Freitag, 13. Mai 2022

Moonfall - Roland Emmerichs großer Kassenflop

Wieder einmal macht Roland Emmerich die Welt kaputt. Diesmal richtet sich nicht die Natur gegen den Menschen wie in „The Day after Tomorrow“ (2004) oder „2012“ (2009), sondern es ist der Mond, der auf die Erde fällt.
Mutter Erde ist ahnungslos zum Spielball eines intergalaktischen Krieges geworden, der zwischen den Schöpfern der menschlichen Spezies und einer irre gewordenen KI tobt. Leider wollte das niemand in den Kinos sehen. „Moonfall“ wurde zu einem gigantischen Kassenflop. Vermutlich ist es das Ende der Katastrophenfilm-Ära von Roland Emmerich.

„Was würde Elon tun?“

Roland Emmerichs pathetische Geschichte vom Widerstandskrieg der Menschen gegen eine bösartige Alienrasse prägte seinen Ruf als Weltenzerstörer und Weltenretter. „Indepencence Day“ (1996) wurde einer der erfolgreichsten Blockbuster aller Zeiten. „2012“ mit John Cusack als tapferer Familienvater spielte fast 800 Mio. US-Dollar bei einem Budget von 200 Mio. ein, aber bereits „Independence Day: Resurgence“ (2016; 390/165 Mio.) und „Midway“ (2019; 125/100 Mio.) deuteten an, dass Emmerichs destruktive Visionen den Rubikon überschritten haben. 

„Moonfall“ spielte mit knapp 57 Mio. US-Dollar etwas mehr als ein Drittel der Produktionskosten ein – ein Desaster. Damit dürften auch die Spekulationen des Regisseurs über zwei Sequels ein Ende finden. Der 67-jährige deutsche Regisseur wird bei der Finanzierung anderer Projekte erhebliche Schwierigkeiten bekommen, auch wenn die Nachverwertung von
„Moonfall“ durch Amazon einige Dollar in die klammen Kassen spülen wird.
Hat der Blockbuster-Experte sich zu weit aus dem Fenster gelehnt oder hat er irgendwie alles anders gemacht? Nein, eher im Gegenteil. Die Geschichte, die „Moonfall“ erzählt, entspricht Roland Emmerichs bisheriger Erfolgsformel. Und die basiert auf drei Grundpfeilern: auf der emotionalen Identifikation des Publikums mit den Figuren, einer Prise Humor (für das Comic Relief sorgt meistens ein Wissenschafts-Nerd) und bahnbrechenden CGI- und VFX-Schauwerten. All das versprach den Zuschauern in den letzten beiden Jahrzehnten unangestrengte Unterhaltung und visuelle Überwältigung durch flotte No-Brainer.

Auch „Moonfall“ verlässt sich auf die floskelhafte Narrative, die Emmerich bislang erfolgreich erschuf. Der Held in seinen Filmen ist oft ein Familienvater, der entweder eine gescheiterte Existenz ist (wie in
„Moonfall“) und/oder ein durchschnittlicher Mann, der in einer globalen Krise einfach über sich hinauswächst und tut, was getan werden muss. Denn die Rettung der Welt war bei Roland Emmerich immer auch die Rettung der kleinsten sozialen Zelle der Gesellschaft, der Familie. So rückte Emmerich in die Nähe von Steven Spielberg, und das ist nicht die schlechteste Gesellschaft.

Im Jahr 2011 kommt es bei Reparaturarbeiten am Space Shuttle zu einem mysteriösen Zwischenfall, als der im All arbeitende Astronauten Brian Harper (Patrick Wilson) und sein Partner von einem mysteriösen metallischen Schwarm, der an James Camerons „The Abyss“ (1989) erinnert, angegriffen werden. Harpers Kollegen wird getötet, während die Astronautin Jocinda Fowler (Halle Berry) im Shuttle das Bewusstsein verliert. Die Schilderungen des Astronauten werden von der NASA ignoriert, der Zwischenfall wird als menschliches Versagen unter den Teppich gekehrt. Harpers Karriere als NASA-Astronaut ist ruiniert, seine Frau verlässt ihn, während Fowler eine glanzvolle Karriere macht.
10 Jahre später entdeckt ein NASA-Team eine gefährliche Veränderung der Mond-Laufbahn. Die hat aber auch der hochintelligente Nerd K.C. Houseman (John Bradley: Samwell Tarley in „Game of Thrones“) entdeckt, der seine Berechnungen in den Social Media lanciert. Die Katze ist nun aus dem Sack und nachdem eine Space Mission in der Umlaufbahn des Erdtrabanten von dem schwarzen Schwarm bestialisch getötet wird, wird auch Housemans Theorie plötzlich glaubwürdig: der Nerd predigt seit Jahren, dass der Mond eine Megastruktur ist, eine Art von Dyson-Sphäre, die von Außerirdischen gebaut wurde und im Inneren ihre Energie von einer Minisonne, einem weißen Zwerg, erhält.

Es kommt, was kommen muss: der demissionierte Brian Harper wird reaktiviert und fliegt zusammen mit Fowler und Houseman zum Mond, um mit einem EMP-Gerät den mysteriösen Schwarm auszuschalten. Auf der Erde ist inzwischen das Chaos ausgebrochen: Massenunruhen und Plünderungen finden statt, während der Mond der Erde immer näherkommt und Erdbeben, Tsunamis und gewaltige Gravitationswellen auslöst. Und während Harpers Crew zum Mond fliegt, planen die abgedrehten US-Militärs einen irren, weil sinnlosen Angriff mit Atombomben. Houseman fällt dazu nur ein Oneliner ein: „Was würde Elon tun?“

Ungelenke Parallelhandlungen und einfach zu viele Väter

Ob Elon Musk die Welt auch retten könnte, sei dahingestellt. Immerhin zieht Roland Emmerich nach einigen etwas billig aussehenden Effekten in der zweiten Hälfte des mehr als zwei Stunden langen Films dann doch noch alle Register und liefert, was erwartet wird: grandiose Bilder des immer größer werdenden Mondes, durch die Luft wirbelnde Autos und Häuser, aber die Tsunamis hat man beidem deutschen Regisseur schon einmal besser gesehen. Alles in allem solide Blockbuster-Optik mit vorhersehbaren Spannungseffekten. Wenn Harpers Crew mit dem aus einem Museum (!) geholten Space-Shuttle „Endeavour“ beim Schnellstart von einem Tsunami erwischt und kräftig durchgeschüttelt wird, dann gelingen Emmerich dann doch recht spannende und effektvolle Bilder.

Leider zitiert sich Roland Emmerich zu oft. Plotlines, etwa die finale Mission zum Mond, erinnern an „Independence Day“, wo das Team Will Smith und Jeff Goldblum auf dem Mutterschiff der Aliens ein zerstörerisches Virus platzieren will. In „Moonfall“ ist es eine elektromagnetische Schockwelle (EMP), die den bösen Aliens den Garaus bereiten soll. Originell ist das nicht, zumal Smith und Goldblum das witziger spielten. Auch der zweiminütige Kurzauftritt von Donald Sutherland als geheimnisvolles NASA-Mitglied Holdenfield erinnert auch vom Aussehen her an Brent Spiners Rolle in „Independence Day“ und dient nur der verschwörungstheoretischen Information, dass die NASA bereits nach der ersten Mondlandung alles wusste und vertuschte.

Aber nicht das lustlose Zitieren eigener Filme ist Emmerich zum Verhängnis geworden. Es ist die Überfrachtung der Handlung mit einer Parallelhandlung, die zu viele Nebenfiguren ins Spiel bringt. Emmerich erzählt sowohl eine Handlungssequenz auf der „Endeavour“ als auch auf der Erde, natürlich, um dort das Ausmaß der globalen Katastrophe zu bebildern. So weit, so gut. Es ist ein Schema, dass man aus anderen Katastrophenfilmen kennt.
Aber Emmerich will dabei unbedingt die dysfunktionalen Familien von Harper und Fowler zusammenführen und konstruiert eine ausdehnte Nebenhandlung, in der Harpers Sohn Sonny (Charlie Plummer) versucht, Jocinda Fowlers kleinen Sohn Jimmy in einen geschützten Militärbunker nach Colorada zu bringen. Dort warten nicht nur Harpers Ex-Frau Brenda (Carolina Bartczak), sondern auch Jocindas Ex General Doug Davidson (Eme Ikwuakor) auf die Kids, die von Brendas neuen Mann Tom Lopez (Michael Pena) begleitet werden. Und der
opfert am Ende sein Leben, um die Kids zu retten.
Zu viele Figuren, zu viele Väter und zu viele Gespräche mit den Smartphones unterbrechen also immer wieder die Haupthandlung. Und Michael Penas Rolle macht keinen Sinn, es sei denn Emmerich wollte der heroischen Opferrolle mit einem bekannten Darsteller mehr Gewicht verleihen.
Auch die Gefahren während der Flucht nach Colorado inklusive eines Überfalls durch böse Plünderer werden uninspiriert und formelhaft erzählt. Ähnliches hat man bereits im Mimi Leders „Deep Impact“ (1998) gesehen. Diese Parallelhandlung als Vorwand für ein Effektgewitter wird zunehmen langweiliger und erhält durch eine ungelenke Bildmontage auch keinen überzeugenden Rhythmus.

Das Genre muss sich neu erfinden

Dass die emotionale Bindung des Zuschauers diesmal nicht funktioniert, liegt aber nicht nur an diesen handwerklichen Schwächen des Skripts von Roland Emmerich, Harald Kloser (der die Filmmusik komponierte) und Spenser Cohen. Auch der Cast funktioniert nicht. Patrick Wilson wirkt als depressiver Ex-Astronaut zu lange zu unentschlossen, um seinen finalen Heroismus plausibel erscheinen zu lassen. Und Halle Berry spielt viel zu reserviert, um den Zuschauer auf ihre Seite zu ziehen. Allerdings kommt sie in „Moonfall“ kaum über eine Funktion als Stichwortgeberin hinaus.
Und so hängt Roland Emmerichs Geschichte nicht nur an dünne Fäden, sondern diese müssen buchstäblich auch eine schwere Last tragen. Am interessantesten ist der dicke, unsportliche und von einem Reizdarm sowie einer schweren Angststörung geplagte Nerd K.C. Houseman. Er ist die einzige Figur, die in Emmerichs neuem Film einigermaßen interessant ist. Wohl kaum, weil er ein wandelndes Klischee ist, sondern weil John Bradley ähnlich wie in „Game of Thrones“ den Nerd und Loser trotz seiner Handicaps nicht als Clown und Spinner spielt, sondern als ehrliche Haut und enthusiastischen Hobby-Physiker mit erstaunlichen Fähigkeiten und präzisen Kenntnissen. Bradleys Theorien haben auch nichts mit Verschwörungstheorien zu tun, wie einige Kritiker glaubten, sondern sind eher eine Art von alternativer Physik. Schlimmstenfalls ist die Idee einer Dyson-Sphäre (die auch in Star Trek auftauchte) spekulative Science-Fiction. Und so ist es auch die beste Idee Emmerichs gewesen, diese Figur sukzessive zur eigentlichen Hauptfigur in „Moonfall“ aufzubauen.

Retten kann aber auch John Bradley den Film nicht. Denn im großen Finale wird dem Zuschauer eine recht krude Geschichte aufgetischt. So ist die irdische Menschheit nur der genetische Ableger einer mächtigen menschenähnlichen Rasse, die irgendwann von der durch sie erschaffenen KI attackiert und in einen galaktischen Krieg verwickelt wurde, der Milliarden Jahre tobte und mir der fast völligen Vernichtung der Menschen endete. Dass in all den Jahren einer technologisch überlegenen Schöpferrasse nicht das gelang, was dem Team der „Endeavour“ am Ende mit einem EMP gelingt, kann man nur kopfschüttelnd über sich ergehen lassen.

Emmerich konnte diese Rahmengeschichte nur mit einem fetten Info-Dump im Film platzieren, vermutlich, um so den Erzählrahmen eines oder mehrerer Sequels abzustecken. Man darf mit guten Aussichten darauf wetten, dass wir weitere Abenteuer mit dem Naniten-Schwarm nicht zu sehen sein werden. Am Ende ist Rolands Emmerichs Katastrophenfilm zwar nicht eine komplette Katastrophe, aber gut geöltes Popcorn-Kino verlangt mittlerweile nach anderen Qualitäten.
Vielleicht ist der Eskapismus dieses Genres nicht mehr up to date, vielleicht hat das formelhafte Erzählen auch zu einer Übersättigung geführt. Möglicherweise schreckten die heftigen Verrisse auf Rotten Tomatoes die Zuschauer ab, aber Emmerich konnte auf der Review-Seite auch früher nicht punkten. Vielleicht war das Casting nicht optimal. Was auch immer für den Mega-Flop von „Moonfall“ an den Kassen verantwortlich ist: das Genre wird sich neu erfinden müssen. Roland Emmerich auch.

Noten: BigDoc = 4

Moonfall – USA, Kamera, China - R: Roland Emmerich - Buch: Spenser Cohen, Roland Emmerich, Harald Kloser - Kamera: Robby Baumgartner - Laufzeit: 120 Min - FSK: ab 12 Jahren. D: Halle Berry, Patrick Wilson, John Bradley, Donald Sutherland, Michael Peña, Charlie Plummer.