Sonntag, 12. März 2023

„Luther – The Fallen Sun“ ist ein Fiasko

Manche Dinge werden mit großen Erwartungen verknüpft – bis man sie zu sehen bekommt. Und plötzlich ist die Magie verschwunden. Man staunt verwundert, wie es möglich sein kann, dass etwas, das so oft so gut war, in eine Ruine verwandelt wird.
„Luther – The Fallen Sun“ ist so ein Fall. Der unkonventionelle Ermittler John Luther, der so gut wie nie eine Waffe trägt und hart am Rand der Legalität agiert, wechselte aus dem Serien- ins Spielfilmformat. Herausgekommen ist eine lächerliche Persiflage, die hoffentlich einen Schlussstrich gezogen hat. Und Idris Elba? Der Darsteller des Londoner Cops hat sich mit „The Fallen Sun“ keinen Gefallen getan.

Niedergang einer ikonischen Figur

2010 ging die von Neil Cross entwickelte Figur bei der BBC an den Start. Die erste Staffel war stark erzählt, auch weil Ruth Wilson die Figur der Alice Morgan mit Bravour spielte. Morgan begann bereits mit 13 Jahren ihr Studium in Oxford und mit erhielt 18 Jahren ihren Doktortitel in Astrophysik. Sie glänzte als Intelligenzbestie und als eiskalte Serienmörderin stürzte sie die Hauptfigur in ein emotionales Chaos. Würde Luther die Soziopathin zur Strecke bringen oder liebte er sie gar?
Es folgten weitere Staffeln, die immer kürzer wurden. Ohne Alice. Idris Elba (Stringer Bell in „The Wire”) war auch dank MARVEL inzwischen ein Kinostar geworden. Für Serien fehlte die Zeit, aber die Hingabe der Fans war riesengroß. Das änderte sich nicht. 2019 verdoppelte die 5. Staffel sogar die Quoten der Serienpremiere.

Allerdings hatte sich das Rezept der Serie erschöpft. „Das Narrativ entlädt mit ungeheurer Wucht eine Welle der Gewalt, die aber die Spannung der Geschichte nicht steigert. Dafür sind die Figuren zu holzschnittartig gezeichnet. So kann das kaputte Serienkiller-Pärchen bestenfalls als Persiflage durchgehen: zynisch-arrogante Exemplare der britischen Upper Class, die sich für intelligent genug halten, um den Cops eine lange Nase drehen zu können“, schrieb ich über die 5. Staffel, in der Ruth Wilson in ihrer Glanzrolle wieder dabei war.

Mit dem Etikett „Persiflage“ hatte ich offenbar ins Schwarze getroffen. Die Bösewichter in der BBC-Serie waren im Laufe der Jahre immer heimtückischer, irrer und sadistischer geworden – konventionellere Crime Plots waren offenbar undenkbar.
In „The Fallen Sun“ glaubte Showrunner Neil Cross wohl, die bizarren Scheußlichkeiten erneut toppen zu müssen. Dies ging in die Hose. Andy Serkis spielt zwar mit sichtbarem Vergnügen den Soziopathen David Robey, der das Foltern und Töten seiner Opfer in einem „Red Room“ für zahlungskräftige Zuschauer streamen will. Sozusagen Snuff-Bezahlvideos im Internet. Doch Serkis spielt mit grässlicher Frisur den Schurken auf Comic-Niveau - als wandelndes Klischee, grell und lächerlich.
Um sein lukratives Business ans Laufen zu bringen, manipuliert Robey zahllose Opfer, bringt sie um und sammelt die Leichen bei eiskalten Temperaturen in einem Eistümpel in Estonia. Oder er lässt sie als Demonstration seiner Macht von Hochhäusern springen. Eine Serie von schrecklichen Inszenierungen, sozusagen eine PR-Kampagne, die seine Kunden auf den Geschmack bringen soll.

Dumm nur, dass Luther sich auf die Suche nach dem verschwundenen Callum Aldrich begibt, einem Opfer des Triebtäters. Und da Robey nicht nur unsagbar reich ist, sondern auch unsagbar mächtig, gelingt es ihm im Handumdrehen DCI John Luther wegen zahlloser ungenannter Verbrechen in den Knast zu bringen. Den Auftrag erteilt er seinen „Mitarbeitern“ – und zack – sitzt Luther in der Zelle.

Plausibilität und Logik werden mit Füßen getreten

Regie bei diesem irren Spektakel führte wie in Season 5 erneut Jamie Payne („Dr. Who“, „Outlander“). Dem serienerfahrenen Regisseur gelang es aber nicht, das durchgehend miserable Drehbuch von Neil Cross zu reparieren. Der nahm nicht einmal Rücksicht auf die Handlung der 5. Staffel. Stattdessen wurde mehr als schluderig geschrieben, der Plot bediente so gut wie jedes Klischee, das man zur Genüge aus Nordic Noir-Thrillern kennt. Allerdings ohne die Raffinesse und den gesellschaftskritischen und atmosphärischen Impetus dieses Genres bedienen zu können. „The Fallen Sun“ taugt nicht einmal als Parodie.

Denn das Ergebnis ist eine Abfolge von Handlungsvolten, denen jedwede Plausibilität und Logik abhandengekommen ist. Luther wird im Knast natürlich verprügelt, er hat aber ein Handy unter der Matratze versteckt und ordert ein Escape-Team. Natürlich entkommt er wie auf Bestellung, was in etwa so glaubwürdig ist wie die „Flat Earth“-Theorie.

Spätestens nach einer halben Stunde weiß man, dass in diesem Film auch alles andere irgendwie passend gemacht wird. Und so läuft der in Rente gegangene Detective Superintendent Martin Schenk (Dermot Crowley) durch die Büros der Abteilung für „Serious and Serial Crime“, so als sei er immer noch der Polizeichef. Und natürlich glaubt die für die Ermittlungen verantwortliche DCI Odette Raine (Cynthia Erivo) Luther kein Wort, obwohl der Ex-Cop nach seiner Flucht immer mehr Fakten über die wahren Hintergründe sammelt. Und natürlich werden Raines Tochter und schließlich auch sie selbst von dem mordenden Monster entführt, um im „Red Bunker“ live zu Tode gefoltert zu werden. Genauso übrigens wie Luther, der in eine schier ausweglose Situation gerät, aber den sadistischen Schurken am Ende trotzdem sehr symbolträchtig ins Jenseits befördert.

2010 war die erste Staffel von „Luther“ ein raffinierter Britkrimi, der originell genug war, um in zahlreichen Ländern kopiert zu werden. Frankreich, Russland, Korea und Indien produzierten Remakes von „Luther“. Spätestens mit der 5. Staffel begann man jedoch, an der Tragfähigkeit des Konzepts zu zweifeln. Dies hat sich bestätigt.
Mit auffälligen Production Values kann „The Fallen Sun“ ebenso wenig glänzen. Der Film wirkt, als hätte man eine Doppelfolge der Serie auf Spielfilmlänge zusammengeschnitten. Dies wirkt so uninspiriert wie die gesamte Erzählung.
Nun sollte es besser vorbei sein, denn die Figur des DCI John Luther wurde in „The Fallen Sun“ irreparabel beschädigt. Seien wir ehrlich: ohne Alice Morgan ist Luther sowieso nur die Hälfte wert.


Noten: BigDoc = 5

 

Weitere Rezensionen:

Luther – BBC Film 2023 – Streaming: Netflix - Showrunner: Neil Cross – Buch: Neil Cross – Regie: Jamie Payne – Laufzeit: 129 Minuten – D.: Idris Elba, Andy Serkis, Cynthia Erivo, Dermot Crowley u.a.