Samstag, 25. März 2023

Star Trek: Strange New Worlds

„Great Expectations“ heißt ein Roman von Charles Dickens. Er erzählt von einem märchenhaften Aufstieg, der die Hauptfigur aus der sozialen Unterschicht ganz nach oben führt. Doch Dickens‘ Held scheitert, und dies auch wegen seiner charakterlichen Schwächen. Seine großen Erwartungen werden enttäuscht.
Das passt sehr zum neuen Ableger des Star Trek-Franchise: Strange New Worlds glänzt sechs Episoden lang mit starken Drehbüchern und spannenden Figuren, stürzt dann aber ab, denn drei Episoden sind einfach nur schlecht. Das Staffelende dagegen dürfte die Fangemeinde spalten, zumindest wenn sie sich im Star Trek-Kosmos auskennt. Zuvor zeigte Strange New Worlds jedoch brillant, wie ein guter Reboot auszusehen hat. Und das liegt an Anson Mount, der in der Rolle des Captains der legendären Enterprise glänzt.

„Geht doch!“ (Jess Bush als „Christine Chapel”)

„Nurse“ Chapel sagt dies in einer Folge und das gilt auch für sechs Episoden der neuen Serie. Die Krankenschwester, die in The Original Series (TOS), also in Raumschiff Enterprise, dem Schiffsarzt „Pille” zur Hand ging, bekommt in Strange New Worlds (SNW) deutlich mehr Screentime als in TOS. Und das ist auch gut so. Denn die Figur ist ambivalent, intelligent und bringt viel Schwung in die Serie. So wie alle anderen in dem gut sortierten Cast.

Mit dem aktuellen Frauen-Boom in Filmen und Serie hat dies nur wenig zu tun. Eher schon mit Gene Roddenberrys Philosophie. Der Schöpfer des Star Trek-Universums machte Frauenrollen bereits stark, als die Studiobosse in den 1960er-Jahren noch darauf bestanden, dass Frauen in einer Serie auf keinen Fall eine führende Rolle spielen dürften. Erst recht keine, die Intelligenz und Führungsstärke erfordern. Dass Roddenberry mit Nichelle Nichols eine farbige Schauspielerin als Kommunikationsoffizierin Lt. Uhura in der Serie unterbringen konnte, galt vor über 55 Jahren bereits als Wunder.

In Strange New Worlds ist „Nurse“ Chapel (Jess Bush) Teil des Main Cast und punktet damit, dass sie frech, schlagfertig und intelligent ist. Wenn sie in Ep 5 „Spock Amok“ Spock (Ethan Peck) in Liebesangelegenheiten berät, ganz unter Freunden natürlich, zeigt sie eine Menge emotionale Intelligenz. Der Witz dabei ist, dass Chapel selbst ziemlich bindungsunfähig ist und immer dann Schluss macht, wenn es ernst wird. Spock hilft ihr guter Rat dennoch, denn das Langohr muss seine Beziehung zu seiner vulkanischen Verlobten T’Pring (Gia Sandhu) in die richtigen Bahnen lenken. Ist er der Richtige für die strenge Logik-Therapeutin oder ist er zu menschlich?

„Spock Amok“ ist ein gutes Beispiel für das neue Storytelling in SNW. Es sorgt für ein klassisches Star Trek-Feeling, nimmt sich aber einige Freiheiten. Auch in Sachen Kanon und Humor…
Da Strange New Worlds aber in der Prä-James T. Kirk-Ära spielt, erfährt man in dieser Episode auch, wie locker die Macher mit dem Star Trek-Kanon umgehen. Natürlich kann ein Trekkie meckern, denn in TOS 2x05 „Amok Time“ (Weltraumfieber) scheitert die Beziehung zwischen Spock und seiner Verlobten. T’Pring (in TOS gespielt von Arlene Martel) liebt einen anderen und verlangt unmittelbar vor der Hochzeit ein kal-if-fee, also einen Kampf zwischen zwei potentiellen Heiratskandidaten. Sie zwingt Kirk für sie zu kämpfen und am Ende verschwindet T’Pring aus Spocks Leben. 
In SNW wird das kal-if-fee stattdessen als Alptraum Spocks gezeigt – und dort muss er gegen sich selbst kämpfen, was freudianisch betrachtet sehr originell ist, aber keineswegs dem Kanon entspricht.

Aber man kann die fiktive Historie von Geschichten nicht bis ins letzte Detail kanonisieren. Tut man es, würde man auch miese Drehbücher und deren Inhalte zum Heiligen Gral erklären. Das gilt auch für den Humor. Und der hat sich in den letzten Jahrzehnten garantiert geändert.
Auch das zeigt „Spock Amok“ mit treffsicherer Komik. In der Episode geht ein vulkanisches Ritual nämlich völlig in die Hose: Spock und T’Pring tauschen unbeabsichtigt ihre Körper. Das führt dazu, dass T’Pring im falschen Körper plötzlich Spocks Job übernehmen muss, eine heikle diplomatische Mission. Spock muss dagegen an Stelle seiner Verlobten therapeutische Sitzungen durchführen. Danach kennen die beiden sich besser als nach einer Geistesverschmelzung. Das ist originell erzählt, und witzig ist auch.

Auch wegen dieser moderaten Weiterentwicklung der Figuren darf Spock in der neuen Paramount-Serie Sex haben. Kompliziert wird es spätestens dann, wenn T’Pring vorschlägt, dass man sich mit Henry Millers „Wendekreis des Krebses“ beschäftigen müsse. Immerhin ein Buch, das wegen Pornographie-Verdachts in den USA verboten war. Natürlich hat ein spürbar verwirrter Spock Millers Buch nicht gelesen. 
Das macht Spaß, auch wenn Trekkies spüren werden, dass der Kanon mit souveräner Lockerheit auf die Schippe genommen wird. Aber auch Trekkies dürfen mal lachen... Fans „are taking in new information with less concern about how it matches up to what they know about The Original Series. Rather, they just appreciate the newest series being able to dabble in mature themes while also not taking itself too seriously”, schrieb Kiona Delana Jones auf GAMERANT über den lockeren Umgang mit dem Kanon.

Wenn in SNW der Kanon gelegentlich ignoriert oder überschrieben wird, ist das akzeptabel, wenn die Geschichten stimmig sind. Und das sind sie größtenteils. Die neue Serie ist trotz des mauen letzten Drittels so ziemlich das beste Star Trek, das man erhoffen durfte seit die Reboot-Serien wie Star Trek: Discovery (DSC) und Star Trek: Picard (PIC) den Star Trek-Kosmos eher in einen dystopischen Dark Mode überführt hatten. 
Mehr noch: SNW dürfte nach dem starken Auftakt in einem All Time Ranking garantiert unter den besten drei besten Star Trek-Serien landen. Absolut auf Augenhöhe mit dem Charme und dem Sprachwitz von TOS, den ethischen Standards von Star Trek: The Next Generation (TNG) und der überbordenden Technik von Star Trek: Discovery. Viele Kritiker und Fans feiern das Star Trek-Feeling der neuen Serie daher euphorisch.
„Star Trek: Strange New Worlds schafft etwas, was selbst die 90er-Jahre-Serien «Das Nächste Jahrhundert», «Voyager» und «Deep Space Nine» nicht vermochten, nämlich mit einer überaus gelungenen Auftaktstaffel zu glänzen, die immense Vorfreude, auf das, was noch kommen mag, erzeugt“, schrieb Marc Schneider auf Quotenmeter.
Geht doch, würde „Nurse“ Chapel sagen!

Drei Gründe, warum „Strange New Worlds“ so gut funktioniert

Produziert wurde Star Trek: Strange New Worlds von Alex Kurtzman (der Showrunner, Drehbuchautor und Regisseur ist seit 2018 für alle Produkte des Star Trek-Franchise verantwortlich), Akiva Goldsman (2002 Oscar und Golden Globe für A Beautiful Mind, Executive Producer in Star Trek: Discovery, Showrunner in Star Trek: Picard) und Jenny Lumet (Co-Showrunner, beteiligt an Discovery und Star Trek: Short Treks).
Kurtzman gilt als jemand, der es gerne mal krachen lässt. Im neuen Franchise-Ableger schlug er zunächst einen neuen, zurückhaltenden Kurs ein. Mit Erfolg.

Drei Gründe sind dafür entscheidend:
1. Star Trek: Strange New Worlds ist visuell ein Hingucker, 2. es wird vertikal erzählt, also mit abgeschlossenen Episoden und 3. sind nur drei bis vier Folgen nötig, um das Personal der Enterprise einzuführen. Andere Serien benötigten deutlich mehr Zeit für die Charakterentwicklung. Drei dicke Pluspunkte also.

Der Look

Ästhetisch setzt Strange New Worlds im Main Title auf vertraute klassische Motive mit der Technik von heute. Wenn die Enterprise elegant an Sternen, Nebeln und schwarzen Löchern vorbeigleitet, zeigen die spektakulären Motive den alten Star Trek-Spirit: die Erkundung fremder Welten. Auch das knapp zweiminütige musikalische Main Theme von Jeff Russo spielt geschickt mit dem Main Theme von TOS – bis an die Grenze zur Ironie. Der Soundtrack hätte allerdings etwas weniger Pathos gut vertragen.

Im neuen Main Title wird der alte TOS-Spirit auch im ikonischen Off-Text authentisch umgesetzt. In der Originalserie hatte dies William Shatner getan, was in der deutschen Synchronfassung ruiniert wurde. In SNW spricht Anson Mount den Text, in der deutschen Fassung ist es sein Synchronsprecher.
„Space, the final frontier. These are the voyages of the starship Enterprise. Its five-year mission: to explore strange new worlds, to seek out new life and new civilizations, to boldly go where no one has gone before.”
(TOS: „Der Weltraum, unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das fünf Jahre lang unterwegs ist, um fremde neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt das Enterprise dorthin vor, wo niemand je zuvor gewesen ist“).

SNW sorgt also gleich zu Beginn für ein klassisches Star Trek-Feeling. Dass Paramount vor der Pre-Title-Sequence nicht nur dieser Serie ein neues elegantes Star Trek-Logo verpasst hat, ist logisch. Das Corporate Design soll Newbies zeigen, was Kanon ist und was nicht. Und das SNW bei den CGI-Effekten auf dem Niveau den anderen Reboot-Serie agiert, überrascht auch nicht. Settings und Locations sorgen für einen tollen neo-klassischen Look. Die alte TOS-„Brücke“ wurde authentisch rekonstruiert, dabei verzichtete man aber nicht auf Innovationen, die TOS in den 1960er-Jahren nicht haben konnte.
Die kurzen Logbuch-Off-Kommentare zu Beginn einer Episode werden nun von unterschiedlichen Crew-Mitgliedern gesprochen. In der ersten Episode übernimmt dies Lieutenant Commander Una Chin-Riley (Rebecca Romijn), die „Nummer Eins‟ auf der USS Enterprise. Das Logbuch ist also kein Privileg des Captains und so kommt jeder mal dran.

Abgeschlossene Episoden

Nach den horizontal erzählten komplexen „Discovery“ (DSC)- und „Picard“ (PIC)-Staffeln“ kehrt Strange New Worlds zum klassischen vertikalen Erzählstil zurück. Der prägte TOS, in Teilen auch The Next Generation, wobei dort horizontale Elemente immer häufiger auftauchten.

Die post-modernen Star Trek-Reboots erzählten dagegen horizontal. Im Falle von DSC zwar nicht durchgehend, aber es gelang ihnen nicht, Geschichten zu erzählen, die neben gewaltigen Effektgewittern auch einen emotionalen Mehrwert anzubieten hatten.
Das lag aber nicht am horizontalen Erzählen, sondern an den Contents. Selbstverständlich kann man auch horizontal gute Geschichten erzählen. Wenn sie gut sind. Das vertikale Format ist dagegen flexibler, weil schlechte Episoden schnell vergessen werden, während die guten im Gedächtnis bleiben. In Strange New Worlds ist die Rückkehr zu abgeschlossenen Episoden ein überzeugender Schritt – er tut der Serie sichtbar gut (1).

Charakterentwicklung und Backstorys: „He is simply perfect“

So weit, so gut. Doch was wäre Star Trek ohne seine Captains? In SNW ist Anson Mount („Hell on Wheels“) wie bei seinem ersten Auftreten als Christopher Pike in DSC ein Volltreffer. Die Kritiker überschlugen sich vor Begeisterung.
„Anson Mount’s Christopher Pike feels like a massive gift to Star Trek fans. He’s full of the charisma and verve that made us fall hard for Captain Kirk, but has the sensitivity and philosophical bent of a Picard. He is the kind of man we’d all follow across the stars, into black holes, and to the surfaces of wayward comets. That’s because Pike is the kind of leader who believes in his crew. Thereby he believes in all of us”, schrieb Meghan O’Keefe euphorisch im DECIDER. „He is simply perfect“ (2).

Spannend sind allerdings nicht die glatten, sondern die ambivalenten und beschädigten Helden. Auch in SNW ist das so. Die Serie folgt dabei aber nicht einem Trend, sondern der Continuity eines staffelübergreifenden Plots.
In der ersten Episode „Strange New Worlds“ sitzt Pike mit Vollbart zusammen mit Captain Batel (Gastauftritt von Melanie Scrofano, bekannt aus Wynonna Earp) am Frühstückstisch. Pike ist immer noch schwer angeschlagen von den Ereignissen in der zweiten Season von DSC. Der Mann ist offensichtlich nicht diensttauglich. 

Wenig später reitet er durch ein völlig verschneites Montana, bevor ihn Starfleet Admiral Robert April (Adrian Holmes) förmlich zu einer neuen Mission mit der USS Enterprise zwingt. Pikes „Nummer 1“ Una Chin-Riley (Rebecca Ruminj) ist auf dem Planeten Kiley 279 verschwunden. Kurz danach sitzt Pike frisch rasiert wieder auf der Brücke, wird aber ständig von Visionen seines bevorstehenden Todes gequält. Er weiß dank eines Zeitkristalls (Discovery, S2E12 „Tal der Schatten“, Originaltitel: Through the Valley of Shadows), dass er bei einem Unfall sterben wird.
Kann man die eigenen Entscheidungen revidieren, wenn man die Folgen bereits kennt? Eine Antwort wird die letzte Episode „A Quality of Mercy“ geben.

Zweifellos ist der traditionelle Erzählstil in Strange New Worlds eine Reaktion auf die Proteste, die fast alle Reboot-Serien begleiteten. Nicht immer war es leicht, sich an neue Figuren zu gewöhnen. Und der Mix aus Spiegel-Universen und bombastischen Weltraumschlachten ignorierte den Wert kleinformatiger Geschichten, in denen es ausnahmsweise nicht um die Rettung des gesamten Universums ging. Und aus nostalgischen Gründen die alten Helden wie in der 3. Staffel von „Picard“ aus dem Zylinder zu zaubern, muss nicht zwangsläufig gelingen.

In DCS hatte sich allerdings nach der ersten Staffel und und besonders in der 4. Staffel eine Rückkehr zu vertikalen Episoden mehrfach angekündigt. Die Story Arc in DSC war besser als ihr Ruf und konnte streckenweise ein überzeugendes Star Trek-Feeling evozieren. Auch wenn DSC in der zweiten Staffelhälfte fast regelmäßig an Qualität einbüßte. Was leider auch SNW geschieht.

Kurtzman & Co. schoben diese Probleme in SNW zunächst locker mit einer Crew beiseite, die auch ultra-konservative Trekkies hinterm Ofen hervorholen wird. Die Mischung aus neuen und bekannten Figuren aus dem TOS-Universum gelang perfekt. Und schneller wurde man mit den Figuren einer neuen Star-Trek-Serie nicht warm. Im Writer’s Room wurde also ziemlich professionell gearbeitet.
Kleinigkeiten können dabei entscheidend sein. Etwa ein Captain, der gerne kocht und seine Brücken-Crew regelmäßig zum Diner einlädt. Auch Ethan Peck kann als Spock dank einer emotional komplizierten Backstory punkten, weil er nicht ganz so stoisch ist wie Leonard Nimoy. Und wie eine späte Antwort auf die Misogynie der NBC-Bosse gibt es mit Una Chin-Riley (Rebecca Rominj) eine starke „Nummer 1“, deren Figur bereits in „The Cage“ auftauchte und danach erneut in der 2. Staffel von DSC. 

In Episode 3 gesteht sie Pike, dass sie einer Illyrianerin ist, also einer Rasse angehört, die ausgerechnet die von der Sternenflotte geächtete genetische Humanverbesserung perfekt beherrscht. Dass Illyrianer natürlich nicht in der Föderation dienen dürfen, ist Christopher Pike ziemlich egal. Aber mit dieser überraschenden Volte bekommt eine zuvor ziemlich farblose Figur auf einen Schlag eine differenzierte Backstory – allerdings muss sich der Zuschauer dann doch recht gut im Star Trek-Universum auskennen.

Das gilt auch für die Sicherheitschefin La’an Noonien-Singh (Christina Chong), die daran zu knabbern hat, dass sie über sieben Ecken mit Khan Noonien-Singh verwandt ist (Stichwort: Eugenische Kriege). Die etwas verbiesterte La’an bekommt in „Spock Amor“ zusammen mit Una die Gelegenheit, das „Enterprise-Bingo“ kennenzulernen. Es wird hauptsächlich von Ensigns und niederen Rängen vom Lower Deck gespielt. Una (Spitzname: Die in den Keller geht, um zu lachen) und La’an probieren es selbst aus, um einen Disziplinarfall beurteilen zu können. Und dabei haben sie nicht unerwarteten Spaß, sondern lernen auch die Crew besser kennen - und auch sich selbst. Das funktioniert ziemlich witzig: Im Arrangieren von Subplots und der richtigen Mischung von Humor und Drama bei den Backstorys war das Autorenteam wieder einmal überragend. Abgesehen davon ist diese kleine Geschichte auch eine Anspielung. Alex Kurtzman plant tatsächlich ein Crossover der Animationsserie Star Trek: Lower Decks.

Mit an Bord ist auch Nyota Uhura (Grammy Award-Preisträgerin Celia Rose Gooding). Uhura gehört im TOS und dem Kinofranchise zum Stammpersonal. In SNW ist sie für das Drama zuständig, denn nach dem gewaltsamen Tod ihrer Eltern ist die junge Linguistin Uhura orientierungslos und sieht die Ausbildung in der Sternenflotte nur als Übergangslösung.

In Ep 2 „Ghosts of Illyria“ gelingt es Uhura, den Kontakt zu einer fremden Spezies herzustellen, als sie erkennt, dass die Fremden mit Musik kommunizieren.
Auch in dieser Episode stimmt die Beziehungsdynamik. Als Mentor Uhuras spielt dabei der Chefingenieur Hemmer (Bruce Horak) eine wichtige Rolle. Der fast vollständig blinde und ziemlich misanthropische Andorianer wird in den weiteren Folgen maßgeblich am Sozialisierungsprozess Uhuras beteiligt sein. Wie üblich ziehen sich in Star Trek gegensätzliche Charaktere am stärksten an.

Lieutenant Erica Ortegas (Melissa Navia) ist Steuerfrau auf der USS Enterprise. Die sehr androgyn aussehende 37-jährige Schauspielerin hat neben den bekannten Legacy-Figuren keinen leichten Stand, besitzt aber eiserne Nerven und eine Coolness, die sie auch schwierige Manöver mit spürbarem Vergnügen meistern lässt. Ortegas Rolle gehört seit Star Trek: Discovery zur Strategie mit LGBTQ+-Charakteren in den Cast mehr Diversität zu bringen. Und so spielt mit Jesse James Keitel (Angel) ein(e) non-binärer Schauspieler/in eine Nebenrolle in Ep 7 „The Serene Squall“.

Fürs Melodramatische ist Schiffsarzt Joseph M’Benga (Bab Olusanmokun) zuständig. Die Figur kennt man aus TOS (2/19 „A Private Little War", dts. Der erste Krieg, und 3/17 „That Witch Survives
“, dts. Gefährliche Planetengirls). In SNW kämpft er um das Leben seiner tödlich erkrankten Tochter, die er heimlich im Musterpuffer des Schiffs-Teleporters „einfriert“ und nur kurzfristig ins Leben zurückholt, um ihr aus Kinderbüchern vorzulesen. In Ep 8 „The Elysian Kingdom“ wird M’Bengas Problem gelöst – aber auf Weise, die leider zu den erzählerischen Pleiten von Strange New Worlds gehört.

Höhenflüge und ein unerwarteter Absturz

Dass es keiner Star Trek-Staffel gelang, Drehbücher auf konstant hohem Niveau zu produzieren, ist bekannt. Bei der Produktionsplanung spielt nicht nur der Writer’s Room eine wichtige Rolle. Gelegentlich werden auch Drehbücher in die engere Auswahl genommen, die von externen Autoren stammen. Dazu gehören auch solche, die keine Erfahrung mit Star Trek haben, aber gute Comedy-Dialoge schreiben können. Wer sich die Making ofs der vergangenen Serien anschaut, wird dies wissen.
In Strange New Worlds sind die Scripts der ersten sechs Folgen exzellent. Es folgen drei Episoden, die peinlich schlecht sind. Und am Ende gibt es eine Episode, die zumindest als umstritten beschrieben werden kann. 
Mit Flops kann man leben, auch mit Scripts, die Zielgruppen adressieren, über die man lieber wenig wissen möchte. TOS war voll davon. Andere Serie auch. Im Gedächtnis blieben aber die herausragenden Episoden. Business as usual.

1 A-Qualität hat die erste Episode. Sie zeigt, dass Christopher Pike, wie später auch James T. Kirk, die „Oberste Direktive“ nicht ganz ernst nimmt. Auf Kiley 297 herrscht Bürgerkrieg. Die Zivilisation steht vor der Selbstvernichtung. Pike zeigt den verfeindeten Lagern altes Filmmaterial von der Erde – und zwar von den „Eugenischen Kriegen“ der 1990er-Jahre und vom Dritten Weltkrieg, der Anfang des 21. Jh. über 600 Mio. Menschen das Leben kostete. Dass Pikes filmische Lektion auch ganz kurz den realen Sturm der Trump-Anhänger auf das Capitol zeigt, ist kein Zufall.
Und schon ist die Serie im moralisch fixierten Roddenberry-Universum angekommen – es ist klassisches Star Trek: ethische Probleme müssen notfalls mit ungewöhnlichen Entscheidungen gelöst werden, das moralische Gewissen ist dabei wichtiger als eine Direktive und Bezüge zu realen Problemen sind erwünscht. Das ist bester Roddenberry-Style in einer Serie, die dem Zuschauer auf Anhieb das Gefühl gibt, diesmal eine wirklich authentische Star Trek-Serie zu erleben.

Im letzten Drittel der Staffel geht Strange New Worlds dagegen mehrfach in die Knie. Dies geht auf das Konto einer bekannten Strategie: auf eine emotional belastende und deprimierende Story folgt in der Regel eine ‚lustige‘ Episode, um die Bindungskräfte der Serie nicht zu gefährden.

Ziemlich hart, aber womöglich die beste Episode ist Ep 6 „Lift Us Where Suffering Cannot Reach” (Wo kein Leid hinreicht). Dort rettet die Enterprise ein fremdes Shuttle vor dem Angriff eines fremden Raumschiffs. Pike ist erstaunt, als ihm mit Alora (Lindy Booth) die ihm offenbar nicht ganz fremde Anführerin der Majalis gegenübertritt, einer freundlichen humanoiden Spezies. Später landet er mit Alora sogar im Bett und wird eingeladen, einer speziellen Zeremonie beizuwohnen: der Inthronisierung des „Ersten Dieners“. Entsetzt erkennt Pike, dass die rituelle Handlung darin besteht, ein Kind zu Tode zu foltern. Der „Erste Diener“ wird an eine Maschine angeschlossen, die offenbar ein unverbrauchtes neuronales Netzwerk für seine Funktionen braucht. Das Kind wird bis zu seinem Tod unendliche Qualen erleiden, mental und physisch. Den Zweck der Maschine kennen die Majalis nicht, sie folgen im Glauben an die Notwendigkeit des grausamen Ritus seit Jahrhunderten. Pike kann das Opfer nicht verhindern und verlässt hilflos und voller Zorn den Planeten. Zurück bleibt eine weinende Alora, die nicht versteht, dass sie nicht verstanden wird.

„Lift Us Where Suffering Cannot Reach“ ist eine tiefschwarze Episode, die nur schwer zu verarbeiten ist. Sie konfrontiert den Zuschauer mit einem unauflösbaren ethischen Dilemma: dem Toleranzparadoxon. Eigentlich typisch Roddenberry, würde man sagen, wenn man Karl Popper nicht kennt. Die Frage lautet: Muss eine Zivilisation, die ihre gewalttätige Vergangenheit überwunden hat und anderen Zivilisationen mit größtmöglicher Toleranz gegenübertritt, etwas akzeptieren, das nicht ihren ethischen Standards entspricht?
In der SNW-Episode will Pike das Ritual mit Gewalt beenden, scheitert aber. Der deutsche Philosoph Karl Popper sagte ebenfalls „Nein“. Wenn der Tolerante die Intoleranten zulässt, dann trägt er zum Untergang der Toleranz bei, so Popper. Also bekämpft man die Intoleranz, gibt dabei aber temporär seine ursprüngliche Position auf. 
Ein Paradoxon, an dem sich auch kluge Köpfe aufgerieben haben. In Star Trek besteht die Freiheit des Individuums darin, das eigene moralische Gewissen entscheiden zu lassen, auch wenn es einen Codex verletzt oder nur intuitiv erfahren wird. Vor diesem komplizierten Hintergrund ist „Lift Us Where Suffering Cannot Reach“ die anspruchsvollste Episode der neuen Serie.

Was folgte, war allerdings nicht lustig. Ep 7 „The Serene Squall“ war eine Geschichte, in der kauzige Space Piraten die Enterprise entern, was offenbar ziemlich leicht zu sein scheint. Das unrunde Script mit schlecht geschminkten Deppen als skurrile Piratencrew dürfte vielleicht anspruchslosen 12-Jährigen gefallen – vor dem Hintergrund der 6. Episode war dies aber ein markantes Beispiel dafür, wann, wo und wie vertikales Erzählen scheitern kann. Es war zum Fremdschämen. Verantwortlich waren als Writer Beau DeMayo („The Witcher“) und Sarah Tarkoff („Arrow“), zwei Autoren ohne Star-Trek-Erfahrung. Das Schema
„auf deprimierend folgte lustig" war ein Fehlschlag.

Das Schlimme: Besser wurde es nicht. In Ep 8 „The Elysian Kingdom“ (Das Königreich Elysien) verwandelte sich die Crew der Enterprise in eine Schar von Deppen, die sich plötzlich in mittelalterlichen Kostümen in einem Märchen-Szenario befinden. Und das ist einem der Kinderbücher des Schiffsarztes M’Benga entsprungen ist. 

Fast 50 Minuten lang kalauert sich die Crew durch ein absurdes Spektakel, das an die TNG-Episode 4/20 „Qpid“ (Gefangen in der Vergangenheit) erinnert, in der Patrick Stewart den Robin Hood spielen musste. Am Ende erfährt man zum x-ten Mal in einer Star Trek-Serie, dass ein immaterielles Bewusstsein dies alles für M’Bengas Tochter inszeniert hat, um dem todkranken Kind eine Freude zu bereiten. M’Bengas Tochter entmaterialisiert sich ebenfalls und die beiden Lebensformen verlassen die Enterprise. Das war eine Hommage an das Genre des kitschigen Melodrams – auf große Albernheit folgten bittere Tränen. Akela Cooper („Marvel’s Luke Cage“) und Onitra Johnson, die bislang für drei Kurzfilme geschrieben hatte, waren für das misslungene Spektakel verantwortlich. Etwas überraschend, denn Akela Cooper war an der ziemlich guten Ep 3 („Ghosts of Illyria“) beteiligt und gehörte vor einem Jahr zu den 10 besten Autoren eines Rankings des Magazins Variety.

In Ep 9 „All Those Who Wander“ (Nicht jeder Verirrte verliert sich) wurde dann kräftig geballert.
Der Inhalt: Auf der Suche nach der vermissten USS Peregrine begeben sich Pike und ein Außenteam auf einen Eisplaneten und finden heraus, dass die reptiloide Spezies der Gorn unter den Verschollenen gewütet hat. Die Gorn waren bereits in TOS als miserable Pappmaché-Monster aufgetaucht. In Ep 4 „Memento Mori“ (Memento Mori) sind sie etwas flinker unterwegs und gehören zur Backstory von La'an Noonien-Singh, die in ihrer Kindheit ihren Bruder an die gefräßige Spezies verloren hatte.
Der Ausflug ins Sci-Fi-Horrorgenre war nur begrenzt unterhaltsam. Denn der zweite Auftritt der Gorn war nichts anderes als ein mattes Remake von James Camerons Aliens (Aliens – Die Rückkehr) – es gibt das kleine Mädchen, dass sich versteckt und überlebt hat und es gibt Monster, die sich der Menschen als Wirte bedienen und deren Körper auf die sattsam bekannte Weise verlassen. Nämlich ziemlich blutig. Geschrieben hatte die Story Davy Perez, der sich aufgrund seiner Erfahrungen aus „Supernatural“ offenbar für diesen Ausflug in ein anderes Genre anbot. Ein Flop war die Episode nicht. Man freute sich nach zwei Fehlschlägen über ordentliche Mittelmäßigkeit.

Das Staffelende: Krieg oder Frieden?

Die letzte Episode „A Quality of Mercy” (Die Kunst der Gnade) war ein weiteres Remake – und zwar eins, das wieder einmal eine leidige Zeitreise als Tropus einsetzte. Im Mittelpunkt steht Christopher Pikes Scheitern in einem militärischen Konflikt mit den Romulaner. Und den James T. Kirk anders gelöst hatte. Um dieses „Treffen der Generationen” zu ermöglichen, musste an den Zeitlinien herumgebastelt werden. Es war allerdings folgerichtig, beim Staffelfinale noch einmal Pikes Visionen aufzugreifen, denn das Wissen um den Zeitpunkt des eigenen Todes schwebte wie ein Damoklesschwert über der Figur.

In „A Quality of Mercy” lernt Pike einen der Kadetten kennen, die bei dem Strahlenunfall ums Leben kommen. Und Pike will ihn rechtzeitig warnen. Buchstäblich aus dem Nichts (!) taucht ein Alter Ego Pikes auf, das ihm mithilfe des Zeitkristalls demonstriert, was geschehen würde, wenn Pike mit derartigen Eingriffen die Zeitlinie ändert. Und schwupps – schon steckt der Captain in der neuen Zeitlinie im Körper (!) des alternativen Pikes, der den Unfall überlebt hat. Und dort trifft er nicht nur James T. Kirk, sondern muss sich den gleichen Ereignissen wie in der TOS-Folge „Balance of Terror“ (S1/Ep 14 – dts. Spock unter Verdacht) stellen. Eine Episode, die bis heute zu den besten aus dem TOS-Kosmos gehört.

In „Balance of Terror“ (TOS) zerstören die Romulaner, die bislang noch niemand zu Gesicht bekam, einige Außenposten der Sternenflotte am Rand der romulanischen neutralen Zone. Captain James T. Kirk nimmt die Verfolgung des romulanischen Schiffs auf, das sich allerdings erfolgreich dem Zugriff dank seiner Tarnvorrichtung entziehen kann. Nicht nur militärstrategisch, sondern auch moralisch steckt Kirk nun in einem Dilemma: Angreifen oder Verhandlungen in friedlicher Absicht?

In der etablierten Zeitlinie (TOS) entscheidet sich Kirk für den Angriff, auch aufgrund von Spocks Empfehlung. In der alternativen Zeitlinie (SNW) ist aber Christopher Pike der Captain der USS Enterprise, weil dem Strahlenunfall entgehen konnte. Wäre Pikes Vision dagegen wahr geworden, wäre er durch James T. Kirk ersetzt worden. In der Konfrontation mit den Romulaners entscheidet sich Pike für eine Verhandlungsstrategie, die von einem kriegsmüden romulanischen Captain akzeptiert wird. Doch alles endet mit einer Katastrophe. Es ist der Beginn eines langanhaltenden Krieges zwischen der Föderation und den Romulaner, bei dem auf beiden Seiten Millionen ums Leben kommen. Und Pike ist schuld.

Abgesehen davon, dass Paul Wesley als James T. Kirk in dieser Episode seinen ersten Auftritt in SNW hat und Pikes Reise in die Zukunft zu einer minuziösen 1:1-Kopie von „Balance of Terror“ führt, ist die Quintessenz für Pike nach seiner Rückkehr in seine Zeitlinie unvermeidlich: er muss sterben, um diese Katastrophe (bei der Spock ums Leben kommt) zu verhindern.
Die finale Episode wurde von den meisten Kritikern gefeiert, aber längst nicht von allen.

„As in both “Memento Mori” and “All Those Who Wander” earlier in the season, there’s a strange militarism to “A Quality of Mercy,” a rejection of humanism and optimism. Pike is a fool for trying to avoid battle with the Romulans, for trying to find a peaceful solution”, schrieb Darren Mooney in einer Kritik für „The escapist“ (3). (dts. Wie zuvor in Memento Mori und All Those Who Wander gibt es einen befremdlichen Militarismus in A Quality of Mercy. Pike wird dafür zum Narren gemacht, weil er versucht einen Kampf mit den Romulaner zu vermeiden, um stattdessen nach einer friedlichen Lösung zu suchen).
Eine Kritik, über die man nachdenken muss. Trotzdem ist es spannend zu sehen, dass die moralisch-ethischen Grundsätze der Hauptfigur ausgerechnet in der letzten Episode von SNW völlig ad absurdum geführt werden. Ob man die Notwendigkeit einer militärischen Konfliktlösung in diesen Zeiten gut finden muss, muss jeder selbst herausfinden. Trotzdem ist die Episode ein Statement, egal, ob die Macher dies beabsichtigten oder nicht.

„A Quality of Mercy” ist daher eine komplexe Episode. Sie will eine Hommage an den Kanon sein, ist aber keine. Wenn Pike 2 darauf beharrt, dass die Zeitlinie verteidigt werden muss, werden alle Ereignisse des „Temporalen Kalten Kriegs“ in Star Trek: Enterprise (in der Zeitlinie die erste Star Trek-Serie) ignoriert. Zeitlinien werden dort pausenlos manipuliert und auch Captain Archer lässt sich nicht abschrecken, dies zu tun. Hat Alex Kurtzman das ignoriert oder verlor man im Writer’s Room das Interesse daran, sich im beinahe unübersichtlichen Gewusel der Zeitlinien und -reisen und der Prequels zu orientieren?
Genau scheint passiert zu sein.


Es zeigte sich wieder einmal, dass Probleme mit dem Kanon der Grund dafür sind, dass Zeitreisen keine Basis für eine vernünftige Geschichte sind. Man hat das Gefühl, dass diese Plotidee offenbar nur deshalb so attraktiv ist, weil man auf diese Weise möglichst bizarre Storys erzählen kann. 
Mir wäre es lieber gewesen, wenn Spock mit eiskalter physikalischer Logik den Autoren das Script weggenommen und in den Papierkorb geworfen hätte. Man hätte sich einige Logikbrüche erspart, vom Großvater-Paradoxon ganz zu schweigen.

Bereits Pikes Visionen sind logisch betrachtet ein Eingriff in die Zeitlinie. Und das Auftauchen seines Alter Egos aus der Zukunft ist es erst recht. Und was wird aus der neuen, dystopischen Zeitlinie. Ist sie nun einfach verschwunden?
Womöglich kann man Dinge, die geschehen, nicht ungeschehen machen. Ich empfehle als seriösen naturwissenschaftlichen Beitrag die Hypothese des russischen Astrophysikers Igor Nowikow. Laut Nowikows „Selbstübereinstimmungsprinzip“ ist es logisch, dass ein Zeitreisender, der ein bestimmtes Ereignis in der Vergangenheit verhindern will, es tatsächlich auslöst, weil es so und nie anders geschehen ist (Kausalitätschleife).

Leider ist es so, dass bereits in älteren Star Trek-Serien Time Travels eingeführt wurden, bei denen die Showrunner im Nachgang einräumten, dass sie das zwar für interessant hielten, aber nicht so recht wussten, wie man es weitererzählt. Kein Wunder, wenn man sich verzettelt. Das entstandene Kuddelmuddel passt irgendwann nicht mehr zum Kanon, also der Logik der Ereignisse.
Dabei hatten sich CBS und Paramount zu Beginn dieses Jahrhundert noch intensiver darum bemüht, den Kanon exakt zu definieren. Und für SNW gab es sogar ein Pflichtenheft, das den Fans vorgeschlagen wurde, bevor man sich SNW anschaut.
Paramount+ empfahl folgende DSC-Episoden: Episode 1 - "Brother", Episode 8 - "If Memory Serves", Episode 12 - "Through the Valley of Shadows", Episode 14 - "Such Sweet Sorrow, Part 2".
Und die offizielle Seite startrek.com erweiterte dies mit einer Liste von TOS-Episoden: "The Menagerie, Part I"+"The Menagerie, Part II", "Space Seed", "Journey to Babel", "Mirror, Mirror", "The Deadly Years", "A Private Little War".

Es bleibt also abzuwarten, wie man in der 2. Season von Strange New Worlds diese Geschichte weiterentwickelt. Offen gestanden: es wird immer schwieriger. Vielleicht wäre es die beste Idee, gestandene Star Trek-Historiker in den Writer's Room aufzunehmen - um anschließend ein dickes Handbuch für Trekkies und Kritiker auf den Markt zu bringen. Das gibt es allerdings schon: das von CBS und Paramount herausgegebene Buch
"Star Trek Federation The First 150 Years" von David A. Goodman. Der arbeitete auch an "The Orville" mit. Mehr Expertise geht nicht.

Fazit

Trotz einiger Schwachstellen ist Strange New Worlds seit langer Zeit die erste Star Trek-Serie, die diesen Namen wirklich verdient. Sie sieht gut aus (was selbstverständlich ist) und schöpft alle Vorzüge des vertikalen Erzählens aus, ohne auf einen Metaplot völlig zu verzichten.
Entscheidend für das positive Gesamturteil ist aber der tolle Cast und dessen unverkrampfter und spontaner Humor. Und Anson Mount als neuer Captain der USS Enterprise. Und der ist deshalb so charismatisch, weil er das Beste aus allen Welten vereint: James T. Kirks Humor und Jean-Luc Picards ruhige Sachlichkeit. Zudem kann er gut kochen. Dass drei Episoden veritable Flops sind, ist ärgerlich, aber zu verkraften – und es ist wirklich nichts Neues.
Fazit: ein gelungener und vielversprechender Serienstart. Alle weiteren Erwartungen sind groß! Mit oder ohne Kanon.

Note: BigDoc = 2


Rezensionen Staffel 2

  • Star Trek: Strange New Worlds – Season 2 - Wie sich eine Serie neu erfindet (Teil 1)
  • Star Trek: Strange New Worlds – Season 2 - Wie sich eine Serie neu erfindet (Teil 2)
  • Star Trek: Strange New Worlds – Season 2 - Wie sich eine Serie neu erfindet (Teil 3)

 

Endnoten

(1) Das vertikale Erzählen mit seinen abgeschlossenen Episoden ist mittlerweile nicht mehr so erzkonservativ und gestattet trotzdem episodenübergreifende Backstorys und Metaplots. Für die Content-Syndication als Vertriebsform der US-Networks waren Metaplots früher nicht erwünscht. Für die Wiederholung von Fernsehserien in lokalen Networks war es notwendig, geringere Episoden-Pakete ordern zu können oder die Episoden einer Serie in beliebiger Reihenfolge auszustrahlen: Zum Beispiel Nr. 12, 2, 3 und 5. Es war egal, die Figuren hatten ja alles vergessen, was sie zu zuvor erlebt hatten.
Dies änderte sich: Serien wie „House MD“ führten trotz ihrer abgeschlossenen Episoden der Geschichte einen Main Plot hinzu: die sogenannte „Progressiv Complete“-Serie war erfunden.
Content-Syndication war für die Macher solange kein Problem, bis HBO den Serienmarkt mit horizontalen Serien revolutionierte. Nicht nur The Wire machte das horizontale Erzählen zum Maß aller Dinge.
Gut nachvorfolgen lassen sich die Folgen am Beispiel von
Star Trek: Enterprise. Die letzten beiden Staffeln wurden in der Hochphase von The Wire produziert. Da die Quoten deutlich unter 3 Mio./Episode fielen, versuchten Rick Berman und Brannon Braga die Serie mit einer horizontalen Story Arc zu retten (in Staffel 3 war es die Xindi-Story). Vergeblich. Die Serie wurde eingestellt, obwohl sie bei UPN (United Paramount Network) quotentechnisch zu den erfolgreichen Serien gehörte.
Trotz dieses Misserfolgs war es eigentlich kein Wunder, dass man mit
Star Trek: Discovery“ eine horizontale Story Arc etablierte. Dafür braucht man eine sehr gute Geschichte. Stattdessen wunderten sich die Fans darüber, dass in einer Prä-TOS-Geschichte Technologien zu sehen waren, von denen Captain Kirk nicht einmal träumen konnte, so durchgeknallt waren sie. Wenn man ein Raumschiff erfindet, das innerhalb weniger Sekunden zu jedem beliebigen Ort in der Galaxis springen kann, während James T. Kirk zehn Jahre später mit Warp 5 zwischen den Sternen herumschleicht, muss man sich nicht wundern, dass die Fans sich an den Kopf fassen. Als „Star Trek: Discovery“ wieder häufiger auf Einzelepisoden setzte, verbesserte sich die Quality der Serie.

Für das vertikale Erzählen spricht etwas Handwerkliches: es erleichtert das Storytelling. Was man allerdings nicht auf Anhieb vermutet. Wer glaubt, dass eine kinoreife Geschichte vertikal in eine 45-50-minütige Episode gepresst wird und daher nicht funktionieren kann, irrt sich. Vielmehr passt sich die Handlung dem Format an. Die Geschichten werden fokussierter erzählt und dies gibt das den Autoren den Raum, um sehr viel Screentime in die Charakterentwicklung zu investieren.
Dies klappt aber nur bei einer
„Progressiv Complete“-Serie wie Star Trek: Strange New Worlds“. Sie ist eine Mischform aus aus vertikal und horizontal. Und wenn die meisten Episoden gut geschrieben sind, verzeiht man auch gelegentlichen Murks oder die eine oder andere „Bottle-Episode".

Was sich in Streaming-Zeiten auch geändert hat: die Serien werden kürzer.
Für die erste Staffel von „Star Trek: Enterprise“ wurden 26 Episoden produziert. Dies wurde später abgesenkt, aber auch die 22 Episoden der finalen Staffel setzten das Produktionsteam unter enormen Druck. Auch weil die Staffeln nicht komplett durchgeplant wurden. Man hatte eine Ausgangsidee, die sich in zwei Sätzen zusammenfassen ließ. Danach musste der Writer's Room irgendwie liefern. Ein Jahr lang, Woche für Woche. Zehn Episoden mit üppigen Budgets zu planen, ist deutlich angenehmer.

(2) Die Figur des neuen Captain Christopher Pike tauchte zum ersten im Piloten The Cage auf, mit dem Gene Roddenberry seine Serienidee bei NBC verkaufen wollte. In dieser Episode spielte Jeffrey Hunter die Hauptrolle, aber NBC war alles andere als begeistert, orderte aber immerhin einen zweiten Piloten: Where No Man Has Gone Before. Im zweiten Anlauf war Roddenberry erfolgreich, musste aber seine Crew austauschen. Frauen in führenden Positionen waren nicht erwünscht und um ein Haar wäre auch der „satanisch aussehende“ Spock aus der Serie geflogen.
Pike tauchte dann in der ersten Staffel von TOS noch einmal auf, allerdings wurde für die Geschichte über die telepathischen Talosianer Archivmaterial mit Jeffrey Hunter verwendet. In der TOS-Doppelfolge Talos IV (Originaltitel: The Menagerie) ist Pike als Opfer einer Deltastrahlung völlig entstellt worden und sitzt gelähmt im Rollstuhl. Am Ende wird Pike von den Talosianern aufgenommen und darf in einer telepathischen Simulation ein normales Leben führen.
In der zweiten Staffel von Discovery übernahm dann Anson Mount die Rolle des Captains. In Episode 8 If Memory Serves (
„Gedächtniskraft“) begegnet Pike erneut den Talosianern. Nach dieser Begegnung ist Pike voller Zweifel, was seine Rolle in der Sternenflotte betrifft. Er weiß nach seinen Erfahrungen mit einem Zeitkristall (Discovery, S2E12 „Tal der Schatten“, Originaltitel: Through the Valley of Shadows), dass er bei einem Strahlenunfall sterben wird.
Die Geschichte von Christopher Pike in der alternativen Abrams-Zeitlinie ist in diesem Zusammenhang nicht wichtig, da SNW in der alten Zeitlinie spielt.


(3) “There is a fairly fundamental problem here. In lines that “A Quality of Mercy” quotes directly from “Balance of Terror,” the Romulan commander (Mark Lenard) specifically evokes the idea of an alternate version of the story. He suggests to Kirk (William Shatner), “In a different reality, I could have called you friend.” The implication is that “Balance of Terror” takes place in an imperfect and broken world, that things did not need to play out the way that they did. There was an alternative.
“A Quality of Mercy” rejects this. In doing so, it seems to completely and fundamentally misunderstand “Balance of Terror.” Strange New Worlds is so blinded by its fetishization of Star Trek that it misses the point. It argues that the grim and downbeat conclusion to “Balance of Terror” was really a happy ending, and that hoping for anything better is foolish. For all that fans celebrate the franchise’s utopian futurism, Strange New Worlds insists that future will never be better than it was in the original series" (Darren Mooney).


Quellen:


Star Trek: Strange New Worlds – Paramount+ 2022 – Showrunner: Alex Kurtzman, Akiva Goldsman, Jenny Lumet – 10 Episoden: 46-62 Minuten – Musik: Jeff Russo, Nami Melumad – D.: Anson Mount, Jess Bush, Ethan Peck, Christina Chong, Celia Rose Gooding, Melissa Navia, Babs Olusanmokun, Bruce Horak, Rebecca Romijn, Paul Wesley.