Samstag, 12. August 2023

Star Trek: Strange New Worlds – Season 2 - Wie sich eine Serie neu erfindet (Teil 3)

Die siebte Episode war das lange angekündigte Crossover. Animierte Figuren? Gleich zu Beginn sieht man, dass „Strange New Worlds“ tatsächlich fremde Welten aufsucht - und die sind schräg. Wer Fan der Animationsserie „Star Trek: Lower Decks“ ist, kam voll auf seine Kosten. 

02x07 Those Old Scientists

Sie waren es tatsächlich: die Ensigns Brad Boimler, Beckett Mariner, D’Vana Tendi und Sam Rutherford, die auf der USS Cerritos mit einem Zeitportal experimentieren. Mit fatalem Ausgang: Boimler wird versehentlich in die Vergangenheit katapultiert. Und zwar direkt vor die Füße von Captain Pike. Als Realfigur! Boimler selbst weiß nichts von dieser cross-fiktionalen Metamorphose. Aus seiner Sicht war und ist er real. Und nun steht er vor einem seiner großen Helden und ringt nach Worten, aber nicht lange. Allerdings ist er 120 Jahre in die Vergangenheit gereist und weiß genau, was alles auf der „Enterpriese“ geschehen wird. Das ist ein Problem.

Es ist auch das Dilemma eines TOS-Prequels. Man weiß als Trekkie, was aus den Figuren wird. Egal ob es sich um James T. Kirk und Spock oder Picard und Data handelt. Leider weiß man auch, wie hundsmiserabel die Autoren mit einigen Figuren umgegangen sind. Zum Beispiel Data: der Androide wird in „Star Trek: Nemesis“ sterben, in „Star Trek: Picard“ taucht er wieder auf, aber Picard gewährt ihm Sterbehilfe, was die Macher nicht davon abhielt, Data in der letzten Staffel wieder zurück ins Leben zu befördern.

Alles ist real, wenn es zum Kanon gehört

Derartige Absurditäten sind – nun ja - absurd. In „Strange New Worlds“ wird dagegen mit unklaren Optionen gespielt. Alles ist möglich. So ist Ethan Pecks Spock von der späteren Figur meilenweit entfernt und Nyota Uhura ist so gestresst, dass man sich fragt, wie aus dieser Figur die spätere TOS-Figur werden soll. Am schlimmsten trifft es Christoper Pike, dessen Schicksal scheinbar besiegelt ist. Es ist ein Damokles-Schwert, das über der Hauptfigur schwebt. Folgt man der Logik der Ereignisse, dann befindet sich der Zuschauer in einem Zwiespalt: er weiß, was kommen muss, aber er weiß nicht, ob es tatsächlich geschehen wird. Boimler ist da einen Schritt weiter.

In „Those Old Scientists“ wird diese Plot-Idee für den Star Trek-gehärteten Zuschauer zu einer schrägen Erfahrung. Und die, die sich nicht auskennen, werden auch bespaßt. Auch wenn er die „Lower Decks“-Geschichten von jungen Offizieren, die niemals zur ruhmreichen Brückencrew gehören werden, nicht kennt. Eins ist auf jeden Fall klar: innerhalb des Franchise ist alles real, wenn es zum Kanon gehört. Auch Trickfiguren.

Wir sind also mittendrin in der von den Showrunnern Akiva Goldsman und Henry Alonso Myers angekündigten Crossover-Episode. Regie führte Jonathan Frakes. Geschrieben wurde die Episode von Kathryn Lyn & Bill Wolkoff. Lyn gehört zu den Producern der Serie und ist ausführender Story Editor von „Star Trek: Lower Decks“, 2x01-2x10, kennt sich also bestens aus. Volkoff schrieb die Bücher für SNW 1x03 “Ghosts of Illyria”, 1x06 “Lift Us Where Suffering Cannot Reach” und 2x09 “Subspace Rhapsody”.

Ein Traum wird wahr

Also wieder eine Zeitreise. Auch wenn diese Trope einem langsam auf den Wecker geht, muss man festhalten, dass sie diesmal die Ausgangsbedingung einer gelungenen Geschichte ist, die von Mythos und Realität, aber auch von Kreativität erzählen will. Das klappt. Auf dem Prolog folgt ein eleganter Main Title mit seinen Credits, natürlich im Stil von „Lower Decks“ animiert. Das sieht phantastisch aus. Die Story selbst beschäftigt sich mit klassischen Themen, etwa den temporalen Paradoxien, die entstehen können, wenn der durch die Zeit gereiste Boimler etwas verrät, was in der Zukunft geschieht, sich natürlich immer wieder veplappert, aber ohne wirklich handfeste Fakten auf den Tisch zu legen. Boimler selbst wird mit seinen Idolen konfrontiert, ein Traum wird wahr. Er kann es aber nicht fassen, einen lachenden Spock zu sehen. Hat er etwa den Vulkanier durch sein Erscheinen „umgedreht“? Hat der Mythos des ewigen Logikers etwa nichts mit der Realität zu tun? Una, die Numer 1, wird dagegen erfahren, dass sie in der Zukunft auch dank des Spruches „Ad Astra per Aspera“ zur Legende geworden ist und als Poster in jedem Spind hängt – als Pin-Up-Girl. Auch das ist ziemlich schräg.
Und obwohl die Crew zunächst zu dem überflüssigen Gast Abstand hält, wird die Versuchung immer größer, wenigstens Andeutungen über die eigene Zukunft von Boimler zu erhalten. Selbst Pike lässt erkennen, dass die eine oder andere Bemerkung des Zeitreisenden den Schluss zulässt, dass er seinem Schicksal doch entrinnen kann. Vielleicht oder vielleicht auch nicht…
Völlig chaotisch wird es, als die Crew einen Weg findet, um Boimler zurück in seine Zeit zu schicken. Das geht gründlich daneben. Stattdessen wird eine weitere Figur aus den „Lower Decks“ aus dem Zeitportal geschleudert: es ist die renitente Beckett Mariner, die nun auch auf der „Enterprise“ ihrem frech-aggressiven Charme freien Lauf lässt und die Crew verzweifeln lässt.

Mit Twany Newsome und Jack Quaid spielen die „Stimmen“ der Trickfiguren Mariner und Boimler in „Those Old Scientists“ auch die Realfiguren. Eine gute Idee, die jene sichtbar macht, die sonst nur als Off-Stimme wahrgenommen werden.
Nicht jedem wird diese Geschichte gefallen, auch wenn sie ein Gag-Gewitter abspult. Es wird nämlich immer deutlicher, dass sich „Strange New Worlds“ immer mehr von einer dramatischen Sci-Fi-Serie mit realistischen Storys in eine Comedy-Show verwandelt. Damit nähert sich SNW immer mehr der der ersten Staffel von „The Orville“ an – und die hat, wie man spätestens seit der dritten Staffel weiß, längst eine Vollbremsung vollzogen. Trotzdem war „Those Old Scientists“ ein gelungenes Spektakel, das von den Kritikern gefeiert wurde. Ob man derartige Überraschungen in der dritten Staffel auf ähnlichem Niveau wiederholen kann, steht allerdings in den Sternen.

Note = 1,5

 

2x08 Under the Cloak of War

Schluss mit lustig. Nach der heiteren Comedy-Show der Vorwoche wechselte SNW erneut die Tonalität. „Under the Cloak of War“ ist pures klassisches Star Trek. Genau genommen ist es Military Science-Fiction, denn in einigen Rückblenden sehen, was Christine Chapel und M’Benga im Föderal-Klingonischen Krieg 2256-2257 erleben mussten. Sie befinden sich auf dem Mond von J’Gal, auf dem einer fürchterlicher Kampf zwischen der Sternenflotte und den von General Dak’Rah angeführten Klingonen tobt. Alle zivilisatorischen Grenzen fallen endgültig, als Dak’Rah offenbar den Befehl gibt, alle zu töten, die nicht zu den klingonischen Kombattanten gehören. Doch war er es tatsächlich? Später wird sich Dak’Rah rühmen, eigenhändig seine Offiziere umgebracht zu haben, als er erfährt, dass sie Kriegsverbrechen begangen haben. Danach heißt Dak’Rah „Der Schlächter von J’Gal“.
Auf der „Enterprise“ wird Dak’Rah in der achten Episode als Friedensstifter empfangen. Er ist, so erzählt es die von Davy Perez geschriebene Episode, zur Sternenflotte übergelaufen und gilt als erfolgreicher Diplomat und Anwalt des Friedens. Für Ortega, Chapel und M’Benga eine unerhörte Provokation. Besonders M’Benga scheint vor einem körperlichen und nervlichen Zusammenbruch zu stehen.

Diplomatie oder Gerechtigkeit?

„Under the Cloak of War“ ist eine klassische Star-Episode, in der es um ethische Grenzfragen geht, die angesichts des aktuellen Ukraine-Russland-Krieges erst recht an Bedeutung gewinnen: Kann man sich mit dem Gegner arrangieren, wenn dies einen für beide Seiten annehmbaren Frieden bedeutet, oder ist die Vergeltung für begangene barbarische Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung alternativlos?
Ortega, Chapel und M’Benga sind jeder auf seine Weise zu traumatisiert, um dem „Schlächter von J’Gal“ seine Kehrtwende um 180 Grad zu glauben. Pike gibt im Sinne eines dauerhaften Friedens zwischen Menschen und Klingonen der Diplomatie den Vorrang.
In einer TNG-Episode hätte die Friedensmission am Ende gesiegt, womöglich aufgrund von schmerzhaften Kompromissen. „Under the Cloak of War“ erzählt die Geschichte – und das ist durchaus schockierend – auf andere Weise zu Ende. Obwohl Dak’Rah aus seiner Sicht alles unternimmt, um die eskalierenden emotionalen Reaktionen zu befrieden, wird er am Ende von M’Benga umgebracht. Die Tat wird von Chapel als Notwehrreaktion geschildert, was Pike die Hände bindet. Überhaupt ist Christopher Pike in dieser Episode eine Enttäuschung, denn er verhält sich unsicher und beinahe desorientiert. Wer sich an Patrick Stewarts kühle Analysen erinnert, weiß zu schätzen, was der von in TNG verkörperte Captain Picard war – nämlich alles andere als unentschlossen!

Was tatsächlich geschieht, kann der Zuschauer nicht sehen. Der Kampf zwischen Dak’Rah und M’Benga findet hinter einer Milchglasscheibe statt – alles ist denkbar. Der Zuschauer erfährt lediglich, dass M’Benga davon überzeugt ist, dass Dak’Rah den Befehl zur Ermordung unschuldiger Zivilisten gab. Und er erfährt, dass M’Benga der „Schlächter von J’Gal“ war. Der ehemalige Elite-Einzelkämpfer war es, der im Alleingang alle klingonischen Offiziere mit dem Messer umbrachte, nicht Dak’Rah.

„Under the Cloak of War“ bezieht seine Stärke daraus, dass der ethische Konflikt nicht gelöst werden kann. Es gibt kein versöhnliches de-eskalierendes Ende. Der Wunsch nach Rache und Vergeltung siegt – das blutige Finale der Episode wird aus Sicht der Kriegsveteranen folgerichtig als „Gerechtigkeit“ bezeichnet. Das ist verstörend, aber ehrlich, denn selten wurde die Traumatisierung von Menschen realistischer und brutaler erzählt als „Under the Cloak of War“.
„Cloak“ bedeutet übrigens „Umhang“, aber auch „verhüllen“. „Under the Cloak of War“ kann aber auch „im Schutz des Krieges“ bedeuten. Die unterschiedlichen Übersetzungen machen eine verbindliche Interpretation der Episode nicht leichter. Nur eins dürfte klar sein: nach dieser tiefschwarzen Geschichte dürfte es in „Strange New Worlds“ wieder einmal mit einer Mega-Portion von durchgeknallten Späßen weitergehen. So war es bislang immer.

Note = 1

 

2x09 Subspace Rhapsody

Ganz ehrlich: Ich habe diese Episode gehasst, bevor ich sie überhaupt gesehen habe. Star Trek als Musical: undenkbar. Eine tanzende und singende Crew: ein Affront für alle Star-Trek-Fans. Aber wenn man eine Review schreiben will, muss man zähneknirschend das Ganze irgendwie über sich ergehen lassen.
Das Ergebnis machte mich dann fassungslos: 60 Minuten später hatte ich eine der besten Star Trek-Episoden ever gesehen. „Subspace Rhapsody“ ist Star Trek pur. Ein flammendes Bekenntnis zu den Werten der Serie, hyper-emotional und melodramatisch, aber gerade deswegen so glaubwürdig und mitreißend. Das Ganze bereitete ein Heidenvergnügen, denn die Crew sang und tanzte überwältigend gut. Nicht ganz freiwillig.

Zur Geschichte: Die „Enterprise“ entdeckt ziemlich begeistert eine Subraum-Spalte. Das könnte ein technologischer Turnaround werden, denn in Echtzeit mit der Erde kommunizieren zu können, war ja bereits in „Star Trek: Voyager“ einer der wichtigsten aller denkbaren Träume. Nur klappt es auf der „Enterprise“ nicht mit der Übertragung. Dann hat Uhura (Celia Rose Gooding) einen unglücklichen Einfall. Sie sendet Musik in die Spalte. Ausgerechnet Cole Porters Evergreen „Anything Goes“!
Uhuras Experiment geht gründlich in die Hose, denn folgt man dem Science Bubble der Brückencrew, hat sich durch Cole Porters Song ein Unwahrscheinlichkeitsfeld (Improbability Field) geöffnet. Ein nettes Easter Egg, das – wie wir hoffentlich alle wissen – an „Per Anhalter durch die Galaxis“ erinnert.

Über die eigenen Gefühle singen - ein Alptraum?

Das Unwahrscheinliche geschieht tatsächlich, fast die gesamte Kommunikation auf der Brücke verwandelt sich in Gesang. Auch Pike ist ratlos. „Why are we singing?“, fragt er sichtlich überfordert – natürlich singend.
Das Phänomen breitet sich auf dem ganzen Schiff aus, nicht zur Freude der Betroffenen. Denn das Unwahrscheinlichkeitsfeld entwickelt psychoanalytische und therapeutische Qualitäten. Alle singen unverblümt über ihre Gefühle, besonders aber über die, von denen eigentlich niemand etwas erfahren sollte. Selbst mit dem „Heisenberg-Kompensator“ kann Spock den Gesang nicht stoppen – und fängt dann auch an zu singen.
Eigentlich ein Alptraum: Christopher Pike, der seine Beziehung zu Captain Marie Batel (Melanie Scrofano) nicht geregelt bekommt, sinkt sogar auf die Knie und gibt singend seine verborgenen Gefühle preis. Und das vor einer sichtbar erschütterten Crew. Anderen geht es nicht besser. Spock, nicht minder beziehungsgestört, muss erfahren, dass Christine Chapel nun doch ein Elite-Stipendium gewonnen hat – und singend bekennt Chapel, dass sie offenbar ohne den Vulkanier ihre Zukunft plant. Dem bleibt nur das wenig trostspendende Lied „I‘m the X“. Ganz schlimm erwischt es La’an. Für die Sicherheitsoffizierin sind die gesungenen Bekenntnisse ein Supergau, der die Sicherheit an Bord gefährdet. Privat singt sie im stillen Kämmerlein davon, dass sie in Sachen Liebe nicht ins Risiko gehen kann. Besonders schmerzhaft für sie, da sich James T. Kirk zwecks beruflicher Fortbildung auf der „Enterprise“ befindet.

Alle singen während dieser merkwürdigen Katharsis über das, was sie wirklich bewegt – und welche Träume und Wünsche sie bislang nicht ausdrücken konnten. Einige Crewmitglieder profitieren von der ‚neuen Ehrlichkeit‘, andere nur bedingt. Zu den Verlierern gehört nicht nur Spock. Auch La’an, die anmutig singend Kirk ihre wahren Gefühle gesteht. Doch der ist bereits vergeben. Der Kirk in ihrer Zeitlinie erinnert La’an zwar an ‚ihren‘ Kirk aus der alternativen Zeitlinie (Ep 3 „Tomorrow and Tomorrow and Tomorrow“), ist aber dennoch ein anderer. Das schmerzt, ist aber auch das Ende einer Illusion.

Daher ist das Singen ist alles andere als ein befreiender Trip in die Glückseligkeit. Es ist ein Zwang, den das Unwahrscheinlichkeitsfeld ausübt. Eine Manipulation, die das zerstört, was uns zu Menschen macht: die Freiheit, Intimes, aber auch Verdrängtes und Schmerzhaftes für sich behalten zu können. Daher führt die ‚Reinigung der Leidenschaften‘ in „Subspace Rhapsody“ nicht zwangsläufig zu einem Happy End. Sie ist ein pandemisches Phänomen, das der „Enterprise“-Crew zwar die Möglichkeit einer emotionalen Katharsis bietet, sich aber rasend schnell über die Subraum-Falte verbreitet und mittlerweile auch andere Schiffe erfasst. Auch die unerwartete Ehrlichkeit wünschte sich keiner, aber sie ist nun einmal da – aber wie kann man dem Spuk ein Ende bereiten?
Die Zeit drängt, denn ein Schlachtschiff der Klingonen taucht auf und will die Spalte vernichten. Denn natürlich sind die Klingonen völlig gestresst – und beschämt, denn auch sie müssen singen. Nur leider nicht ihren Schlachtgesang wie in DS9 5x21 „Soldiers of the Empire“. Leider würde die von ihnen geplante gewaltsame Vernichtung der Spalte auch alle bislang kontaminierten Schiffe zerstören. Es muss schnell gehandelt werden.

Das Musical ist Old School-Star Trek

Am Ende einer großartigen Episode rettet die Crew nicht nur die Sternenflotte und die unglücklichen Klingonen, sondern auch sich. Mit dem empathischen Song „Keep us connected“ fordert Uhura (Celia Rose Gooding erhielt 2021 einen Grammy für eine Musicalrolle) alle auf, gemeinsam und nach besten Kräften zu singen, denn wenn ein exakt berechnetes Gesangspotential (je lauter, je besser) erreicht wird, würde die Raumspalte kollabieren. Und prompt tanzen und singen alle, was das Zeug hält und zeigen in „Subspace Rhapsody“ auf völlig neue Weise, was in der Welt von Star Trek Teamwork, Zusammenhalt und Empathie bewirken können. Also Old School-Star Trek – nur halt anders. Und richtig gut singen konnten alle auch.

„Subspace Rhapsody“ zeigte – und das durchkreuzte meine Einschätzung -, dass es nicht um Persiflage, Gags und Gimmicks gehen sollte, sondern um eine Geschichte, die traditionelles Star Trek-Feeling mit radikal neuen ästhetischen Mitteln und mit enorm viel Humor erzeugen wollte. Die Prüfung wurde bestanden.

Geschrieben wurde die Episode von Dana Horgan (u.a. Co-Producer in „Once Upon a Time“, Co-Executive Producer in “Supergirl” und in bislang allen Folgen der zweiten Staffel) und Bill Wolkoff (1x03, 1x06, 2x07, 2x09). Regisseur Dermott Downs brachte die notwendige Expertise ins Produktionsteam. Downs führte in der Musical-Episode 03x17 „Duet“ Regie, der 63. Episode der Serie „The Flash“. Die Choreographie entwickelte Roberto Campanella. Die Songs wurden von Kay Hanley und Tom Polce („Letters to Cleo“) komponiert.  Hier ein Überblick:

  1. “Main Title: Subspace Rhapsody Version”: Instrumentalstück.
  2. Status Report”: Anson Mount, Babs Olusanmokun, Christina Chong, Ethan Peck, Jess Bush, Melissa Navia, Rebecca Romijn, Carol Kane, Celia Rose Gooding, Paul Wesley.
  3. “Connect To Your Truth”: Rebecca Romijn, Paul Wesley.
  4. “How Would That Feel”: Christina Chong.
  5. “Private Conversation”: Anson Mount, Melanie Scrofano.
  6. “Keeping Secrets”: Rebecca Romijn.
  7. “I’m Ready”: Jess Bush, Melissa Navia, Celia Rose Gooding, Dan Jeannotte.
  8. “I’m the X”: Ethan Peck.
  9. “Keep Us Connected”: Celia Rose Gooding.
  10. “We Are One”: die gesamte Crew.
  11. “Subspace Rhapsody Medley”: Instrumentalstück.

Das Team verwandelte einen bekannten und abgegriffenen Tropus (die gesamte Star Trek-Crew wird krank, von Aliens manipuliert oder anderweitig außer Gefecht gesetzt und kann nur durch den heroischen Einsatz eines Einzelnen gerettet werden) in eine frische, moderne und positive Version des „Workplace Dramas“ – nicht ein einsamer Kämpfer, sondern alle sind an der Rettung beteiligt, auch die Crew der Lower Decks.

SNW hat mittlerweile den Ruf, neue Maßstäbe bei der Figurenentwicklung zu setzen - „Subspace Rhapsody“ toppt das Ganze nicht nur, sondern besitzt auch die Aura, um zu einer Kultepisode zu werden. Sie funktioniert auch deshalb so ausgezeichnet, weil Humor, Dramatisches und Tragisches fein ausbalanciert wurden. Natürlich wird die Musical-Episode die Fans spalten, aber vielleicht muss das so sein. Die Kritiker sollten sich klarmachen, dass uns die Musik in einer konventionellen Episode kaum weniger triggert und ähnlich starke emotionale Reaktionen auslöst. Nur wird uns dies nur selten bewusst.
Die passenden Worte fand Maja T Mo auf trekzone.de: „Gutes “Star Trek” muss ein Wagnis sein, muss uns in jenen Grundfesten erschüttern, die es zu lockern gilt.(…) Die kühne „Subspace Rhapsody” ist sicher das größte kreative Risiko der Serie “Strange New Worlds”. Möge sie uns in Angst und Schrecken versetzen!“

Note = 1

Quellen:

Die Songs kann man sich hier anhören. Die Liedtexte gibt es hier. Eine Kurzbeschreibung der Songinhalte kann man hier abrufen.

2x10 Hegemony

Wie erwartet folgte auf viel Spaß in der letzten Folge bitterer Ernst. An „Subspace Rhapsody“ erinnerte nur noch ein flapsiger Spruch von Pike in einem Video Call mit Captain Batel: er müsse nicht mehr alle zehn Minuten singen, das sei schon ein Fortschritt. Bevor Pikes Freundin in ein launiges Beziehungsgefecht verstrickt wird, bricht die Verbindung zu Parnassus Beta ab, einem Planeten, der sich außerhalb des Föderationsgebietes befindet. Wenig später erreicht ein Hilferuf die „Enterprise“, das Team der USS Cayuga, das die von Menschen gegründeten Kolonie medizinisch unterstützten wollte, wird angegriffen. Und wenig später ist es klar: Parnassus Beta wurde von den Gorn attackiert.

„Hegemony“ ist nach ep 2x01 „The Broken Circle” und ep 2x08 “Under the Cloak of War” die dritte Folge, die zum Genre der Military Science-Fiction gehört. Dieses Genre impliziert nicht (immer) stumpfsinniges Geballere und Weltraumschlachten. „Military Science-Fiction ist keine Entschuldigung für simplifizierte Darstellungen komplexer Probleme“, stellte der SF-Autor David Drake zutreffend fest. Vereinfachungen und Klischees gibt es allerdings reichlich. „Hegemony“ gehört nicht dazu.

Manchmal sind Monster nur Monster

 Komplexe Probleme gibt es genug: Die Starfleet in Person von Admiral April will keine militärische Eskalation. Die Begründung: Die Kolonie sei kein Mitglied der Föderation. Die „Enterprise“ solle sich daher passiv verhalten. Auch weil die Gorn der Föderation eine Karte übermitteln, auf der die reptiloide Spezies die Grenzen ihres galaktischen Territoriums festgelegt hat. Zudem könne man die Gorn noch ausreichend genug einschätzen, um die Folgen eines militärischen Gegenschlags einschätzen zu können. Pike erinnert April an das, was man von diesen „Monstern“ bereits weiß, aber der Admiral wiegelt ab: dieses Wort bedeutet nur, dass man nur diejenigen als Monster bezeichnen kann, die man nicht gut genug kennt.
Das ist natürlich schlichtweg gelogen. Nicht nur aufgrund der Begegnung in 1x09 „All Those Who Wander“, sondern auch aufgrund einiger Zeugenbericht dürften alle wissen, dass die Gorn vorzugsweise Menschen essen, wenn man sie nicht als Wirte für die Gorn-Eier benötigt.
Und Pike? Der stellt lakonisch fest: „Manchmal sind Monster nur Monster.“

Dass dies nicht diskutiert wird, ist ein Fauxpas in dem ansonsten extrem spannenden Plot. Zum einen erinnert die Prämisse des Admirals an den Widerstand gegen die militärische Unterstützung der Ukraine. Zum anderen auch an die Appeasement-Politik des britischen Premierminister Neville Chamberlain, der maßgeblich daran beteiligt war, die deutsche Annektierung des Sudetenlandes vertraglich zu legitimieren. Nur ein Jahr später überfiel Hitler Polen. Das ethische und strategische Problem hätte einige zusätzliche Dialogzeilen im Script verdient.
Wer dies weiß, bekommt ein mulmiges Gefühl, denn in der von Showrunner Henry Alonso Myers geschriebenen Episode weiß man nicht so recht, ob die Starfleet-Politik eine sehr zurückhaltende historische bzw. zeitgeschichtliche Anspielung sein soll oder nur ein Drehbuchtrick, der den zu erwartenden Widerstand Christopher Pikes so schwierig wie möglich machen will.
Und natürlich stellt sich der Captain der „Enterprise“ quer, denn er will weder Batel noch Christine Chapel und erst recht nicht die Überlebenden den Gorn als Futter oder Brutbehälter für die Jungtiere überlassen. Die Sache hat nur einen Haken: Christine Chapel befand sich bereits vor dem Angriff auf der USS Cayuga, die von den Gorn fast vollständig vernichtet wurde und nun als Weltraumschrott in All treibt, ohne dass man weiß, ob es noch Überlebende in den Trümmern gibt. Kein einfaches Problem, denn die Cayuga soll zum Absturz gebracht werden, um auf Parnassus Beta die Technologie zu zerstören, mit der die Gorn die Kommunikation, die Scanner und das Transporter-System der „Enterprise“ komplett ausgeschaltet haben. Und als Spock im Raumanzug zur USS Cayuga fliegt, um das Schiff für den Absturz zu präparieren, trifft er auf dem Wrack nicht nur wütende Gorn, sondern auch Christine Chapel.

Sind die Gorn die neuen Borg?

Maja Vrvilo, die bereits in einer 1x02 „Children of the Comet” eine überzeugende Regiearbeit hinlegte, findet auch in „Hegemony“ trotz der nicht unkomplizierten Handlung ein gutes Pacing. Eine überzeugende handwerkliche Leistung, denn der Plot hätte auch mühelos ein Kinoformat gefüllt. Auch die Effekte und die Actionszenen liefern Kinoniveau und sind auch originell. Etwa wenn Ortega ein Shuttle mit dem Außenteam so fliegen muss, dass es wie im All treibender Schrott aussieht, um danach einen irren Sturzflug zur Oberfläche von Parnassus Beta einzuleiten, der einige Meter über dem Boden abrupt beendet wird. Pike und sein Team steigen kreideblich aus, während sich Ortega natürlich köstlich amüsiert hat.

Auf der Oberfläche des Planeten sieht alles nach einem Massaker aus. Junge Gorn streifen durch das Terrain, sodass die mysteriösen Anti-Gorn-Waffen zum Einsatz kommen, die von der Starfleet entwickelt wurden. Die nagelneuen Phase sind nicht die einzige Überraschung, denn Pike und sein Team treffen auf Parnassus Beta den technisch sehr kreativen Starfleet- Lieutenant Junior Grade (Martin Quinn), der nach der Zerstörung eines anderen Sternenflotten-Schiffs mit einem Shuttle vor den Gorn fliehen konnte – aufgrund einer raffinierten Technik unsichtbar für die Verfolger: „Ich kann sehr kreativ sein, wenn mich fleischfressende Eidechsen essen wollen!“ Es ist Montgomerey Scott. Damit ist der legendäre Ingenieur aus TOS im Pike-Team erfolgreich angekommen.

Sind die Gorn die neuen Borg? Ganz unbekannt ist die reptiloide Spezies nicht, aber die SNW-Gorn haben nicht viel mit dem zu tun, was in „Star Trek: Enterprise“ 4x19 „In a Mirror, Darkly, Part II“ zu sehen war. Noch weniger übrigens als in Kirks Kampf gegen einen Gorn (TOS 1x19) zu sehen war. Technologisch sind die Gorn mindestens auf Augenhöhe mit der Starfleet, eine kriegerische Alien-Rasse, die sich blitzschnell bewegt und dem Menschen auch im Nahkampf überlegen ist. Im Vergleich zu den Borg, die in TNG und später auch in VOY zu sehen waren, verblassen sie Gorn dagegen. Sie sind, wie Pike es lakonisch feststellt, einfach nur Monster. Die Borg waren monströs, aber erinnerten aufgrund ihrer Langsamkeit an die holperigen Roboter aus den Sci-Fi-Filmen der 1950er-Jahre. Wirklich erschreckend war ihre Kultur der Assimilation von kulturellen und technologischen Errungenschaften anderer Spezies. Aus Sicht der menschlichen Ethik war dies barbarisch, aber ein Blick auf die irdische Fauna zeigt, dass Schwarmintelligenzen mit einer Königin offenbar ein effektives evolutionäres Konzept sind. Es bleibt also abzuwarten, ob die Gorn etwas zu bieten haben, was mehr ist als ein Selektions-Konzept, das perfekte fleischfressende Killer erzeugt.

Am Ende von „Hegemony“ geht Pikes Strategie nicht ganz auf. Die Rettungsmission gelingt nur bedingt, ihr Preis ist hoch. Die letzte Überraschung der Episode ist jedoch die Einblendung: „…to be continued.“ Die Staffel endet also mit einem harten Cliffhanger, aber es ist kein sonderlich gelungener. Zwar steckt Captain Pike am Ende ganz schön in der Klemme: Soll er Teile seiner Crew opfern oder nicht? Aber da bekannt ist, dass alle wichtigen Figuren bereits für die dritte Staffel gecastet wurden, dürfte klar sein, dass Pike das Richtige tun wird.

Streik und Streaming War

Besonders enttäuschend ist der Cliffhanger, weil die Folgen heftig sind. Es kann in den USA gegenwärtig werden geschrieben noch gedreht werden. Der Autoren- und Schauspielstreik konnte bislang nicht beendet werden – und die Mitglieder der SAG-AFTRA (Screen Actors Guild – American Federation of Television and Radio Artists) sind verpflichtet, am Streik teilzunehmen. Die Arbeitsbedingungen der Medienschaffenden wurden zuletzt 2007 verhandelt. Für das Streaming-Zeitalter gibt es keine neuen Konditionen.
Der Kampf der
Screen Actors Guild kann lange dauern, denn der Streaming War hat dazu geführt, dass die großen Anbieter herbe Verluste einfahren und sparen müssen. Entlassungen, preiswertere Eigenproduktionen und werbefinanziertes Streaming gehören zu den Konsequenzen.
Zudem schweben Neue Technologien wie ein Damoklesschwert über den Künstlern. Die großen Konzerne wollen sich die Rechte auf digitale Abbilder auf „ewig“ sicher. Und das bedeutet, dass man mit digitalen Darstellern produzieren kann, die von ihren menschlichen Alter Egos nicht zu unterscheiden sind. Und dass eine KI demnächst Drehbücher schreiben wird, ist nur eine Frage der Zeit. Der Streik ist daher folgerichtig, auch wenn die Fans sauer sind.

Das bedeutet, dass für die meisten Serien – auch für „Strange New Worlds“ – eine Fortsetzung vor dem Dezember 2024 nicht mehr denkbar ist. Und selbst das ist eine optimistische Einschätzung. Realistischere Prognosen gehen davon aus, dass wir erst Mitte 2025 erfahren werden, was auf der „Enterprise“ passieren wird.

Note: 2

 

Fazit

Zunächst die gute Nachricht: “Star Trek: Strange New Worlds” hat die Tonalität der ersten Staffel sehr kreativ und variantenreich weiterentwickelt. Völlig verkorkste Episoden gab in der 2. Season nicht. Die Macher scheuten zudem kein Risiko, investierten eine Menge in genreübergreifende Elemente und realisierten eine der spannendsten TV-Shows seit langem. Im Star Trek-Kosmos ließ SNW mit leichter Hand „Picard“ (was nicht schwer war) und DSC hinter sich. Geht den Machern nicht die Luft aus, wird SNW in einigen Jahren zu den Top 3 im Ranking aller Star Trek-Shows gehören.

Kreativ, aber nicht risikofrei ist der mäandernde Plot-Stil, der konservativen Trekkies keine erzählerische Kontinuität bietet, sondern mit vielen Genres experimentiert. Aber Kontinuität gab es auch früher nicht. Und wer permanent nach Drama und Space Adventures verlangt, hat die ulkigen Episoden vergessen, die es in fast jeder Star Trek-Show gab. Einige waren schrecklich.
Auf deren Niveau sinkt SNW nie ab, auch nicht, wenn einige Episoden besonders in der ersten Staffel doch wohl Unglücksfälle waren. Früher nahm man so etwas in einer Season mit mehr als 20 Episoden achselzuckend zur Kenntnis. Heute fällt ein Ausreißer mehr auf, auch weil die Kommentare und Rezensionen im Web epische Ausmaße angenommen haben. Aber das eigentliche Risiko des kreativen Experimentierens ist einfach zu beschreiben: man muss auch in der dritten Staffel das Niveau halten – eine echte Herausforderung.

Notenspiegel

 

Brillante Show ist, die enorm viel Spaß macht

 Jeder Rezensent ist auch Konsument. Als jahrzehntelanger Star Trek-Fan habe ich einiges erlebt. Etwa, dass man froh sein konnte, dass es so etwas wie „Star Trek: The Original Series“ überhaupt gab. Dass die Serie damals lausig synchronisiert war, konnte man nicht erkennen. Bücher oder Artikel? Fehlanzeige. Trekkies und die Kanon-Debatten erreichten uns nicht. Und als „The Next Generation“ über die Mattscheiben flimmerte, ignorierte ich als eingefleischter TOS-Fan die neue Serie jahrelang. Als ich sie „entdeckte“, war ich konsterniert, denn TNG legte die Latte ein Stück höher. In den Folgejahren kam Star Trek auch ins Kino, aber mit den meisten Filmen lag ich moderat im Clinch.

Was ich damit sagen will, ist eigentlich ganz einfach: Jüngere Star Trek-Fans wissen vermutlich nicht, in welchem Schlaraffenland sie unterwegs sind. Handwerklich erreichen die neuen Shows durchgehend Kinoformat, erzähltechnisch sind sie nicht immer kohärent. Aber das kann nicht den gewaltigen Erfolg der Serie gefährden. „Strange New Worlds“ wird unisono so enthusiastisch gefeiert, als wäre Star Trek gerade erfunden worden. Das lässt im Rückblick die anderen Shows ziemlich alt aussehen.

Aber „Discovery“ und selbst „Picard“ sind nicht so schlecht, dass man einen großen Bogen um sie machen muss. Man schaut sich halt alles an und ärgert sich manchmal, gelegentlich auch häufiger. Aber bewertet man alles, was man in 50 Jahren zu sehen bekam, kann man feststellen, dass „Strange New Worlds“ eine brillante Show ist, die enorm viel Spaß macht und mit ihren besten Episoden den Spirit von Star Trek ziemlich souverän in die Gegenwart geholt hat. Persönlich bin ich dafür sehr dankbar. Live long and prosper.

Weitere Rezensionen:

  • Star Trek: Strange New Worlds – Season 2 - Wie sich eine Serie neu erfindet (Teil 1)
  • Star Trek: Strange New Worlds – Season 2 - Wie sich eine Serie neu erfindet (Teil 2)

 

„Star Trek: Strange New Worlds“ – USA 2023 – Anbieter: Paramount+ - Autoren: Akiva Goldsman, Alex Kurtzman, Jenny Lumet, Henry Alonso Myers, Sarah Tarkoff, Akela Cooper, Bill Wolkoff – Regie: Akiva Goldsman, Maja Vrvilo, Leslie Hope – D.: Anson Mount, Ethan Peck, Rebecca Romijn, Christina Chong, Babs Olusanmokun, Jess Bush, Carol Kane, Yetide Badaki, Paul Wesley, Mia Kirshner, Martin Quinn u.a.