Mittwoch, 28. Februar 2024

Foundation – ein Rückblick

68 Mio. US-Dollar standen Davis S. Goyer und Josh Friedman für die erste Staffel als Budget zur Verfügung. Im Vergleich mit anderen Serien ist das beinahe sparsam, erst recht, wenn man einen Roman seriell verfilmen will, der seit über 70 Jahren das Siegel „Unverfilmbar“ trägt.
Am Ende hat Apple TV ein Premium-Produkt erhalten, das den Ruf des Streamingsportals aufmöbelt: Apple TV ist das neue HBO: risikofreudig, innovativ und beharrlich. Die Verfilmung der „Foundation“-Trilogie von Isaac Asimov ist eine pralle und visuell überragende Erzählung geworden, die über weite Strecken neue Maßstäbe im Science-Fiction-Genre setzt, auch wenn nicht alles immerzu rund läuft. Die Puristen werden abwinken, denn von Asimovs legendären Romanen ist in der Serie nur wenig übriggeblieben. Wer unbefangen bleibt, wird durch zahlreiche Überraschungen belohnt, und mit intelligenten Kommentaren, die alles andere als eskapistisch sind. Die dritte Staffel von „Foundation“ ist bereits in Arbeit.

Brutale Macht versus Wissenschaft

Anfang der 1950er-Jahre schrieb der später weltberühmt gewordene SF-Autor Isaac Asimov einige Kurzgeschichten, die er in einer Trilogie neu arrangierte und damit ein Epos verfasste, das die folgenden Dekaden prägen sollten. Es war die Geschichte über Aufstieg und Fall eines galaktischen Imperiums, das auf dem Höhepunkt seines Niedergangs immer noch glaubte, gerade den Zenit seiner Macht erreicht zu haben.

In der von Apple TV produzierten Serie „Foundation“ sieht man die arrogante Fehlinterpretation der Realität, als der von Lee Pace gespielte „Bruder Tag“ (Day), der „Imperiale“ und Herrscher über große Teile der Galaxis, in der letzten Folge der Staffel („Creation Myths“) mit großem Vergnügen der Zerstörung des Planeten Terminus zuschaut. Da fällt einem sofort der römische Kaiser Nero ein, der angeblich Rom in Brand setzte und genüsslich zuschaute, wie Tausende verbrannten. „Tag“ erlebt sich als unbezwingbar und will zu anderen Sternensystemen aufbrechen, um auch alle anderen Planeten zu vernichten, die dem Imperium Widerstand leisten. Wenige Minuten später ist seine Kriegsflotte vernichtet und der Imperiale treibt tot im All. Der Widerstand gegen den Terror hatte sich bereits wie ein Krebs im Inneren des Systems ausgebreitet.

Minuziös errechnet und vorhergesagt hatte der Psychohistoriker Hari Seldon die Implosion eines Reiches, das Jahrtausende von Jahren uneingeschränkt herrschte. In Asimovs Trilogie verschwindet Seldon rasch aus der Handlung, aber seine auf Mathematik basierende Futurologie war in der Lage, in großen Linien die Zukunft der Galaxis vorherzusagen. Dazu gehörte die Prognose, dass dem Zerfall des Imperiums 30.000 Jahre der Barbarei folgen würden. Mit der Gründung einer Foundation auf dem weit entfernten Planeten Terminus, sozusagen der wissenschaftliche Gegenentwurf zum Imperium, könne man, so Seldon, nicht nur mit einer galaktischen Enzyklopädie das Wissen der Menschheit bewahren, sondern den unheilvollen Prozess auf ein Jahrtausend verkürzen. Ein Prozess, der allerdings immer wieder von Krisen durchbrochen wird. Die sogenannte Seldon-Crisis ist in seinen Berechnungen ein potentieller Wendepunkt, der das Projekt der Foundation gefährden könnte.

In der Apple-Serie wird Hari Seldon vom großartigen Jared Harris gespielt (wie erinnern uns gerne an seine exzellente Performance in „Chernobyl“, 2019). Natürlich lässt man so eine Figur nicht früh sterben. David S. Goyer und Josh Friedman, die Showrunner der Serie, gingen sogar einen Schritt weiter. In ihrer Adaption von Asimovs Trilogie lässt sich Seldon töten, um einen Mythos zu schaffen. Aber sein Bewusstsein und seine Erinnerungen werden zuvor gespeichert. Und so tauchen in den beiden ersten Staffeln von „Foundation“ sogar zwei Hari Seldons als holografische Figuren auf – eine davon wird sogar wieder ihren biologischen Körper erhalten. Denn Seldon wusste, dass er noch gebraucht wird. Auch weil er berechnet hatte, dass die Gründung einer zweiten Foundation eine historisch zwingende Ressource ist, um die großen Linien der Geschichte in die richtige Bahn zu lenken.

Mit Asimovs Roman hat die Serie nur wenig zu tun

In zwei Staffeln mit insgesamt 20 zum Teil einstündigen Episoden erzählen Goyer und Friedman diese monumentale Geschichte in epischen Bildern, die einen Vergleich mit „Dune“ und „The Creator“ locker aushalten. Die grandiosen Bilder und die kinoreifen Effekte haben die Serie zu einem Geheimtipp für alle gemacht, die (noch) in Sachen Streaming überwiegend bei Amazon, Netflix, Disney+ und Co. unterwegs sind. Euphorische Kritiker feiern die Serie sogar als medienübergreifende Saga, die alles in den Schatten stellt, was bisher in der Science-Fiction geschrieben, gefilmt oder sonst wie erzählt wurde. Der Look kann aber eine schlechte Geschichte nicht retten, auch wenn er den Zuschauer bei Laune hält.

Die ersten beiden Staffeln von „Foundation“ sind alles andere als schlecht, können aber nicht immer restlos überzeugen. Kein Kritikpunkt ist, dass die Serie „Foundation“ mit der Roman-Trilogie nur wenig zu tun hat. Das war auch nicht zu erwarten, denn Asimovs Trilogie besteht aus einer Abfolge von losen Geschichten, die gelegentlich durch Jahrzehnte oder Jahrhunderte voneinander getrennt werden. Asimovs Figuren haben eine kurze Halbwertzeit und sind am Ende eines Kapitels meistens verschwunden. Eine Serie kann man so nicht erzählen, da die meisten Zuschauer zu Recht eine gewisse Kontinuität bei den Figuren erwarten.

Offen gestanden hat mich Asimovs Erzählstil vielleicht auch wegen der fehlenden Erzählkontinuität nie restlos überzeugt. Wenn man aber die Geschichte eines Jahrtausends erzählen will, gibt es ohne billige Tricks wohl keine Alternative. Immerhin entwickelte Asimov kongenial die Grundlagen für die meisten dystopischen Innovationen des Genres. Und das bis heute. Ohne Asimov wäre „Star Wars“ undenkbar. Und trotz einiger Kritikpunkte ist die Foundation-Trilogie auch heute noch besser als das von George Lucas entwickelte galaktische Heldenepos. Und das auch, weil Asimov sehr schlau beschrieb, dass selbst die wissenschaftlich grundierte Foundation gefährlichen Transformationen unterworfen wird, die ins Irrationale führen.
Es ist der Serie anzurechnen, dass dieser Aspekt erwähnt wird. Im ersten Roman (1951) entwickelt sich die Foundation unter ihrem Anführer Salvor Hardin in eine Pseudo-Wissenschaftsreligion, ein Trick des Anführers, um größeren Einfluss auf die Nachbarplaneten von Terminus zu erlangen. Abgelöst wurde Hardin durch den Meisterhändler Hober Mallow, der erkannte, dass die Foundation weder durch einen Wissenschaftskult noch durch militärische Gewalt ihren Einfluss vergrößern könne. Geschickte wirtschaftliche Abkommen und technologische Führerschaft seien effektiver, so Mallow. Das war prophetisch, auch in Hinblick auf die politischen Akteure in unserer eigenen Realität. 
In der Serie wird Mallow als Schlüsselfigur dagegen den militärischen Untergang des Imperiums einleiten. Zu den Logiklöchern der Serie gehört, dass Seldon, der Einzelschicksale und ihre Bedeutung für die Geschichte nicht berechnen kann, dennoch vehement die Foundation zu einer Kontaktaufnahme mit Mallow pusht.

Wirklich schlimm ist das nicht. Beim Cast sieht es etwas anders aus. Zwar tauchen einige wichtige Romanfiguren auf, andere Hauptfiguren wurden gestrichen und leider auch eine Reihe von Figuren mitsamt ausufernden Nebenhandlungen erfunden. Andere wurden (man hat sich mittlerweile schon daran gewöhnt) divers umgeschrieben. Aus Salvor Hardin, dem legendären Bürgermeister von Terminus, wurde eine junge Frau mit außerordentlichen mentalen Fähigkeiten. Leah Harvey spielt dies beeindruckend gut. Aus dem jungen Mathematiker Gaal Dornick, der im Roman nur im Prolog eine Rolle spielt, wurde die von Lou Liobell gespielte Assistentin von Hari Seldon. Gleichzeitig ist sie die Mutter von Salvor und deutlich jünger als ihre Tochter. Der Erzählkniff gelang nur, weil Gaal drei Jahrzehnte in einer Kryonik-Einheit schlafend durchs All trieb.

Natürlich sind solche Arrangements nötig, um die Figuren zusammenzuführen, die im Tiefschlaf einige Jahrhunderte verbringen, um rechtzeitig vor der nächsten Seldon-Krise eingreifen zu können. Binnenplots sind für das Identifikationspotential einer ziemlich komplexen Erzählung erforderlich, um Emotionalität herzustellen, etwa den heftigen Vater-Tochter-Konflikt zwischen Seldon und Gaal, aber auch die gelegentlich etwas strange Beziehung zwischen Salvor und Gaal als fragil zu zeichnen. Etwas unkomplizierter zu erzählen hätte der Serie dabei trotzdem gutgetan, denn mit einem doppelten Seldon fremdelt man dann doch nach einer gewissen Zeit.

Sehr unglücklich ist die Auseinandersetzung zwischen Gaal, Salvor und Hari und der Anführerin einer Gruppe von Mentalisten, die große Teile der Handlung ab Episode 5 für sich beanspruchte. Und zwar bis zum Schluss. Wirklich schlüssig war das nicht, es sei denn, dass die von David S. Goyer entwickelte Story mit ihren Fake Deaths, den Scharaden und Illusionen dafür sorgen wollte, dass dem Zuschauer der Boden unter den Füßen weggezogen werden sollte. Dafür wurden am Fließband Handlungsvolten präsentiert, bis man beim Zuschauen nicht mehr zwischen der Realität und den mentalen Tricks der Community um die verschlagene Mentalistin Tellem Bond (Rachel House) unterscheiden konnte. Überflüssig.

Die Herrscher sind machtlos

Der Blick ins Innenleben des Imperiums spielt in Asimovs Trilogie keine entscheidende Rolle. In der Serie wird der kaiserliche Palast auf Trantor zu einem wichtigen Bestandteil des Narrativs. Dazu hatten sich die Showrunner eine auf Klonen basierende imperiale Kultur ausgedacht, in der es simultan drei Varianten des Kaisers Cleon gibt: „Bruder Morgen“ („Dawn“), den jüngsten Klon (Cassian Bilton); „Bruder Tag“ (den mächtigsten des Trios) und „Bruder Dämmerung“ („Dusk“), gespielt von Terrence Mann. Wenn ein Wechsel der Positionen erforderlich wird, richtet man den jeweiligen „Bruder Dämmerung“ rituell hin, um Platz für die Nachrücker zu schaffen. Lee Pace spielt die zynische Brutalität und die meistens geheuchelte Empathie von „Tag“ absolut überwältigend und provoziert den paradoxen Effekt, dass man einen Schurken widerwillig irgendwie sympathisch findet.

Allerdings ist das brüderliche Trio ein Gefangener des eigenen Systems. Die gnadenlose Kultur des Imperiums konterkariert die Bedeutung der Figuren allein schon dadurch, dass jeder Cleon jederzeit durch andere Klone ersetzt werden kann. Das ist eine durchaus spannende Idee. Immerhin gibt die Enthüllung, dass die geklonten Herrscher der Galaxis im eigentlichen Sinne keine Freiheit besitzen, viel Spielraum für ein sehr intelligente Kritik an der systemischen Determinierung absoluter Herrscher. Sie müssen wie in der Netflix-Serie „The Crown“ extrem restriktiven Regeln gehorchen.

Bei deren Durchsetzung dieser Regeln spielt ausgerechnet der letzte Roboter des Imperiums die wichtigste Rolle: es ist Eto Demerzel, der weibliche Majordomus des kaiserlichen Trios und die einzige Überlebende der über 10.000 Jahre zurückliegenden Roboterkriege. Laura Birn spielt die Zerrissenheit der KI brillant. Demerzel ist empathisch und sehr emotional, gehorcht aber auch gegen ihre Zweifel, ihren Willen und ihre Gefühle nur ihrer Programmierung. Und die verlangt die unbedingte Loyalität gegenüber dem Imperium, nicht aber dessen Herrschern. Demerzel ist ein Todesengel, der sich tränenreich entschuldigt, bevor sie ihre Opfer liquidiert. Und genau genommen ist damit ein Roboter der eigentliche Herrscher über die Galaxis – intelligent, analytisch, aber ohne freien Willen. Auch hier punktet die Serie mit einigen ziemlich spannenden Dialogen.

Herrscher, die machtlos sind, es aber nicht wissen, sind Clowns. Oder sie scheitern. In den letzten Folgen der zweiten Staffel wagt „Bruder Tag“ den ultimativen Ausbruch aus dem Korsett. Er will heiraten und die neue Dynastie auf der Grundlage von biologisch authentischen Nachfolgern errichten. Diese Variante der Cleons hat den Ehrgeiz, Seldons Theorien zu widerlegen und die Wandlungsfähigkeit des Imperiums zu beweisen. Am Ende ist Cleons Flotte zerstört, zwei Klone sind tot, der Jüngste ist auf der Flucht und Demerzel öffnet die Stasis-Kammern und lässt drei neue Brüder wie Zombies in ihr bis in die Nuance vorbestimmtes Schicksal schlurfen. Selten wurde ein menschenverachtendes System dermaßen dekonstruiert wie in „Foundation“. Vergleichbares kennt man nur aus „Game of Thrones“.

Nonsens gibt es so gut wie nie

Unterm Strich ist „Foundation“ eine Serie mit vielen Stärken, aber auch unübersehbaren Schwachpunkten. Man schaut gerne zu, wenn sich bizarre vierdimensionale Welten im Primären Radianten öffnen, ohne wirklich zu verstehen, was dieser Zauberwürfel bedeutet. Man arrangiert sich mit verschiedenen Versionen einer Figur, obwohl alle Instinkte dagegen rebellieren. Man akzeptiert, dass die Handlung es gelegentlich mit ihren Rätseln und den vielen Erklärlücken übertreibt. Und man weiß, dass „Foundation“ auch nach zwei Staffeln nicht alles in den Boden stampfen wird, was das Etikett „Science-Fiction“ trägt.
Es gibt Ideen, deren Originalität man nicht auf Anhieb erkennt, weil sie sich langsam entwickeln und erst kurz vor Schluss ihre Bedeutung erkennen lassen. Und es gibt in der Apple-Serie einiges, was man hätte streichen können – aber Nonsens gibt es so gut wie nie.

„So schön, durchdacht und gekonnt wurde in letzter Zeit selten das Eskapistische mit dem Fantastischen und dem Politischen vermischt“, schrieb Nicolas Freund in der Süddeutschen Zeitung. Und tatsächlich ist das Politische nicht weit und drängt einem beim Zuschauen quasi metaphorisch Vergleiche mit unserer eigentlichen Realität auf. Eben auch mit den totalitären und autokratischen Herrschern und ihren Träumen von einem Imperium. Und ihrer absoluten Überzeugung vom Nicht-Scheitern-Können.

Fatal ist nur, dass wir keinen Hari Seldon haben, der uns wenigstens in groben Zügen erklärt, was uns in den nächsten hundert Jahren politisch blüht. Den Hari Seldons, die uns mit hoher Präzision erklären, wie der Klimawandel stattfinden wird und was aus unserer Gier nach dem Plündern aller Ressourcen entspringt, diesen Seldons hören viele von uns nicht zu. Und ganz ehrlich: Ich möchte auch nicht in einer Kryonik-Einheit schlafend ein paar hundert Jahre verstreichen lassen, um nachzuschauen, was passiert ist. Ich könnte nämlich nach meinem Erwachen einer Horde von Leuten gegenüberzustehen, die Felle tragen, Knüppel in der Hand schwingen und sich mit Grunzlauten verständigen.

Note = BigDoc = 1,5

Foundation (Staffel 1 und 2) – Apple TV – 20 Episoden (2021-2023) – basierend auf den Romanen “Foundation” (1951), “Foundation and Empire” (1952) und “Second Foundation” (1953) von Isaac Asimov - Showrunner: David S. Goyer, Josh Friedman - Jared Harris, Lee Pace, Lou Llobell, Leah Harvey, Laura Birn, Cassian Bilton, Terrence Mann, Isabella Laughland, Kulvinder Ghir, Ella-Rae Smith, Holt McCallany, Rachel House, Nimrat Kaur, Ben Daniels, Dimitri Leonidas.