Mittwoch, 31. März 2010

The Book of Eli

USA 2010 - Regie: Albert Hughes, Allen Hughes - Darsteller: Denzel Washington, Gary Oldman, Mila Kunis, Jennifer Beals, Ray Stevenson, Tom Waits, Malcolm McDowell, Michael Gambon, Frances de la Tour, Joe Pingue - FSK: ab 16 - Länge: 118 min.

Synopsis:
Im Jahre 2044 wissen nur noch die Wenigsten, was ein Fernseher einst war und die Kulturtechnik des Lesens ist ein Privileg weniger geworden. Eine religiös motivierte Nuklearkatastrophe hat die Vereinigten Staaten in eine barbarische post-apokalyptische Landschaft verwandelt, in der die letzten Kulturgüter weniger Bedeutung haben als ein Schluck Wasser. Diese Landschaft durchmisst ein einsamer Wanderer: Eli (Denzel Washington), der ein geheimnisvolles Buch mit sich führt. Ein Mann mit einer Mission. Auf dem Weg nach Westen muss er sich mit marodierenden Banden, Vergewaltigern und Plünderern auseinandersetzen, bis er in einer Kleinstadt auf den Despoten Carnegie (Gary Oldman) trifft, der seit vielen Jahren nach einem bestimmten Buch sucht, das ihm eine neue Herrschaftsideologie zur Verfügung stellen soll. Als herausfindet, dass Eli das letzte Exemplar dieses Buches besitzt, beginnt ein Kampf auf Leben und Tode.

Kommentar:
Die Brüder Allen und Albert Hughes haben bereits mit dem gefloppten Ripper-Movie From Hell gezeigt, dass sie ein Gespür für expressive Bildästhetik, Ambiente und Bildsprache besitzen. In The Book of Eli hatten sie es bedeutend schwerer, diese Qualitäten auszuspielen, da die Endzeit-Thriller von Mad Max über Postman bis Waterworld die ästhetischen Bausteine der Post-Apocalypse bereits durchdekliniert haben. Auch die narrativen Eigenschaften des Films sind nicht sonderlich bemüht: der missionarische Eifer Elis erinnert an Kevin Costners Postman, nur fällt er nicht ganz so pathetisch aus. Das Rollenschema Elis ist dagegen ganz den Omnipotenz-Fantasien des Italo-Western angepasst: ein kampftechnisch perfekter, gnadenloser und überlegener Einzelgänger erleidet auf dem Höhepunkt der Handlung eine Niederlage, wird außer Gefecht gesetzt und kehrt schlussendlich dramatisch zurück. Auch diese Muster sind bekannt, nur dass sich in The Book of Eli der finale Plot-Twist in einer Gewaltorgie entlädt, an der der Held nicht mehr unmittelbar beteiligt ist.
Interessanter als das Genre-Patchwork ist da schon die Suche der Hughes-Brüder nach einer Aussage, denn das geheimnisvolle Buch, das Eli mit sich führt, ist nichts anderes als die Bibel, die den zivilisatorischen Verfall der Gesellschaft rückgängig machen soll. Carnegie ahnt, dass Menschen, die dem Kannibalismus und zynischer Gewalt frönen, eine mythologische Orientierung benötigen, nur dass Carnegie sie nutzen will, um seine Macht auszubauen. Eli dagegen will das Wort Gottes einer zivilisatorisch intakten Gemeinde auf der Gefängnisinsel Alcatraz überlassen, weil dort gut funktionierende Buchpressen für ein Revival der guten, alten amerikanischen Wertegesellschaft sorgen sollen.
Das ist ein recht dünner Faden, der die Geschichte zusammenhalten soll und auch die Überraschung, die den Zuschauer am Ende erwartet, kann nicht recht begeistern. Deutlich spannender wäre es gewesen, den Urgrund des nuklearen Infernos auszuspinnen oder zu ergründen, warum Endzeit-Visionen immer wieder eine fast schon pathologische Angst vor dem Zusammenbrechen der elementarsten Regeln des Zusammenlebens heraufbeschwören. Wenn Eli am Ende die Worte der Genesis (warum eigentlich nicht das Neue Testament?) aus dem Gedächtnis rezitiert, als wären sie die Welterklärungsformel schlechthin, provoziert der Film sogar Unbehagen und den Verdacht, dass fundamentalistische Basics unbefragt als Heilsmittel präsentiert werden sollen.
The Book of Eli geizt nicht schauspielerischer Präsenz, obwohl Denzel Washington ein wenig an Man on Fire erinnert und Gary Oldman eine weitere Variante des vom Wahnsinn angekränkelten Bösewichts präsentiert, aber die Dialoge zwischen Gut und Böse bleiben seltsam unausgereizt, sodass man von einer verpassten Chance ausgehen muss. Da war der übel beleumundete Postman deutlich differenzierter.

Pressespiegel:
Margrit Köhler schreibt in BR-online: „Wer Action liebt, kommt hier auf seine Kosten, genauso aber auch der Cinephile: Er darf sich an dem mit Andeutungen und Zitaten gespickten Werk erfreuen. So ragt "The Book of Eli" mit seiner mythischen Kampfansage an Entmenschlichung und seinen christlichen Symbolismen aus den üblichen Weltuntergangsszenarien à la Roland Emmerich heraus. Trotz Sieg der Ethik harte Kost.“
Robert Zimmermann stellt auf Critic.de fest: „The Book Of Eli ist weder Literatur- noch Comicverfilmung, auch wenn die Handlung und die Figurenzeichnung letzteres vermuten lassen. Das Erstlingswerk von Drehbuchautor Gary Whitta reiht Gleichnisse und Symbolismen mit solchem Eifer aneinander, als gelte es eine weitere Bibelgeschichte mit massentauglicher Low-Level-Chiffre zu schaffen.“
Matthias Wannhoff schreibt auf Schnitt.de: „Natürlich begnügt sich The Book of Eli nicht damit, ein kulturwissenschaftliches Fass nach dem anderen aufzumachen. So gehören die gnadenlos überzeichneten Kampfszenen, deren Irrsinn am Ende auch noch mit dem gedächtnistheoretischen Subtext verknüpft wird, zu den pointiertesten Duelldarstellungen, die seit langem im Mainstream-Kino zu bestaunen waren.“
Daniel Sander resümiert in SPIEGEL-online: „Schade ist nur, dass sich der Film die meiste Zeit so schrecklich ernst nimmt. Um die Macht des Glaubens soll es gehen, um menschliche Urinstinkte, um Hoffnung in alptraumhaften Zeiten - doch innerhalb eines derart wilden Genremixes bleibt keine Zeit, auf irgendetwas näher einzugehen. Die Ideen bleiben vage und unausgegoren, was nicht so schlimm wäre, wenn sie nicht immer so schicksalsschwer vorgetragen würden. "The Book of Eli" will unbedingt spannend sein und unterhaltsam, aber auch wichtig, ein bisschen wenigstens. Doch ein bisschen wichtig, das gibt es nicht.“

Noten: Melonie = 5, BigDoc, Mr. Mendez = 4