mit den Pentagon Papers, Watergate und der Nixon-Administration erhielt Alan J. Pakulas „All The President‘s Men“ (dts. Die Unbestechlichen, 1976) einen ikonischen Stellenwert – die Enthüllung der Watergate-Geheimnisse durch die Washington Post ist quasi das Sequel von „The Post“.
Einige historische Lücken schließt dagegen Peter Landesmans „The Secret Man“ (2017), der wie „The Post“ als Sequel von Pakulas Film einzuordnen ist und das Geheimnis von
„Deep Throat“ lüftet. 

Watergate brachte Nixon 1974 zu Fall. In diesem Zusammenhang ist Ron Howards historisch nicht immer korrekter Film „Frost/Nixon“ (2008) als Nachlese zu sehen. Howards Film zeigt, dass der Prozess der Wahrheitsfindung in einem visuellen Medium nicht immer von den Worten abhängt, sondern auch von einer Reihe anderer Faktoren. Wer sich schlecht präsentiert, verliert.




Über dem Abgrund balancieren

Um investigativen Journalismus geht es in „The Post“ nicht. Auch nicht um die akribische Auswertung der Dokumente. Denn als die Redaktion der Post Ellsbergs Papiere in die Hand bekommt, bleiben nur wenige Stunden, um aus abertausenden Seiten die wichtigsten Fakten herauszudestillieren. Allen ist klar, dass Katherine Graham und ihr Chefradakteur im Gefängnis landen können, wenn sie die Dokumente leaken. Zudem steht auch Katherine Grahams langjährige Freundschaft zu Robert McNamara auf dem Spiel. An dieser Stelle lassen sich Spielberg und sein Autorenteam alerdings von ihrer Message hinreißen. Um historisch korrekt zu bleiben: es war die New York Times, die monatelang die Pentagon Papiere auswertete und den Entschluss fasste, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie ging kein geringeres Risiko ein als die Post.
„The Post’s was a second-day story“, kommentierte dies der ehemalige NYT-Reporter Fox Butterfield, der sich Spielbergs Film auf keinen Fall anschauen will. „I was trained as a historian, and this is terrible history.“ Zu Recht bekam die NYT 1972 den Pulitzer-Preis für die Veröffentlichung der Pentagon Papers.

Trotzdem gelingt der Post ein Schnellschuss mit gewaltiger Wirkung. Steven Spielberg inszeniert dies old-fashioned als ethisches und menschliches Drama, als Balancieren auf einem dünnen Seil über einem Abgrund, der für Graham und Bradlee unterschiedliche Gefahren bereithält. Das wirtschaftliche Aus, einen Prozess mit unklarem Ausgang, das Ende von Freundschaften, das Scheitern als Zeitungsmacher. Seine Spannung bezieht der Film daher aus einer Reihe exzellenter Charakterstudien, die ohne historisches Basiswissen nicht vollständig zu verstehen sind.
Eine der wichtigsten Figuren kommt in Spielbergs Film aber zu kurz. Nämlich
Daniel Ellsberg. Der Whistleblower war lange vor Snowden das berühmteste Exemplar seiner Gattung – alles noch in den guten analogen Zeiten. Er wurde wegen Spionage vor Gericht gestellt. Ohne Erfolg, denn es kam heraus, dass Nixon ein Team von FBI- und CIA-Agenten in d Praxis von Ellsbergs Psychiater einbrechen ließ, um diskreditierendes Material zu finden. Im Wesentlichen war es das gleiche Team, das den Watergate-Skandal auslöste. Davon erzählt „The Post“ leider nicht.

Trotz dieser komplizierten Hintergründe bleibt der Regisseur Steven Spielberg unaufgeregt, ganz im Gegensatz zu den meisten seiner Figuren, denen beim Telefonieren mit dem Whistleblower in einer öffentlichen Telefonzelle vor Aufregung das Kleingeld aus der Hand fällt. Natürlich erzählt Spielberg davon, dass das journalistische Berufsethos ein komplexer Entscheidungsprozess mit vielen Beteiligten ist, am Ende läuft aber alles auf eine einzige entscheidende Alles-oder-Nichts-Situation hinaus. Bedrängt von ihren Vorstandskollegen und ihren Anwälten, die Finger von den Pentagon-Papieren zu lassen, entscheidet sich Katherine Graham für ihren Chefredakteur und für weitere Veröffentlichungen – und damit auch gegen eine Männerriege, die von einer Frau nicht die erforderliche Kompetenz erwartet, um eine Zeitung zu leiten.
Dass sie es doch konnte, lag Spielberg wohl sehr am Herzen. Dass
Katherine Grahams Leben mindestens so spannend und kontrovers wie Orson Welles' „Citizen Kane“ ist, muss der Zuschauer selbst zusammengoogeln. Wie so oft in Spielbergs Filmen, wird Geschichte dadurch geschrieben, dass charakterfeste Menschen in einer Krise die richtige moralische Entscheidung treffen. Das ist nicht schlecht, das ist Kino, und schließlich hat es sich aus so ähnlich ereignet. Der Hollywood-Ikone Meryl Streep gelingt jedenfalls ziemlich glaubwürdig, die Besitzerin der Washington Post als scheues Reh zu spielen, das mit den Widerständen wächst. Sie entscheidet sich wie beim Pokern für das „All-In“.

Die Wahrheit ist nicht die Wahrheit

Dramaturgisch kann man dies als floskelhaft kritisieren. Aber wie gesagt: so ist nun mal passiert. Spielbergs Film verlässt sich aber nicht auf einen einzigen hochdramatischen Plot Point, sondern bewegt sich in einigen sehr pointierten Szenen wie ein Zug, der auf vielen Gleisen fahren kann – es kommt halt auf die Weiche an.

Bemerkenswert ist Grahams Gespräch mit ihrem alten Freund McNamara, der als Aufklärer wider Willen skizziert wird und in Spielbergs Film nicht konsequent dekonstruiert wird. Spielberg stellt die Weiche anders, der Erzählzug fährt in eine andere Richtung, die aber auch sehr vielversprechend ist. Denn die Verlegerin befindet sich wegen ihrer persönlichen Freundschaft zu dem Ex-Politiker in einer prekären Situation, ihre Kritik an McNamara ist allerdings offen und glasklar.
Spielberg zeigt in dieser ambivalenten, aber gelungenen Szene, dass sich Verleger und Journalisten immer aufs Glatteis begeben, wenn sie die Nähe zur Politik suchen. Persönliche Beziehungen können zu einem Loyalitätskonflikt führen. Aber der Verlust einer Freundschaft ist mehr als ein privates Problem. Er kann auch bedeuten, dass man keinen Zugang mehr zum inneren Zirkel der Macht erhält. Es ist keine Schwäche des Films, dass dies dezent abgehandelt wird. Man muss nur genau hinschauen.

Deshalb ist auch der von Tom Hanks sehr rabiat und selbstsicher gespielte Bob Bradlee keine ungebrochene Heldenfigur. Spielbergs Film ist da schon recht illusionslos, denn Bradlee geht es nicht nur um berufsethische Integrität, sondern auch um den Erfolg und das Prestige der Post. Ihrem Chefredakteur, der zeitlebens den Kennedys nahestand, wirft Katherine Graham daher vor, in der Vergangenheit seine persönlichen Beziehungen über journalistische Prinzipien gestellt zu haben. Anders formuliert: Alle bewegen sich in einer Grauzone und auf dünnem Eis. Bob Bradlee wird das wohl gewusst haben. Später hat er erneut viel riskiert, als er mit Bob Woodward und Carl Bernstein zwei unerfahrenen Reportern die Aufklärung des Watergate-Skandals überließ. Wieder einmal gegen alle Widerstände.

In der Affäre um die Pentagon-Papiere behalten Katherine Graham und Bob Bradlee Recht: der Oberste Gerichtshof verwarf die Veröffentlichungsverbote als nicht verfassungsgemäß, auch weil die Regierung die Öffentlichkeit belogen hatte. Möglicherweise wurde das Urteil des Supreme Court auch dadurch beeinflusst, dass 18 andere Zeitungen mit einer landesweiten Berichterstattung begonnen hatten. Vielleicht hatte es auch damit zu tun, dass der demokratische Senator Mick Gravel kurz vor Sitzung des Supreme Court in einer Sitzung des Bauausschusses (!) damit begann, endlos aus den Pentagon Papers vorzulesen (Filibuster). Zu befürchten hatte er nichts, er genoss politische Immunität. Als er das letzte Mitglied des Ausschusses vertrieben hatte, beschloss er einstimmig, über 4000 Seiten des Reports in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. Gravels Geschichte ist nicht weniger spannend als die von
Katherine Graham. In „The Post“ fehlt dies, die Verlegerin ist die große Siegerin. Als sie die Treppen des Gerichtsgebäudes hinunterschreitet, gibt sie keine Interviews. Sie geht lächelnd an einer großen Menge jubelnder Frauen vorbei.

In der letzten Szene von „The Post“ sieht man dann nachts Taschenlampen aufleuchten – in einem Büro des Watergate-Gebäudes. Die Geschichte der Washington Post ist nicht zu Ende. Das Blatt wird maßgeblich an der Aufdeckung der Watergate-Affäre beteiligt sein.


Pressefreiheit

Steven Spielbergs Botschaft steht tatsächlich überlebensgroß im Raum. Man benötigt wenig Phantasie, um die Parallelen zwischen Richard Nixon und Donald Trump zu erkennen. Aber der systematische Angriff auf die Pressefreiheit ist nicht Trumps Erfindung, auch wenn es sein dringlichstes Anliegen ist (das sind keine Fake News, das steht in einem seiner Bücher und jeder kann es nachlesen). Aber genau betrachtet war Richards Nixons Missbrauch des Staatsapparates möglicherweise deutlich entschlossener und krimineller.
Man sieht: Viele Dinge wiederholen sich in der Geschichte, einige davon erhalten aber eine neue Qualität. Etwa durch die perfide und nicht sonderlich originelle Strategie, dem politischen Gegner das unterzuschieben, was man selbst in einem erstaunlichen Maße perfektioniert hat: das Verbreiten von Fake News. Ob sich Richard Nixon mit Tweets hätte retten können?

Auszuschließen ist das nicht. Heute scheint dies zu klappen, denn die Wahrnehmung der Öffentlichkeit ist eine andere. In den 1970er Jahren konnte man noch erwarten, dass sich ein intriganter US-Präsident gegen das Faktische nicht wehren kann. Liest man in den deutschen Foren nach, was zu „The Post“ geschrieben wird, kann man diesen Glauben
getrost fahren lassen. Das Faktische an sich wird geleugnet, weil schlichtweg alle lügen. Was man nicht versteht, muss falsch sein. Andere Meinungen? Ein militanter Affront! 

Die etwas Schlaueren vernebeln die Debatte, weil sie clever den Begriff „Lügenpresse“ vermeiden und von Journalisten eine weltanschauliche Neutralität verlangen, die man dann in den entsprechenden Forumskommentaren nicht im Geringsten entdecken kann. 

Zur Erinnerung: Pressefreiheit ist zuallererst die Freiheit von etwas – nämlich von Zensur. Aber per se ist sie pluralistisch und basiert handwerklich darauf, dass Fakten nachprüfbar recherchiert werden (was viele nicht mehr glauben) und deutlich getrennt von Meinungen publiziert werden (was vehement geleugnet wird). Wer die Nebelkerze der Neutralität wirft, sollte stattdessen erklären, wie man z.B. über Rassismus wertneutral berichten kann.
Nicht vergessen: auch die Kreationisten wollen wertneutral behandelt werden. So könnten sie auf Augenhöhen mit Darwin und der modernen Biologie agieren - auch in Schulen.
Auf Augenhöhe wollen auch die Kritiker der Pressefreiheit agieren, für sie ist Neutralität deswegen wichtig, weil sie anti-demokratische Positionen diskursfähig macht. Das kann man auch nachlesen. Spätestens dann wird man erfahren, dass wir in uns einem neo-konservativen roll back befinden, an dem sich auch die Trolle in den Internetforen lustvoll beteiligen.

Daran wird auch „The Post“ nichts ändern. Während in Steven Spielbergs Film die Kamera die rotierenden Druckpressen der Post als Symbol der Pressefreiheit feiert, bejubelt die Hälfte der Amerikaner gegenwärtig ihren Präsidenten dafür, dass er das Recht beansprucht, die Russlandland-Ermittlungen selbst führen zu dürfen. Trumps Anwalt Rudy Giuliani hat den Geist dieser Dekade in einem spektakulären Satz zusammengefasst: „Truth isn‘t truth“ (Die Wahrheit ist nicht die Wahrheit). 
Dies ist keineswegs Blödsinn, sondern listig. Wenn wahr ist, was man glaubt und fühlt, dann werden nachprüfbare Fakten geradezu zum Feind der Wahrheit. George Orwell würde sich daher nicht im Grab umdrehen, er hat dies kommen sehen. Terry Gilliam und die Monty Pythons würden dagegen schallend lachen.

Die Verlegerin (The Post) – USA 2017 – Regie: Steven Spielberg – Buch: Liz Hannah, Josh Singer – Laufzeit: 117 Minuten - ab 6 Jahren – D.: Meryl Streep, Tom Hanks, Bruce Greenwood, Bob Odenkirk, Michael Stuhlbarg u.a.