Montag, 15. August 2022

„The Sandman” – besser geht Fantasy nicht

Im Spätsommer rollt eine Fantasy-Welle auf uns zu. Das GoT-Prequel „The House of the Dragon” soll für HBO und seinen deutschen Partner “Wow” (vormals SKY) Zuschauer abholen, während Amazon Prime in „Die Ringe der Macht“ erzählen möchte, was 3000 Jahre vor dem „Herrn der Ringe“ passierte.
NETFLIX, das im Moment trotz des Erfolges von „Stranger Things“ schwer um den Abonnentenmarkt zu kämpfen hat, präsentiert dagegen mit „The Sandman“ einen ganz und gar untypischen DC-Comic in zehn Episoden. Neil Gaimans epischer Comic ist Premium-Ware und die Verfilmung ist es auch. Komplex, aber nicht kompliziert, witzig und überraschend – und völlig schräg – erzählt die Serie davon, wie der Herrscher der Träume sein beinahe untergegangenes Reich erfolgreich zurückerobert.

The Sandman – der wichtigste Comic der letzten Jahrzehnte

Denn das Traumland muss über 100 Jahre ohne Morpheus, den Herrn über die Träume und Alpträume, zurechtkommen. Ausgerechnet dem britischen Hobbymagier Roderick Burgess (Charles Dance, u.a. „Game of Thrones“) aka „Magus“ gelingt es Anfang des 20. Jh. mit einem Zauber Morpheus zu beschwören und zu überwältigen.
Eigentlich wollte der adelige Dilettant den „Tod“ herbeizaubern, um für sich selbst ein ewiges Leben zu erpressen, aber das Ritual ging gründlich schief. Das Ergebnis ist katastrophal: Morpheus ist nicht kooperativ und muss mehr als 100 Jahre in einer Glaskuppel schmoren. Dabei verliert er die Kontrolle über die Träume der Menschen, eine geheimnisvolle Schlafkrankheit macht sich breit (die Encephalitis lethargica, auch Europäische Schlafkrankheit genannt, gab es tatsächlich). Viele Menschen liegen in ihren Betten und träumen, aber sie wachen nicht mehr auf.
Gleich in der ersten Episode „Sleep of the Just” zeigt die Netflix-Serie ihre Qualität mit phantastisch gefilmten Bildern. Settings einer spät-elisabethanischen Kultur, in der schwere Ledersessel in dunklen Räumen und endlose Bibliotheken Insignien der Macht und des Wohlstands waren. Die Jahrzehnte verstreichen und erst nach 106 Jahren gelingt Morpheus 2021 die Flucht. Aber seine Macht hat er vorerst verloren, dafür hatte die erste Episode genug Stoff für einen Kinofilm.

Fokussiert und trotzdem reich an Details sind auch die neun weiteren Episoden von „The Sandman“. Neil Gaiman ist – zumindest was Comics betrifft – ein Superheld. Zusammen mit Terry Pratchett („Scheibenwelt“) verfasste er den Engel-und-Teufel-Roman „Good Omens“ (Ein gutes Omen). Die BBC machte in Kooperation mit Amazon Studios und mit Gaiman als Showrunner aus dem Fantasy-Roman eine Comedy-Serie. Die zweite Staffel ist in Arbeit.

Auch die Serie „American Gods“ basiert auf einem Urban-Fantasy-Roman von Neil Gorman. Unter Urban-Fantasy versteht man Stoffe, die zwar im Fantasy-Genre angesiedelt sind, aber einen starken Bezug zur Realität besitzen. Also so ziemlich das Gegenteil von dem, was MARVEL zuletzt auf den Markt gebracht hat.

„The Sandman“ gehört zu den Comics, die mehrfach geadelt wurden. Pulitzer-Preisträger Norman Mailer nannte die Geschichte einen „Comic für Intellektuelle“. Neil Gaiman erhielt mehrfach den Eisner-Award für herausragende Leistungen im Comic-Bereich. Und Heft Nummer 19, das sich auf William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ bezog, gewann als einziger Comic den „World Fantasy Award“ für Kurzgeschichten. Dass Comics zur Literatur zu zählen sind, behaupten mittlerweile nicht nur die Fans.

Allerdings dauerte es über 30 Jahre, bis Neil Gaimans epische Geschichte über Morpheus, den Herrn der Träume, serienreif wurde. Ein Kinofilm erschien als unmöglich, „The Sandman“ umfasst 2000 zwischen 1989 und 1996 veröffentlichte Seiten, die später in 75 Monatsbänden zusammengefasst wurden. Selbst eine auf mehrere Staffeln angelegte Serie kann da ins Schleudern kommen.
Hilfreich für Showrunner Allan Heinberg (Screenplay für „Wonder Woman“ und „Grey‘s Anatomy“) war allerdings, dass Gaiman zu den Executive Producern des Projekts gehörte. Mit ihm Team: David S. Goyer (Screenplays u.a. für Christopher Nolans „Dark Knight“-Trilogie, Saturn Award for Best Writing für
Batman Begins (2005), Showrunner der Serienverfilmung von Isaac Asimovs „Foundation“).

Komplex, aber verständlich erzählt

Und tatsächlich gelang es den Machern, die Sammelbände „Preludes and Nocturnes“ (Hefte 1-8) und „The Doll’s House“ (Hefte 9-16) kompakt und ohne gravierende Kürzungen in zehn Episoden schlüssig zu erzählen. Dies ist für den Zuschauer, der in beinahe jeder Episode neue Informationen über „The Dreaming“, das Traumland, verarbeiten muss, zwar fordernd, aber der Inhalt ist so klar strukturiert, dass man auch in den Flashbacks und den Träumen der Protagonisten nicht die Orientierung verliert.

Das ist auch nötig, denn Gaimans Worldbuilding kann locker mit J.R.R. Tolkins ausufernder Welt der Ringe konkurrieren. Aber in der Netflix-Serie muss man die Comics nicht unbedingt kennen, um der Handlung folgen zu können, aber den Kern der Mythologie schon. 

Der „Sandman“, auch Morpheus oder Dream genannt, ist einer von sieben „Ewigen“ (The Endless), die zusammen mit dem Universum geschaffen wurden und im Gegensatz zu den Göttern keine Religion und keine Gläubigen brauchen, um zu existieren. Zu den „Ewigen“ gehören Dreams Geschwister Destiny (Schicksal), Death (Tod), Destruction (Zerstörung), Desire (Verlangen), Despair (Verzweiflung) und Delirium (Fieberwahn). In der ersten Staffel werden allerdings nur drei Geschwister der Hauptfigur eine Rolle spielen: Death (Kirby Howell-Baptiste), aber auch der/die androgyne Desire (Mason-Alexander-Park), der/die zusammen mit Despair (Donna Preston) eine Intrige gegen Morpheus inszeniert.

Genauso überzeugend wie die visuelle Power, mit der jede Episode eine eigene Textur erhält, ist die von Tom Sturridge verkörperte Hauptfigur. Sturridge sieht zwar aus wie ein Neo-Punk, ist aber keiner. Sein Morpheus ist ein angestrengt langsam sprechender Herrscher über die Träume und Alpträume, das Schlafwandeln und die Schlaflosigkeit sowie das endlose Schlafen und Träumen ohne Erwachen – aber sympathisch ist er (zunächst) nicht. Der Sandmann ist nämlich auf penetrante und empathiefreie Weise humorlos, ein Milliarden Jahre altes Gottwesen, das archaische und erzkonservative Regeln gegen jede Form von Veränderung verteidigt. Restlos davon überzeugt, dass weder er noch seine Geschwister sich ändern können oder müssen.
Das liegt an der Last des Jobs. „Ich umfasse das kollektive Unbewusste der Menschen!“, wird Morpheus seine Aufgabe definieren. C.C. Jung lässt grüßen. Auch der Begründer der Analytischen Psychologie war davon überzeugt, dass alles, was sich nicht individueller Erfahrung verdankt, aus Träumen, Mythen und Märchen besteht. Ich garantiere, dass man die ‚luziden Träume‘ in Alejandros Amenábars „Open Your Eyes (1997) oder Cameron Crowes Remake „Vanilla Sky“ (2001) mit anderen Augen sieht, nachdem man „The Sandman“ gesehen hat.
Wenn eine Dienstleistung wie das Verwalten von Träumen so komplex ist, muss die Logistik perfekt sein. Morpheus' Träumen und Alpträumen, die in der Serie als Personen auftreten, wurde daher eine Rolle im Traumland zugewiesen, die völlige Unterwerfung unter die Pflichten und Notwendigkeiten fordert. Pech ist nur, dass einige der Träume das Traumland verlassen haben und nun eigenen Interessen nachgehen.

Wenn man sich erst einmal an den schwarz gekleideten Herrscher gewöhnt, merkt man, mit welcher inneren Logik Tom Sturridge diese komplexe Figur interpretiert. Denn der Herrscher muss herausfinden, ob die Menschen für ihn da sind oder umgekehrt. Eine Antwort ist nicht leicht zufinden, dann selbst nach einer für einen
Ewigen vergleichsweise kurzen Gefangenschaft ist man nicht ganz frei von Zweifeln und depressiven Verstimmungen, erst recht nicht, wenn die eigenen Geschöpfe einem den Rücken zukehren.
Zu seinen Antagonisten gehören „The Corinthian“ (den „Korinther“ spielt Body Holbrook als kultivierten bi-sexuellen, aber extrem gewalttätigen und zynischen Hedonisten), ein Alptraum, der während Morpheus‘ Gefangenschaft in die Realität entkam und seiner Freiheit nicht aufgeben will. In den letzten 100 Jahren hat der Korinther eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Menschen mit seinen Alpträumen so manipuliert, dass sie zu Serienkillern wurden.

Ein positiver Antagonist ist dagegen Morpheus‘ loyale Bibliothekarin Lucienne (Vivienne Acheampong, u.a. 2020 in Robert Zemeckis Roald Dahl‘s The Witches), die über ein Jahrhundert lang die Geschäfte des Traumlands führte und nun von Morpheus zu den Büchern zurückgeschickt wird, was unschöne Vermutungen über die Sozialkompetenz der Hauptfigur zulässt. Also These und Antithese, Gut und Böse.

Ungewöhnliches Pacing: straff erzählt, aber detailreich

Jahrzehntelang wurde an einer Verfilmung von „The Sandman“ herumgewerkelt. Ein Projekt, das allein schon wegen der erdrückenden Quantität der Vorlage mit ihren über 2000 Seiten aussichtslos erschien. Auch für eine Serie schien zunächstalles viel zu lang zu sein. Ein Schlüsselproblem bei der Drehbuchentwicklung ist nämlich das Pacing, also das Tempo der Erzählung, das Verhältnis von erzählter Zeit und Erzählzeit. Ein gleichbleibendes Tempo scheint dabei logisch zu sein, ist tatsächlich aber der Anfang vieler Probleme.
Im Writer’s Room fand man eine schlüssige Lösung. Die 10 Episoden der Serie erinnern an eine Anthologie-Serie, deren Teile jeweils ein geschlossenes Narrativ bilden. So ist die 1916 spielende erste Episode „Sleep of the Just“ zugleich Exposition als auch eine inhaltlich abgeschlossene Handlung, obwohl einige Figuren später wiederauftauchen. 

Aber „The Sandman“ ist keine Anthologie-Serie, sondern besteht aus zwei Handlungsblöcken und 2-3 standalone-Episoden, die das Tempo sogar ausbremsen (Filler, Padding). Im Kern geht es um zwei Themen: Wie erlangt Morpheus erneut die Macht über das Traumland? Und wie wird mit der Bedrohung fertig, die von einem „Traumwirbel“ (The Vortex) ausgeht – einem Wesen, das latent noch mächtiger werden kann als Morpheus?

Mit dem ersten Thema beschäftigen sich die Episoden 2-5: “Imperfect Hosts”, "Dream a Little Dream of Me", "A Hope in Hell" und „24/7“. 
Morpheus kann nach seiner Flucht sein inzwischen verfallenes Reich nur wiederherstellen, wenn er die Insignien seiner Macht wieder in seinen Besitz bringt: ein Säckchen mit Traumsand, einen etwas gruseligen Helm und einen Rubin. Dabei wird er von einem sprechenden Raben unterstützt (der in den Comics eine umfangreiche Backstory hat). Morpheus ist von „Matthew the Raven“ zunächst nicht begeistert, entdeckt aber die Nützlichkeit des intelligenten Vogels, der es an Frechheiten gegenüber seinem Herrn und Meister nicht fehlen lässt.

Ein Höhepunkt ist Morpheus‘ Kampf um seinen Helm, den er ausgerechnet in der Hölle austragen muss. Und zwar mit „Lucifer Morningsstar“ (Gwendoline Christie spielte in „Game of Thrones“ die Figur der Brienne of Tarth und macht auch als leibhaftiger Teufel eine gute Figur). In einem rhetorischen Wettkampf müssen sich die beiden Kontrahenten Figuren ausdenken, die denen des Gegners überlegen sind. Morpheus steht kurz vor der Niederlage, wählt dann aber als Verkörperung die Hoffnung. Und die ist jedem und allem überlegen, da auch die Dämonen der Hölle hoffen, diesen Ort verlassen zu können. „Lucifer Morningsstar“ taucht auch in der TV-Serie „Lucifer“ auf und wird dort von Tom Ellis gespielt. In „The Sandman“ überlässt die besiegte Fürstin der Hölle Morpheus den Helm, aber der Cliffhanger am Ende der Serie deutet an, dass der Kampf nicht vorbei ist.

In „24/7“ geht es um den Rubin, den John Dee (David Thewlis) in seinen Besitz gebracht hat. Dee ist der Sohn von Ethel Cripps, der ehemaligen Geliebten von Roderick Burgess. „24/7“ ist deswegen interessant, weil die Geschichte des ersten Handlungsblocks in einer von zwei standalone-Episoden zu Ende erzählt wird. Dies zeigt, wie variabel die Serie in Hinblick auf das Pacing ist. 

„24/7“ spielt ausschließlich in einem Diner. John Dee, der den Rubin manipuliert hat, nutzt dort dessen Kräfte für einen psychologischen Feldtest. Er zwingt die Mitarbeiter und Gäste dazu, ihre wahren Gedanken zu enthüllen und nur noch die Wahrheit auszusprechen. Dee will eine Welt ohne Lügen. Morpheus kann den Rubin zwar zurückerobern, kommt aber zu spät, um das Blutbad im Diner zu verhindern. Alle bringen sich um oder verüben Selbstmord auf eine Weise, die wohl dafür dafür verantwortlich war, dass Netflix die gesamte Serie nur nach Eingabe des Alters-PIN freigibt. Nachdem die Frage nach der Wahrheit geklärt ist, beendet „24/7“ den ersten Hauptteil der Staffel.

Eine weitere standalone-Episode bildet den Übergang zum zweiten Hauptteil. In Episode 6 „The Sound of Her Wings“ begleitet Morpheus auf der Erde der Gegenwart seine Schwester Death (Kirby Howell-Baptiste), und während beide spazieren gehen, erledigt die vor Lebensfreude sprühende Death ihren Job mit deutlich mehr Empathie als ihr Bruder im Reich der Träume: sie tötet Menschen und geleitet sie in das Reich der Toten. 

Eingebettet in die Episode sind serielle Flashbacks, in denen Morpheus alle 100 Jahre Hob Gadling (Ferdinand Kingsley) besucht, dem Death ein ewiges Leben geschenkt hat. Es ist ein Experiment. Morpheus erlebt staunend, dass Gadling trotz der Ups und Downs seines Lebens nicht sterben will und reagiert empört, als dieser ihn nach all den Jahrhunderten als seinen Freund bezeichnet. Trotzdem wird er Gadling nach seiner Flucht aus Burgess‘ Glaskuppel wieder aufsuchen.

Episode 5 und 6 sind im Kern klassische Fabeln mit einem allegorischen Kern, der etwas über die Natur des Menschen erzählt, aber auch zeigt, dass Morpheus nicht wirklich die Spezies verstanden hat, für deren Träume und Alpträume er verantwortlich ist. Psychologisch eher klischeehaft, aber eben lehrreich für die Hauptfigur.

Viel Raum für Skurriles und Episodisches

Die Container-Episoden sind Teil einer Erzählstrategie, die in Sachen Tempo und Rhythmus keinen konventionellen Regeln folgt, sondern sich Zeit nimmt für das Skurrile und Episodische, das Kauzige und Abseitige, das den Meta-Plot zwar nicht voranbringt, aber den Zuschauer immer wieder verblüfft. 
Der Charme der Serie ist gerade den Randgeschichten und Nebenfiguren zu verdanken.
Zum Beispiel Kain und sein Bruder Abel (
Episode 2), die gemeinsam im Traumreich leben. Dort erschlägt Kain seit Anbeginn aller Zeiten täglich seinen Bruder und dieser hat gelernt, alles mit Humor zu quittieren („Er macht es selten vor dem Mittagessen“). 

In „The Sound of Her Wings“ erfährt man by the way, dass Morpheus
dafür verantwortlich war, dass aus einem untalentierten jungen Mann namens Williams Shakespeare etwas wurde, was die Zeit ebenso überdauert wie Hob Gadling, der sich auch von Katastrophen nicht bezwingen lässt. 

Und auch im zweiten Hauptteil, der „The Doll’s House“ (Hefte 9-16) zusammenfasst, tauchen skurrile Figuren auf wie der Transvestit Hal Carter (John Cameron Mitchell), der trotz der ausufernden Handlung genug Screentime bekommt, um eine richtige Figur zu werden.

In „The Doll’s House“ muss Morpheus vier der von ihm erschaffenen Traumkreaturen, unter ihnen der Korinther, wieder einfangen und ins Traumreich zurückbringen. Im Mittelpunkt steht aber die junge Rose Walker (Kyo Ra). Sie ist die Enkelin einer Frau, die während der Encephalitis lethargica von Desire im Schlaf vergewaltigt wurde. Somit ist Rose Walker eine Verwandte von Morpheus, was dieser zunächst nicht weiß. Rose dagegen ist auf der Suche nach ihrem kleinen Bruder Jed (Eddie Karanja), der von seinem brutalen Pflegevater misshandelt wird, aber in seinen Träumen der „Sandman“ sein - mit Kostüm und Maske (diese Figur bezieht sich auf einen gleichnamigen Superhelden aus den 1930er-Jahren).

Während der Korinther versucht, die Fähigkeiten von Rose für seine Zwecke zu nutzen, erkennen Morpheus und Lucienne in ihr einen gefährlichen „Traumwirbel“ – ein Wesen, dass die Macht besitzt, die Grenzen zwischen Traumreich und Realität einzureißen. Morpheus wird klar, dass er Rose töten muss, um sein Reich, aber auch die träumenden Menschen, zu retten. Und so kommt es in der realen Welt zu einem Showdown auf einem obskuren Serienmörder-Kongress und im Traumland, wo sich Moprheus und Rose in einer magisch anmutenden Landschaft begegnen, die viel zu schön ist, um die Geschichte mit einem brutalen Akt der Gewalt enden zu lassen.

Es ist erstaunlich, wie geschickt es Gaiman und seinem Autorenteam gelang, die prallvolle Handlung von
„The Doll’s House“ mit ihren unzähligen Nebenfiguren in vier Episoden mit einer maximalen Länge von 54 Minuten zu integrieren. Aber es klappte. Wohl auch, weil mit dem Martian Manhunter, Doctor Destiny oder Scarecrow einige Figuren komplett gestrichen wurden. Gaiman wollte keine TV-Serie, „bei der man das Gefühl hat, dass man eine ganze Reihe von Comics von 1988 und 1989 gelesen haben muss, um zu verstehen, was passiert.“

Herausgekommen ist eine Graphic Novel, die auch nach Neil Gaimans Verständnis allein schon ästhetisch nur wenig mit DC-Comics und deren Verfilmungen zu tun hat. Stattdessen wird der Zuschauer in ein Traumreich entführt, das visuell zum Besten gehört, was man in diesem Serienjahr bislang zu sehen bekam. Eine Geschichte, die aber ohne ein Verständnis für die Realität jenseits der Träume nicht funktionieren kann. 
Am Ende muss der Herrscher über die Menschen und die Träume etwas lernen, nämlich „dass man sich verändern oder sterben muss, und er trifft seine Entscheidung.“ So fasste jedenfalls Neil Gaiman die Philosophie der Geschichte zusammen. Vielleicht ist das etwas schlicht gestrickt, aber wichtiger als eine plakative Botschaft ist der Weg, der zu ihr führt. Und es macht einen Heidenspaß, die Figuren dabei zu begleiten.

Note: BigDoc = 1


The Sandman – USA, Netflix 2022 – 10 Episoden – Showrunner:
Allen Heinberg - Executive Producer: Neil Gaiman, David S. Goyer,  – ab 18 Jahren - D.: Tom Sturridge, Vivienne Acheampong, Patton Oswalt (als Stimme von Matthew The Raven), David Thewlis, Boyd Holbrook, Gwendoline Christie, Kirby Howell-Baptiste, Kyo Ra, Mason-Alexander-Park, Ferdinand Kingsley, Stephen Fry, Charles Dance, Sanjeev Bhaskar (Kain), Asim Chaudhry (Abel) u.v.a.