Samstag, 17. November 2018

Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen

Im zweiten Teil des auf fünf Teile angelegten Spin-Offs um den magischen Zoologen Newt Scamander können wuchtige CGI-Bilder, nette Tierwesen und ein exzellent aufgelegter Johnny Depp den Film nicht retten. David Yates Regie führt zu einigen schönen Momente, scheitert aber an Joanne K. Rowlings völlig überladenem Drehbuch.

Wenn man die Muggel gewähren lässt, stürzen sie die Welt in einen infernalischen Krieg und zünden am Ende gar eine Atombombe. Mit dieser apokalyptischen Vision überzeugt der ‚böse‘ Magier Gellert Grindelwald nicht nur seine Anhänger, sondern auch solche, die seine Ideen für gefährlich, aber nicht für ganz und gar abwegig halten, von seiner Vision: der totalen Machtergreifung der Magier und der völligen Unterwerfung der Menschheit. Nein, ganz auslöschen wolle er sie nicht, die Muggel, schließlich brauche man in dieser neuen Welt noch einige Lasttiere.



Mitten in eine Pechschwarze Welt

Mit sanfter Stimme und brutal-drakonischen Maßnahmen spielt Johnny Depp den in der Harry Potter-Mythologie eher beiläufig erwähnten geistigen Vorgänger von Voldemort, den Fürsten der Finsternis, nicht ohne Charme, aber garantiert ohne einen Funken Empathie für Unterlegene. Ob Grindelwalds Zukunftsentwurf nun Rassismus ist oder eine gnadenlose Umdeutung des Darwinismus, die alle Magier als Vertreter einer neuen Herrenrasse sieht, bleibt dem Zuschauer überlassen.
Auf jeden Fall führt Joanne K. Rowlings den Zuschauer in „Grindelwalds Verbrechen“ in eine pechschwarze Welt, in der die niedlichen Tierwesen wie Gimmicks wirken, die man vorzeigt, um an den niedlichen ersten Teil der Pentalogie zu erinnern. Dass man das Sechsjährigen nicht zeigen kann, erkannte auch die FSK. Der Film ist ab 12 Jahren freigegeben und dürfte auch in dieser Altersklasse dank einiger Brutalitäten verständnisloses Entsetzen auslösen. In Kino sah ich nach der Abspann einige Kinder, die niedergeschlagen und ratlos auf die Leinwand guckten. Wenigstens die war weiß.


Verständnislosigkeit: Die könnte auch dem Drehbuch angelastet werden, das über weite Teile danach verlangt, den ersten Teil bis ins letzte Detail zu kennen und weiterhin ein intimer Kenner der verschachtelten Welt der Muggel und Magier zu sein. Newt Scamander (Eddie Redmayne), der naiv-zerstreute Held der Geschichte, wird nach seinen Abenteuern in New York vom Zauberei-Ministerium ein Reiseverbot auferlegt. New York sei ja fast in Schutt und Asche gelegt worden. Allerdings erhält er von Albus Dumbledore (spannend gespielt von Jude Law) den illegalen Auftrag, eben diesen Gellert Grindelwald zur Strecke zu bringen und sich auch um den jungen Credence Barebone (Ezra Miller) zu kümmern, dessen Fähigkeiten (Stichwort: Obscurus) bedenklich sind. Grindelwald hat sich nämlich mittels eines Körperwechsels aus der Gefangenschaft befreit, schart nun in Europa seine Anhänger um sich und ist selbst auch auf der Suche nach Credence, den er für eine Schlüsselfigur im Kampf gegen Dumbledore hält. Dumbledore widerum kann diese Jobs nicht erledigen – ihn und Grindelwald verbindet eine Blutsbrüderschaft, die recht intim ist und den Spekulationen über Dumbledores Sexualität weitere Nahrung gibt.
 

Eine erdrückende Flut von Nebenfiguren

Scamander begibt sich mit seinem berühmten Koffer auf die Reise, begleitet von seinen Freunden Quennie Goldstein (Alison Sudol) und dem Muggel Jacob Kowalski (Dan Fogler). Über Kowalskis Bedeutung für die nun sehr kompliziert werdende Handlung macht man sich ergebnislos Gedanken, denn schließlich muss man noch eine Flut weiterer Nebenfiguren verdauen – und das ist nicht leicht. Und ich will es an dieser Stelle auch nicht versuchen, aber der guten Ordnung seien einige aufgezählt: Katherine Waterston als Vertreterin der amerikanischen MACUSA, Zoe Kravitz als Leta Lestrange, Newts möglicherweise heimliche Liebe, aber verlobt mit dessen Bruder Theseus (Callum Turner), einem Auror. Und da ist noch Claudia Kim als Nagini, eine Frau, die sich in einem Zauberzirkus immer wieder in eine Schlange verwandeln muss (ja, Magier beuten magische Wesen aus!). Und William Nadylam als Yusuf Kama, der besessen nach Credence sucht, weil er sich an ihm für ein Unrecht rächen will, das seine Familie zerstört hat.

Es ist ein Kommen und Gehen. Für ausgewiesene Hogwarts-Kenner und Potter-Mythologie-Experten ist es womöglich leicht, den Überblick über die vielschichtigen Familienbeziehungen dieses Figurenensembles nicht zu verlieren. Alle anderen im Kino dürften so einiges ziemlich rätselhaft und keineswegs als magisch spannend empfunden haben. Auch Regisseur David Yates soll nach der ersten Lektüre des Skripts geseufzt haben, dass das alles nicht einfach werden wird. Aber auch er konnte das überfrachtete Drehbuch nicht in eine nachvollziehbare Geschichte verwandeln. Er ist Muggel und kein Magier.



Viel Spaß machen die Details und die Tierwesen

Spaß am Film hat man, wenn es um Details geht. Die Settings lassen keinen Wunsch offen, wenn es darum geht, die Schauplätze London und Paris so aussehen zu lassen, wie es in den späten 1920er Jahren der Fall war. Entsprechend liebevoll zusammengestellt stach auch das Kostümbild ins Auge. Nicht zu vergessen die zahlreichen phantastischen Tierwesen. Wobei der Niffler, der hemmungslos alles, was glänzt und wertvoll ist, in seine endlos zu füllende Bauchtasche stopft, zur heimlichen Hauptfigur wird. Aber auch der Phönix, der Wasserdämon, die geflügelten Thestrale und besonders der lustige Bowtruckle, der ein wenig an Groot in Marvels’s „Guardians of the Galaxy“ erinnert, sorgen für Verblüffung und Spaß. Und da ist auch noch der furchterregende chinesische Zouwu, der sich mit einer Kinderrassel besänftigen lässt. Sie alle sorgen für viele bizarre und humorvolle Momente, die an den Charme des ersten Teils erinnern. Hier punktet „Grindelwalds Verbrechen“ mit einigen pointierten Einfällen, die vieles wieder wettmachen.

Doch leider reicht das nicht für einen runden Film. Weniger wäre mehr gewesen. Weniger Figuren, dafür aber eben solche, deren Motivation und deren Absichten klar herausgearbeitet werden, hätten für eine ansehnliche Geschichte gesorgt. Leider wurde
„Grindelwalds Verbrechen“ aber zu einem Film für Experten. Auch einige Szenen mit Newt und seinen Tierwesen passen nicht so ganz in die Geschichte. Sie wirken so, als wolle man pflichtschuldig den Titel des Films rehabilitieren.

Politische Bildung darf nicht fehlen


Und da ist noch Joanne K. Rowlings, die unangefochtene Herrin ihrer magischen Welt. Rowlings politische Ambitionen, ihr Kampf gegen Unterdrückung und Totalitarismus, sind ehrenwert. Entsprechend eindeutig zu interpretieren ist daher auch ihr Versuch, die magische Welt politisch zu konnotieren. Das ist ihr gelungen. Sie dämonisiert die Figur des Gellert Grindelwald nicht klischeehaft, sondern zeigt, wie verführerisch die einfachen Weltkonzepte eines Populisten sind. Seine Ideen sind es, die man tatsächlich magisch nennen kann, denn ihre Kraft beziehen sie aus der radikalen Vereinfachung des Komplexen. Und auch aus der dichotomen Weltsicht, in der nur Schwarz und Weiß, Freund oder Feind, Herr und Sklave zählen. Dies verführt so einige, sich wie hypnotisiert auf seine Seite zu schlagen. Auch deshalb ist die von Johnny Depp gespielte Figur weitaus spannender als der irre Voldemort.
Stringenter und etwas bescheidener erzählt, hätte dies ein wirklich guter Film werden können. So aber bleibt am Ende nur der Ratschlag des deutschen Drehbuchautors Paul Mommertz: „Man muss nicht alles tun, was man kann, aber sollte alles können, was man tut.“


Trivia: 

Der Verleih hat vor den Kinosälen magische Alben ausgelegt, in denen die Personen des Films genau erklärt werden. Man sollte dies vor der Vorstellung lesen!
Interessant: auf Flyern und Plakaten ist auch der junge Daniel Radcliffe als Harry Potter mit Zauberstab zu sehen. Jude Law dagegen wird als Nebenfigur beworben.


Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen (Fantastic Beast: The Crimes of Grindelwald) – USA 2018 – Regie: David Yates – Buch: Joanne K. Rowlings – Laufzeit: 134 Minuten – Altersfreigabe: ab 12 Jahren – D.: Eddie Redmayne, Johhny Depp, Jude Law, Dan Fogler, Katherine Waterston, Alison Sudol, Ezra Miller, Zoe Kravitz, Callum Turner, Claudia Kim, William Nadylam u.a.


Noten: BigDoc = 3,5