Sonntag, 10. Juni 2007

Spider-Man 3

USA 2007. R: Sam Raimi. B: Stan Lee, Steve Ditko (nach dem Marvel Comic). P: Laura Ziskin, Avi Arad, Grant Curtis. K: Bill Pope. Sch: Bob Murawski. M: Christopher Young. T: Oscar Mitt. A: J. Michael Riva, Neil Spisak, David Swayze. Ko: Katina Le Kerr, James Acheson. Animation: Scott Fritts, Keith Paciello. Sp: J.C. Brotherhood, Daniel P. Rosen, Matt McDonald. Pg: Columbia/Marvel Enterprises. V: Sony. Länge: 139 Min. FSK: ab 12. D: Tobey Maguire (Peter Parker/Spider-Man), Kirsten Dunst (Mary Jane Watson), James Franco (Harry Osborn), Thomas Haden Church (Flint Marko), Topher Grace (Eddie Brock), Rosemary Harris (May Parker).

Es gibt weit über 200 Comicverfilmungen in der Geschichte des Kinos, dabei sind jene, die sich um Superhelden wie Batman oder Superman drehen, in der Minderzahl. Wer weiß schon, dass Sam Mendes´ „Road of Perdition“ auf einem Comic basiert? Gegenwärtig ist es Spider-Man, der sich in einem äußerst erfolgreichen Sequel um die Häuserblöcke schwingt – und der damit droht, erwachsen zu werden. Ein Problem?

Als Kind habe ich gerne die Comics des Walter Lehning-Verlags gelesen: Piccolo-Hefte wie „Akim, der Sohn des Dschungels“ kosteten nur 20 Pfennig und waren preiswertes „Kopfkino“. Als Kind erfuhr ich nichts über die Probleme des Verlags mit der Bundesprüfstelle, natürlich erschienen mir die Geschichten auch nicht als zu gewalttätig. Nur einmal musste ich stutzen, nämlich als Akim einen Bösewicht stellte und ihm den Satz „Nun weiß ich, wes Geistes Kind du bist!“ entgegenschleuderte. Das war Erwachsenensprache, die ich nicht verstand: welcher Geist hatte ein Kind und warum war dies ausgerechnet der verhasste Bösewicht?
Der Einbruch des Erwachsenenjargons in die kindgerechte Welt des Comics war eine Grenzüberschreitung und eine Herausforderung, die ich auch nach Jahrzehnten nicht vergaß. Erst später, als ich mit „richtiger“ Literatur in Berührung kam, erarbeitete ich mir diesen Jargon und der Reiz der Comics war dahin. Ein wenig Freude an meinen infantilen Erinnerungen konnten allerdings die Spider-Man-Filme auslösen und – um es vorwegzunehmen – auch Sam Raimis drittem Teil ist dies gelungen!

In Spider-Man 3 hat es Peter Parker geschafft: er liebt seine Mary Jane und liegt mit ihr im kuscheligen Spinnennetz - und er ist erfolgreich als Superheld. Sam Raimi erzählt also eine Geschichte, die sonst nie im Kino zu sehen ist: Wie geht es eigentlich nach dem Happy-End weiter? Das trägt natürlich keinen Film über volle zwei Stunden und so tauchen Konflikte und mächtige Gegenspieler auf, die Spider-Mans Welt gefährden und zuletzt auch ihn selbst. Da ist sein alter Widersacher Harry Osborn, der den Tod seines Vaters rächen will, da ist der „Sandman“, ein entflohener Verbrecher, der durch ein geheimnisvolles Experiment genetisch so verändert wird, das er willkürlich unterschiedliche Formen annehmen kann, aber letztlich ist dies alles auf Sand gebaut. Ganz übel wird es allerdings, als Peter von einer schwarzen extra-terrestrischen Masse angefallen wird, die tief in seine Psyche eindringt und aus dem biederen Jungen und oft leicht tumben Moralisten einen lasziven, leicht zynischen und sexuell ambivalenten Mann macht (was Toby Maguire sichtlich Spaß gemacht hat).
Das war witzig, leicht ironisch und mit tollen Effekten garniert. Ein pures Kinovergnügen, absolut nicht un-intelligent, nur etwas angestrengt zum Ende hin, als es wieder etwas moralischer wurde.

Spider-Man 3 hat dagegen in den Köpfen anderer Kritiker Probleme ausgelöst. Während der brillant inszenierte erste Teil in psychologischer Hinsicht noch mit einer straighten Pfadfinder-Mentalität auskam, taucht im dritten Teil die (hetero) -sexuelle Konnotation von „straight“ auf, dazu aber auch Themen wie Rache, Aggression und Narzissmus, die man im weitesten Sinne auch als Ingredienzien männlicher Sexualität interpretieren kann. Was durchaus gekonnt und sehr spielerisch von Raimi inszeniert wurde.

Paradoxerweise schlugen sich einige Kritiker auf die Seite der „erwachsenen“ Perspektive, so als wäre die Comicverfilmung mit der Adaption dieser Themen schlichtweg überfordert. Schöner Witz: während der erste Teil noch voller Anerkennung „kindgerecht“ rezipiert wurde, löste ausgerechnet ein Sequel, das exakt dieses Rezeptionsproblem auch zum Problem seiner Figuren machte, bei der schreibenden Zunft eher Unwillen aus. Die ZEIT formulierte dies witzig: „Das Einzige, was den Superhelden umbringen könnte, wäre eine Überdosis Psychologie… Darin liegt die Gefahr einer Überintellektualisierung.“

Persönlich fand ich diese Sorge eher erstaunlich, denn wohl kaum einer der besorgten Kritiker hat sich wohl jemals über unsägliche Comicverfilmungen wie „Spawn“ geärgert, die zu Recht in den Tiefen des B-Picture-Universums verschwunden sind – erst wenn der Held erwachsen wird und das Kino die Schlichheit des Comics anders konnotiert, hört der Spaß offenbar auf. So schreibt der FILM-Dienst staubtrocken: „...erreicht das explosive Vexierspiel mit der Comicwelt nicht das Niveau des Vorgängers. Die Komplexität der Handlungsstränge mutet teilweise beliebig an. Humorvolle, tragische, komödiantische und action-betonte Sequenzen erscheinen als eigenständige Vignetten, deren Bezüge im großen Spider-Man-Universum eher lose sind. Diese Logik der Fortsetzungsstories im Medium Comic erweist sich im abendfüllenden Spielfilm als unbefriedigend.“
Ins komplette Gegenteil verkehrt, würde dieses Kritikerwort in etwa dem entsprechen, was ich im Kino erlebt habe. Womit endgültig feststeht, wes Geistes Kind ich bin.

Im Filmclub erhielt Spider-Man (fast) Bestnoten. Melonie: 2, Klawer: 2, BigDoc: 1