Samstag, 27. August 2022

Bluray-Review „Jurassic World: Ein neues Zeitalter“

Wenn ein Filmtitel nicht hält, was er verspricht, hat ein Filmstudio ein Problem. Nicht mit den Dinos, sondern mit jenen Zuschauern, die nicht nur Dino-Kämpfe und bildstarke Locations sehen wollen, sondern eine Geschichte erwarten. Kein Patchwork, sondern eben eine richtige Geschichte mit Figuren, für die man sich interessiert.
Das ist in „Jurassic World Dominion“ (dts. Jurassic World: Ein neues Zeitalter) nicht immer der Fall. An der Kasse hat der Film trotzdem kräftig gepunktet.
Colin Trevorrows Film ist der letzte in der Jurassic-World-Trilogie nach „Jurassic World“ (2015) und „Jurassic World: Fallen Kingdom“ (2018). Und wer einen Schlusspunkt setzen will, glaubt alles toppen zu müssen, was vorher war. Das ist ein Irrtum.
Die folgende Kritik bezieht sich auf die Extended Version des Films.

Große Ziele, orientierungsloser Anfang

Es ist nach fast 30 Jahren kaum zu glauben: ein Film wie Steven Spielbergs „Jurassic Park“ (1993), der respektvoll, aber keineswegs überschwänglich von der Filmkritik behandelt wurde, gilt heute als Klassiker. Als Beispiel für gelungenes Storytelling mit Figuren, die neugierig machen. Spielberg übernahm sogar ein wenig von Michael Crichtons Wissenschaftsmelancholie, die der Autor in seinem 1990 erschienenen Roman „DinoPark“ anklingen ließ.
Ich blieb damals skeptisch: "...die alten, verspielten und manchmal auch grausamen Kinophantasien sind nun perfekte Kino-Illusionen geworden. Und das ist die Botschaft: der Trick ist kein Trick mehr, auch kein Fake, vielmehr schafft der Trick sich seine eigene Realität. Die Fiktion, die immer auch etwas mit Vorstellungskraft zu tun hat, beugt sich der Augentäuschung. 
Ist das wirklich die Zukunft des Kinos? (...) Hier zeigt sich bereits jetzt in ersten Ansätzen ein gewaltiges Marktpotential, das Multimedia, Virtual Reality und Cyberspace einschließt.(…) Deren Rezeption wird nicht mehr im Kino stattfinden, sondern irgendwo und irgendwann mit Datenhandschuh und Datenhelm. An Jurassic Park wird man sich, wenn es soweit ist, mit einem gewissen Gefühl der Nostalgie erinnern."
Mark Zuckerberg war damals 9 Jahre alt, sein Metaverse konnte ich nicht kennen. Und die Überwältigung durch digitale Illusionen sehe ich einige hundert Film später etwas gelassener.
Interessant ist aber, dass fast 30 Jahre später sich einige Kritiker an ihr ehrfurchtsvolles Staunen beim Anblick der computeranimierten Dinosaurier in
„Jurassic Park“ erinnern - um danach „Jurassic World Dominion“ zu verreißen. Tempi passati.

Mittlerweile hat sich nicht nur das Kino verändert. Und damit sind wir bei „Jurassic World Dominion“ angekommen. Man stelle sich einmal vor, dass sich mitten unter uns Dinosaurier befinden, die unsere Städte verwüsten. Würde man da allen Ernstes darüber nachdenken, ob eine friedliche Koexistenz mit dem T-Rex und anderen Prädatoren aus der Kreidezeit möglich ist oder müsste man unter Einsatz aller militärischen Mittel versuchen,
um die Spezies Mensch vor der Ausrottung zu retten?
Die Antwort dürfte nicht schwerfallen. Eine kritische Auseinandersetzung mit ihr hätte sogar zu einem intelligenten Blockbuster führen können. Aber diese Geschichte soll gar nicht erzählt werden. Colin Trevorrow, der an allen Drehbüchern der „World“-Trilogie beteiligt war und in „Jurassic World“ und „Jurassic World Dominion“ auch Regie führte, wird wohl klar gewesen sein, dass man dies nicht einmal in einem Spielfilm mit Überlänge erzählen kann.

Stattdessen sollten technisch neue Maßstäbe gesetzt und alle Hauptfiguren der sechs Dino-Filme zusammengeführt werden. Die Sache mit der Technik klappte perfekt. Nie zuvor gab es so viele animatronisch gesteuerte Saurier in der „World“-Trilogie, nie sahen sie furchterregender und damit besser aus. Technisch ist der Film also state of the art. So weit, so gut.
Zum Schwachpunkt des Films werden allerdings die zahlreichen Nebenhandlungen rund um den Globus, die zum Kernplot wenig beitrugen. Soll gezeigt werden, wie die Menschen mit dauerpräsenten prähistorischen Tieren umgehen? Vermutlich. Und so sieht man in der „Malta-Sequenz“ illegale Saurier-Schwarzmärkte und ebenso illegale Tierkämpfe, in denen Saurier aufeinandergehetzt wurden.
Aber dann auch eine Verfolgungsaction in den maltesischen Gassen mit ferngesteuerten Killerraptoren? Das hätte besser zu Ethan Hunt oder James Bond gepasst, denn das Spektakel sieht so aus, als sei eine Szene aus
No Time to Die gecovert worden. Und es zerfasert den Plot eines Films, dessen Laufzeit in der Extended Version auf satte 160 Minuten anschwoll (Kinoversion: 147 Minuten).

Ebenfalls erstaunlich: der Prolog des Films geht ziemlich holperig mit der Einführung seiner Protagonisten um. Und dies, obwohl die Extended Version nicht nur im Prolog mit zusätzlichen Szenen erweitert wurde. Jahre später sind sie mitten unter uns, die Saurier, aber in der ersten halben Stunde beschränkt sich die zunächst recht zerfahrene Geschichte auf einige TV-Trailer und eine Hommage für die 1950er-Jahre: die T-Rex-Attacke auf ein Autokino. Wohl, um dem Zuschauer klarzumachen, dass sich der Alltag in einer Dino-Welt ein wenig verändert hat. Die Protagonisten werden häppchenweise eingeführt, alles wirkt unrund.

Die Welt am Abgrund

Immerhin wird die Geschichte aus „Jurassic World: Fallen Kingdom“ weitererzählt. Dort hatte die junge Maisie Lockwood (Isabella Sermon) aus Mitleid alle Dinos freigelassen, die auf einer Auktion verhökert werden sollten. Dies war der Anfang vom Ende. 

Isabella Sermon spielt diese Rolle auch in „Dominion“. Aber Colin Trevorrow wollte nicht nur Maisies Geschichte und die des Raptoren-Verstehers Owen Grady (Chris Pratt) und seiner Freundin Claire Dearing (Bryce Dallas Howard) weitererzählen, sondern auch Sam Neill und Laura Dern ins Boot holen – also die Dino-Experten Dr. Alan Grant und Dr. Ellie Sattler aus Teil 1 und 3 der „Park“-Trilogie. Dass der Chaostheoretiker Dr. Ian Malcolm (Jeff Goldblum) in diesem illustren Kreis nicht fehlen darf, versteht sich von selbst.
Die charmante Idee: „Dominion“ sollte alle sechs Filme zu einer einzigen großen epischen Geschichte zusammenführen. Es hätte ein spannendes „Treffen der Generationen“ werden können, und obwohl nicht alles misslingt, wirkt der Plot über weite Strecken ziemlich konstruiert, bevor sich das Sextett zum ersten Mal begegnet.

Wie erzählt man das? Natürlich mit zwei Parallelhandlungen. Grady und Dearing leben zusammen in einer abgelegenen Waldhütte in der Sierra Nevada und schirmen die junge Maisie vor der Umwelt ab. Das Mädchen ist ein genetischer Klon der genialen Genetikerin Charlotte Lockwood (Elva Trill) und dank der von ihrer „Mutter“ raffiniert konstruierten DNA für einige Schurken ein heißes Objekt der Begierde. Trotz aller Vorkehrungen wird Maisie prompt entführt und nach Malta verfrachtet. Ihr Reisebegleiter ist ausgerechnet ein kleiner Velociraptor, der Nachwuchs von Blue. Das kommt bei dem intelligenten Raubsaurier, der in der „World“-Trilogie zum Stamm-Cast gehört, nicht gut an. Owen Grady „verspricht“ Blue, dass er ihr Jungtier befreien wird, und zusammen mit Claire Dearing bricht er nach Malta auf, um seine Ziehtochter mitsamt Velociraptor nach Hause zu bringen.

Derweil schlägt sich Ellie Sattler mit einer mysteriösen Heuschrecken-Plage herum, die landesweit die Ernten zerstört. Mit Ausnahme jener Anbauflächen, auf denen Insektizide des Gentechnik-Konzerns Biosyn eingesetzt wurden. Honi soit qui mal y pense.
Natürlich zieht Sattler ihren alten Freund Alan Grant hinzu, nachdem sie eine Einladung von Dr. Ian Malcolm (Jeff Goldblum) erhalten hat. Der Chaostheoretiker bekommt von Biosyn-CEO Lewis Dodgson (Campell Scott) ein sattes Salär dafür, dass er mit Weltuntergangs-Visionen das PR-taugliche „gute Gewissen“ des Konzerns spielt. Aber offenbar weiß Malcolm, was es mit den sich exponentiell vermehrenden Heuschrecken auf sich hat. Ellie will daher in Biosyns Saurier-Reservat in den Dolomiten eindringen, um in den Laboren nach den genmanipulierten Heuschrecken zu suchen und eine DNA-Probe aus der Hi-Tech-Anlage zu schmuggeln. Grant nimmt sie als Zeugen mit.

Wissenschaftler am Rande des Nervenzusammenbruchs

In der auf einem Buch von Michael Crichton basierenden „Park“-Trilogie (1993 -2001) ging es um die Hypothese, dass die Kräfte der Evolution unkalkulierbar sind und der menschliche Wahn einer perfekten technologischen Kontrolle nicht nur in einem Dino-Vergnügungspark, sondern auch in unserem Verhältnis zur Natur zwangsläufig zu einer Katastrophe führen muss.
Genüsslich führte Spielbergs Querdenker Ian Malcolm vor, dass seine Zeitgenossen aus den Fehlern ihrer Spezies nichts gelernt hatten. Die damals in den Medien ziemlich angesagte Chaostheorie und eine Prise Ökologie wurde clever mit Ian Malcolms mehr als unterschwelligen Kritik an der Gentechnik und der Hybris des Homo Sapiens verknüpft. Der Zuschauer benötigte im Kino allerdings keine seriösen Kenntnisse über Genetik, sodass diese Technologie bis heute fast auschließlich unschöne Erinnerungen an menschenfressende Saurier auslöst und weniger an Genmais, grade Gurken und saftige Tomaten. Der Horror gewinnt halt immer.
Wäre es anders, dann hätte Steven Spielbergs „grüne“ Botschaft in „Jurassic Park“ den einen oder anderen nachdenklich gestimmt. Das war nicht der Fall. Moralische Botschaften im Kino werden wegkonsumiert, auch wenn sie auf wissenschaftlichen Fakten basieren, und so leben wir nun inmitten eines Klimawandels – zum Glück ohne Saurier.

Colin Trevorrow entzog sich diesem Thema aber und verlagerte das Finale des Films in die schneebedeckten Dolomiten, wo alle Hauptfiguren in der Machtzentrale von Biosyn zusammenkamen. Die Hi Tec-Gebäude mit ihren zahllosen Laboren erinnert an den guten, alten Dino-Park – bloß ohne Besucher.
Leider funktioniert das Treffen der unterschiedlichen Generationen nicht. Ironisch formuliert: die Figuren können die Jurassic-Mythologie mitsamt ihren ikonischen Bildern nicht kennen. Aber Zeit für ein Kennenlernen ist sowieso nicht vorhanden. Denn nach der erfolgreichen Entnahme der Proben befindet sich das Sextett pausenlos auf der Flucht. Die Saurier warten im Dutzendpack bereits auf die Wissenschaftler am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Guter Cast, kein guter Rhythmus und ein absurder Epilog

Im großen Finale gibt es also Action ohne Zwischenstopps, zum Teil sehenswerte Szenen – aber die Technikshow ermüdet, wenn es keinen Rhythmus gibt.
Den Darstellern ist allerdings nichts vorzuwerfen. Sam Neill und Laura Dern spielen sehenswert gegen das hektische Skript an und wärmen die Love Affair vergangener Zeiten wieder auf. Ältere Zuschauer werden dies gerne sehen.
Chris Pratt und besonders Bryce Dallas Howard bekommen dagegen kaum Luft zum Reden. Sie mutieren zu Actionfiguren.
Überhaupt ist der Cast etwas zu umfangreich geraten. So wurde die Rolle einer Pilotin ins Skript geschrieben, denn um von Malta in die Dolomiten zu gelangen, braucht man ein Flugzeug. Wobei DeWanda Wise als zwielichtige Crashpilotin Kayla Watts dank Talent und einem schlagfertigen Sarkasmus mehr aus ihrer Rolle herausholen konnte als der 75-jährige Sam Neill, der wie das fünfte Rad am Wagen wirkt.
Etwas agiler ist die 55 Jahre junge Laura Dern, aber am besten hat sich der 70-jährige Jeff Goldblum gehalten, der scheinbar nicht älter wird. Wissenschaftliches gibt es kaum noch von ihm zu hören, aber Goldblum kann man eigentlich immer einige flotte Oneliner ins Skript schreiben.
Ältere Zuschauer werden sich dagegen über BD Wong freuen, der bereits in Spielbergs „Jurassic Park“ den skrupellosen Genetiker Dr. Henry Wu spielte und sich auch in Fallen Kingdom an den Meistbietenden verkaufte. In „Dominion“ erlebt Wu einen Sinneswandel, denn sowohl die Killerheuschrecken als auch die Entführung der jungen Maisie gingen auf sein Konto: er erhofft sich nun vom Gencode des Mädchens entscheidende Erkenntnisse über die Bekämpfung der Plage. Mit diesem Casting kann Colin Trevorrow punkten. Selbst Omar Sy („Ziemlich beste Freunde“, 2011) taucht als Berry Sembène in einer Nebenrolle auf.

Hart am Rande des Klischees wandelt dagegen der Oberschurke des Films. Campbell Scott spielt seine Figur zunächst als charmanten, freundlichen Nerd, sozusagen eine anti-zyklische Figurenskizze. Aber wenn Dodgson, der alle Hände voll damit zu tun, die Heuschrecken-Affäre zu vertuschen, sich peu à peu als skrupelloser Stratege entpuppt, der die weltweite Nahrungsmittelproduktion kontrollieren will, sind wir wieder beim bösartigen eindimensionalen Bond-Schurken gelandet. Und natürlich wird der Bösewicht – Überraschung! – zur Strafe von besonders gemeinen Sauriern gefressen.

Dies alles reicht, um einen einigermaßen funktionierenden Blockbuster auf die Schiene zu bringen. Trotz einiger Fehlgriffe vermittelt der Film ein ordentliches „Jurassic“-Feeling. Die Production Values des Films stimmen, die völlig unterschiedlichen Locations sehen gut aus. Aber wenn dann einige Nebenschurken wie Soyona Santos (Dichen Lachman) ziemlich banal aus der Handlung verschwinden oder andere gar nicht mehr auftauchen, kann man über diese Drehbuchlöcher nur staunen. 

Zu ihnen gehört auch ein uninspirierter Epilog, der das Filmende im Off zusammenfasst. Eigentlich ein No-Go, bestenfalls ein Stilmittel aus den guten alten Zeiten. Dass danach einige hübsche Bildchen zeigen, dass Menschen, Tiere und prähistorische Monster im schönen Einklang miteinander leben, dreht der Handlungslogik eine lange Nase. Diese versöhnliche Wendung ist absurd. Und das ist des Guten dann doch zu viel.

Technikgeschichte und Dinomanie

Prähistorische Monster, die reflexhaft Menschen fressen, sind so alt wie das Kino. Urvater dieser Reise in eine längst vergessene Vergangenheit war Arthur Conon Doyle mit seinem 1914 erschienenen Roman „The Lost World“. Die Filmemacher erkannten rasch, dass Doyles Science-Fiction-Roman sich als Story perfekt eignete, um dem Stummfilm-Publikum nicht nur Geschichten zu erzählen, sondern auch die moderne Tricktechnik des Kinos vorzuführen. Daran hat sich nicht viel geändert.
Ausgerechnet D.W. Griffith, der 1915 mit „The Birth of the Nation“ ein rassistisches Machwerk drehte, das wegen seiner Bildmontage zum Klassiker wurde, hatte ein Jahr zuvor die Zeichen der Zeit erkannt. Mit „Brute Force“ drehte er einen allerdings ziemlich primitiven Dinofilm: Die Monster konnten nicht animiert werden.

Etwas weiter war dagegen war der Cartoonist Winsor McCay, der im gleichen Jahr mit „Gertie the Dinosaur“ den ersten vollanimierten Trickfilm der jungen Kinogeschichte produzierte. Zuvor hatte McCay den friedlichen Dino bereits in seinen Comics vorgestellt.

1925 folgte der nächste Schritt. Harry O. Hoyt zeigte in „The Lost World” einen auf Doyles Roman basierenden Film, in dem die Dinos mithilfe der Stop-Motion-Technik bewegt werden konnten. Hoyt zog sogar einen Paläontologen hinzu, um den Realismus seines Films zu verbessern. „The Lost World” demonstrierte, welchen Mehrwert die Tricktechnik bietet und ohne seinen Film wäre Merian C. Coopers und Ernest B. Schoedsacks „King Kong“ (1933) schwer vorstellbar gewesen
(einen nachkolorierten Ausschnitt aus dem Film gibt er hier).

Heute würde man von Crossmedia sprechen: Romane, Kinofilme, Comics und Dinos waren schon sehr früh ein Zweckbündnis eingegangen, das die Technologieentwicklung des Kinos bereits während des Stummfilms vorantrieb. Im Gegensatz zu den bald darauf auftauchenden Filmmonstern in den Universal-Horrorfilmen bestand der Gruselfaktor der Dinosaurier aus ihrer realen Existenz und der Tatsache, dass sie 170 Mio. Jahre bis zu ihrer Auslöschung die Welt beherrschten.
Zweifellos ein Faszinosum, das zu zwei Entwicklungen führte. Zum einen fanden die Dinos genreübergreifend einen Platz im Kino – vom Trashfilm, dem B-Movie bis hin zu den HiTec-Blockbustern der Gegenwart. Allzu komplex fielen diese nicht aus, da die „Park“- und „World“-Trilogie gezielt ein juveniles Publikum ansprechen wollte. Und das war ja auch mit guten Nebenrollen in den Filmen präsent.

Zum anderen sind Dinofilme nach wie vor eine Technikpräsentation, mit der die Studios zeigen, was sie können. Und in „Jurassic World Dominion“ ist dies eine bemerkenswerte Weiterentwicklung der animatronischen Effekte. Dabei werden Teile von Sauriern lebensgroß nachgebaut und mechanisch von sogenannten Puppeteers (Puppenspielern) bedient. Gelegentlich sogar von mehreren gleichzeitig, was eine differenzierte Motorik und Mimik möglich macht und sich visuell auf Augenhöhe mit CGI-Effekten befindet. Die punkten wiederum mit blutroten Schwärmen brennender Riesenheuschrecken über den Wäldern der Dolomiten.

Universal wird daher garantiert nicht unzufrieden mit dem Ergebnis sein, denn „Jurassic World Dominion“ hat bislang knapp eine Milliarde US-Dollar eingespielt. Das liegt zwar deutlich unter dem Einspielergebnis von Fallen Kingdom, ist aber wegen der heftigen Verrisse als Erfolg zu bewerten. Immerhin hängte Colin Trevorrows „Dominion“ konkurrierende Blockbuster wie „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ ab und wurde im Box Office der zweiterfolgreichste Film hinter „Top Gun: Maverick“ (1,4 Mrd. US-Dollar). Es wiederholt sich also kein Abstieg wie bei der „Park“-Trilogie, die mit jedem Teil ihre Einspielergebnisse halbierte.

Dinosaurier bleiben massenkulturell ein Faszinosum – bis hin zu einer regelrechten Dinomanie, die bereits 1993 ausuferte: Dinos zum Ausschneiden, Dinos als Sticker oder als Nintendo-Spiel. Dinos natürlich auch auf den Titelblättern, als Sonderbeilage oder als ausklappbares Faltblatt. SPIEGEL, FOCUS, STERN, überhaupt alle Medien waren von der Dino-Manie erfasst.
2022 sehen das die meisten Kritiker ganz anders. “This franchise has lumbered a long way down from its classic start”, konnte man auf Rotten Tomatoes über „Dominion” lesen. Was so viel bedeutet wie „schwerfällig hinterhertrotten“. Ganz so schlimm war es dann doch nicht, aber es geht besser.

Bluray mit erweiterter Fassung

Wie auch beim ersten Teil der World-Trilogie, drehten Trevorrow und sein Kameramann John Schwartzman erneut auf 35-mm- und auf 65-mm-Film. Lediglich eine einzige Szene wurde digital gedreht. Die für analogen Film typischen Eigenschaften sind warme und natürliche Farben, die für ein sehr gutes Bild der Bluray sorgt. Man wird lange und wohl vergeblich nach Aussetzern suchen. Die Kontraste passen, die Schwarzwerte sind schwarz und die Schärfe ist bei teuren Blockbustern sowieso kein Thema mehr. Gemastert wird auf hohem Niveau. Man fragt sich sogar, wo der Mehrwert einer 4K-Scheibe zu finden ist, wenn man Fachartikel benötigt, um die diskreten Unterschiede zwischen Bluray und 4K-Bluray zu finden.

Bonusmaterial

  1. Kampf am Big Rock
  2. Eine neue Gattung visueller Effekte
  3. Dinosaurier unter uns: Einblicke in Jurassic World

Empfehlenswert ist der 2019 produzierte Kurzfilm „Kampf am Big Rock“. Erzählt wird die Geschichte einer Patchwork-Familie, die im fiktiven Big Rock National Park in Nordkalifornien im Caravan Urlaub macht. Und zwar ein Jahr nach den Ereignissen von „Jurassic World: Fallen Kingdom“. Der Nachbar hat die gefühlt sechsjährige Tochter mit seiner Armbrust spielen lassen, was in der Familie zu einem mittelgradigen Skandal führt. Bevor man die Frage „Warum zum Teufel Camping im Wald, wenn dort die Dinos warten?“ beantworten kann, taucht schon ein Allosaurus auf, der einen Nasutoceratops und sein Junges angreift. Während die Eltern versuchen, die schrecklichen Szenen deeskalierend zu erklären („Allen geht es gut!“, „So ist die Natur halt“), während bereits Blut fließt, greift der Allosaurus plötzlich den Caravan an – und wird von dem kleinen Mädchen mit der bösen Armbrust schwer verletzt und in die Flucht geschlagen. Nun mag plötzlich jeder die Waffe. Eine Perle des Kurzfilms. „Kampf am Big Rock“ schlägt in Sachen Ironie den Hauptfilm um Längen: die tumben Erwachsenen sind völlig überfordert, während ihre Kinder das Problem lösen.

Natürlich gibt es PR-taugliche Bekenntnisse der Akteure und das erwartbare Auf-die-Schulter-klopfen, aber einige technische Kurzdokus sind interessant. Zum Beispiel, wenn es um den Aufwand bei der Entwicklung den animatronischen Saurier geht, die während der Dreharbeiten von bis zu sieben Puppeteers gleichzeitig bedient wurden. US-amerikanische Filmproduktionen sind bekannt für die kleinteilige Akribie, mit der Settings und Effekte geplant und umgesetzt werden. Und es ist ganz nett zu sehen, dass es im Zeitalter der Digitalisierung immer noch Dinge gibt, die handgemacht und nicht im Computer entstanden sind.

Quellen


Noten: BigDoc = 3,5

 

Jurassic World Dominion (dts. Jurassic World: Ein neues Zeitalter) – Regie, Drehbuch: Colin Trevorrow – Kamera: John Schwartzman – Laufzeiten: 147 Minuten (Kinofassung), 160 Minuten (Extended Version, Bluray) – Altersfreigabe: ab 12 Jahren - D.: Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Laura Dern, Sam Neill, Jeff Goldblum, Isabella Sermon, DeWanda Wise, Campbell Scott, BD Wong, Omar Sy, Dichen Lachman u.a.