Montag, 24. Januar 2011

The Social Network

USA 2010 - Regie: David Fincher - Darsteller: Jesse Eisenberg, Andrew Garfield, Justin Timberlake, Brenda Song, Rashida Jones, Joseph Mazzello, Rooney Mara, Malese Jow, Armie Hammer, Max Minghella - FSK: ab 12 - Länge: 121 min.

David Finchers Biopic über den „Facebook“-Initiator Mark Zuckerberg ist eine verschachtelte und sehr distanzierte Betrachtung des verstrickten Rechtsstreits um die möglicherweise populärste Web-Community der Gegenwart. Das Hauptproblem des Films ist sein Sujet: Fincher präsentiert einen gerissenen Nerd, der (vermutlich) seine Freunde übers Ohr gehauen hat und nicht einmal als Negativfigur richtig funktioniert. Filme mit einer lauwarmen Hauptfigur sind selten erfreulich. Fincher schafft den Spagat, ohne dass rechte Freude aufkommt.
Als der Harvard-Student Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg, „Zombieland“) an einem herbstlichen Abend des Jahres 2003 von seiner Freundin den Laufpass erhält, ist die Figur bereits klar konturiert: das junge Computergenie ist weitgehend empathiefrei und auf eine naive Weise arrogant – und, so stellt seine Freundin Erica fest, „einfach ein Arschloch“. So schafft man sich keine Freunde.
Um sich für die Abfuhr zu rächen, hackt Mark den Campus-Server und stellt kurz entschlossen mit FaceMash eine Site ins Netz, die es seinen männlichen Kommilitonen erlaubt, die weiblichen Studentinnen der Elite-Universität einem Sex Appeal-Rating zu unterziehen. Die Seite wird ein Hit.
Schon bald werden mit Cameron und Tyler Winklevoss zwei Upper Class-Studenten auf Zuckerberg aufmerksam. Ihre Idee ist einfach: ein elitäres soziales Web-Netzwerk zu entwickeln, für das Zuckerberg der geeignete Programmierer zu sein scheint. Zuckerberg lässt sich überzeugen, taucht dann aber ab und programmiert auf eigene Faust und finanziell unterstützt von seinem engen Freund Eduardo Saverin (der neue „Spider-Man“ Andrew Garfield) ein eigenes Projekt: thefacebook.com. Es ähnelt, zumindest in groben Zügen, der Vision der Winklevoss-Zwillinge. Der Ärger ist natürlich vorprogrammiert.

„Ich rede davon, sämtliche sozialen Erlebnisse im College online zu stellen.“
„Facebook“ hat Mark Zuckerberg zum jüngsten Milliardär aller Zeiten gemacht. Der Weg an die Spitze war mit Prozessen und ruinierten Beziehungen gepflastert.
Während sich Zuckerberg mit den Ansprüchen des eiskalt abservierten Saverin und den Urheberrechtsansprüchen der Winklevoss-Brüder auseinandersetzen muss, rollt Fincher diesen Aspekt der Story mit einer Serie von Flashbacks auf, die zweifellos einige Innenansichten des Facebook-Gründers und auch einige Spotlights auf die Web-Kultur erlauben. Die Aktualität des Sujets ist auch dessen größtes Problem, denn immer noch scheint die Frage nach der Urheberschaft des Ganzen umstritten zu sein. Umstritten ist deshalb auch die Authentizität des Films, die – je nach Position der Betroffenen – im höchsten Maße gelobt wird, während die Pro-Zuckerberg-Fraktion eher Zweifel anmeldet.

 Fincher hat sich mit Zodiac (2007) auf etwas Ähnliches eingelassen, nur hatte man dort den Eindruck, dass sich Realität und Mythos einigermaßen die Waage gehalten haben. Das lag auch daran, dass Fincher in Zodiac neben dem obligatorischen „Whodunit“-Plot auch gelungene Portraits der Killer-Fahnder abgeliefert hat, deren Obsession beim Zuschauer durchaus Teilnahme und Sympathie auslösen konnte. Zumindest ging mir das so, während die „Facebook“-Kultur und die Beweggründe ihrer Fans mir leider ebenso verschlossen bleiben wie die Motive des fiktiven Zuckerberg, der irgendwo zwischen eiskalt und infantil verortet ist. Vermutlich liegt dies daran, dass für mich das fröhliche Exhibitionieren im World Wide Web irgendwie wesensfremd geblieben ist. Allein schon die spektakuläre Laxheit der Betreiber im Umgang mit persönlichen Daten jagt mir kalte Schauer über den Rücken.
Auf der anderen Seite ist es aus kulturkritischer Sicht sicher ein Phänomen allererste Güte, wenn man mit einer an sich recht schlichten Idee den Zeitgeist mitten ins Mark trifft und plötzlich Millionen scheffelt. Es ist der auf brachiale Weise fleischgewordene American Dream, der sich hier austobt.
Derartige Reflexionen tauchen in „The Social network“ höchstens am Rande auf, was man dem Film allerdings nicht vorwerfen mag, hat Fincher sein Thema doch eindeutig definiert: es geht um den Aufstieg eines jungen Mannes, der seine Post-Adoleszenz-Probleme auf grandiose Art vergoldet und dabei in das Netzwerk gewiefter Haifische im undurchsichtigen Geflecht atemberaubender finanzieller Transaktionen gerät. Sei es nun der Mitgründer der Musiktauschbörse Napster Sean Parker (Justin Timberlake) oder der hoch-intelligente PayPal-Finanzier Peter Thiel (über den man wahrscheinlich einen noch interessanteren Film machen könnte) – die Liste der Geldgeber, die das Projekt entschlossen pushten, ist lang: sie reicht von Microsoft bis hinzu Goldman Sachs und Mail.ru. Auf 50 Milliarden US-Dollar wird Facebook geschätzt und Zuckerberg hält 24% des Unternehmens.

Konventionelles Portrait einer Schattenwelt
Zum Glück hat sich David Fincher nicht vom hektischen Gebaren dieser Schattenwelt anstecken lassen. „The Social Network“ ist ein erstaunlich ruhiger und konventioneller Film, dessen Montage erstaunlich wenig persönlichen Stil erkennen lässt. Nur einmal, als Fincher ein traditionsreiches Ruderrennen ins Bild setzt, blitzt sein Gespür für beeindruckende Motivwahl und eleganten Rhythmus auf.
Vielleicht ist der gelassene und distanzierte Erzählstil auch angemessen. Während sich die Figuren Finchers im Rausch des Geldverdienens beschleunigen und selbst enge Freunde Zuckerbergs auf der Strecke bleiben, tritt Fincher immer wieder auf die Bremse und konterkariert damit das irrwitzige Tempo einer fremdartigen Welt. Vielleicht ist das auch gewollt und am Ende wird man „The Social Network“ in einigen Jahren als das sehen, was auch Oliver Stones „Wall Street“ einmal gewesen ist: das Portrait einer menschenfeindlichen Kultur, die eine simple Kontaktbörse in eines der erfolgreichsten Geschäftsmodelle der Gegenwart verwandelt hat. Das Wesen dieser Kultur erkennt man nur erkennt, wenn man einen Blick hinter die Kulissen wirft oder eine persönliche Tragödie shakespeareschen Ausmaßes skizziert. Aber „The Social Network“ ist nicht Citizen Kane und Zuckerberg hat auch kein „Rosebud“-Geheimnis.
Im Falle von „Wall Street“ hat die Realität den Film längst überholt. Hoffen wir, dass dies nicht mit „The Social Network“ geschieht, denn ich habe gewisse Zweifel, ob ich mich in diesen neuen Zeitläuften wohl fühlen würde.

Note: BigDoc = 2,5