Sonntag, 9. April 2023

Avatar – The Way of Water

James Camerons Spektakelfilm aus dem Jahr 2009 ist nach wie vor der erfolgreichste Film aller Zeiten. Das wird nicht so bleiben. Für „Avatar – The Way of Water“ wurden 400 Mio. US-Dollar in einen visuell überragenden Film investiert, also fast doppelt so viel wie in Camerons ersten Film. Weniger Aufmerksamkeit erhielt das Storytelling. Cameron verließ sich auf bewährte Erzählschablonen, riskierte wenig und präsentiert stereotype Figuren.

Trotzdem hat das Sequel 2,3 Mrd. US-Dollar eingespielt und wird recht bald „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ (2,9 Mrd.) hinter sich lassen. Kein Wunder, dass Cameron und 20th Century Studios, eine Tochter der Walt Disney Studios, eine Serie von Nachfolgefilmen angekündigt haben. Aber das Geldverdienen ist nicht das Übel. Es ist etwas anderes: „Avatar – The Way of Water“ ist ein überwiegend langweiliger und mit drei Stunden Laufzeit auch ein unangemessen langer Film.

Der Film kann seit Anfang April bei vielen Video-On-Demand-Anbietern gebucht werden. Die nachfolgende Rezension basiert auf der UHD-Fassung von Amazon Prime Video und enthält einige Tipps für den Fall, dass der Stream nicht funktioniert.

Eine Form von Überkompensation

Vermutlich sind wir im Universum allein unterwegs. Andere Zivilisationen haben wir bislang nicht entdeckt. Es wäre aber schön zu wissen, ob es welche gibt und ob sie genauso arrogant und dumm sind wie der Homo Sapiens, der gnadenlos andere Kulturen ausbeutet, ihren und auch den eigenen Lebensraum verwüstet und darüber in einer Art von marktgerechter Selbstreflexion Filme macht, um genau dieses Verhalten anzuprangern.

Und so laufen Abermillionen ins Kino, um sich eine Geschichte anzuschauen, in der der militärisch-industrielle Komplex bei der Erschließung neuer Rohstoffe eine unschuldige Zivilisation abmurksen will, die in völligem Einklang mit der Natur lebt und sinnbildlich ein Pappschild hochhält, auf dem man „Himmelsmenschen, ihr seid Idioten!“ lesen kann. Da kullern vielen im Kinosaal die Tränen übers Gesicht. Aber keine Sorge, es hat keine Folgen. Über 70% der Deutschen sind für eine konsequente klimaneutrale Politik. Befragt man sie nach der Einschätzung konkreter Maßnahmen, lehnen sie diese mit überwältigender Mehrheit ab. Und schauen sich danach „Avatar – The Way of Water“ an, was ihnen das Gefühl gibt, zu den Guten zu gehören. Das ist nicht schizophren, sondern eine Form von Überkompensation.

Vermutlich wird es auch deshalb eine Avatar-Tetralogie geben. Oder noch mehr Filme. Aber das ist nicht schlimm. Persönlich bin ich illusionsbefreit, wenn es ums Geldverdienen der Filmindustrie geht. Ich schätze durchaus die technologische Evolution des Kinos, die alles zeigen kann, was man sich nicht einmal hat vorstellen können, bevor man es auf der Leinwand gesehen hat. Es wäre also bigott, heimlich Spaß an Blockbustern zu haben, aber öffentlich über ihre Einnahmen und Gewinne zu lästern.

Gewalt als dramaturgischer Motor des Kinos

Aber es ist egal, ob ein Film uns mit seiner visuellen Pracht überrollt oder auf Sparflamme kocht - im Kern geht es im Kino immer um die Qualität einer Geschichte. Aber die erzählt „Avatar – The Way of Water“ etwas unrund. Das Pacing stimmt nicht, die Handlungslogik ab und an auch nicht.
In James Camerons Film geht es erneut um den Neo-Kolonialismus des
22. Jahrhunderts. Die barbarische Okkupation findet einige Lichtjahre entfernt auf einem Planeten statt, dessen Bewohner in einer vor-technologischen Stammeskultur leben. Dass sie friedvoll und ökologisch korrekt leben, war und ist eine Projektion. Die Omaticaja, bei denen der Marine Jake Sully lebt, sind durchaus wehrhaft und beherrschen ihre scheinbar primitiven Waffen sehr effektiv. Ihre Anpassung an die Natur des Planetenmondes respektiert sowohl deren Gefährlichkeit als auch seine Ressourcen. Dies ist gleichermaßen pragmatisch als auch empathisch. Und es basiert auf einer ethnischen Religion, die die spirituelle Verbindung von Ethnie und Natur definiert.

Die Menschen wollen diesem Unfug, der nicht das geringste Interesse an der ökonomischen Ausbeutung der wertvollen Ressourcen hat, ein Ende setzen. Im ersten Film sträuben sich die Invasoren nicht sehr lange gegen die Idee, dass ein schneller Genozid für alle das Beste sei. Schließlich wollen die Wilden keine Schulen und auch nicht Straßen und Coca-Cola. James Cameron hat daraus die Traumvision eines Western gemacht, in dem die Indianer endlich einmal gewinnen dürfen. Sein neuer Film ist aber ein Brückenfilm. Das Sequel kündigt den finalen Krieg der Na’vi gegen die technologisch scheinbar überlegene Menschheit nur an. Die Scharmützel in
„Avatar – The Way of Water“ sind lediglich ein Vorspiel.

Dass ein gewalttätiger Konflikt der dramaturgische Motor des Kinos ist, ist eine Binse. Die Schwingungen der Gewalt erreichen Kriegs- und Science-Fiction-Filme, Western und Krimis, historische Filme und auch das Melodram. Ausgenommen ist die Komödie. Ansonsten besitzt das Kino eine unübersehbare Gewaltaffinität und gelegentlich gelingen uns sogar kluge Filme zu diesem Thema, denn auch der schlechteste Film ist immer noch ein Resonanzboden der menschlichen Geschichte. Und die ist extrem gewalttätig.
Die Widerspiegelung von Gewalt erfolgt im Kino nicht nur faktisch, sondern auch mythologisch. Gewalt erzeugt beim Publikum emotionale Bindungskräfte, denn Gewalt bildet oft einen archaischen Kampf zwischen Gut und Böse ab. Im Kino erhält der Zuschauer die Gelegenheit, sich folgenlos auf die Seite der Guten zu schlagen. Das identifikatorische Potential solcher Erzählungen ist also hoch, aber rezeptionsästhetisch ist dies eine kindgerechte Strategie. Das Kind fiebert mit dem aufrechten Helden mit, kritische Distanz und Reflexionsmöglichkeiten werden aber ausgeblendet. Auch Camerons Film nutzt diese naive, aber hochemotionale Perspektive.

Der Plot ist streckenweise schräg

Jake Sully (Sam Worthington), der menschliche Undercover-Agent, wurde im ersten Teil dank eines ökologischen neuronalen Netzwerks, dem „Baum der Seelen“, in einen Na’vi verwandelt. Er steuert also nicht mehr seinen Avatar aus der Ferne, sondern ist sein Avatar geworden. Zusammen mit seiner Na’vi-Frau Neytiri (Zoe Saldana) hat der Ex-Marine auf Pandora eine Familie gegründet, zu der seine Söhne Neteyam (Jamie Flatters) und Lo’ak (Britain Dalton) sowie deren Schwester Tuk (Trinity Bliss) gehören. In die Familie aufgenommen wurden auch die junge Na’vi Kiri, deren Mutter der Avatar der Wissenschaftlerin Dr. Grace Augustine (Sigourney Weaver) war, und der menschliche „Spider“ (Jack Champion). Dessen Vater war ausgerechnet der rassistische Oberschurke des ersten Teils, Col. Miles Quaritch (Stephen Lang), der im ersten Teil von Neytiri getötet wurde und nun – natürlich – wieder auftaucht, um sein schändliches Werk zu vollenden.

Allerdings nicht als Original. Denn die Resources Development Administration (RDA) ist erneut mit einer Armada von Raumschiffen unter der der Führung der Generalin Francis Ardmore (Edie Falco) auf Pandora gelandet und will nun den Mond auf die Besiedlung mit Menschen vorbereiten. Mutter Erde geht nämlich endgültig am Stock. Um sich diesmal besser vorzubereiten, hat Ardmore eine Spezialeinheit aus Na’vis geklont. Zu ihnen gehört auch ein Klon, der alle Erinnerungen von Miles Quaritch besitzt. Und der kann sich nun mit seiner Einheit ohne Einschränkungen auf Pandora bewegen. Das Ziel ist es, Jake Sully auszuschalten, um die Na’vi zum Frieden zu zwingen.

Dieser Plot ist – gelinde gesagt – etwas schräg. Die Idee, den Konflikt zwischen Menschen und Na’vi auf einen erneuten Kampf zwischen Quaritch und Sully zu reduzieren, ist eine bewährte Erzählschablone – ein Western-Showdown ist damit vorprogrammiert. Dramaturgisch folgt diese Personalisierung der Kinotradition und funktioniert eigentlich immer. Originell ist es nicht, sondern eher langweilig, erst recht, weil der Schurke überlebt und von einem weiteren Sequel nicht viel Neues zu erwarten ist. Der Topos des unbezwingbaren Büsewichts, der erst am Ende einer seriellen Erzählung besiegt werden darf, ist hundertfach genutzt worden. Und es ist öde und einfallslos.
Aber ist in Camerons Film eben nicht alles
handlungslogisch. Sully aka Toruk Makto ist zwar ein von seinem Stamm verehrter Held des Widerstands, der auch nach der zweiten Invasion der RDA die Gegenwehr der Na'vis militärisch sehr erfolgreich organisiert, aber plötzlich entscheidet sich Sully dafür, seien Stamm zu verlassen, um seine Familie in Sicherheit zu bringen. Debattiert wird das nicht. Und so lässt Toruk Makto seinen Stamm im Stich. Von den Menschen des Waldes erfährt man danach nichts mehr. Es ist nicht das einzige schwarze Erzählloch in dem Film.

Das Pacing hat viel Luft nach oben

Nach der Vertreibung von Toruk Makto gäbe es eigentlich keinen Grund mehr, ihn zu verfolgen. Wäre da nicht die privaten Rachegelüste des Quaritch-Klons. Sie denieren den Plot aber nicht durchgehend. Das Pacing des Films wird nämlich von weiteren Themen bestimmt.

„Avatar – The Way of Water“ gliedert sich in drei Teile. Im Prolog findet die Landung der RDA-Truppen statt, die bereit in den ersten Minuten große Areale des Waldes abfackeln und hunderte von Tieren töten. Nach einem Zeitsprung von einem Jahr und einer offenbar erfolgreichen Phase des militärischen Widerstands gegen die „Himmelsmenschen“ (Teil 1) folgt das Thema „Migration“. Sully und seiner Familie finden bei den Sea People eine neue Heimat. Der Stamm der Metkayinas lebt auf den abgelegenen Atollen von Pandora, ist hauptsächlich unter Wasser aktiv. Er wird von Tonowari (Cliff Curtis) und seiner schwangeren Frau Ronal (Kate Winslet) angeführt. Wenn Tonowari eine Entscheidung trifft, schaut er kurz Ronal an, die entweder nickt oder der Kopf schüttelt (Teil 2).

James Cameron konnte es sich nicht verkneifen, im überlangen zweiten Teil des Films diese Migrations-Thematik wie in einer Family Soap zu erzählen. Dabei ist das Thema aktuell: Es geht um Widerstand einiger Metkayinas gegen die Neuankömmlinge, um deren Integration in die Kultur des Metkayina-Stamms und das latente Misstrauen der Gastgeber. Soapig wird der Film dann, wenn es langatmig und erkennbar zielgruppenorientiert um die Konflikte von Sullys Söhnen und den einheimischen Kids geht. Das wirkt wie ein Film im Film und aufgrund der Überlänge unkonzentriert, dürfte aber Kindern ab 12 Jahren sehr viel Spaß machen.

Offenbar hatte dieser Handlungsabschnitt eine andere Aufgabe. Er sollte die außergewöhnlichen Unterwasser-Aufnahmen des Films vorführen. Gedreht wurde erneut eine 3D-Fassung, teilweise mit einer Bildrate (High Frame Rate) von 48 fps, die Bewegungsunschärfen und Ruckeln verhindert. Zudem wurde das bekannte Motion Capture-Verfahren durch das avancierte Performance-Capture-Verfahren ergänzt und teilweise ersetzt.
Tatsächlich wirken die computergenerierten Figuren unter Wasser verblüffend natürlich. Die ausgesprochen schönen Unterwasseraufnahmen gehören daher zu den Production Values, mit denen der Film überzeugend punkten kann.
„Avatar – The Way of Water“ ist - im positiven Sinne – ein Kino des Rummelplatzes. Wenn man den Eintritt bezahlt, werde man Dinge sehen, die man noch nie gesehen hat. Auf dem Rummelplatz wird man häufig enttäuscht. James Cameron hält dagegen sein Versprechen.
Leider hält sich der 2. Teil inhaltlich dabei nicht mit originellen Ideen auf, sondern schleppt sich mit stereotypen Vater-Sohn-Konflikten, wenig originellen Mobbing-Konflikten der Jugendlichen und mühseligen Initiationspraktiken über die Runden. Lächerlich ist, dass sich die Kids dabei so unterhalten, als wären sie auf einer amerikanischen High-School. Wörter wie „Freak“ oder Redewendungen wie „Hey, Alter“ erwarte ich nicht von Na’vi-Kids.

Auch das Pacing gerät aus den Fugen. Und dass gelegentlich Figuren wie aus dem Nichts auftauchen, zeigt, dass in Sachen Handlungslogik überaus schlampig gearbeitet wurde. Sinn macht dagegen die Darstellung der maritimen Kultur der Metkayina, die in einer Art von Seelenverwandtschaft mit den Tieren des Meeres leben. So auch mit den walähnlichen Tulkun, die offenbar hochintelligent sind. Auf unserem Planeten gibt es ähnliche Kulturen. Man lernt nur nicht von ihnen. Ethnologisch ist das interessant, führt aber auch in esoterische Randbereiche. Aber trotz dieser Verknüpfungen ist der Mittelteil von Camerons Film einfach zu lang.

Der 3. Teil endet  wenig überraschend mit einem finalen Showdown zwischen Ardmore, Quaritch und den Sullys, die nun auch von den eher pazifistischen Metkayina unterstützt werden. Mit von der Partie sind auch die Bewohner des Meeres. Im ersten Teil waren es die Tiere des Waldes, die sich an der Vertreibung der menschlichen Invasoren beteiligten: ein Planet wehrt sich gemeinsam. Nun sind es die Wale. Es fühlt sich so an, als sei man in der „Der Schwarm“ gelandet. Aber alles wirkt, als hätte man die Erzählschablonen nicht gründlich durchdacht. Bekanntes wird so abgespult, als wäre es alternativlos. „Avatar – The Way of Water“ wirkt nicht nur am Ende wie eine Kopie des ersten Films.

Tolle Bilder, holzschnittartige Figuren

Über weite Strecken ist „Avatar – The Way of Water“ eher langweilig. Der Film sieht aus wie ein Promo-Video für innovative Animations- und CGI-Effekte. Auf einer Technologie-Messe wäre das o.K., aber im Kino und nun auch im Home Cinema ist es enttäuschend, wenn man mit einer stereotypen Handlung und holzschnittartigen Figuren konfrontiert wird. Die Absicht, die Zuschauer-Erwartungen möglichst universell zu befriedigen, ist unübersehbar. Und so sind die Guten gut, auch wenn sie sich fragwürdig verhalten. Und die Bösen sind abgrundtief böse. Grauzonen sucht man vergeblich.

Zugegeben: das wird von Cameron gelegentlich geschickt erzählt. Auf Pandora ist nämlich nicht nur das Militär unterwegs, sondern auch Glücksritter wollen Profite einfahren. So jagen der Kapitän Mick Scoresby (Brendan Cowell) und der Meeresbiologe Dr. Ian Garvin (Jermaine Clement) Tulkune, um aus ihren Drüsen eine Substanz zu gewinnen, die den menschlichen Alterungsprozess stoppt.
Garvin erklärt, was er über die Tulkune herausgefunden hat: sie sind intelligent, haben eine differenzierte Sprache, sind bewusstseins- und empfindungsfähig und vermutlich verstehen sie auch von Mathematik mehr als die Menschen. Dann weidet er weiter einen Tulkun aus.
„80 Millionen verdiene ich damit“, erwidert Scoresby und hält ein Reagenzglas mit einer gelblichen Substanz in die Luft. Wer sich da im Kinosaal nicht auf die Seiten der Guten schlägt, ist verloren. Die Szene zeigt aber auch, wie Cameron seine Figuren entwirft: der zynisch-traurige Garvin ist für die Erwachsenen, der strunzdumme Scoresby für die Kinder. Die auf Identifikation angelegte Erzählung zeigt also erneut ihren begrenzten Horizont.

„Avatar – The Way of Water“ ist wie der erste Avatar-Film ein Western wie „Dances with Wolves”. Kevin Costners Film erzählt der von der Vernichtung der indigenen Völker im Nordamerika des 18. und 19. Jahrhunderts, macht dabei aber um realitätsferne Romantik keinen großen Bogen. Die ausgerotteten Büffel in „Dances with Wolves” werden zu den intelligenten Walen in Camerons Film. Der Zuschauer soll sich nicht nur über den Genozid an den Ureinwohnern, sondern auch über die blutige Ausbeutung der Tierwelt empören. Ob diese Empörung jenseits des Kinosaals Nachhall findet, steht aber in den Sternen.

Die Grenzen der Blockbuster

In „Avatar – The Way of Water“ sind die bösen Aliens eben die Menschen. Aber das Problem des Films ist seine gnadenlose Schwarz-Weiß-Logik, die eine Emotionalisierung des Zuschauers erzwingen soll und ihn damit ins Boot der Guten holt. Und wer sich über die fiktiven Abscheulichkeiten empört, erhält als Zugabe die Absolution dafür, dass er sich außerhalb des Kinosaals nicht weiter über die realen Missstände empören muss. Wäre es anders, wäre die Massentierhaltung bereits Geschichte.

Blockbuster wollen halt immer dem Zeitgeist folgen, aber nichts riskieren, was aneckt. Der Blockbuster „trifft mitten ins Herz, erkennt Archaisches, ist stockkonservativ und innovativ zugleich, rettet im Gegensatz zum Melodram die Liebe vor dem Untergang, adelt Loyalität und Freundschaft und zeigt, was Menschen suchen: Realitätsflucht, Pracht und Glanz, alles unterfüttert mit soliden moralischen Vorstellungen. (…) Und man sollte sich die Frage stellen, warum wir in der wirklichen Welt oft das zugrunde richten, was wir im Kinosaal tränen- und lustvoll herbeisehnen“, schrieb ich 2009 über den ersten Teil. Geändert hat sich nichts.

Das macht aus „Avatar – The Way of Water“ keinen misslungenen, aber leider auch keinen guten Film. Anrechnen kann man James Cameron und seinem Autorenteam, dass die Hauptfigur auf Pandora das lernt, was der Philosoph Ludwig Wittgenstein über die Fremdheit anderer Kulturen feststellte. Nämlich dass man Fremdheit nur dann verstehen kann, wenn man an der Kultur der Anderen teilnimmt, ihre Sprache und ihre Sprachspiele erlernt. Das gehörte schon 2009 zu den gelungenen Themen in Camerons Saga.

Die Bereitstellung mythologischer Traumwelten durch das Kino kann beim Verstehen von Fremdheit allerdings nur bedingt helfen. Das gilt auch für die ökologischen Probleme, die wir auf Mutter Erde eigenhändig produziert haben. Eine Welt wie auf Pandora werden wir nicht konstruieren können.
„Avatar – The Way of Water“ ist allerdings eher utopisch als dystopisch. Dies gibt Raum für eine alternative  Wahrnehmung. So können sich der Neo-Kolonialismus und die Zerstörung der Natur in den Avatar-Filmen als schändlich ins kollektive Bewusstsein eingraben und ein Film kann damit allegorisch den Brückenschlag zu aktuellen historischen Ereignissen herstellen. Kulturanthropologisch ist das umstritten, denn Gemeinschaften können sich gegen einen derartigen Input und die fälligen Veränderungen auch abschotten.
In diesem Fall ist das Kino der Emotionen auch der Ursprung eines Prozesses, der einer vom Zuschauer kollektiv erlebten Katharsis eine endlose Tatenlosigkeit folgen lässt. Dieser negativen Dialektik einen größeren Raum zum Nachdenken entgegenzusetzen, ist von Blockbustern nicht zu erwarten. Und der zweite Avatar-Film ist dafür auch zu formelhaft.

Natürlich hat sich „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ ähnlicher Schablonen bedient. Allerdings wurde die Geschichte Jake Sullys erwachsener erzählt. Der von Sam Worthington gespielte Soldat im Rollstuhl, der zunächst als Spion instrumentalisiert wird, dringt immer tiefer in eine fremde Kultur ein und wird beinahe zum Ethnologen. Dabei setzt sich die Figur den fremden und zum Teil lebensgefährlichen Initiationsriten der Na'vi aus, wechselt das Lager und verwandelt sich aus der Sicht der Invasoren in den Feind. Ein Prozess voller Widersprüche, der auch 13 Jahre später aus Camerons erstem Avatar-Film den immer noch besseren macht. Auch weil – man denke nur an „Matrix“ – die Initiation zu den Erzählungen gehört, die uns nicht nur mythologisch, sondern auch tiefenpsychologisch auf eine besondere Weise berühren.

Vielleicht ist es deshalb so schwierig eine Filmkritik über James Camerons Film zu schreiben. „Avatar – The Way of Water“ ist noch mehr als der erste Teil ein Film, der das Thema, die Figuren und die Handlung seiner Ästhetik unterwirft. Wenn hunderte Millionen Zuschauer davon beglückt werden, wird der skeptische Kritiker als Spielverderber in die Ecke gestellt. Mit dem Gesicht zur Wand.

Note: BigDoc = 4


Postskriptum

Filmkritik

Ich meckere nicht ungern über Kritiker. Das liegt daran, dass ich durch die Lektüre der Filmkritiken von Wolf Donner und Hand C. Blumenberg cineastisch sozialisiert wurde.  Der 1994 verstorbene Filmpublizist Wolf Donner schrieb für DIE ZEIT Filmkritiken, in denen die Latte sehr hochaufgelegt wurde. Auch Hans-Christian Blumenberg sorgte dafür, dass die Filmkritiken in der Wochenzeitung DIE ZEIT neue Maßstäbe setzten. Zudem scheute sich Blumenberg nicht, als Drehbuchautor und Filmregisseur den Elfenbeinturm zu verlassen, um selbst Hand anzulegen. Zwischen 1992 und 2003 entstanden viele TATORTE unter seiner Leitung. Donners und Blumenbergs Texte waren präzise, gelegentlich komplex, aber man hatte nie das Gefühl, dass getrickst wurde.

Natürlich gab es auch andere deutsche Kritiker, die zu nennen wären: den ideologiekritischen Georg Seeßlen, aber auch Michael Althen, Andreas Kilb und Frieda Grafe, nur um einige zu nennen, besaßen sowohl eine analytische als auch eine stilistische Schärfe, die man aktuell einigen Kritikern nachdrücklich empfehlen sollte.
Ich selbst habe von Mitte der 1970er-Jahre bis Ende der 1990er-Jahre als freier Journalist viele Filmkritiken geschrieben, hatte aber keine innige Beziehung zum Arthouse-Kino, eher schon zum US-Kino und zu Genrefilmen – also Mainstream.
Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass die Meinung des Kritikers frei ist, aber nicht unbegründet sein sollte. Unfrei ist dagegen die Recherche: sie muss exakt sein (Quellen!) und damit für den Leser nachvollziehbar. Filmkritik
verkündet keine letzten Wahrheiten, sondern ist ein Gedankenspiel, dass die Möglichkeiten des Films auslotet, Erklärungen anbietet und dabei Ideologie untersucht, aber nicht verbreitet. Filmkritik ist ein Prozess, in dem sich der Kritiker häufiger irrt, als ihm lieb ist.

Umso ärgerlicher war die Kritik eines durchaus namhaften Autors, der die Rolle der Frauen in „Avatar – The Way of Water“ so beschrieb: „Das Menschenbild von AVATAR: stammt aus dem 19. Jahrhundert. Es ist unfassbar reaktionär, wie hier Frauen selten etwas anderes tun, als zu kochen, zu weinen, und sich dann an den Schultern der Männer zu trösten.“

Das Gegenteil ist der Fall. Die Frauen kämpften bereits in „Avatar: Aufbruch nach Pandora“ an vorderster Front und hatten auch sonst die Hosen an. In Camerons Sequel hat sich daran nichts geändert. Wer also Ammenmärchen erzählt, um Unwahres zu verbreiten, hat zwar eine Meinung, aber eine ideologisch zementierte. Und von Recherche soll erst gar nicht die Rede sein. Den Großen der deutschen Filmkritik dürfte auch einiges misslungen sein, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie Fakten auf den Kopf gestellt haben.

Bizarr wird das Ganze dadurch, dass James Cameron den Ruf eines Frauenverstehers hat: in seinen Filmen haben in der Regel die Frauen den Durchblick und nicht die Testosteron-geschwängerten Männer. Zum Beispiel in „Aliens -Die Rückkehr“, „True Lies“ und teilweise auch in „The Abyss“. In „Titanic“ überlebt am Ende eine emanzipierte Frau und keineswegs die Männer, die glaubten, alles im Griff zu haben. Auch den Eisberg. Und Sigourney Weaver beschrieb Camerons Frauenrollen 2009 in einem Interview als stark und intelligent – „und zwar auf eine wunderbare Weise.“ Cameron feiere nicht nur die Weiblichkeit, „sondern er reflektiert auch das, was er sieht.“

In Camerons Filmen gibt es keine Frauen am Kochtopf. Und in einer Filmkritik gibt es keine True Lies. Punkt.

Was nicht passt, wird passend gemacht. Deshalb ist es nicht weniger ärgerlich, dass nicht nur 2009, sondern Cameron auch aktuell mit dem Vorwurf des Bluefacing konfrontiert wird, wie die Los Angeles Times berichtete. Ähnlich wie beim Greenwashing handelt es sich dabei um eine Form der Aneignung. Während Greenwashing von Unternehmen zur Imagepflege eingesetzt wird, ohne dass sie tatsächlich ökologisch nachhaltig operieren, ist das Bluefacing eine an die Avatar-Filme angepasste Variante des Blackfacings: weiße Schauspieler dürfen nicht Figuren spielen, die nicht weiß sind. Und natürlich auch keine fiktiven, die blau sind. Abgerundet wird diese Kritik mit dem Vorwurf, dass der Cameron eine „White Savior Story“ erzählt – nicht weiße Menschen werden von weißen Menschen gerettet.

Bei der Identitätspolitik muss man scharf nachdenken. So ist der vom weißen Sam Worthington gespielte Jake Sully bereits auf dem Sprung zum Na’vi - und damit hat er sich tatsächlich die Kultur des Stammes und die Physis der Na'vi angeeignet. Einen
White Savior hätten die Na'vi auf der Stelle gekillt.
Zum anderen konfrontiert uns die Kritik mit dem Paradoxon, dass ein alter weißer Mann wie James Cameron einfach nicht das Recht haben kann, die Ausrottung und Unterdrückung der Indigenen als Zivilisationsbruch zu kritisieren. Rassismus sei halt strukturell bedingt, maulen die Kritiker - alte weiße Männer sind daher aufgrund ihrer Hautfarbe und ihrer sozialen Privilegien Rassisten, auch wenn sie sich wie Cameron ausdrücklich auf die Seite der unterdrückten Minderheiten begeben. (Der Kritikerpapst Georg Seeßlen hat unlängst in einem Artikel bekannt, dass er ein Rassist ist. Ich kann guten Gewissens versichern, dass er keiner ist).

Neu ist das nicht. Cameron hatte sich bereits 2009 auf die Seite der Lakota Sioux begeben und erklärt, dass die Grausamkeiten des ausgehenden 19. Jh. ihn inspiriert hätten, den ersten Avatar-Film zu machen. Zum Verhängnis wurde ihm dabei ein Statement, in dem er hypothetisch andeutete, dass die Lakota Sioux sich nicht energisch genug gegen die Weißen gewehrt hätten: “This was a driving force for me in the writing of ‘Avatar’ — I couldn’t help but think that if they [the Lakota Sioux] had had a time-window and they could see the future … and they could see their kids committing suicide at the highest suicide rates in the nation … because they were hopeless and they were a dead-end society — which is what is happening now — they would have fought a lot harder.”

Das führte zum Bashing und dem Vorwurf der anti-indigenen Rhetorik. Im Ernst: Das ist paradoxe Dialektik. These und Anti-These vertauschen ihre Rollen. Ein Ding ist auch sein Gegenteil, wie auch der Philosoph Tschuang-tse (365 v. Chr.) glaubte: "Was eins ist, ist eins. Was nicht eins ist, ist ebenfalls eins."
Wäre dies der Fall, dann ist der Verfasser dieser Zeilen nicht nur ein Rassist, sondern auch misogyn und misanthropisch. Ich versichere: er ist es nicht. Na ja, bei der Misanthropie bin ich mir nicht mehr so sicher…

Technische Probleme und Lösungen

In der Amazon-Community findet man regelmäßig Klagen über ein unzureichendes UHD-Streaming: Link 1 und Link 2. Dagegen funktioniert der Amazon-Kundenservice sehr gut. Wer einen Rückruf bucht, wird innerhalb weniger Minuten von einem Mitarbeiter angerufen.

Der Rezensent hatte nicht zum ersten Mal Probleme mit UHD-Filmen bei Prime Video. Zu sehen war lediglich HD. Hier eine Lösung für Prime-Kunden mit einem FIRE-TV-4K-Stick.

Tipp 1: Nicht auf der Startseite buchen, auch wenn ein Textinsert UHD anzeigt. Stattdessen den Prime Video-Bereich wechseln und den Film dort buchen.
Tipp 2: Geduld mitbringen. Nicht immer steht UHD sofort zur Verfügung. In der Funktionsleiste (Pause-Taste drücken) können folgende Auflösungen angezeigt werden: HD, HD HDR, HDR 1080 P und Ultra HD HDR. Es kann sein, dass der Stream ein Anlaufphase benötigt und erst nach 2-3 Minuten die gewünschte UHD-Auflösung erreicht. Das Warten lohnt sich, denn zwischen HD und Ultra HD HDR liegen in Camerons Film Welten.
Tipp 3: Wenn’s immer noch nicht klappt, sollte man in den Einstellungen des Sticks nachschauen, ob 4K überhaupt aktiviert ist. Möglicherweise wird man überrascht feststellen, dass die Voreinstellung auf HD steht.
Tipp 4: Wenn trotz dieser Tipps der Stream immer noch nicht flutscht, muss man im Router nachlegen und dort die Effizienz des Datenstreams steigern. Grundsätzlich ist eine LAN-Verbindung besser als WLAN. Der Amazon-Stick lässt sich mithilfe eines LAN-Adapters bequem mit dem Router verbinden. Zusätzlich kann man (z.B. in einem AVM-Router – FRITZ-Box) in den Routereinstellungen den Stick priorisieren: „Internetnutzung priorisiert“. Wer viele Geräte im Heimnetzwerk hat, sollte sich genau anschauen, in welchem Leistungsbereich sie aktiv sind. Nach einer Priorisierung gehört dem Stick die volle Power.


Avatar – The Way of Water – 20th Century Studios – Streaming: Amazon Prime Video - R: James Cameron, Drehbuch: James Cameron, Josh Friedman - Kamera: Russell Carpenter – Laufzeit: 194 Minuten – FSK: ab 12 Jahre - D: Sam Worthington, Zoe Saldana, Sigourney Weaver, Kate Winslet, Stephen Lang u.a.