Samstag, 5. November 2022

Thor: Love and Thunder - eine Parodie ohne Witz

Fünf Jahre hat gedauert, bis Chris Hemsworth nach „Thor: Ragnarok“ einen Solofilm spendiert bekam. „Thor: Love and Thunder“ ist der vorletzte Film der Phase 4 des Marvel Cinematic Universe und es spricht viel dafür, dass man Phase 4 nicht in allerbester Erinnerung behalten wird. Taika Waititi hat seinen eigenen Anteil an dieser Entwicklung, denn der neue Thor-Film ist eine Klamotte geworden.
Was einen erwartet, wird allerdings frühzeitig angekündigt. In New Asgard, dem irdischen Ableger des untergegangenen Reichs, spielt ein Laientheater dem lachenden Publikum die Geschichte von Odin, Thor und Loki vor: Pathetisches Overacting, schlechte Kulissen und maximaler Dilettantismus. Dass zu dem durchgeknallten Ensemble Matt Damon als Loki und Sam Neill als Odin gehören und Chris Hemsworth auch die Rolle des Thor-Darstellers übernommen hat, ist nicht ohne Charme. Aber das Theaterstück kündigt mit seinen flachen Witzen auch an, dass der Film nicht besser sein wird. So kommt es auch.

Schwank ohne geistiges Niveau

Fast 800 Mio. US-Dollar hat die Geschichte des Gottes, der nicht mehr seinen Hammer Mjonir schwingen darf, an den Kassen eingespielt. Das hört sich nach viel an, ist es aber nicht. Der absolute Marvel-Hit ist „Avengers: Endgame“ mit über 2,9 Mrd. US-Dollar, ein MCU-Film, der sogar „Avatar“ für kurze Zeit auf Platz 2 der „Best of“ verdrängen konnte – zumindest, was die Box Office-Rekorde betrifft.
Zu toppen ist das wohl kaum. Aber 800 Mio. sind kein Klimpergeld, mit dem man die Portokasse auffüllt. Aber der neuseeländische Regisseur Taika Waititi (u.a. „Jojo Rabbit“) scheint mit
„Thor: Ragnarok“ (2017) den Nerv der MCU-Strategen um Kevin Feige getroffen zu haben. In seinem neuen Thor-Film setzt Waititi nun ausschließlich auf Humor. Dass er im Nebenberuf auch Comedian war, sieht man „Love and Thunder“ in jeder Szene an. Der Film ist nämlich eine Persiflage. Aber es gibt halt gute und schlechte Witze. Und in „Love and Thunder“ sind sie meistens schlecht. Wenn man weniger gnädig bei der Genre-Zuschreibung ist, dann bleibt einem nur noch der Begriff „Klamotte“. Übersetzt heißt das nämlich „Schwank ohne geistiges Niveau“.

Der Plot ist buchstäblich größenwahnsinnig, was im MCU nicht ungewöhnlich ist. Denn es geht um nichts weniger als die Ermordung aller Götter im uns bekannten Universum. Dies ist jedenfalls die Aufgabe des Götterschlächters Gorr (Christian Bale wurde vom Maskenbildner so zugekleistert, dass er kaum zu erkennen ist). Gorr will sich dafür rächen, denn sein Gott Rapu
hatzugelassen, dass Gorrs Tochter verdurstet ist.
Durch eine bizarre Wendung gelingt es Gorr, seinen lieblosen Gott, der intellektuell in etwas auf dem Niveau eines Achtjährigen agiert, mit dem Nekro-Schwert zu töten. Einer Waffe, die als einzige die Macht besitzt, um Götter zu töten. Leider hat das Nekro-Schwert die unangenehme Eigenschaft, seinen Besitzer in den Wahnsinn zu treiben. Und nun zieht der irre Götterschlächter durch den Kosmos, um alle Götter zu töten.

Nummernrevue mit lauwarmen Scherzen

Natürlich steht auch Thor (Chris Hemsworth) auf der „Terminal List“ des Götterschlächters. Das kann er natürlich nicht zulassen. Damit der knapp zweistündige Film nicht zu einem Dauergemetzel zwischen Göttern mit Superkräften wird, implementierte Waititi, der auch beim Drehbuch federführend war, eine schräge Love Affair in den Film. Denn Thor wird ausgerechnet mit seiner alten Flamme Jane Foster (Natalie Portman) konfrontiert, die an Krebs erkrankt ist, aber es schafft, Thor zerschmetterten Hammer zu finden. Und der wählt sie als neue Trägerin aus, repariert sich selbst, heilt vermeintlich den Krebs und macht aus der Astrophysikerin die allmächtige „Mighty Thor“. Und die trifft pünktlich ein, als Thor, die Walküre Brunnhilde (Tessa Thomson) und das steinerne Alien Korg (Taika Waititi spielt die für das Comic Relief zuständige Figur höchstpersönlich) auf Gorrs Schattenmonster treffen. Natürlich ist Thor nicht amused, dass sein Hammer die Seiten gewechselt hat. Und er muss sich fragen, welche Gefühle er noch für seine Ex hat.

Spätestens nach einer Viertelstunde hat man mitbekommen, dass „Thor: Love and Thunder“ eine Nummernrevue mit lauwarmen Scherzen und Kalauern ist. Hätte man in den Credits den Namen Bully Herbig gefunden, wäre zumindest klar, auf welchem Level der Humor im neuen Marvel-Film agiert. Trauriger Höhepunkt und damit ziemlich typisch für den Film ist Thors Treffen mit Zeus (Russell Crowe). Der gefeierte Ober-Gott lehnt aber Thors Wunsch nach Hilfe ab. Auch Zeus ist kaum heller als ein Achtjähriger, ein hedonistischer Partylöwe, der nur am Termin der nächsten Orgie interessiert ist.

Nicht alles ist verkorkst. So gibt es als „Geschichte in der Geschichte“ eine durchaus witzige Zusammenfassung von Thor „Rise and Fall“, inklusive Verfettung und Trunksucht. Auch die selbstreferentielle Collage von Abenteuern, die Thor und die „Guardians of the Galaxy“ gegen böse Mächte führen, hat durchaus Charme, denn die „Guardians“ können nur augenrollend zusehen, wie Thor im Alleingang alle Gegner besiegt. Das ist aber schon alles, was man vom Star-Lord (Chris Pratt), Drax (Dave Bautista), Rocket und Groot zu sehen bekommt, denn sie wurden schneller aus dem Script geschrieben, als man Luft holen kann.
Ansonsten maue Dialoge, platte Gags und matte Beziehungs-Reflexionen zwischen Thor und Jane Foster, die einen kopfschüttelnd fragen lässt, welche Zielgruppe man mit diesem Aufguss eigentlich ansprechen will. Eigentlich gibt es nur eine Antwort: Kinder.

Wer sich einigermaßen mit Filmgeschichte auskennt, hat sowas schon einmal gesehen. Es handelt sich bei
„Thor: Love and Thunder“ um eine Persiflage (Zerrbild, Verspottung, Parodie), wie sie immer wieder in der Geschichte der Genrefilme auftaucht. Zum Beispiel dank Abbott und Costello. Ihren größten Erfolg hatten die beiden Komiker mit „Abbott und Costello Mett Frankenstein“ (1948), einem Film, der die berühmten Universal-Horrorfilme auf die Schippe nahm und in dem Dracula, der Werwolf und Frankensteins Monster gleichzeitig auftraten. Da konnten sich Zuschauer, die in den Originalen ihre Angstlust befriedigten, endlich mal ablachen.

Ähnliches wurde im Dutzendpack auch mit James Bond-Parodien auf die Leinwand gebracht. Überhaupt scheint es ein Publikum für derartige Unterhaltung zu geben, denn fast jedes Genre erzeugte als mehr oder weniger witzige Antithesen. Wobei man davon ausgehen kann, dass die meisten Zuschauer die jeweilige Originale zu schätzen wussten.
Da aber die meisten Parodien von der Dämlichkeit der Protagonisten leben, ist der Humor solcher Produktionen eher als niederschwellig zu bezeichnen. Wer also mal sehen möchte, wie man Marvel-Helden durch den Kakao zieht, kann sich „Thor: Love and Thunder“ anschauen. Man muss sich aber darauf gefasst machen, dass Thor und seine Gefährten mit einem Schiff reisen, das an den Schlitten des guten alten Weihnachtsmanns erinnert und von zwei kreischenden Space-Ziegen gezogen wird.
In der Ära der realistischen Comic-Verfilmungen ging es darum, das Drama mit tragischen und komödiantischen Elementen zu verbinden. Manchmal auch mit sehr dunklen. Marvel-Filmen gelang dies meistens recht gut und das MCU machte seine Filme mit pointiertem Humor locker und cool. Tempi passati.

Noten: BigDoc = 4


Thor: Love and Thunder - USA 2022 - Original-Titel: Thor: Love and Thunder - Regie: Taika Waititi – Drehbuch: Jennifer Kaytin Robinson, Taika Waititi – Produzenten: Kevin Feige – Laufzeit: 119 Min - FSK: ab 12 Jahren – D.: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Tessa Thompson, Taika Waititi, Christian Bale, Russell Crowe, Chris Pratt, Dave Bautista, Matt Damon, Sam Neill.